Article

 

16.01.1998

Die Schweiz im Jubiläumsjahr 1998

Albisgüetli-Rede 1998

27.12.1997

«Ich setzte voll auf EMS»

Christoph Blochers Bekenntnis zur Ems-Chemie Interview mit der "Südostschweiz" vom 27. Dezember 1999 In aller Stille hat Mehrheitsaktionär Christoph Blocher die Kapitalmehrheit der Ems-Chemie erworben. Er will sich künftig voll und ganz auf die Weiterentwicklung des Milliardenunternehmens konzentrieren. von Norbert Waser In einer schlichten Pressemitteilung gab die Ems-Chemie- Holding am 11. Dezember kurz nach Börsenschluss bekannt, dass Christoph Blocher seine Mehrheitsbeteiligung an der Ems-Chemie-Holding über seine Gesellschaft Emesta-Holding weiter ausgebaut habe. Zu diesem Zweck habe die Emesta 130 000 Inhaberaktien der Ems-Chemie-Holding zum Preis von 7025 Franken erworben. Die dazu erforderlichen 913 Millionen Franken hat sich Christoph Blocher durch den Verkauf seiner Beteiligung an Martin Ebners Pharma Vision und seines Aktienpakets der Schweizerischen Bankgesellschaft (UBS) beschafft. Damit hält Blocher an der Ems-Chemie Holding 76,1 Prozent der Stimmen und mit 50,6 Prozent des Kapitals erstmals auch eine finanzielle Mehrheit. Volle Konzentration auf die Ems-Chemie Für Christoph Blocher ging mit dem Erreichen der Kapitalmehrheit ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung, wie er in einem Interview mit der "Südostschweiz" erklärte. "Ich konzentriere mich nun voll auf Ems", so sein klares Bekenntnis und eine deutliche Absage an aufkeimende Gerüchte über Verkaufsabsichten. Die Ems-Chemie sei heute ein Musterbeispiel eines globalisierten Betriebes, sagte Christoph Blocher gegenüber der SO. Fusionen seien für ihn kein Thema, die Ems-Chemie könne gut alleine bestehen und besitze gute Weiterentwicklungsmöglichkeiten. Eine Milliarde Umsatz Im zu Ende gehenden Jahr wird die Ems-Chemie gemäss Aussage von Christoph Blocher erstmals in der Firmengeschichte die Schwelle von einer Milliarde Umsatz Überschreiten. Als Blocher 1983 bei Ems einstieg, lag der Umsatz noch bei 240 Millionen Franken. Auf diesem Wachstumskurs möchte der Ems-Chemie-Chef künftig auf gestärkter finanzieller Basis fortfahren. * * * «Anders und besser sein» Christoph Blocher steuert die Ems-Chemie mit gestärktem Rücken in die Zukunft Christoph Blocher setzt voll und ganz auf die Ems-Chemie und lässt sich dieses Bekenntnis über 900 Millionen Franken kosten. Seit wenigen Wochen besitzt der Mehrheitsaktionär auch die Mehrheit des Kapitals. Was das für ihn bedeutet und welche Pläne er mit seiner Firma hat, sagt der Ems-Chef im folgenden Interview. Seit wenigen Wochen besitzen Sie in der Ems-Chemie-Holding nicht nur die Mehrheit der Stimmen sondern auch die Mehrheit des Kapitals. Ist Ihnen dieser feine Unterschied 913 Millionen Franken wert? Christoph Blocher: Es ist in einem Unternehmen wichtig, dass man nicht nur die Mehrheit der Stimmen besitzt, sondern auch das Kapital. Bisher war mir das aus finanziellen Gründen nicht möglich, was immer wieder auch zu Kritik Anlass gab. Das wollte ich bei der erstbesten Gelegenheit ändern, was mir nun auch gelungen ist. Sie haben