Article

Elections

22.08.2000

Nicht das Gescheiteste

Christoph Blocher bedauert das Ja der SVP zur 18-Prozent-Initiative. Er selbst wird Nein stimmen. Interview mit dem Tages-Anzeiger vom 22. August 2000 Autor: Mit Christoph Blocher sprach Iwan Städler Herr Blocher, haben Sie mit dem Ja der SVP-Delegierten zur 18-Prozent-Initiative gerechnet? Blocher: Ich musste damit rechnen, erwartete aber eine Nein-Parole. Die Vorlage war ja bereits in der Bundeshausfraktion umstritten. Wir verlangten damals einen Gegenvorschlag, der im Parlament abgeschmettert wurde. Der Entscheid der Delegierten ist ein Aufbegehren gegen die verfehlte Ausländerpolitik des Parlaments und des Bundesrats. Wie erklären Sie sich, dass Ihre Zürcher SVP mit der Nein-Parole für einmal regierungsfreundlicher ist als die Schweizer SVP mit der Ja-Parole? Blocher: In Zürich sind wir programmatisch weiter. Wir haben die Frage einer Ausländerquote schon vor Jahren ausgiebig diskutiert und sie in unserem Kantonalprogramm verworfen. In Genf sprachen aber Ulrich Schlüer und Hans Fehr für eine solche Quote. Sie, Herr Blocher, fehlten in Genf. Warum? Blocher: Ich war an der Generalversammlung unserer börsenkotierten Firma. Dieser Termin muss schon ein Jahr im Voraus festgelegt werden. Ich bedaure diese Terminkollision. Die Parteileitung hat ihre Basis offensichtlich nicht mehr im Griff. Blocher: Nur Diktatoren haben "die Basis im Griff". Wenn die Delegiertenversammlung immer der Parteispitze folgen würde, müsste man die Versammlung gar nicht mehr durchführen. Bei der SVP bestimmt aber die Basis. Da werden die Parolen nicht von oben her konstruiert wie bei den anderen Parteien. Nun hat die Basis etwas beschlossen, das meines Erachtens nicht das Gescheiteste ist. Werden Sie die Geister nicht mehr los, die Sie gerufen haben? Blocher: Wie kommen Sie denn darauf? Das Messerstecher-Inserat, das Plakat mit dem Ausländer, der eine Schweizer Fahne zerreisst… Blocher: Ich habe diesen saudummen Kommentar im "Tages-Anzeiger" gelesen. Das Messerstecher-Inserat hatte nichts mit Ausländern zu tun, sondern mit Kriminellen schlechthin. Auch das Plakat gegen Asylmissbrauch zeigt einen Verbrecher - das sieht jeder. Wollen Sie bestreiten, dass Ihre Politik bei der Basis eine Ausländerfeindlichkeit geschürt hat, die nun bei Fragen wie der 18-Prozent-Initiative unangenehm wird? Blocher: Nicht jeder, der für diese Initiative stimmt, ist ein Ausländerfeind. Sonst wäre auch der Bundesrat und das Parlament ausländerfeindlich, wenn sie die Zuwanderung aus Nicht-EU-Staaten begrenzen. Ich kenne kein Land, das die Einwanderung nicht begrenzt. Warum sind Sie gegen die 18-Prozent-Initiative? Blocher: Die Hauptprobleme sind die illegale Einwanderung und der Asylrechtsmissbrauch. Beides wird durch eine Quote nicht gelöst. Mit dieser Initiative würden ja die illegal Eingewanderten bleiben, neue legal Einreisende dürften aber nicht kommen. Das scheint mir eine komische Ausländerpolitik zu sein. Würde die Annahme der Initiative der Schweiz schaden? Blocher: Das kommt auf die Umsetzung an. Für die Wirtschaft wäre sie wohl nicht eben förderlich. Glauben Sie, dass die SVP mit ihrer Ja-Parole bei der Wirtschaft an Rückhalt verlieren wird? Blocher: Dieser Entscheid hat ihn sicher nicht gefestigt. Dennoch ist die SVP klar die wirtschaftsfreundlichste Partei. Sie hat sich stets gegen neue Steuern gewehrt. Befürchten Sie, dass die Wirtschaft der SVP jetzt weniger Spendengelder zukommen lässt? Blocher: Wenn dies der Fall wäre, würden die übrigen Parteien schon lange nichts mehr erhalten. Werden Sie selbst die 18-Prozent-Initiative ablehnen? Blocher: Selbstverständlich werde ich Nein stimmen. Werden Sie auch für ein Nein kämpfen? Blocher: Nicht an vorderster Front. Ich muss mich auf jene Vorlagen konzentrieren, wo ich alleine kämpfe. Bei der 18-Prozent-Initiative gibt es genügend andere Parlamentarier, die dagegen sind. Ich werde die Energieabgaben bekämpfen. Die sind für die Wirtschaft weit schädlicher.

