Article

Elections

13.09.2002

Stiftung gefährdet letztlich Wirtschaft und Arbeitsplätze

Interview mit dem Bündner Tagblatt vom 13. September 2002 Die geplante Solidaritätsstiftung sei ein neuer Staatszweck und gefährde Arbeitsplätze, auch in Graubünden. Nationalrat Christoph Blocher über die Verwendung der Nationalbankerträge. Interview Claudio Willi Graubünden ist auf Einnahmen angewiesen, sonst drohen Steuererhöhungen. Sie sind Föderalist, wieso sollen die Kantone - wenn die AHV-Goldinitiative angenommen wird - keine Erträge mehr bekommen, wie sie jetzt in der Verfassung festgeschrieben sind? Christoph Blocher: Die Goldinitiative nimmt den Kantonen keinen einzigen Franken weg. Es ist so, dass die Kantone ab dem nächsten Jahr von der Nationalbank nicht weniger, sondern mehr Geld bekommen, denn die ordentlichen Gewinn-Ausschüttungen der Nationalbank werden ab dem nächsten Jahr von 1,5 Milliarden auf 2,5 Milliarden erhöht. Für mindestens die nächsten fünf Jahre bekommen also die Kantone zu den heutigen Gewinnausschüttungen noch zusätzlich 650 Millionen Franken pro Jahr! Für die überschüssigen Reserven besteht kein Rechtsanspruch für die Kantone. Aber wer sind denn die Kantone? Die Kantone sind nicht nur die Finanzdirektoren, Regierungen und Parlamente. Sondern die in den Kantonen wohnhaften Personen. Stimmt man der Goldinitiative zu, so kommt dies allen Personen in den Kantonen - zum Beispiel im Kanton Graubünden - zugute. Denn sie müssen weniger Steuern und Lohnabzüge bezahlen und haben eine sichere Rente. Die Goldinitiative ist eine Massnahme, um das überschüssige Gold zu nutzen, damit es allen Leuten in den Kantonen zur Verfügung steht. Ist die AHV mit der Goldinitiative auf Jahre hinaus zu sichern? Blocher: Die Goldinitiative löst nicht sämtliche Probleme der AHV. Das hat auch nie jemand behauptet. Aber die Goldinitiative führt dazu, dass die Leute nicht immer noch mehr bezahlen müssen. Die Renten werden sicherer und die Leute müssen weniger bezahlen. Nur weil die Goldinitiative nicht alle Probleme der AHV lösen kann, darf man sie nicht ablehnen. Dies kommt mir vor, wie wenn ein Vater, dem für seine Familie 1000 Franken im Monat fehlen, 500 Franken ablehnt und diese wegwirft mit der Begründung, es seien ja doch nicht alle Probleme gelöst. 500 Franken ist für ihn zwar nicht genug, aber doch etwas mehr. Er wird auch diese 500 Franken gerne annehmen. Wird aber mit der Goldinitiative nicht alles Tafelsilber verscherbelt und mit dem Gegenentwurf dagegen die Substanz erhalten? Blocher: Nein. Der Gegenvorschlag verscherbelt einen Teil der Reserven leichtfertig. Die Goldinitiative wird die 20 Milliarden Franken entweder im Eigentum der Nationalbank anlegen oder im Eigentum des AHV-Ausgleichsfonds, wo das Vermögen ebenfalls nicht verbraucht werden darf. Die Gesetzgebung regelt die Einzelheiten. Da nun das Parlament bereits entschieden hat, dass es das Kapital, das heisst die 20 Milliarden Franken, über einen eigenen Anlagefonds verwalten will, wird das Parlament dieser Lösung zustimmen, und damit kann auch die SVP einverstanden sein. Welches ist denn der Vorteil der Goldinitiative? Blocher: Die Goldinitiative verteilt die Reserven in der Höhe von 20 Milliarden Franken gerecht auf alle Teile der Bevölkerung. Es kommt allen zugute, den Alten, den Mittelalterlichen und den Jungen. Sie müssen weniger für die AHV bezahlen und haben eine sichere Rente. Alle kommen in den Genuss der AHV, alle bezahlen ja auch in die AHV. Gerade in der heutigen Zeit, wo die Wirtschaft unsicher ist, wo die erste Säule (die AHV), die zweite Säule (die berufliche Vorsorge) und die dritte Säule (das Sparkapital) unsicherer sind, sollte man nicht 20 Milliarden Franken einfach für Dinge ausgeben, von denen wir nicht wissen, wofür sie gebraucht werden. Vor allem die geplante Solidaritätsstiftung im Gegenvorschlag ist ein neuer Staatszweck und gefährdet weiterhin unsere Arbeitsplätze und unsere Wirtschaft, vor allem auch in einem Kanton wie Graubünden. Der Nachteil der Goldinitiative ist sicher, dass die Kantone leer ausgehen. Aus der Sicht der Kantone wäre ein doppeltes Nein besser? Blocher: Wer dem Gegenvorschlag zustimmt, muss wissen, dass er 7 Milliarden Franken für 30 Jahre für eine dubiose Solidaritätsstiftung einsetzt. Diese Solidaritäts-Stiftung gibt die Hälfte ins Ausland und die andere Hälfte ins Inland. Der Stiftungszweck ist so formuliert, dass alles möglich ist, es ist ein Selbstbedienungsladen. Dazu kommt, dass diejenigen Kreise, welche diese Stiftung erpresst haben, die Schweiz jedes Jahr wieder erpressen werden, um ihre Beiträge zu bekommen, wenn man sie ihnen nicht schon zum voraus auszahlt. Wenn das Volk zweimal nein stimmt, dann ist sicher einmal diese Stiftung vom Tisch. Aber auch die Beiträge in die AHV fehlen in der ganzen Grössenordnung, und das heisst, wir haben Steuererhöhungen - für die AHV sicher schon in den nächsten Jahren - oder höhere Lohnabzüge. Mit der Goldinitiative ist mindestens für die nächsten 10 Jahre dafür gesorgt, dass um die ausbezahlten Beträge eben keine Steuererhöhungen und keine höheren Lohnabzüge für die AHV nötig sind, um die bestehenden Renten zu sichern. Und später, wenn die Mehrwertsteuer trotzdem einmal erhöht werden sollte, muss sie immer um rund eine Milliarde Franken weniger erhöht werden, als wenn man die Goldinitiative ablehnt. Die Leute haben es besser, und es geht ihnen dadurch auch besser. Der