für diesen finanziellen Effort Ihre Beteiligung an Martin Ebners Pharma Vision und auch Ihr Aktienpaket der UBS verkauft. Weshalb haben Sie ohne Not diesen sprudelnden Geldhahn zugedreht? Blocher: Ich bin ein Unternehmer, und jede Beteiligung hat für mich einen tieferen Sinn. Ich verstehe etwas von Chemie, und Herr Ebner versteht etwas vom Bankwesen. Die von uns gegründete Pharma Vision erreichte einen jährlichen Wertzuwachs von 30 Prozent, was unsere Erwartungen weit übertroffen hat. Inzwischen hat Martin Ebner weitere Visionen geschaffen, bei denen ich mich nicht beteiligen wollte und konnte. Nun ist der Zeitpunkt gekommen, da ich mich voll auf die Ems-Chemie konzentrieren möchte und Herr Ebner sich voll seinen Visionen widmet. Was das Aktienpaket der Bankgesellschaft anbetrifft, hatte dieses nach meiner Zeit als Verwaltungsrat keinen Sinn mehr. Von diesem wollte ich mich bei Gelegenheit trennen, und im letzten Sommer habe ich das auch getan. War dieser Zeitpunkt rückblickend nicht etwas zu früh? Blocher: Ich bin kein Börsianer, sondern ein Industrieller. Für mich war damals der richtige Zeitpunkt. Wie kommentiert Christoph Blocher als nunmehr Aussenstehender den Auszug von Martin Ebners BZ-Bank aus Zürich und die Fusion von UBS und Bankverein? Blocher: Die Fusion von UBS und Bankverein ist leider eine Überlebensnotwendigkeit. Der Fehler dieser beiden Grossbanken war, dass sie zu lange gross und universal bleiben wollten und sich nicht konzentriert haben. Dadurch haben sie zuviel Kapazitäten und auch zuviel Personal aufgebaut. Der Fehler ist nicht, dass nun 13'000 Stellen gestrichen werden müssen, sondern dass diese überhaupt geschaffen wurden. Zu dieser Zeit waren Sie aber auch mitverantwortlicher Verwaltungsrat der Bankgesellschaft... Blocher: Das stimmt! Es ist aber auch bekannt, dass ich im Verwaltungsrat kein besonders gutes Verhältnis hatte. Ohne die Schweigepflicht zu verletzen, darf ich sicher sagen, dass ich Differenzen hatte. Grossaktionär Ebner war einer der ersten, der öffentlich eine Kurskorrektur verlangte. Wäre diese früher erfolgt, wäre sie möglicherweise weniger schmerzhaft ausgefallen als jetzt. Was den Umzug von Martin Ebner von Zürich an seinen Wohnort Freienbach betrifft: Ich wäre schon früher gegangen. Er hätte seine Bank wohl schon dort gegründet, wenn es die elektronische Börse damals schon gegeben hätte. Aber eine Börsenbank musste ihren Sitz am Börsenplatz Zürich haben. Wenn er durch den nun erfolgten Umzug auch noch weniger Steuern bezahlen muss, ist das legitim. Herr Ebner hat in Zürich in zehn Jahren über 200 Millionen Franken Steuern bezahlt, aber kein Mensch bezahlt mehr Steuern als er muss. Zu Kritik hat vor allem die mit dem Wechsel des Steuersystems verbundene Steuereinsparung geführt. Glauben Sie, dass Martin Ebner dieses Schlupfloch auch genutzt hätte, wenn er um den folgenden Wirbel gewusst hätte. Blocher: Martin Ebner ist ein sehr konsequenter Geschäftsmann. Kostenbewusstsein ist für ihn eine Verpflichtung gegenüber dem Unternehmen. Diese nimmt er wahr und lässt sich durch Kritik nicht davon abbringen. Zurück zur Ems-Chemie. Welche Rolle spielt im ganzen Ems-Gebilde die Emesta Holding AG mit Sitz in Zug? Blocher: Die Ems-Gruppe gehörte früher zu nicht ganz 50 Prozent der Oswald-Holding des Firmengründers Dr. Oswald. 