05.06.2000

Zusammenarbeit statt Einbindung

Mein Artikel in der Neuen Zürcher Zeitung vom 5. Juni 2000 Die Europapolitik nach der Annahme der bilateralen Verträge Von SVP-Nationalrat Christoph Blocher, Herrliberg Nach der Abstimmung über die bilateralen Verträge steht die künftige Europapolitik zur Diskussion. Manche empfehlen einen raschen EU-Beitritt, andere fordern dessen sorgfältige und längerfristige Vorbereitung, wieder andere wollen zuerst einmal Erfahrungen mit dem Bilateralismus sammeln, und strikte EU-Gegner lehnen weitergehende Schritte in Richtung einer EU-Integration generell ab. Die NZZ hat dazu eine kleine Artikelserie gestartet. Hinter jeder europapolitischen Überlegung stecken die Grundfragen: Soll die Schweiz als direktdemokratischer Kleinstaat ihre Zukunft auch weiterhin selber bestimmen können oder soll sie durch das Grossstaatengebilde Europäische Union (EU) weitgehend über sich selbst bestimmen lassen? Soll die Schweiz ihre für den Erfolg des Landes wesentlichen Besonderheiten, nämlich die direkte Demokratie, den Föderalismus, die Neutralität, preisgeben oder nicht? Was wollen wir? Ein EU-Beitritt brächte jedoch neben diesen grundsätzlichen auch eine Vielzahl von weiteren Problemen, die das tägliche Leben der Bürgerinnen und Bürger betreffen: Wollen wir Schweizer uns die Mindesthöhe der Mehrwertsteuer von 15 statt 7,5 Prozent vorschreiben lassen? Wollen wir jährlich über 4 Milliarden Franken, das heisst etwa 10 Prozent des Bundeshaushaltes, zusätzlich nach Brüssel abliefern? Wollen wir die Verteidigung unseres Landes einer westeuropäischen Union überlassen, nachdem das Land mit der dauernd bewaffneten Neutralität 200 Jahre lang ohne fremde Truppen in Frieden gelebt hat? Wollen wir die künftigen europäischen Zinsbesteuerungsregeln übernehmen? Wie steht es mit einer Steuerharmonisierung, die immer stärker propagiert wird? Wie steht es mit der Abschaffung des Schweizerfrankens? Wie mit der Erhöhung des Zinsniveaus und den damit verbundenen Folgen für Arbeitsplätze, für Mieten und für Einfamilienhäuser? Wie steht es um das Bankgeheimnis? Was sagen wir zu den Harmonisierungsbestrebungen der EU, wenn sie für unser Land mit Sicherheit eine Nivellierung nach unten bedeuten? Solche und viele ähnliche Fragen verbergen sich hinter unserer Souveränität. Acht Jahre nach dem EWR Der Wille zur Aufrechterhaltung der Unabhängigkeit ist aber weder beim Bundesrat noch beim Parlament gegeben. Gäbe es die Volksabstimmung nicht, wäre die Schweiz längst Mitglied der Europäischen Union. Das entscheidende Hindernis bildete die Verwerfung des EWR-Vertrages von 1992. Bei einer Annahme hätte die EU in vielen Bereichen für die Schweiz Recht gesetzt, ohne dass unser Land ein Mitentscheidungs- oder Vetorecht gehabt hätte. Obwohl alle führenden Kreise den EWR als für die Schweiz lebens-, teilweise sogar überlebenswichtig bezeichneten, lehnten Volk und Stände diesen Kolonialvertrag, dieses "Trainingslager" zum EU-Beitritt ab. Nach acht Jahren ist die Bilanz eindeutig: All die Schreckensszenarien, die für den Fall der Verwerfung des EWR gemacht wurden, traten nicht ein. Im Gegenteil: Die Schweiz belegt in internationalen Ranglisten auch im Jahr 2000 punkto Beschäftigung, wirtschaftliche Wohlfahrt und Leistungsfähigkeit bis hin zur Lebensqualität des Einzelnen einen Spitzenplatz. Betrug am Volk Seit 1992 hat die Schweiz eine Reihe von bilateralen Verträgen abgeschlossen. Das letzte Paket wurde am 21. Mai 2000 durch das Volk gutgeheissen. Der Bundesrat, aber auch der Grossteil der