Pferdefuss des Gegenvorschlages des Bundesrates ist ohne Zweifel die Solidaritätsstiftung. Der "Geburtsfehler" bei der Lancierung wiegt schwer? Blocher: Die Stiftung hat nicht nur einen Geburtsfehler, sie ist wegen nichts anderem entstanden als der schwerwiegenden Drohung aus dem Ausland. Diese Stiftung wurde erstmals versprochen, angekündigt und ist gleichsam als feststehende Sache hingestellt worden, durch den damaligen Bundespräsidenten Koller, am 5. März 1997. Er hat diese Stiftung versprochen, und als einziger konkreter Stiftungszweck hat er genannt: "Selbstredend auch für Holocaust- und Shoa-Opfer." Diese Kreise werden auf diese Tatsache hin die Stiftung unter Druck setzen. Der Stiftungszweck ist auch so formuliert, dass aus dieser Stiftung so Geld gegeben werden kann und Geld gegeben werden muss. Es steht so ausdrücklich im Stiftungszweck. Damit setzt sich die Schweiz einem Druck aus, was gegenüber dem Ausland eine Schwächung bedeutet. Muss man, wenn man der Solidaritätsstiftung nicht zustimmt, nicht ein schlechtes Gewissen haben? Blocher: Nein, die Schweiz muss wirklich kein schlechtes Gewissen haben, praktisch alle Notenbanken haben Reserven aus den Notenbanken ausgegliedert und haben Goldreserven aufgelöst. Ich kenne keinen einzigen Staat, der eine solche Stiftung gemacht hätte. Im Weiteren leistet die Schweiz ein ausser-ordentlich grosses Mass an Auslandhilfe. Wenn man nicht nur die staatliche Entwicklungshilfe der Schweiz zählt, sondern alle anderen auch - insbesondere die private Hilfe - so liegt die Schweiz pro Kopf der Bevölkerung, mit Norwegen, an der Spitze. Sie zahlt proportional viereinhalb mal so viel wie die USA, zweieinhalb mal so viel wie Deutschland und zweimal so viel wie Japan. Die Schweiz hat keinen Grund, sich hier zu schämen. Abgesehen davon: Es spricht für Verantwortung und für allergrösste Solidarität, wenn man Eigentum, das einem nicht gehört, nämlich das Volksvermögen, wieder dem Volke zuführt. Und das in einer Form, welche die AHV für lange Zeiten sicherer macht. Das ist die Vorsorge für die Zukunft. * * * * *   «Persönlich Gutes tun wäre echte Solidarität» Besser als in die Stiftung wäre es gewesen, Geld in das Rote Kreuz fliessen zu lassen, sagt Christoph Blocher. Aber am besten in die AHV. Ein Sechstel der Erträge soll Projekten in der Schweiz zufliessen: Ist dies richtig, ist dieser Weg notwendig - gibt es Armut in der Schweiz? Christoph Blocher: Selbstverständlich zweifle ich nicht daran, dass man Projekte findet, die das Geld aus dieser Solidaritätsstiftung verteilen würden. Wenn man Armut findet in der Schweiz, das heisst wenn Leute unverschuldeterweise in Not gekommen sind und keine Kraft mehr haben, sich selbst zu helfen, dann hat die staatliche Fürsorge einzugreifen. Dafür gibt es Geld und muss es Geld geben. Aber diese Stiftung ist für alles da, auch für Armut, aber auch für vieles, vieles andere, für politische, kulturelle Integration, für Zusammenarbeit, für Versöhnung, für die Folgen von Verfolgungen, für die Folgen von Genoziden, bis zur Preisverleihung an verdienstvolle Leute. Mit dieser Stiftung kann man gleichsam alles machen. Es stört auch, dass ein kleiner Stiftungsrat über so viel Geld verfügen wird. Diese Stiftung kann in diesen 30 Jahre wo sie vorgesehen ist, ungefähr 7 bis 10 Milliarden Franken ausschütten. Das ist ein riesiger Betrag, der undemokratisch verteilt wird. Wäre es, wenn schon, nicht sinnvoller gewesen, beispielsweise das Rote Kreuz mit Geldern zu bedienen, statt eine neue Stiftung mit Apparat und Stiftungsräten aufzumachen? Blocher: Natürlich wäre es sinnvoller gewesen, das Geld einer Institution zu geben, wo man weiss, was damit getan wird und die auch Rechenschaft ablegen muss. Aber ich bin der Meinung, dass wir in der heutigen Zeit nicht vor allem daran denken sollten, wie man Geld verschenkt, sondern wie man Volksvermögen sinnvollerweise nutzt, so dass für die Menschen die Zukunft gesichert ist, ohne dass sie dafür dauernd mehr bezahlen müssen. Hätten Sie bei einer Lösung Nationalbanker-träge ans Rote Kreuz auch opponiert? Blocher: Ja, der Bund gibt bereits grosse Beiträge an das Internationale Komitee vom Roten Kreuz. Natürlich kann man das Geld noch für viel Gutes verwenden. Aber dieses Geld wird der AHV fehlen, und die Leute müssen das bezahlen. Wenn man das Geld mit der Goldinitiative für die AHV nutzt, dann haben die Leute mehr zur Verfügung. Falls sie wollen, können sie persönlich Gutes tun - das wäre dann echte Solidarität. SP, CVP, aber auch FDP haben sich gegen die Goldinitiative ausgesprochen … Blocher: Es ist selbstverständlich, dass sich die "Koalition der Vernunft" auch in dieser Sache zusammengetan hat. Die Sozialdemokraten führen jetzt eine Unterschriften-Sammlung durch, welche den Zweck verfolgt, den Kantonen Geld aus den Nationalbankgewinnen wegzunehmen: Sie wollen die Gewinnausschüttungen pro Jahr von zweieinhalb Milliarden auf eine Milliarde Franken reduzieren. Und was wollen sie mit dem Geld machen? Sie wollen es für die AHV nutzen. Die FDP predigt dauernd, man sollte die Steuern nicht erhöhen und keine neuen Staatszwecke schaffen. Auch solle man dem Staat kein Geld geben ohne die Auflage, Steuern oder Schulden zu senken. Und was macht die FDP? Sie schafft mit der Stiftung einen neuen Staatszweck, sie setzt dafür 7 Milliarden Franken ein, die Leute müssen dafür mehr Steuern bezahlen. Wann endlich hört dieser Schlendrian auf?