1983 kaufte ich nicht die Ems-Chemie-Holding sondern die Oswald-Holding. Die in Emesta umbenannte Holding ist meine100-Prozent-Tochtergesellschaft, in der meine ganze Beteiligung an der Ems-Chemie-Gruppe liegt. über diese Holding wickle ich meine industriellen Tätigkeiten ab. Aus den nun erfolgten Aktientransaktionen ist für die Ems-Chemie-Holding ein Finanzgewinn von 27,5 Millionen Franken entstanden. Wie ist dieser zu erklären? Blocher: Als ich den Plan hatte, Aktien der Ems-Chemie aufzukaufen, lag es mir daran, die Übrigen Aktionäre nicht zu benachteiligen. Darum habe ich die Aktien zu marktgängigen Kursen über die Ems-Chemie-Holding gekauft und an die Emesta veräussert. Der durch den Verkauf an die Emesta entstandene Gewinn kommt nun allen Aktionären zugute. Sie können bei der Ems-Chemie nun endgültig nach Ihrem Gusto schalten und walten. Welche Konsequenzen hat dies Für die Zukunftsstrategie des Unternehmens? Blocher: Keine! Ich habe mich mit dieser Firma bereits bisher so identifiziert, als gehörte sie zu 100 Prozent mir und werde das auch in Zukunft so handhaben. Dies auch zur Zufriedenheit der Übrigen Aktionäre, die dank der stetig steigenden Aktienkurse noch nie Geld mit der Ems-Chemie verloren haben. Es gab in der Fachpresse immer wieder Spekulationen darüber, dass auch der Verkauf der Ems-Chemie ein Thema werden könnte. Wem und für wieviel würden Sie die Ems-Chemie verkaufen? Blocher: Es besteht keinerlei Absicht, die Ems-Gruppe zu verkaufen. Im Gegenteil, ich konzentriere mich in Zukunft och verstärkt auf Ems. Ein Verkauf oder eine Fusion käme für mich nur dann in Frage, wenn ich keinen anderen Ausweg mehr sehen würde. Dem ist aber nicht so, wir können gut alleine bestehen und ich sehe auch noch Entwicklungsmöglichkeiten. Mit dem Geld, das ich aus einem Verkauf der Firma lösen würde, würde ich sofort wieder Ems-Aktien kaufen. Wenn Sie die Ems-Chemie nicht verkaufen wollen, stellen Sie die Weichen für die Zeit nach Christoph Blocher? Blocher: Wenn man älter wird, muss man auch daran denken. Ich habe vier Kinder, die sich alle in der Weiterausbildung in Berufen mit wirtschaftlichem Hintergrund befinden. Ich kann heute aber noch nicht sagen, ob sie erstens gewillt und zweitens fähig sind, dereinst eine Funktion in der Firma zu Übernehmen. Mich Würde das selbstverständlich freuen. Das wird aber nicht heute und morgen sein, ich habe jedenfalls noch nicht die Absicht abzutreten. Die Mitarbeiter der Ems-Chemie haben dieses Jahr - gemäss Mitteilung - "als einmalige aussergewöhnliche Sondermassnahme" 1300 Franken erhalten. Erfolgsprämien müssen im Hause Blocher hart verdient werden... Blocher: Die Leute haben einen rechten Lohn, erhielten ein 13. Monatssalär und haben einen sicheren Arbeitsplatz. Das zu gewährleisten ist unsere Aufgabe. Wir bezahlen Überdurchschnittliche Löhne, was in Graubünden sogar schon verschiedentlich zu Kritik anderer Arbeitgeber geführt