Politiker hat betont, es handle sich nicht um einen ersten Schritt in die EU. Kaum ist die Schlacht geschlagen, münzen zahlreiche Politiker die Zustimmung zu den bilateralen Verträgen zu einer Zustimmung zum EU-Beitritt um. Doch die Angst vor einer Volksabstimmung ist offensichtlich. Statt die Initiative "Ja zu Europa" endlich in ablehnendem Sinne vor das Volk zu bringen, versucht man, die Initianten zu deren Rückzug zu bewegen mit dem Versprechen, den Inhalt der Initiative ohne Volksentscheid umzusetzen. Man weiss: Volk und Stände würden sich gegen einen EU-Beitritt aussprechen. Die Volksinitiative "Ja zu Europa" gehört ohne Gegenvorschlag vors Volk. Nur keine Bittgänge nach Brüssel Solange ein Land souverän und eigenständig bleibt, gibt es zwischenstaatliche Probleme. Diese löst man in gegenseitigem Einvernehmen. Darum führt die Schweiz seit über 700 Jahren bilaterale Verhandlungen und verfügt über eine Vielzahl solcher Verträge. Nur: Bei Vertragsverhandlungen ist Klugheit gefragt. Die Schweiz hat zunächst - besonders nach den nun gutgeheissenen sektoriellen Abkommen, die für unser Land mit grossen Lasten zugunsten der EU verbunden sind - jetzt keine lebensnotwendigen Dinge mit der EU zu regeln. Es braucht jetzt keine Bittgänge nach Brüssel! Hat die EU Probleme, wird sie mit ihren Anliegen auf die Schweiz zukommen. Zum gegebenen Zeitpunkt sind Gegenforderungen zu stellen. Ich hoffe sehr, dass der Bundesrat nicht die gleichen Fehler begeht wie bei den letzten Abkommen. Eiserne Verhandlungsregeln lauten, dass Bittgänge und Zeitdruck schlechte Ratgeber sind. Diesen Regeln sind auch alle Sonderwünsche von Wirtschaft und Verwaltung unterzuordnen. Zunächst gilt es, die aus der Umsetzung der eben angenommenen bilateralen Verträge entstehenden Probleme zu lösen und die Interessen der Schweiz zu wahren. Die EU realistisch sehen Seit 1992 hat die Zeit für die Beibehaltung der schweizerischen Souveränität gearbeitet: Die EG ist zu einer Union geworden, die Verträge von Maastricht sind in Kraft, der Euro und seine Schwächen sind Tatsache, die Massnahmen und die Bedrohung der europäischen Grossstaaten gegen den Kleinstaat Österreich haben das Gerede von der Brüderlichkeit innerhalb dieser Gemeinschaft entlarvt. Die Spitze eines Korruptionsberges kam öffentlich zum Vorschein. Bereits wird von Ausschaltung des Steuerwettbewerbes und von Steuerharmonisierung gesprochen. Unsere Wirtschaft ist - im Gegensatz zu 1992 - nicht mehr der Meinung, sie brauche einen EU-Beitritt. Es ist zu hoffen, dass Bundesrat und Parlament dies endlich berücksichtigen. Wie entwickelt sich die EU? Bei der heutigen Ausgangslage muss die Beibehaltung der Souveränität und Unabhängigkeit oberstes strategisches Ziel sein, auch wenn aus der EU neue Töne zu hören sind: Kommissionspräsident Prodi glaubt, dass sich die EU stärker der Schweiz anpassen werde. Er vertritt die Meinung, die EU werde eine Gemeinschaft von Minderheiten sein - so wie die Schweiz das heute eben auch sei. Die Äusserungen des deutschen Aussenministers Fischer haben dem Föderalismus-Gedanken innerhalb der EU Auftrieb gegeben, fordern aber auch ein ungleiches Gewicht der verschiedenen EU-Staaten. Viele Europäer hoffen auf ein Europa der Vaterländer, wie es de Gaulle seinerzeit propagierte. Es handelt sich jedoch um Träume - mehr nicht. Deshalb heisst die - für die Politiker persönlich etwas weniger attraktive, für die Bürgerinnen und Bürger aber erfolgversprechendere - zukünftige Devise: Kooperation statt Integration, Zusammenarbeit statt Einbindung.