09.09.2002

Sieben Fragen zu Goldinitiative und Solidaritätsstiftung

Interview mit der Zeitschrift Active Live (Ausgabe Nr. 9, September 2002) Frage 1 Die Konferenzen der Kantonsregierungen wie auch der kantonalen Finanzdirektoren unterstützen den Gegenvorschlag ("Drittelslösung"). Sie indes plädieren für ein Ja zur AHV-Goldinitiative. Ein Teil der SVP ist für ein doppeltes Nein. Stehen Sie, respektive ein Teil der SVP, mit Ihrem Ansinnen politisch nicht allein auf weiter Flur? Antwort Dr. Ch. Blocher Dass die kantonalen Finanzdirektoren bzw. deren Regierungen gern einen Drittel für sich hätten, versteht sich von selbst. Die schweizerische Delegiertenversammlung der SVP hat mit 344 zu 2 Stimmen die Ja-Parole für die AHV-Goldinitiative beschlossen. Worum geht es? Die Nationalbank hat entschieden, dass sie Gold-Reserven von ca. 20 Milliarden für Währungszwecke nicht mehr benötigt. Diese Reserven gehören dem Schweizer Volk. Der beste Weg, dies dem Schweizer Volk zurückzugeben, ist über die notleidende AHV. Ob wir damit auf weiter Flur allein stehen, werden wir sehen. Selbstverständlich gibt es zahlreiche Interessenclubs, die diese Initiative bekämpfen, weil natürlich jeder gerne das Geld für sich hätte. Frage 2 Mit der Goldinitiative werden den Kantonen, denen nach geltendem Recht zwei Drittel der Erträge aus den Goldreserven zustehen, diese Finanzbasis entzogen. Ist dies Demokratie? Antwort Dr. Ch. Blocher Es ist nicht richtig, dass gemäss geltendem Gesetz den Kantonen zwei Drittel der Erträge aus den nicht benötigten Goldreserven zustehen. Den Kantonen stehen nur 2/3 der Erträge aus den für Währungszwecke benötigten Reserven zu. Für nicht benötigte Goldreserven - um diese geht es hier - braucht es eine separate Verfassungs-Bestimmung. Die Kantone verlieren also keinen Rappen bei Annahme der Gold-Initiative. Es ist demokratisch, wenn das Volk darüber abstimmt, wie es mit seinen nicht benötigten Reserven - und nur darum geht es - umgehen will. Die gerechteste Art, das Gold dem Volk wieder zuzuführen, geschieht meines Erachtens über die AHV. So profitieren alle davon. Die Renten werden sicherer und die Lohnabzüge, sowie die Mehrwertsteuer müssen dadurch weniger erhöht werden. Wovor haben Sie Angst? Trauen Sie der Ausgabenpolitik der Kantone nicht? Antwort Dr. Ch. Blocher Ich verstehe Ihre Frage nicht? Sicherlich ist, dass das Geld nicht für Schuldentilgung, sondern für neue Ausgaben gebraucht würde, wenn es an Bund und Kantone fliesst, was wirtschaftlich schädlich ist. Und dazu leidet erst noch die AHV weiter. Frage 3 Überschüssiges Nationalbankgold darf nicht ins Ausland verschachert werden. Was meinen Sie damit? Die Drittelslösung wäre ja auch nur auf die Schweiz zugeschnitten. Oder doch nicht? Antwort Dr. Ch. Blocher Der Gegenvorschlag des Bundesrates sieht vor, dass von den nicht mehr benötigten Goldreserven 7 Milliarden - also rund ein Drittel - einer Solidaritätsstiftung zugewiesen wird. Diese Mittel sollen "ausgewogen im In- und Ausland" eingesetzt werden. Also ca. die Hälfte soll ins Ausland gehen. Und da dies den amerikanischen Kreisen, die uns wegen unserer Friedenspolitik zur Zeit des zweiten Weltkriegs erpresst haben, versprochen wurde, würden wir jedes Jahr um die Erträge erpresst werden. Das ist klar voraussehbar. Wenn das Volk der Goldinitiative zustimmt, dann ist dieser Erpresserei auch ein Ende gesetzt. Zumindest heisst es von Seiten des Bundesrates, Wiedergutmachungszahlungen seien ausgeschlossen. Antwort Dr. Ch. Blocher Der Stiftungszweck sieht vor, dass das Geld auch "zur Verhütung der Ursachen und zur Linderung der Folgen von Gewalt, Menschenrechtsverletzungen und Völkermord" gebraucht werden soll. Darunter lässt sich vieles, sehr vieles sumpsummieren, auch die damals vom Bundesrat versprochenen Zahlungen an die Holocaust-Opfer. Das sind dann Wiedergutmachungszahlungen, auch wenn man sie anders nennt. Frage 4 Die AHV hat substanzielle Finanzierungsprobleme. Wäre dies die Lösung? Antwort Dr. Ch. Blocher Das Problem der AHV ist tatsächlich die Finanzierung. Einerseits hängt das Funktionieren davon ab, ob die Wirtschaft floriert und genügend Lohnempfänger vorhanden sind, die die Beiträge zahlen und andrerseits hängt es von der Alterspyramide ab. Weil die Leute immer älter werden, ist die Finanzierung das Problem. Würden wir die Erträge - und es geht hier nur um die Erträge und nicht um das Aufbrauchen des Vermögens - für AHV-Rentner verwenden, so sind zusammen mit den übrigen heute bekannten Finanzierungen mindestens für die nächsten zehn Jahre keine Beitragserhöhungen notwendig, um die heutigen Renten zu sichern. Andernfalls müssen bereits in den nächsten Jahren Mehrwertsteuererhöhungen vorgenommen werden. Frage 5 Wie lang und in welcher Form könnte das Schweizervolk von der Goldinitiative profitieren? Ein Tropfen auf den heissen Stein? Antwort Dr. Ch. Blocher Das Schweizer Volk könnte ewig von dieser Goldinitiative profitieren. Denn es ist ja vorgesehen, dass entweder die ganzen Reserven in der Nationalbank bleiben und die Erträge jährlich in den AHV-Fonds ausgeschüttet werden, oder die ganzen Reserven werden in den AHV-Fonds überwiesen. Im AHV-Fonds ist vorgeschrieben, dass die Reserven in der Regel eine Jahreszahlung der Renten nicht unterschritten werden darf, d.h. heute ca. 27 Milliarden. Also auch in diesem Fall wäre es verboten, das Vermögen dieser einzuweisenden 20 Milliarden zu verbrauchen. Bei einem Ertrag von 5 % auf den 20 Milliarden bedeutet das jährlich 1 Milliarde. Das ist ungefähr die Hälfte eines Lohnprozentes oder die Hälfte eines Mehrwertsteuerprozentes für alle Zeiten. Das ist nicht nichts. Frage 6 Sie versprechen weniger Steuern, weniger Mehrwertsteuern und trotzdem eine sicherere AHV. Eine bestechende Lösung. Wo ist der Haken, dass nicht alle freudig auf dieses Schiff aufspringen? Antwort Dr. Ch. Blocher Das müssen Sie die andern fragen. Einerseits haben viele die Solidaritätsstiftung einfach versprochen, ohne zuerst das Volk zu fragen. Sie können leider nicht mehr zurück. Unterbinden kann dies nur noch die Mehrheit des Schweizer Volkes. Die Banken versprechen sich von dieser Solidaritätsstiftung, dass sie bezüglich Forderungen aus dem Ausland etwas abgedeckt werden. Darum haben die Banken auch einen wesentlichen Teil der Vorbereitungsarbeiten für diese Stiftung bezahlt. Es ist aber nicht Sache des Schweizer Volkes allfälliges Unrecht von Banken - welches über die Gerichte abzuklären wäre - mit ihrem Geld auszugleichen. Dass die Kantonsregierungen eher für den Gegenvorschlag sind, weil sie dann auch einen Teil davon bekommen, versteht sich von selbst. Frage 7 Die Goldinitiative hat vor allem für Otto-Normalverbraucher etwas verlockendes: Der Schritt hin zur sicheren AHV. Selbst Bundesrat und Finanzminister Villiger findet die Idee nicht abwegig. Er sieht aber die Unabhängigkeit der Nationalbank in Frage gestellt, weil Ihre Initiative die Höhe der überschüssigen Goldreserven nicht definiert. Antwort Dr. Ch. Blocher Die AHV kommt allen zu gut, nicht nur dem "Otto-Normalverbraucher". Aber die AHV ist die erste Säule. Wenn 20 Milliarden nicht benützt werden, gibt man es dort hin, wo die Not am grössten ist, also in die AHV. Ich weiss nicht warum die Unabhängigkeit der Nationalbank in Frage gestellt sein könnte. Es ist ein gesuchtes Argument. Denn wieviel Goldreserven die Nationalbank nicht benötigt, das bestimmt weiterhin, gemäss der heutigen Gesetzgebung, die Nationalbank. Die Goldinitiative ändert hier nichts!