hat. Die leitenden Leute erhalten einen Teil ihres Gehalts als Prämie nach Leistung und Betriebsergebnis. Die Übrigen Angestellten bekommen die Anfang Jahr bei Erreichen der gesetzten Ziele versprochene Prämie. Weil das Ergebnis dieses Jahr besonders erfreulich ausfallen wird, ist diese Prämie mit 1300 Franken pro Mitarbeiter stattlich ausgefallen. In einer Zeit der Verunsicherung durch Fusionen und Globalisierung der Märkte scheint sich die Ems-Chemie wie eine Trutzburg zu behaupten. Sehen Sie da Parallelen zur Rolle der Schweiz in Europa? Blocher: Durchaus. Die Globalisierung hat zur Folge, dass immer mehr Unternehmen in unsere Märkte eindringen. Wenn wir nicht aufpassen, werden wir erdrückt. Das, was wir machen, können immer mehr Konkurrenten auch, nur haben diese meist niedrigere Lohnkosten. Aus diesem Grund galt immer mein Bestreben, Produkte herzustellen, mit denen wir auch in Zukunft Chancen haben. So sahen wir beispielsweise, dass die Textilindustrie immer mehr in den Fernen Osten abwandert. Aus diesem Grund senkten wir unseren Produktionsanteil an Fasern von einst fast 100 Prozent auf einige wenige Spezialfasern. Heute beweisen wir, dass man unter Ausnützung der Stärken des Standorts Schweiz sowohl weltweit konkurrenzfähig sein als auch hohe Löhne bezahlen kann. Wir sind ein Musterbeispiel eines globalisierten Betriebes, verkaufen wir doch 92 Prozent unserer Produkte im Ausland, 60 Prozent im EU-Raum, produzieren aber 80 Prozent in der Schweiz. Die Schweiz kann auf diesem hohen Niveau und dem im Vergleich mit dem Ausland sehr hohen Lebensstandard nur bestehen, wenn sich die Schweiz mit ihrer Besonderheit auf den internationalen Märkten durchsetzt, aber auch ihre besondere Staatsstruktur erhält. Anders und besser sein - muss in Wirtschaft und Politik die Devise sein! * * * Christoph Blocher: Kurz und bündig Zu Stichworten befragt von Norbert Waser Euro: Der wird kommen, und dann gibt es einfach eine Währung mehr in Europa. Für die Schweiz ist das kein Problem, für den Export wird es sogar ein Vorteil sein. Kapitalgewinnsteuer: Wäre ein grosser Blödsinn. Diese hat bereits bei den Kantonen nichts gebracht und wenn sie prohibitiv erhoben wird, wandern die Reichen ins Ausland ab. Bilaterale Verhandlungen: Solche haben wir seit die Eidgenossenschaft besteht und waren immer ein Geknorz. Auch diese werden irgendwann zu Ende gehen. Auns: Die Aktion unabhängige und neutrale Schweiz ist heute mit über 25 000 Mitgliedern die führende Kraft, die für die Unabhängigkeit und Neutralität der Schweiz einsteht. Expo 2001: Wird eine Landesausstellung, der ich noch mit etwas gemischten Gefühlen entgegensehe. Ich weiss noch nicht, ob diese durch eine grosse Volksbegeisterung getragen wird oder ob es nur etwas für einen exklusiven Kreis von Leuten gibt. Gaskraftwerk: Wäre eine gute, neue Möglichkeit für die Wirtschaft und für die Ems-Chemie eine Chance, billige Energie zu erzeugen und den Standort Graubünden zu stärken. Ferien: Notwendig, für mich leider meist etwas zu kurz. Erzbischof Haas: Der gehört zur anderen Konfession. Er ist katholisch und vermutlich recht katholisch.