15.04.2000

Die Europa-Politik der SVP

Referat anlässlich der Delegiertenversammlung der SVP in Appenzell am 15. April 2000   Meine Damen und Herren In einer führenden Wirtschaftszeitung vom 8. April 2000 lese ich in einem Artikel unter dem Titel "Beschäftigungswunder Schweiz", dass der Schweiz punkto Beschäftigung und wirtschaftlicher Wohlfahrt der Spitzenplatz zukommt. Auch auf allen internationalen Ranglisten über die Wohlfahrt, über die wirtschaftliche Leistungskraft, über die politischen Freiheitsrechte, angefangen vom Lebensstandard des Einzelnen bis zur Lebensqualität allgemein, belegt unser Land einer der ersten Plätze. Diese Bilanz erfolgt gut sieben Jahre nachdem das Schweizervolk und die Kantone die Kraft hatten, den Vertrag über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) abzulehnen. Der Souverän beschloss dies, obwohl dem Schweizer- volk von Bundesrat, der Mehrheit des Parlamentes, fast allen Verbänden, Gewerkschaften, Medien und allem, was Rang und Namen hatte - kurz von der "classe politique" - prophezeit worden war, die Schweiz würde bei Ablehnung des Vertrages wirtschaftlich ein Hinterwäldner-Dasein fristen. Das Nein zu einem Vertrag, der die Schweiz daran gehindert hätte, an ihrer Souveränität, Selbstbestimmung und Unabhängigkeit festzuhalten, war schliesslich aber - einmal mehr - ein Erfolgsrezept für Freiheit und Wohlfahrt unserer Bürger. Dank dem Festhalten an den besonderen Staatssäulen steht der Kleinstaat Schweiz noch immer besser da als fast alle anderen Staaten. Was sind denn aber die Besonderheiten des Kleinstaates Schweiz? Ich habe diese Frage oft mit ausländischen Politikern, Industriellen, Oekonomen und Politologen erörtert. Bei aller Hinterfragung und Diskussion, bei aller kritischen Betrachtung kommt man immer zum gleichen Schluss: Es ist der Sonderfall Schweiz, um den man uns beneidet. Eigenartigerweise wissen ausländische Leute, die unser Land kennen, die Vorteile dieses Sonderfalles weit mehr zu schätzen als all die kleinmütigen schweizerischen Politiker, die glauben, das Heil bestehe darin, gleich zu sein wie die anderen und danach zu streben, alles, was uns unterscheidet, abzuschaffen. Der Sonderfall der Schweiz, das Geheimnis der Schweiz, beruht auf folgenden Säulen: - der Volkssouveränität (alle Macht geht vom Volk aus, d.h. Führung des Staates von unten) - der direkten Demokratie und damit der direkten Einflussnahme des Volkes auch in Sachgeschäften, was zur Machtbeschränkung der Politiker führt - dem Föderalismus mit seinem Wettbewerb unter Kantonen und unter Gemeinden, der ein bedeutendes Mittel gegen Zentralismus und zentrale Bürokratie darstellt - der dauernd bewaffneten Neutralität, die Grossmachtgelüste der "classe politique" verhindert, was zur Sicherheit des Landes führt - der Achtung und Freundschaft, die uns mit allen Staaten dieser Welt verbindet - dem Widerstand gegen die Einbindung in internationale Grossgebilde - der freiheitlichen Verfassung, die die Macht von Regierung und Parlament beschränkt - der Betonung der Selbstverantwortung und Freiheit des Bürgers Die Aussenpolitik - auch und gerade die Europapolitik - hat diesen zentralen Werten Rechnung zu tragen. Diesen Staatssäulen, die im Laufe