05.09.2002

Geste oder Erpressung

Streitgespräch mit Peter Arbenz im FACTS Nr. 36/2002 vom 5. September 2002 Goldinitiative contra Gegenvorschlag: Christoph Blocher streitet mit Peter Arbenz, pro Solidaritätsstiftung, über die Verwendung der Goldreserven. Gesprächsleitung: Michael Gerber, Urs Zurlinden Herr Arbenz, was ist ein solidarischer Mensch? Peter Arbenz: Ein solidarischer Mensch kämpft für Gerechtigkeit. Für Ausgleich zwischen jenen, denen es weniger gut geht, und jenen, denen es besser geht. Ein solidarischer Mensch nimmt Anteil am Leiden anderer. Und er nimmt Rücksicht. Herr Blocher, fühlen Sie sich als solidarischer Mensch? Christoph Blocher: Solidarität ist ein hoher Begriff und heisst freiwilliges Einstehen für andere. In der Politik wird der Begriff Solidarität häufig missbraucht. Politiker halten sich oft für solidarisch, wenn sie Geld verteilen, das ihnen gar nicht gehört. Erklärt das Ihren Kampf gegen die Stiftung Solidarität Schweiz? Blocher: Auch. Solidarität basiert auf Freiwilligkeit. Man kann sie nicht von oben verordnen. Besonders stört mich, dass die Stiftung sieben Milliarden Franken erhalten soll, die dem Schweizer Volk gehören. Statt es dem Volk zurückzugeben, verteilt ein kleiner Stiftungsrat etwa 350 Millionen pro Jahr. Das macht 10,5 Milliarden in 30 Jahren. Mit Solidarität hat das nichts zu tun. Der Stiftungsname ist irreführend. Arbenz: Ganz im Gegenteil. Er bringt zum Ausdruck, dass wir Schweizer dieses Geld nicht einfach für uns behalten wollen, sondern Not leidende Menschen im Ausland auch daran teilhaben lassen wollen. Zudem wird die Stiftung nicht von oben verordnet, wie Sie behaupten, Herr Blocher. Und sie erhält auch nicht sieben Milliarden zur freien Verfügung, sondern lediglich die Zinsen davon. Am 22. September kann das Volk entscheiden, ob es die Stiftung will oder nicht. Von Zwang oder von Erpressung kann also keine Rede sein. Blocher: Sehr wohl. Und die Erpressungen werden weitergehen. Das Versprechen, das der damalige Bundespräsident Arnold Koller am 5. März 1997 im Parlament machte, ging um die Welt und macht uns erpressbar. Damals stand die Schweiz wegen der nachrichtenlosen Vermögen von amerikanischen Kreisen unter gewaltigem, erpresserischem Druck. Arbenz: Die Ankündigung der Stiftung war eine freiwillige Geste. Man darf die Stiftung nicht schlecht machen, weil die Idee dazu während der Debatte über die nachrichtenlosen Konten entstanden ist. Dieses zeitliche Zusammentreffen war purer Zufall. Die Verteilung des nicht mehr benötigten Goldes der Nationalbank war schon zuvor ein Thema. Blocher: Nein, Herr Arbenz, so war es nicht. Koller hielt seine Rede vor der Vereinigten Bundesversammlung unter dem Traktandum "nachrichtenlose Vermögen". Dabei versprach er, dass die Stiftung "selbstredend auch für Holocaust- und Schoa-Opfer" gedacht sei. Wenn wir nun die Stiftung gründen, werden diese amerikanischen Kreise ihren Anteil einfordern. Und uns im Notfall mit diesem Versprechen jedes Jahr erpressen. Arbenz: Davor habe ich keine Angst. Obwohl ich Erpressungsversuche nicht ausschliesse, wird die Stiftung die Gelder völlig unabhängig vergeben. Sie wird aber keine Individualhilfe für Holocaustopfer leisten. Das würde gegen das Stiftungsgesetz verstossen. Auch der World Jewish Congress, auf den Sie anspielen, Herr Blocher, wird von der Stiftung keinen Rappen sehen. Das hat der Bundesrat wiederholt betont. Blocher: Im Stiftungsgesetz steht schwarz auf weiss, dass die Gelder unter anderem "zur Linderung der Folgen von Genoziden verwendet werden können". Was ist das anderes als Vergangenheitsbewältigung? Arbenz: Die Stiftung ist zukunftsgerichtet. Und es ist nicht ausgeschlossen, dass sie Geld zur Verhinderung von Völkermorden einsetzen wird. Doch das hat mit den Holocaustopfern nichts zu tun. Rund die Hälfte der jährlich 350 Millionen soll via Hilfswerke den Notleidenden zukommen. Sind die Hilfswerke tatsächlich in der Lage, von einem Jahr aufs andere 25 Prozent mehr Geld als bisher sinnvoll zu verteilen? Arbenz: Da sehe ich kein Problem. Es gibt im In- und Ausland unzählige, drängende Probleme, die nicht angepackt werden können, weil das Geld fehlt… Blocher: Ich zweifle keine Sekunde daran, dass das Geld ausgegeben würde. Doch fehlt es dann der AHV. Arbenz: Die Hilfswerke würden das Geld ja nicht einfach so erhalten. Sie müssten Projekte einreichen. Und erst nach einer genauen Prüfung würden die Gesuche bewilligt. Oder eben auch nicht. Wie viel davon peilt die von Ihnen präsidierte Helvetas an? Arbenz: Es ist völlig offen, wie viel wir allenfalls erhalten würden. Das hängt davon ab, welche Schwerpunkte der Stiftungsrat der Stiftung Solidarität Schweiz setzen wird. Die Gelder werden nicht nach dem Giesskannenprinzip verteilt. Das steht bereits heute fest. Blocher: Im Gegenteil. Die Stiftung wird zum Selbstbedienungsladen werden. Ihr Zweck ist im Gesetz dermassen schwammig umschrieben, dass alles und jedes finanziert werden kann. Von den Lese- und Schreibkursen für Analphabeten über Preisverleihungen und Integrationsprojekte bis zum Brunnenbau in Afrika. Was haben Sie gegen den Bau von Brunnen in Afrika? Blocher: Überhaupt nichts. Ich habe in Afrika ein Spital und eine Schule gestiftet. Es ist allen freigestellt, Entwicklungsprojekte auf privater Basis zu unterstützen. Die Schweiz zahlt Riesensummen für Entwicklungshilfe. Es ist unverantwortlich, in einer Zeit sieben Milliarden Franken vom Volksvermögen zu verteilen, in der die Leute um ihre Altersvorsorge bangen. Ich wehre mich dagegen, dass gerade die jungen Leute mit höheren Lohnabzügen und höheren Steuern für diese noble Geste büssen müssen. Was würden Sie mit den 1300 Tonnen Gold machen, wenn Sie in Eigenregie darüber bestimmen könnten? Blocher: Ich würde sie dem rechtmässigen Besitzer zurückgeben, dem Schweizer Volk, in bar oder als Goldvreneli. Leider wäre diese Geste kaum umzusetzen. Es gäbe Streit darüber, ob ein Säugling gleich viel erhalten soll wie ein Rentner. Einen solchen Verteilkampf umgehen wir, indem wir die 20 Milliarden der AHV zukommen lassen. Dank dem jährlichen Ertrag von gegen einer Milliarde Franken müssten junge Leute, Familien und Betagte weniger für die AHV abgeben. Das ist die gerechteste Lösung. Arbenz: Eine Scheinlösung. Saniert wäre die AHV damit noch lange nicht. Blocher: Die Goldinitiative löst zwar nicht alle Probleme der AHV. Alle Leute müssten aber weniger bezahlen. Arbenz: Mit dem Transfer des gesamten Goldes in den AHV-Fonds würde der Druck abnehmen, die AHV strukturell zu reformieren. Ausserdem würde damit das in der Verfassung verankerte Recht der Kantone auf zwei Drittel der Erträge der Nationalbank missachtet. Deshalb lehnen die Kantone auch Ihre Initiative ab und unterstützen stattdessen unseren Gegenvorschlag, der ihnen ein Drittel der Erträge aus dem Erlös des Goldverkaufs zusichert. Blocher: Es gibt keinen verfassungsmässigen Anspruch der Kantone auf das Gold. Arbenz: Doch. Den Kantonen stehen zwei Drittel des Gewinns der Nationalbank zu. Und solche Reserven sind letztlich nichts anderes als zurückbehaltene Gewinne. Blocher: Den Kantonen wird nichts weggenommen. Im Gegenteil. Sie werden reichlich bedient. Ab 2003 erhalten sie 650 Millionen mehr als bisher, da künftig zweieinhalb statt eineinhalb Milliarden Franken Gewinn pro Jahr ausgeschüttet werden. Arbenz: Sie kommen vom Thema ab, Herr Blocher. Die höhere Gewinnausschüttung der Nationalbank hat mit der Auflösung der Goldreserven nichts zu tun. Blocher: Sehr viel sogar. Die Finanzdirektoren erhalten zusätzliche 650 Millionen, damit keine neuen Reserven entstehen. Ich befürchte jedoch, dass sie damit wiederum die Ausgaben erhöhen statt die Schulden abbauen oder die Steuern senken würden. Welche Folgen hätte ein Nein zum Gegenvorschlag - und damit zur Solidaritäts-Stiftung? Arbenz: Mit einem Nein würde die einmalige Chance vertan, die nicht mehr benötigten Goldreserven der Nationalbank nachhaltig zu nutzen - die künftige Verwendung offen lassend. Zugleich würden wir eine günstige Gelegenheit verpassen, ein Zeichen der Solidarität zu setzen. Das würde im Ausland zur Kenntnis genommen. Und mit viel Häme kommentiert? Arbenz: Sicher bekäme damit das hartnäckige Vorurteil Auftrieb, wonach wir Schweizer in erster Linie für uns schauen, uns abschotten - und Not leidenden Menschen im Ausland nicht einmal ein Sechstel der Goldzinsen gönnen. Blocher: Damit versucht man zu drohen. Viele Länder bauen gegenwärtig ihre Goldreserven ab. Und kein einziges überführt einen Teil des Erlöses in eine solche Stiftung. Ich bin sicher, dass wir kaum Kritik, sondern Beifall ernten würden, weil wir dem erpresserischen Druck gewisser Kreise nicht nachgegeben haben.