17.12.1997

Keiner zahlt gerne viel Steuern – Politiker schon gar nicht

Interview mit dem BLICK vom 17. Dezember 1997 Interview: Georges Wüthrich Wieso haben Sie sich von Ebner getrennt? Christoph Blocher: Ich habe mich nicht von Ebner getrennt. Ich habe meine Beteiligung an der Pharma-Vision für zirka 360 Millionen Franken verkauft, weil ich eine grössere eigene Beteiligung an der EMS-Chemie wollte. Diese konnte ich nicht anders finanzieren. Ich will mich künftig auf mein Unternehmen konzentrieren und Herr Ebner sich auf die Vision. Sie sind wieder einmal im rechten Moment abgesprungen - vor Ebners Steuerflucht. Blocher: Nein. Es handelt sich auch nicht um Steuerflucht. Ebner ist in Freienbach aufgewachsen und wohnt in Freienbach. Nach Einführung der elektronischen Börse gab es für ihn keinen Grund mehr, mit der BZ-Bank in Zürich zu bleiben. Ebner wird als Lump bezeichnet - und zwar von Bürgerlichen! Blocher: Was sich hier abspielt, ist eine gross angelegte Heuchelei. Ich mache bei dieser mittelalterlichen "Ketzer-Verbrennung" nicht mit. Ich habe noch nie einen erlebt, der gerne möglichst viel Steuern zahlt, Politiker schon gar nicht. Jetzt wird plötzlich so getan, als wäre es ein sozialer Volkssport, möglichst viel Steuern zu zahlen. Welche Politiker meinen Sie? Blocher: Nehmen wir die beiden Bundesräte, die nun verurteilen, dass einer völlig legal dafür gesorgt hat, dass er nicht zuviel Steuern zahlen muss. Und die Bundesräte? Sie zahlen keine AHV-Beiträge. Diese übernimmt der Bund. Sie entrichten keine Pensionskassen-Beiträge und erhalten nach dem Rücktritt ein Ruhegehalt. Und jetzt erklären sie, dass sie gerne Steuern bezahlen! Auch die Parlamentarier haben schliesslich dafür gesorgt, dass sie möglichst viel von ihren Bezügen vom Einkommen abziehen können. Dennoch, als protestantischem Pfarrerssohn müsste Ihnen diese rücksichtslose Geldscheffelei widerstreben! Blocher: Es ist doch die höchste und vornehmste Pflicht eines Unternehmers dafür zu sorgen, dass es dem Unternehmen möglichst gut geht. Dann können wir auch sozial sein. Ich kenne genügend Unternehmen, die zugrunde gegangen sind, weil sie zuwenig Gewinn machten. Und die gesellschaftliche Verantwortung, auch der Stadt Zürich gegenüber? Blocher: Ich wäre schon viel früher gegangen. Ebner musste sich aus dem Stadtrat als Casino-Sozialist beschimpfen lassen, weil er angeblich keine Steuern zahle. Jetzt heisst es plötzlich, er sei der grösste Steuerzahler in der Stadt Zürich. In den letzten Jahren sind 150 Firmen jährlich aus Zürich ausgezogen. Der Stadtrat von Zürich sollte eigentlich den Wirtschafts-Förderungspreis des Kantons Schwyz erhalten. Wie viele 100 Millionen haben Sie zusammen mit Ebner verdient? Blocher: Das weiss ich nicht. Ich habe mit ihm die Pharma-Vision gegründet, damit unser Geld, auch die Pensionskassengelder, besser angelegt werden. Mit Ebners Hilfe hat unsere Pensionskasse in den letzten drei Jahren 12 Prozent Rendite abgeworfen. Das gibt weniger Lohnabzüge oder höhere Leistungen für meine Mitarbeiter. Und was ist mit den Sozialwerken des Bundes? Die Rechnung der Pensionskasse kann man nicht abnehmen. Es fehlen 16 Milliarden. Die AHV-Gelder sind miserabel angelegt. All jenen, die Steuerschlupflöcher ausnutzen wollen, hat Ebner doch einen Bärendienst erwiesen? Blocher: Klar wird das jetzt alles ausgeschlachtet für neue Steuern. Leider auch von höchster Stelle. Verantwortungslos! Die alte Leier. Blocher: Nein, ich persönlich zahle an meinem Wohnort 10 bis 15 Millionen Franken Steuern. In einem anderen Kanton wären es vielleicht vier bis sieben Millionen. Im Ausland werden mir Wohnsitze angeboten, wo ich nur 600'000 Franken zahlen müsste. Wann gehen Sie? Blocher: Ich bleibe selbstverständlich meinem Land treu, solange ich das kann. Aber viele werden ausweichen, andere werden nicht kommen Die SP verlangt eine Sondersession. Blocher: Eine Session, weil Ebner zügelt? Lächerlich. Die SP kommt mit Ladenhütern, die nur den Wirtschaftsstandort schwächen, mehr Arbeitslose bringen und für alle höhere Steuern.