vieler Jahrhunderte gewachsen sind und deshalb nicht als toter Buchstabe einer Verfassung betrachtet werden dürfen, verdankt die Schweiz nicht nur ein Mass an Freiheit und Wohlergehen, sondern auch die Tatsache, dass unser Land während 200 Jahren keine Kriege mit anderen Staaten führen musste. Tragischerweise werden diese Erfolgsgeheimnisse der Schweiz gerade von den führenden Leuten verkannt. Es gehört heute leider zum guten Ton, diese bewährten Erfolgsgeheimnisse für veraltet zu erklären und lächerlich zu machen. Die "classe politique" lähmte die eigenen Bürger in den letzten Jahren mit Selbstanklagen, ein auf diesem Erdball einzigartiger Vorfall. Es ist wohl das Ziel, die Bürger zu verunsichern, um sie für grosse, internationale Organisationen gefügig zu machen und ihre persönliche und wirtschaftliche Freiheit einzuschränken. Durch oberflächliches Nacheifern internationaler Aktivitäten will man sich beliebt machen und merkt nicht, dass dadurch in Wirklichkeit der Respekt verloren geht und man die Eigenständigkeit verliert. Die Schweiz in Europa Die Schweiz ist nicht nur mit allen Staaten der Welt, sondern insbesondere mit denjenigen Europas freundschaftlich verbunden. Die europäischen Staaten sind unsere wichtigsten Handelspartner, kulturell wie politisch unsere Nachbarn, und unsere Verbindungen zu den EU-Staaten sind zum Teil wesentlich enger als diejenigen unter den einzelnen EU-Staaten selbst. Eines aber hat die Schweiz nicht getan, nämlich sich einbinden lassen, und sie sollte es auch nie tun. Denn dies hätte dazu geführt, dass unsere Staatssäulen, welche die Stärke der Schweiz ausmachen, geschwächt oder abgerissen worden wären. Freundschaft in Freiheit statt Integration und Bevormundung! Deshalb tritt die SVP in ihrem Parteiprogramm gegen jede Einbindung in internationale Organisationen ein, die die Unabhängigkeit und Neutralität schwächen würde. In Bezug auf Europa heisst dies: - Nein zum EWR - Nein zum EU-Beitritt - Nein zum NATO-Beitritt - Ja zur Unabhängigkeit - Ja zu einer sicheren Zukunft in Freiheit Der EWR-Vertrag Der EWR-Vertrag ist nichts anderes als ein "Kolonialvertrag". Er sah vor, ganze Rechtsgebiete der Schweiz durch die Europäische Union zu regeln, ohne dass die Schweiz hätte mitentscheiden können. Der EWR-Vertrag hätte der Schweiz auch bei wichtigen Entscheidungen kein Vetorecht eingeräumt. Das hat auch der Bundesrat erkannt und deshalb konsequenterweise noch vor der EWR-Abstimmung erklärt, der EWR-Vertrag mache höchstens als Vorstufe zum EU-Beitritt Sinn und folglich das EU-Beitrittsgesuch eingereicht. Wie gross die EWR-Falle ist, können Sie in diesen Tagen in den Zeitungen lesen. So hat kürzlich der deutsche Finanzminister Eichel erklärt, im EWR dürfte es keine Steuerinseln geben, obwohl die Steuerfragen im EWR-Vertrag expressis verbis ausgeklammert sind. Der deutsche Finanzminister sprach damit Lichtenstein an. Die Schweiz als Kleinstaat hat sich bewusst zu sein, wie sehr in solchen Gebilden schlussendlich die Macht und weniger das Recht eine Rolle spielt. Ein Kleinstaat darf sich nicht einer Organisation anschliessen, in der Macht über Recht gesetzt wird, denn der Kleinstaat kann sich lediglich auf das Recht stützen. EU-Beitritt Der