31.08.2002

Zwei zanken um die gerechte Art, Gold zu verteilen

Streitgespräch mit Ständerätin Christine Beerli (FDP/BE) im "Bund" vom 31. August 2002 Was soll mit dem überschüssigen Nationalbankgold geschehen? Je ein Drittel der Erträge an AHV, Kantone und Solidaritätsstiftung? Das sei helvetisch ausgewogen, findet Christine Beerli (fdp). So bleibe das Vermögen auch real erhalten. Oder alles Gold für die AHV? Nur das sei verantwortungsvoll, findet Christoph Blocher (svp). Die Stiftung bleibt für ihn Produkt einer Erpressung. Gesprächsleitung: Patrick Feuz Frau Beerli, Sie loben den Gegenvorschlag «Gold für AHV, Kantone und Stiftung» als «echt schweizerisch». Ist Christoph Blochers Initiative, die alles unbenötigte Nationalbankgold der AHV geben will, unschweizerisch? Christine Beerli: Mit schweizerisch meine ich ausgewogen. Daneben ist der Gegenvorschlag vor allem auch nachhaltig. Er gewährleistet auf Verfassungsebene, dass der gesamte Erlös aus dem Verkauf der 1300 Tonnen Gold - es geht um 19 bis 20 Milliarden Franken - in einen Fonds gelegt wird und dort real, also teuerungsbereinigt, während 30 Jahren erhalten bleibt. Spätere Generationen haben wieder die Möglichkeit, frei über die Verwendung dieses Sondervermögens zu entscheiden. Christoph Blocher: Bei beiden Vorlagen bleibt das Vermögen erhalten. Beim Gegenvorschlag nur für 30 Jahre, bei der Goldinitiative für immer. Aber: Die Initiative will das Gold für die AHV nutzen, der Gegenvorschlag für vieles, unter anderem für eine erpresste Stiftung. Bei der Goldinitiative entscheidet dann der Gesetzgeber, ob das Gold im Eigentum der Nationalbank bleibt, oder durch einen Fonds verwaltet wird, oder ob es im Eigentum des AHV-Fonds verwaltet wird. In beiden Fällen fliessen nur die Erträge in die AHV. Beerli: Wenn das ganze Vermögen in den AHV-Fonds fliesst und die Mehrwertsteuer zugunsten der AHV nicht wie vom Parlament vorgesehen im Jahr 2008 erhöht werden soll, wird das Vermögen aufgebraucht. Und die Mehrwertsteuer muss anschliessend trotzdem erhöht werden. Blocher: Nein. Dank den Erträgen der 20 Milliarden muss die Mehrwertsteuer für die AHV mindestens 10 Jahre nicht erhöht werden und dann stets um rund eine Milliarde weniger, ohne dass das Vermögen verbraucht wird. Beerli: Ein weiterer Fehler der Initiative liegt darin, dass alle «nicht mehr benötigten Währungsreserven» in den AHV-Fonds fliessen sollen, also auch künftige. Damit wird die Frage der Währungsreserven mit dem emotionalen Thema der AHV-Finanzierung verknüpft. Das wird zu unzulässigem politischem Druck auf die Nationalbank führen. Der Gegenvorschlag hingegen spricht explizit von den 1300 Tonnen Gold, die aktuell zur Verfügung stehen. Blocher: Die Goldinitiative tastet die Unabhängigkeit der Nationalbank in keiner Weise an. Die Nationalbank entscheidet auch weiterhin allein, ob sie überschüssige Reserven hat und wie viel. Aber mit der Initiative können alle Schweizerinnen und Schweizer gerecht an diesem Volksvermögen teilhaben und müssen für die AHV jährlich nicht immer mehr bezahlen. Die Initiative verhindert, dass Politiker das Volksvermögen verschenken können. Herr Blocher, Sie spielen den Beschützer der populären AHV. In der laufenden AHV-Revision verweigert aber die SVP dem Sozialwerk dringend benötigte neue Mittel. Und einkommensschwachen Rentnerinnen und Rentnern will die SVP kein Geld geben, um sich die vorzeitige Pensionierung leisten zu können. Blocher: Die SVP will, dass die Renten finanziert werden können, und diese Mittel sind der AHV zur Verfügung zu stellen. Unter anderem mit der Goldinitiative. Die AHV steckt in Finanzschwierigkeiten, weil die Zahl der Rentner im Verhältnis zu den Beschäftigten grösser wird. Darum verbessert die Initiative die Situation. Höhere Leistungen wie etwa durch vorzeitige Pensionierungen sind aber auszuschliessen. Würde man dies tun, bleibt entweder für die übrigen Rentner weniger Geld, oder wir erhöhen die Lohnabzüge oder die Mehrwertsteuern. Schon nur um das heutige Leistungsniveau finanzieren zu können, braucht es in fünf Jahren eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, wenn die Goldinitiative nicht angenommen wird. Von der Initiative profitieren alle, Jung und Alt, weil sie weniger bezahlen müssen. Gerade in der heutigen unsicheren Zeit ist es verantwortungslos und unschweizerisch, das Vermögen nicht zum Nutzen des Volkes zu verwenden. Die Goldinitiative ist aber auch wichtig zur Erhaltung der Arbeitsplätze, weil Steuerniveau und Staatsquote weniger steigen als beim Gegenvorschlag. Die Initiative nimmt den Kantonen nichts weg. Kürzlich wurde beschlossen, die Ausschüttung der Nationalbankgewinne von jährlich 1,5 auf 2,5 Milliarden pro Jahr zu erhöhen, damit bis in 13 Jahren keine neuen unbenötigten Reserven entstehen. Die Kantone bekommen ab nächstem Jahr zusätzliche 650 Millionen. Hoffentlich geben sie es nicht einfach wieder aus. Beerli: Am 22. September geht es nicht um die ordentlichen Nationalbankgewinne, sondern um die unbenötigten Währungsreserven. Bei diesem Sondervermögen sollen die Kantone laut SVP leer ausgehen. Alle Kantonsregierungen und auch die kantonalen Finanzdirektoren sind für den Gegenvorschlag. Der Kanton Bern bekäme mit dem Gegenvorschlag 40 Millionen im Jahr. Die AHV ist unser wichtigstes Sozialwerk. Auch unsere Lösung will ihr einen Anteil geben. Aber auch der Föderalismus ist eine gute Sache. Deshalb müssen auch die Kantone etwas bekommen. Blocher: Wer sind die Kantone? Nicht die Regierungsräte und Finanzdirektoren, sondern die Leute, die in den Kantonen wohnen. Und das sind die Leute, die von der Goldinitiative profitieren. Dass die Regierungsräte und Finanzdirektoren einen Drittel der Golderträge wollen, ist klar. Sie werden das Geld weiter ausgeben und nicht Schulden abbauen oder Steuern senken, und die Leute müssen für die AHV dauernd mehr bezahlen. Beerli: Die meisten Kantone werden mit dem Geld Schulden abbauen. Ein finanzschwacher Kanton wie Bern wird um Steuererhöhungen herumkommen. Davon profitieren die Kantonsbürgerinnen und Kantonsbürger direkt. Herr Blocher sagt: zehn Jahre keine Erhöhung der Mehrwertsteuer für die AHV dank Goldinitiative. Frau Beerli, kommen Sie zum gleichen Resultat? Beerli: Ich schliesse aus Herrn Blochers Aussagen, dass auch er die Erträge in den AHV-Fonds legen will und nicht das Vermögen, wie dies laut Initiative möglich wäre. Herr Blocher rechnet mit einem Ertrag von jährlich einer Milliarde Franken. In dieser Rechnung werden nicht die