10.12.1997

Globales Denken ist notwendig

Christoph Blocher zur Bankenfusion Interview mit "Finanz und Wirtschaft" vom 10. Dezember 1997 Interview: Peter Morf Herr Blocher, wie beurteilen Sie als Politiker und ehemaliger VR der UBS die Fusion mit dem Bankverein? Christoph Blocher: Die Fusion ist eine Folge des Umdenkens in den Banken. Sie haben erkannt, dass sie Schwergewichte setzen müssen. In diesem Fall ist die Fusion zukunftsträchtig. Sie ist schmerzlich wegen des Verlusts an Arbeitsplätzen, aber im Grund genommen hätte man diesen Schritt zehn Jahre früher tunmüssen, ehe die Kapazitäten aufgebaut worden sind. Ausgerechnet jene Kreise, die den EU-Beitritt der Schweiz am vehementesten fordern, machen sich für den Alleingang der Banken stark. Welche Logik steckt dahinter? Blocher: Das überrascht mich nicht. Den EU-Beitritt zu fordern, ohne die Folgen zu sehen, ist einfach. Sobald ein negativer Aspekt auftritt, wird rasch das Gegenteil vertreten. Hingegen ist globales Denken heute eine Notwendigkeit und für mich als international tätiger Unternehmer eine Selbstverständlichkeit, auch wenn ich den EU-Beitritt nicht befürworte. Wir stehen unter einem Konkurrenzdruck, dem wir besser standhalten können, wenn wir unser Schicksal selbst bestimmen. Was kann ein nationaler Politiker vis-à-vis des Trends zur Globalisierung tun? Blocher: Der Politiker muss dafür sorgen, dass im eigenen Land möglichst viele Unternehmen konkurrenzfähig sein können und Arbeitsplätze zur Verfügung stellen. Das heisst Freiraum schaffen, möglichst wenig Steuern, Abgaben und Gebühren, also den Haushalt sanieren, und wenig Bürokratie. Die Fusion bringt einen massiven Stellenabbau. Diesem stehen Milliardengewinne der Banken gegenüber. Wie soll das der Bürger verstehen? Blocher: Wir müssen dem Bürger klar sagen, wie die Situation ist. Die Banken haben in den letzten Jahren 40 Mrd. Fr. auf faulen Liegenschaften abgeschrieben und im vergangenen Jahr Verluste ausgewiesen. Zudem sind die Gewinne in Relation zum gebundenen Kapital gar nicht so immens. Aber die Forderung nach einer Kapitalgewinnsteuer wird gleichwohl immer lauter... Blocher: Eine Kapitalgewinnsteuer ist verlockend, wenn private Kapitalgewinne erzielt werden. Es wird allerdings vergessen, dass auch immer wieder Verluste anfallen. Die Kantone haben die Steuer abgeschafft, weil der Aufwand in der Endabrechnung grösser war als der Ertrag. Ist eine solche Steuer noch zu verhindern? Blocher: Ja. Es wäre eine grosse Dummheit, wenn wir diese Steuer einführten. Die Wirtschaft würde dadurch erneut geschwächt. Im Zusammenhang mit der Kapitalgewinnsteuer und den Medienberichten über hohe Vermögen wird oft das Argument der Gerechtigkeit bemüht. Gibt es einen gerechten oder ungerechten Gewinn? Blocher: Steuergerechtigkeit heisst für die meisten Leute, dass die andern bezahlen sollen. Viele Manager lösen sich immer mehr von der Politik und Gesellschaft. Wie kann man sie wieder in die soziale Verantwortung einbinden? Blocher: Ich stelle enttäuscht fest, dass sich viele leitende Personen aus der Wirtschaft nicht mehr um die Politik kümmern. Das hat auch mit der Globalisierung zu tun. Ob all dem internationalen Engagement entsteht die Meinung, man müsse sich nicht mehr um die Zustände im eigenen Land kümmern. Es besteht die Gefahr, dass Berufspolitiker Oberhand gewinnen, die nicht wirtschaftlich denken. Umgekehrt gibt es auch Manager, die die politischen Zusammenhänge nicht mehr sehen. Früher oder später werden sie jedoch merken, dass sie betroffen sind. Wer nicht politisiert, mit dem wird politisiert.