EU-Beitritt, den Bundesrat und Parlamentsmehrheit - in tragischer Verblendung - anstreben, hätte einen schwerwiegenden Souveränitätsverlust, namentlich einen Eingriff in die Volksrechte und die Abschaffung der Neutralität zur Folge - von den konkreten Nachteilen, wie beispielsweise den schwerwiegenden finanziellen Verpflichtungen, der Gestaltung der Steuern durch die EU, der Uebernahme der EU-Landwirtschaftspolitik, der Abschaffung des Bankgeheimnisses, der vollständigen Uebernahme der Verkehrspolitik bis zur Regelung und Vereinheitlichung im täglichen Leben gar nicht zu sprechen. Wie sehr auch hier mit der Macht gespielt wird, ersehen Sie aus dem unglaublichen Vorgehen der 14 EU-Staaten gegenüber dem Kleinstaat Oesterreich: Eine demokratisch gewählte Regierung wird unter fadenscheinigen moralischen Begründungen bedroht, boykottiert und ausgegrenzt. Dies hat sich der Kleinstaat Schweiz vor Augen zu führen. Auch hier gilt: Macht und Recht sind zwei Paar Schuhe. Der Weg der Macht ist oft einfacher als derjenige des Rechtes, aber nur letzterer steht dem Kleinstaat zur Verfügung. "Drum prüfe, wer sich ewig bindet!" Die SVP sagt deshalb schon in ihrem Parteiprogramm klar Nein zum EU-Beitritt. NATO-Beitritt Wir treten klar für die dauernd bewaffnete Neutralität ein. Die dauernd bewaffnete Neutralität ist einer der wesentlichen Gründe, der es unserem Land während 200 Jahren ermöglicht hat, sich aus all den Kriegen mit fremden Mächten fernzuhalten. Auch deshalb hat die SVP einen EU-Beitritt abzulehnen. Aber ebenso konsequent den Beitritt zur NATO. Bilaterale Verträge Meine Damen und Herren, die Schweiz ist gut damit gefahren, sich weltoffen zu verhalten, ohne sich in Machtstrukturen einbinden zu lassen. Weltoffenheit ohne Fesseln - das ist der richtige Weg. Er garantiert Handlungsfreiheit und verhindert, dass Machtübergriffe durch fälschlicherweise eingegangene Bindungen als rechtens erklärt werden. Die Probleme zwischen Staaten lösen wir mit Verträgen. Gerade mit den EU-Staaten und mit der EU selbst besteht eine Vielzahl von Verträgen, Abkommen, Regelungen, Absprachen usw. Man nennt das heute bilaterale Verträge, was nichts anderes heisst als zweiseitige Verträge. Um solche Verträge geht es heute. Bilaterale Verträge haben nicht die schwerwiegenden Folgen eines Kolonialvertrages wie des EWR, weil die EU-Staaten kein künftiges Recht für unser Land setzen, aber auch nicht die gravierenden Einbindungsfolgen in eine EU. Ob die Verträge gut oder schlecht sind, hat man am Inhalt zu prüfen. Es ist zu fragen, ob wir eine Verkehrs-, Personenfreizügigkeits-, Landwirtschafts-, Wirtschafts- oder andere Politik machen wollen, so wie dies die Verträge vorsehen. Eines steht fest: Bilaterale Verträge abzuschliessen, macht nur Sinn, wenn man der EU nicht beitreten will. Durch die Weigerung des Bundesrates, nach dem EWR-Nein vom erklärten Ziel des EU-Beitrittes Abstand zu nehmen, ist die Schweiz in ein schiefes Licht geraten. Was will der Bundesrat jetzt eigentlich? Will er in die EU oder will er nicht? Gibt es ein achtjähriges Moratorium, wie dies Bundesrat Couchepin ankündigte und dann unter Druck des Gesamtbundesrates zum Missverständnis erklären lassen musste? Warum zieht der