teuerungsbereinigten Zinsen eingelegt, sondern Zinsen von fünf Prozent. Dadurch wird das Vermögen angeknabbert. Wir aber wollen die Zinsen minus die Teuerung einlegen und so das Vermögen real erhalten. Das ergibt einen jährlichen Ertrag von 600 Millionen Franken. Das entspricht 0,18 Mehrwertsteuer-Prozenten. Die SVP-Initiative kann also nicht einmal die im Jahr 2008 nötige und geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0,5 Prozent verhindern. Zur langfristigen Sicherung der AHV braucht es nicht die SVP-Initiative, sondern strukturelle Reformen, die wir mit der 11. AHV-Revision angehen. Wie gesagt: Die AHV ist unser wichtigstes Sozialwerk. Blocher: Das können Sie beweisen, indem Sie das Volksvermögen für die AHV nutzen. Wenn jemand erklärt, der Ertrag von 20 Milliarden Franken sei nichts und mache bei der AHV keinen Unterschied, kann er nicht mit Geld umgehen. Mit dieser Mentalität hat man es im Bundeshaus fertig gebracht, einen Schuldenberg von 100 Milliarden Franken anwachsen zu lassen. Ihre Partei, die FDP, stand dabei im Vordergrund, zuletzt bei den Krediten für Expo und Swissair. Immer hat es geheissen: Das ist doch nicht viel Geld. Beerli: Ich unterschätze den Ertrag der 20 Milliarden nicht. Es ist viel Geld, und es ist Volksvermögen. Wir haben die Verantwortung, dieses Geld sinnvoll, ausgewogen und nachhaltig einzusetzen. Das tun wir. Am Anfang des Goldstreits war die Solidaritätsstiftung. Frau Beerli, warum braucht es die Stiftung? Beerli: Die Stiftung will die humanitäre Tradition der Schweiz wiederbeleben und stärken. Die Schweiz hat hier in der Vergangenheit viel getan, etwa mit dem Roten Kreuz, einem grossen Werk mit Glanz gegen aussen, das zum guten Ruf unseres Landes beigetragen hat. Das Rote Kreuz hat immer auch gezeigt, dass die Schweizerinnen und Schweizer am Zusammenleben von reicheren und ärmeren Menschen gearbeitet haben, von Menschen, die vom Schicksal privilegiert sind, und solchen, denen es schlechter ergeht. So etwas möchten wir wieder schaffen. Es soll ein zukunftsgerichtetes Werk sein, das auch jüngeren Leuten helfen soll, die Herausforderungen der Zukunft zu meistern. Die Stiftungsidee ist im Zusammenhang mit der Diskussion um nachrichtenlose Vermögen entstanden. Das ist eine Hypothek, weil die Gegner behaupten, die Stiftung sei ein Werk der Erpressung. Das kann sie aber schon deshalb nicht sein, weil wir jetzt völlig unbeeinflusst von aussen abstimmen können, ob wir die Stiftung wollen oder nicht. Im Übrigen schliesst das Stiftungsgesetz Zahlungen an Holocaust-Opfer aus. Blocher: Das Rote Kreuz ist keine staatliche Institution. Es war eine rein private Initiative. Henry Dunant wollte die Not von Kriegsopfern lindern. Das war ein guter Beweggrund. Deshalb hat das Rote Kreuz überdauert. Die Stiftung ist 1997 unter grösstem Druck aus dem Ausland entstanden, sie wurde erpresst. Bundespräsident Arnold Koller sagte damals vor der Bundesversammlung, von der Stiftung könnten «selbstredend auch Shoa- und Holocaustopfer» profitieren. Das Stiftungsgesetz ist so schwammig formuliert, dass alles möglich ist. Die Stiftung ist ein Selbstbedienungs-Laden. Zudem werden wir jedes Jahr unter Druck geraten seitens jener Kreise, die sich an das Versprechen Kollers erinnern können. Beerli: Noch einmal: Das Stiftungsgesetz schliesst Ansprüche auf Einzelleistungen aus. Die Stiftung wird Projekte von öffentlichen und privaten Institutionen finanzieren. Ein Stiftungsrat aus Schweizerinnen und Schweizern wird die Gesuche beurteilen. Die Mehrheit der Mitglieder soll unter 40 Jahren sein. Auch das zeigt, dass die Stiftung zukunftsgerichtet ist. Wo soll die Stiftung konkret helfen? Beerli: Als Präsidentin der Pro Juventute weiss ich etwa, dass es viele Projekte zugunsten Not leidender oder misshandelter Kinder gibt, aber das Geld fehlt, weil es sich um keine Staatsaufgabe handelt. Das Nottelefon 147 wird von Tausenden von Kindern benutzt. Die Kosten sind viel höher als die jährliche Bundessubvention. Angesichts der steigenden Misshandlungsrate wäre auch ein Nottelefon für überforderte Eltern sehr sinnvoll. Herr Blocher, was haben Sie gegen ein Nottelefon für überforderte Eltern? Blocher: Es gibt tausend Dinge, die schön wären. Das sind aber alles neue Staatsaufgaben... Beerli: ...eben gerade nicht, die Stiftung braucht kein Steuergeld. Blocher: Das Geld, das in die Stiftung geht, fehlt in der AHV. Die Bürgerinnen und Bürger müssen deswegen jedes Jahr 350 Millionen mehr bezahlen, wenn diese Stiftung errichtet wird. Falls es am 22. September ein doppeltes Nein gibt: Für welche Goldverwendung werden Sie sich danach einsetzen? Beerli: Dann sollen die Erträge zu einem Drittel an den Bund und zu zwei Dritteln an die Kantone gehen, analog dem Verteilschlüssel für die ordentlichen Nationalbank-Gewinne. Aber diese Lösung war bis anhin nicht mehrheitsfähig und wird es auch in Zukunft nicht sein. Nach einem doppelten Nein wird das Gerangel erneut beginnen, und es besteht die Gefahr, dass das Vermögen schlussendlich doch noch aufgebraucht wird. Blocher: Nach einem doppelten Nein ist die unglückliche Stiftung vom Tisch. Natürlich können wir dann auch nicht mehr alles Gold der AHV geben. Die SVP wird sich dann für zwei Drittel an die AHV und einen Drittel an die Kantone einsetzen, was wohl die SP unterstützen wird. Worum es geht paf. Am 22. September wird über die Goldinitiative der SVP und den Gegenvorschlag von Bundesrat und Parlament abgestimmt. Beide Vorlagen brauchen ein Volks- und Ständemehr. Aber eigentlich stehen vier Vorschläge zur Debatte: SVP-Initiative: Sie will alle unbenötigten Währungsreserven, also auch künftige, der AHV zukommen lassen. Die Initiative lässt offen, ob die Reserven oder deren Erträge in den AHV-Fonds kommen. Gegenvorschlag: Er will die Erträge aus der Bewirtschaftung des überschüssigen Goldes zu je einem Drittel auf AHV, Kantone und Solidaritätsstiftung verteilen. Gerechnet wird mit Erträgen von jährlich 600 Millionen Franken. Der Gegenvorschlag bezieht sich auf die aktuell zur Verfügung stehenden 1300 Goldtonnen im Wert von 20 Milliarden. Der Verteilschlüssel ist 30 Jahre gültig. Zweimal Ja: Gewerkschaftskreise werben für ein doppeltes Ja. In diesem Fall bringt die Stichfrage die Entscheidung. Zweimal Nein: Ein FDP-dominiertes Komitee empfiehlt ein doppeltes Nein. In der Hoffnung, dass die unbenötigten Reserven dann zu einem Drittel an den Bund und zu zwei Dritteln an die Kantone gehen, analog den ordentlichen Nationalbankgewinnen.