07.12.1997

Des Kaisers neue Kleider

Meine Kolumne für die SonntagsZeitung vom 7. Dezember 1997 Vor 5 Jahren - am 6. Dezember 1992 - haben das Schweizervolk und die Stände bei einer ungewöhnlich hohen Stimmbeteiligung von 78,3 % - der höchsten seit 1947 - den EWR-Vertrag abgelehnt. Die Schweiz hat sich für die Freiheit und die Selbstbestimmung entschieden. Offenbar war das Schweizervolk der Meinung, dass die Schweiz die zweifelsohne schwierige Zukunft in Eigenverantwortung besser meistern kann, als wenn sie in einen grosseuropäischen Bundesstaat eingegliedert wird. Bedrohliche Prognosen Dieses Resultat kam zustande, obwohl die offizielle Schweiz - die "classe politique" -, allen voran der Bundesrat, das Parlament und die Parteien, die Presse, die Massenmedien, die Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände, zahlreiche Hochschullehrer und wissenschaftliche Institute, Manager internationaler Konzerne, volkswirtschaftliche Berater der Grossbanken, Kulturschaffende - kurz: alles, was Rang und Namen hatte - in einem fast unheimlich eintönigen und gedankenlosen Chor schwerwiegende Nachteile für den Fall des EWR-Neins prophezeite. Die wirtschaftlichen Konsequenzen wären fürchterlich, hiess es. Konkret wurde eine massive Abwanderung schweizerischer Firmen in den EU-Raum, ein wirtschaftlicher Vertrauensverlust in unser Land, der Zerfall des Schweizerfrankens mit grässlichen Folgen für Zinsen und Inflation, Börseneinbrüche etc. vorausgesagt. Kurz: Wer den Mut hatte, zum eigenen Weg zu stehen, musste bereit sein, negative Auswirkungen in Kauf zu nehmen. Und siehe da: Das Volk entschied sich trotzdem für die Selbständigkeit. Warum diese Fehlprognosen? Wer heute - 5 Jahre nach dem EWR-Nein - unvoreingenommen Bilanz zieht, merkt, dass es sich bei all diesen katastrophalen Prognosen um gigantische Fehlurteile gehandelt hat. So ziemlich genau das Gegenteil der angedrohten Prognosen ist eingetreten. Man fragt sich, wie es eigentlich dazu kommen konnte, dass alle sogenannt führenden Kreise damals diese Fehlprognosen so einhellig gemacht und vielleicht sogar selbst geglaubt haben. Warum konnte es passieren, dass alle grossen Zeitungen, die meisten Politiker, Massenmedien, Kulturschaffende, die Grosskonzerne, die Gewerkschaften bis hin zur Mehrzahl der Wissenschaftler an so unsinnige Prognosen glaubten oder diese zumindest verkündeten? Und warum hat ein "unwissendes" ("Die Dummen haben nein gestimmt") Volk diese Gehirnwäsche überstanden? Der Kaiser ist nackt Kennen Sie das berühmte Andersen-Märchen von des Kaisers neuen Kleidern? Vom Kaiser, der splitternackt durch die Strassen stolzierte, weil ihm seine Berater neue Kleider aufgeschwatzt hatten, die angeblich nur von gescheiten Leuten gesehen wurden. Wer wollte schon zugeben, dass er diese Kleider nicht sah? Auch der Kaiser selbst hütete sich davor. So lobten nun all die führenden Leute des Kaiserreiches die prächtigen neuen Kleider des nackten Kaisers. Keiner wollte als dumm gelten, jeder wollte bei den sogenannt gescheiten dabeisein. So wollte es der Trend. So war es "in". So gehörte es sich. Wer etwas auf sich gab, stimmte in den unkritischen Chor mit ein: "Wie prächtig sind doch diese Kleider!" Bis endlich ein kleines Kind, unschuldig, unverdorben und ohne Hemmungen - wie Kinder das oft tun - die Wahrheit beim Namen nannte: "Seht doch den Kaiser, er ist ja ganz nackt!" Damit war der Spuk vorbei. Der Mythos der Integration Spätestens heute kommt es aus: Die EU ist für die führenden, sich gescheit gebenden Kreise ein nackter Kaiser. Sie ist für die offizielle Schweiz und die Medien längst zu einem Mythos geworden, der das kritische, eigenständige Denken einschläfert. Das machte und macht blind für die Tatsache, dass die EU-Struktur auf dem veralteten Machbarkeitswahn und auf das überholte planwirtschaftliche Denken der sechziger Jahre zurückgeht. In ihrer Blindheit kann die offizielle Schweiz die Stärken eines übersichtlichen, dezentralen Kleinstaates nicht mehr erkennen, weil sie von der Grösse und Aufgeblasenheit zentraler Strukturen geblendet ist. Was als zeitgemäss und zukunftsträchtig angepriesen wird, ist in Wirklichkeit längst überholt. Die Gescheit-sein-Wollenden realisieren nicht, dass die Zugehörigkeit unseres Landes zur EU die künftigen Probleme der Schweizerinnen und Schweizer in keiner Art und Weise lösen kann. Man verkennt, dass es der Schweiz ausserhalb der EU wesentlich besser geht als den EU-Staaten. Es wird auch unkritisch darüber hinweggesehen, dass die vor 5 Jahren gestellten negativen Prognosen nicht nur nicht eingetroffen sind, sondern so ziemlich genau das Gegenteil. Blind für die Wirklichkeit! Glaube an die Freiheit statt an die Prognosen Nun fragen sie wieder - auch die "SonntagsZeitung": "Wie sieht es denn aus mit der Schweiz im Jahre 2010?" Erneut werden die gleichen Prognostiker wichtigtuerisch die gleichen Fehlurteile abgeben wie vor 5 Jahren. Auch ich werde gefragt. Ich frage mich: Wie wird die Schweiz im Jahre 2010 aussehen? Ich weiss es nicht. Kann und muss ich das überhaupt wissen? Nein - muss ich nicht. Aber eines weiss ich: Mit der politischen Freiheit ist auch die wirtschaftliche Freiheit des Volkes besser gesichert. Eine unabhängige und souveräne Schweiz hat die Chance, innovativer, wirtschaftlich leistungsfähiger und konkurrenzfähiger zu sein als die schwerfällige Europäische Union. Geht die Schweiz ihren eigenen Weg, wird es den Schweizern besser gehen, d.h. Wohlfahrt, Freiheit und Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger werden auch im Jahre 2010 grösser sein, als wenn sich unser Land den Machtstrukturen der Europäischen Union unterordnen müsste. Die Konsequenzen eines EU-Beitrittes - auch dies lässt sich unschwer feststellen - wären: - das Ende der tatsächlichen direkten Demokratie in allen EU-Belangen - die Abtretung politischer Macht des Volkes an die Regierungen in Bern und Brüssel - den Verzicht auf eine eigenständige Aussen- und Sicherheitspolitik - den Verzicht auf die Neutralität - EU-Machtpolitik anstelle Schweizer Selbstbestimmung - Einschränkung der Handlungsfreiheit - Anheizung der Arbeitslosigkeit - Reduktion des Wohlstandes - Lohneinbussen - höhere Schuldzinsen - höhere Hypothekarzinsen - zusätzliche und höhere Steuern - Heraufsetzung der Mehrwertsteuer von 6,5 % auf mindestens 15 % - Verzicht auf den Schweizerfranken und Verlust von Volksvermögen - Aufhebung der Grenzkontrollen und der nationalen Einwanderungspolitik - weniger Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger - Rückkehr zu feudalistischen Zuständen in der Politik durch Reduktion der Entscheidungsträger und - Einschränkung des Mitspracherechtes des Volkes. Weitermachen Aus all diesen Gründen lohnt sich der Kampf für die Freiheit und Unabhängigkeit. Der Einsatz dafür ist heute zur zentralen Aufgabe geworden. Aber Freiheit und Unabhängigkeit allein genügen nicht, um dem Land eine erfolgreiche Zukunft zu sichern. Freiheit und Unabhängigkeit sind nicht die Lösung aller Probleme. Aber sie sind die Voraussetzung dafür. Sicher wird die Zukunft schwierig werden. Dass die Schweiz um den Wandel nicht herumkommt, steht fest. Den Strukturwandel hat sie durchzustehen, und sie hat gleichzeitig die Fehler des Umverteilungsstaates zu korrigieren. Ich bin überzeugt, dass die Schweiz dies kann. Je übersichtlicher und je beweglicher eine Volkswirtschaft ist, desto besser kann sie mit den Herausforderungen des Wandels und des Umbaus verfehlter Strukturen fertig werden. Schnelle, kleine Boote sind hierfür geeigneter als die unbeweglichen grossen Tanker. Zentralisierung und die Gleichmacherei sind sowohl für die Wirtschaft wie für die Politik keine Rezepte. Fest steht, dass die Schweiz mit der Lösung der neuen Aufgaben weiter ist als ihre europäischen Nachbarn. Deshalb dürfen wir aber nicht stillstehen. Wir haben den Wandel weiter voranzutreiben. Probleme dürfen nicht einfach verwaltet, sondern sie müssen gelöst werden. Das gilt insbesondere für das Hauptproblem, unsere maroden Staatsfinanzen. Diese Aufgabe ist anspruchsvoll und verlangt viel von der Wirtschaft und von der Politik. Sie verlangt vor allem viel Flexibilität, Kreativität, Konsequenz, Standfestigkeit und Durchsetzungsvermögen. Für das Jahr 2010 bin ich zuversichtlich, weil es in der Schweiz viele Menschen gibt, die die Nacktheit des Kaisers sehen und sich auch getrauen, das zu sagen.