30.08.2002

«Herr Blocher, was wollen Sie wirklich?»

Initiative oder Gegenvorschlag - was ist nachhaltiger? Streitgespräch mit Ständerätin Vreni Spoerry (FDP/ZH) in der Neuen Zürcher Zeitung vom 30. August 2002 Am 22. September finden die Verfassungsabstimmungen über die Goldinitiative der SVP und den Gegenvorschlag der Bundesversammlung dazu statt. Als prominente Vertreter der beiden Seiten diskutieren hier Nationalrat Christoph Blocher (svp., Zürich) und Ständerätin Vreni Spoerry (Zürich, fdp.) über die Vorlagen. Die Gesprächsleitung oblag Katharina Fontana und Max Frenkel von der Inlandredaktion. Herr Blocher, worum geht es Ihnen eigentlich? Um die AHV oder die Verhinderung der Solidaritätsstiftung? Christoph Blocher: Die Grundfrage ist: Wollen wir das Volksvermögen der nicht mehr benötigten Währungsreserven für die AHV einsetzen - was allen zugute kommt - oder zu einem wesentlichen Teil für eine erpresste Stiftung verwenden und 7 Milliarden verschenken? Sie versprechen sich einen wesentlichen Beitrag an die AHV? Blocher: Beim jetzigen Goldpreis geht es um ungefähr 20 Milliarden Franken. Bei fünf- bis sechsprozentigem langfristigem Renditesatz gibt das ungefähr 1 bis 1,2 Milliarden pro Jahr. Das ist viel Geld. Dabei wird das Vermögen nicht nur dreissig Jahre genutzt - wie im Gegenvorschlag -, sondern für immer. Die Goldinitiative bestimmt, dass entweder das Vermögen bei der Nationalbank bleibt und der Ertrag in den AHV-Fonds fliesst oder das Vermögen in den AHV-Fonds geht, wo es heute per Gesetz ebenfalls erhalten bleiben muss, denn es darf nicht unter eine Jahresrente (Grössenordnung 30 Milliarden) absinken. Ohne die Erträge aus der Goldinitiative müssten die Mehrwertsteuer oder die Lohnabzüge entsprechend erhöht werden, um die Rente erhalten zu können. Wieso sagen Sie in Ihrer Initiative nicht, dass das Vermögen erhalten werden soll? Blocher: Weil es selbstverständlich ist. Entscheiden kann der Gesetzgeber lediglich noch, ob er das Vermögen real oder absolut in der Nationalbank oder im AHV-Fonds erhalten will. Wie ist das mit der Mehrwertsteuer? Ist diese Konstruktion geeignet, einen Beitrag an die Probleme der AHV zu leisten? Vreni Spoerry: Wenn versprochen wird, dass mit der Goldinitiative während zehn Jahren die Erhebung eines Mehrwertsteuerprozentes verhindert werden kann, dann muss man auf das Vermögen greifen, weil ein Mehrwertsteuerprozent 2,5 Milliarden Franken sind. Das aber ist nur möglich, wenn die Substanz aufgezehrt wird. Wenn man allein die Erträge verwendet, dann bekommt die AHV nur etwas mehr als beim Gegenvorschlag. Blocher: Mit der Goldinitiative ist Gewähr geboten, dass mindestens für die nächsten zehn Jahre keine Erhöhung der Lohnabzüge und keine Mehrwertsteuererhöhung nötig ist. Die Goldinitiative bringt in zehn Jahren ca. 10 Milliarden für die AHV. Der Gegenvorschlag dagegen lediglich 3,3 Milliarden. Und nach zehn Jahren müssten auf alle Zeiten hinaus stets mindestens 700 Millionen pro Jahr weniger Steuern oder Lohnprozente erhoben werden. So verteilt die Goldinitiative das Volksvermögen gerecht. Bei Ablehnung der Initiative müsste, um in zehn Jahren auf die 10 Milliarden zu kommen, bereits ab 2008 die Mehrwertsteuer um ein halbes Prozent erhöht werden. So sieht es der Bundesrat vor, um die Differenz auszugleichen. Spoerry: Wenn Sie die ganzen Erträge in die AHV geben, wird die Substanz nominell entwertet. Heute haben wir einen Umsatz der AHV von 30 Milliarden pro Jahr, und in zehn Jahren werden es 40 Milliarden sein - das ist die Folge der Demographie. Entsprechend kleiner ist das nominelle Vermögen, das dem gegenübersteht. Das kann dann auch nicht mehr ein halbes Mehrwertsteuerprozent ersetzen. Der grosse Vorteil des Gegenvorschlages ist, dass von den nominellen Erträgen zuerst die Teuerung zur Substanz zugeschlagen wird. Die Substanz ist dann in zehn Jahren nicht mehr 20 Milliarden, sondern je nach Teuerung 25 oder 30 Milliarden, und bringt auch die entsprechend real korrigierten Erträge. Bei Ihnen wird im Minimum das Volksvermögen inflationsbedingt verringert. Etwas anderes ist in der Initiative mindestens nicht vorgesehen. Blocher: Der Gesetzgeber ist frei, ob er das Vermögen inflationsbereinigt oder absolut erhalten will. Aber auf jeden Fall für immer. Spoerry: Aber immer nur für die AHV. Beim Gegenvorschlag jedoch kann die nächste Generation das real erhaltene Vermögen für ihre dannzumaligen Bedürfnisse einsetzen. Andere Wege der Goldverteilung Wenn die SVP sagt, sie möchte das Gold an das Volk verteilen, gäbe es dafür nicht direktere Wege? Blocher: Wir haben das geprüft. Zuerst wollten wir das Gold direkt den Bürgerinnen und Bürgern verteilen. Jeder bekäme dann etwa 3500 Franken. Das gibt aber Verteilungs- und Inflationsprobleme, und das Vermögen wäre auf einmal aufgebraucht. Über den AHV-Fonds kommt der Beitrag allen zugute, den Jungen, den Mittelalterlichen und den Alten, weil sie alle weniger für die AHV zahlen müssen, um die Renten zu sichern. Das ist besser, als es in alle Welt zu verteilen. Warum beschränken Sie sich im Text nicht auf die nicht mehr benötigten 1300 Tonnen? Sie ziehen die Nationalbank in die politische Diskussion. Blocher: Die Nationalbank bestimmt weiterhin, welche Währungsreserven sie nicht benötigt. Ob dies 1300 Tonnen Gold sind oder etwas anderes, hat sie zu bestimmen. Sie hat sich - erst nach Lancierung der Initiative - für 1300 Tonnen Gold entschieden. Also sind es 1300 Tonnen Gold. Spoerry: Aber Ihre Initiative stellt im dauernden Verfassungsrecht einen direkten Bezug her zwischen den Währungsreserven der Nationalbank und der AHV. Und es ist völlig klar, dass in diesem Fall die Politik in Versuchung geraten wird, bei künftigen Finanzierungsproblemen der AHV Druck auf die Nationalbank auszuüben. Die Lösung der AHV-Probleme Wir können also die Probleme der AHV so oder anders nicht lösen? Blocher: Natürlich löst auch die Goldinitiative nicht alle Probleme der AHV. Aber sie gewährleistet, dass mindestens zehn Jahre lang weder Rentenkürzungen noch eine Erhöhung der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge, noch der Mehrwertsteuer nötig sind, was den Wirtschafts- und Arbeitsplatz Schweiz stärkt und den Leuten mehr zum Leben lässt. Spoerry: Wenn man von den teuerungskorrigierten Erträgen ausgeht, dann kann man in der absehbaren Zukunft mit höchstens 3 Prozent Ertrag rechnen, das sind 600 Millionen. Der Gegenvorschlag würde also 200 Millionen in die AHV geben, die Goldinitiative 600 Millionen, dafür gar nichts den Kantonen. Ein Mehrwertsteuerprozent beträgt 2,5 Milliarden. Deswegen ist Ihr Versprechen sehr kühn. Das Profil der Solidaritätsstiftung Widerstand gibt es bei der Zielsetzung der Stiftung: ein nicht fokussiertes Sammelsurium. Spoerry: Die Stiftung hat ein sehr klares Profil, aber sie schreibt nicht bestimmte Projekte vor. Sie bekämpft Armut und Krankheit, ermöglicht Jugendlichen Perspektiven, vor allem in benachteiligten Ländern, stärkt demokratische Strukturen und unterstützt ökologische Projekte. Sie kann in aussergewöhnlichen Notsituationen Soforthilfe leisten. All das im In- und im Ausland. Das Ziel ist gesellschaftliche Stabilität, weil diese die Voraussetzung ist für Sicherheit und Wohlstand hier im eigenen Land und natürlich noch viel mehr auf der Welt. Wenn wir dieses Ziel erreichen, dann machen wir etwas in unserem eigenen Interesse. Ich glaube, dass dafür der Einsatz von weniger als 1 Promille Mehrwertsteuer gut verwendetes Geld ist. Blocher: Mit der Stiftung kann durch den Stiftungsrat praktisch alles getan werden: Es ist ein Selbstbedienungsladen. Und dafür will man 7 Milliarden Volksvermögen nutzen. Dazu die Problematik: Die Stiftung wurde unter massivem Druck 1997 unter dem Traktandum "Nachrichtenlose Vermögen" in die Welt gesetzt. Darum muss auch die Hälfte heute ins Ausland gehen. Nie würde man eine solche Stiftung machen mit einer Steuererhöhung! Man käme in der Bevölkerung nämlich nicht durch. Spoerry: Aber wir fragen ja die Bevölkerung! Die Stimmberechtigten können am 22. September entscheiden, ob sie einen Teil der Erträge des unerwarteten Sondervermögens für die Stiftung verwenden wollen oder nicht. Die Volksmitsprache ist vollumfänglich gewährleistet. Was kann man mit einer solchen Stiftung überhaupt erreichen? Greift sie nicht Aufgaben auf, die eigentlich aus dem normalen Etat finanziert werden müssten? Spoerry: Die Stiftung ersetzt nicht staatliche Aufgaben. Aber sie kann dort, wo der Staat nicht alles erreichen kann, unterstützend eingreifen. Die Mittel werden zur Hälfte im Inland, zur Hälfte im Ausland eingesetzt. Auch im Inland sind wir mit neuen Phänomenen konfrontiert - wie etwa Gewalt an den Schulen, zunehmender Lese- und Schreibschwäche oder Armut von Familien -, die alle die Stabilität der Gesellschaft gefährden. "Ich nehme das nicht so ernst" Bei jeder Veranstaltung können wir feststellen, dass diese Art von Inlandeinsätzen, die Sie geschildert haben, die Leute nicht überzeugt. Wieso hat man diese hälftige Teilung gemacht? Spoerry: Das war ein politischer Kompromiss. Wenn wir alles ins Ausland geben würden - wodurch man meiner Meinung nach die Wirkung massiv verstärken könnte -, dann hätten wir den Vorwurf wahrscheinlich nicht zuletzt von Christoph Blocher hören müssen, das Volksvermögen der Schweiz werde restlos im Ausland verteilt. Ich kenne kleine private Organisationen, die mit Know-how vor Ort in den Slums von Delhi jungen Menschen eine Ausbildung verschaffen und die nachweisen können, dass diese Leute dadurch eine Stelle finden. Das sind Ansätze. Blocher: Natürlich kann man beim Geldverteilen für Projekte schwärmen. Doch ich nehme das nicht so ernst. Man kann viel Elend auf der Welt aufzählen, aber zu glauben, mit dieser Stiftung, die alles zulässt, werde hier etwas wesentlich verbessert… Spoerry: Und Sie glauben, mit dem Geld, das in diese Stiftung fliesst, dagegen die AHV sichern zu können… Blocher: Frau Spoerry, gerade in einer Zeit, wo wir wirtschaftlich nicht recht wissen, wie es herauskommt, ist es verantwortungsvoll, zu schauen, dass wir unsere Probleme lösen, statt 7 Milliarden in eine so diffuse Stiftung zu stecken und zu verschenken. Zur Erpressungsthese Spoerry: Das Volk kann in völliger Freiheit darüber entscheiden, ob es das will oder nicht. Die Stiftungsidee, und da treffe ich mich mit Herrn Blocher, ist in einem unglücklichen Zeitpunkt bekannt gegeben worden. Vielleicht sogar aus einer gewissen Drucksituation heraus, das bestreite ich nicht. Das ändert nichts daran, dass die Stabilität in der Gesellschaft unabhängig von der Geburtsstunde ein wichtiges Ziel ist. Wir haben alle Vermutungen, die Leute jenseits des Atlantiks sich vorgestellt haben, mit dem Stiftungsgesetz ein für alle Mal begraben. Wo ist eigentlich die Erpressung, wenn der Erpresste das nicht tun will, was der Erpresser von ihm haben möchte? Blocher: Es ist das Wesen der Erpressung, dass es der Erpresste nicht tun will. Frau Spoerry weiss, dass die Stiftung aber das tun müsste: Herr Bundespräsident Koller hat am 5. März 1997 vor der Bundesversammlung, als die Schweiz unter ausserordentlichen erpresserischen Druck gesetzt wurde, leider dem Druck nachgegeben und verkündet, dass 7 Milliarden in eine Solidaritätsstiftung gehen sollen. Dies könne man für Verschiedenes gebrauchen, Bekämpfung von Rassendiskriminierung usw. und wörtlich "selbstredend auch für Holocaust- und Shoah-Opfer". Wenn wir die Stiftung machen, werden diese Kreise jedes Jahr kommen und uns um Erträge aus der Stiftung erpressen. Spoerry: Die Gesetzesmaterialien sind eindeutig: Es gibt keine "Wiedergutmachung". Die Stiftung geht die Probleme in der Zukunft an, nicht jene der Vergangenheit. Die Kontrolle durch Parlament und Öffentlichkeit ist im Gesetz sichergestellt. "Die Banken haben's finanziert" Blocher: Der Stiftungszweck erwähnt aber ausdrücklich die Bezahlung für Folgen der Vergangenheit. Darum wollen die Banken diese Stiftung. Ich frage Sie, Frau Spoerry, Sie waren Mitglied des Verwaltungsrates der Credit Suisse, warum haben denn die Banken ein solches Interesse, den Abstimmungskampf zu finanzieren? Heute habe ich - durch einen Brief der UBS vom Juni 2002 - erfahren, dass sie sogar die Vorarbeiten zur Gründung der Solidaritätsstiftung finanziell unterstützten. Die Banken taten dies ja nicht als humanitäre Steigbügelhalter für die Schweiz und um die Armut zu bekämpfen! Ich verstehe, dass es um die Vorbereitung zum Abstimmungskampf… Blocher: Nein, ausdrücklich zur "Vorbereitung zur Gründung der Stiftung". Spoerry: Das ist mir unbekannt. Sicher ist ein wesentliches Motiv der Banken die Unabhängigkeit der Nationalbank. Die liegt ihnen am Herzen, und die ist mit dem Gegenvorschlag gewährleistet. Blocher: Die Goldinitiative ändert an der Unabhängigkeit der Nationalbank nichts. Spoerry: Doch. Eine Gefährdung ist nicht auszuschliessen. Dies zu verhindern, ist ein sehr wichtiges Anliegen des Finanzplatzes und auch der Politik. Es ist anzunehmen, Herr Blocher, dass auch Ihr Abstimmungskampf irgendwie finanziert wird. Blocher: Wir haben eine übliche Finanzaktion. Es sind natürlich relativ viele kleine Spenden. Dazu haben wir einen kleinen Beitrag von der Aktion für eine neutrale Schweiz eingesetzt. Ich werde das Defizit persönlich übernehmen. Die Folgen eines doppelten Nein Es könnte sein, dass wir jetzt eine völlig irrelevante Diskussion führen, weil am Abstimmungssonntag beide Vorlagen das Ständemehr nicht erreichen. Schliessen Sie sich am Montag darauf der SP an, dass das Nationalbankgold in die AHV einzubringen ist? Blocher: Nein, das ist nicht möglich. Ich kämpfe für die Annahme der Goldinitiative als gerechteste und verantwortungsvollste Lösung. Wenn zweimal Nein herauskommt, ist die Stiftung beerdigt, aber auch die ganzen Goldreserven können nicht mehr in die AHV gehen, mit all den negativen Folgen. Spoerry: Ich kämpfe bis zum 22. September für den Gegenvorschlag. Was nach einem doppelten Nein passiert, ist offen. Ich bin überzeugt, dass der Verteilkampf von neuem beginnen wird, weil bei zweimal Nein gar nicht eruierbar ist, was die Stimmenden mehrheitlich gewollt haben - ausser wohl, dass das Geld nicht in diese Stiftung und nicht vollumfänglich in die AHV fliessen soll.