Bundesrat das EU-Beitrittsgesuch nicht zurück? Es sind der Fragen viele und sie fördern die Glaubwürdigkeit in unsere Aussenpolitik nicht. Es ist eine grosse Tragik, dass der Bundesrat mit der EU bilaterale Verträge aushandelte und ihr gleichzeitig stets den Beitrittswillen bekundete. Damit fehlte es der Landesregierung an Kraft, der EU die Bedeutung der schweizerischen Souveränität und Neutralität glaubwürdig zu vermitteln. Und dadurch fehlte eben auch die Kraft, all den Nachteilen, welche die EU der Schweiz überbinden wollte, wirksam entgegenzutreten. Der Nichtrückzug des EU-Beitrittsgesuches nach der für die Regierung verlorenen EWR-Abstimmung war eine Schwächung der Schweiz. Darum hat die SVP diesen Rückzug stets gefordert. Ob Sie - meine Damen und Herren - diesen Vertragswerken zustimmen wollen oder nicht, haben sie heute frei zu entscheiden, was Sie - wäre die Schweiz Mitglied der EU - nicht tun könnten. Es geht heute nicht um die grosse Frage der Preisgabe von Souveränität und Neutralität, sondern darum, ob Sie die Politik, die diese Verträge unserem Land auferlegen, mit all ihren Vor- und Nachteilen akzeptieren wollen oder nicht. Ich verzichte darauf, die Vor- und Nachteile dieses Vertrages hier zu behandeln. Die Mehrheit unserer Fraktion hat zwar zu den Verträgen Ja gesagt, aber die Mehrheit der flankierenden Massnahmen abgelehnt. Ich persönlich lehne nicht nur die unbefriedigenden flankierenden Massnahmen, sondern auch die Verträge ab, weil sie meiner Meinung nach zu einer Schwächung des Wirtschaftsstandortes Schweiz und zu einer Zunahme der Arbeitslosigkeit führen sowie ein finanzielles Abenteuer bedeuten. Gleichzeitig habe ich aber auch erklärt, dass ich weder für ein Referendum noch für den Abstimmungskampf zur Verfügung stehe, weil bei weiteren Verhandlungen durch den Bundesrat, der in die EU will, kein besseres Resultat erzielt würde. Ich freue mich, dass Pro und Kontra dieser Verträge heute durch SVP-Delegierte behandelt werden. Die Behandlung hebt sich wohltuend vom Vorgehen der anderen Regierungsparteien ab. Dort wurden die Vor- und Nachteile nicht hinterfragt, sondern eine Zustimmung zelebriert, ganz so, als wären Parteitage Versammlungen von blökenden Schafen!

15.03.2000

Die Bilateralen an ihren Inhalten messen

Interview mit dem Tages-Anzeiger vom 15. April 2000 SVP-Kantonalpräsident Christoph Blocher bleibt dabei: Er will nicht in den Abstimmungskampf um die bilateralen Verträge ein- greifen, tut seine Meinung aber trotzdem kund. Die kantonale SVP-Delegiertenversammlung hat am Donnerstag zu den bilateralen Verträgen die Nein-Parole beschlossen. Der Entscheid ist aber mit 171 gegen 168 Stimmen so knapp ausgefallen, dass man von einem Zufallsmehr oder Patt sprechen könnte. Wäre nicht die Stimmfreigabe der richtige Schluss gewesen? Blocher: Das stimmt. Wenn der Antrag aus den Reihen der Mitglieder gekommen wäre, hätte ich ihn unterstützt. Aber ich wollte ihn als Präsident und Versammlungsleiter nicht selber stellen. Wie interpretiert das Parteibüro jetzt seinen Auftrag? Lanciert die kantonale SVP im Hinblick auf den 21. Mai eine überzeugte Nein-Kampagne oder eine halbherzige, die den Willen der grossen Minderheit respektiert? Blocher: Eine Kampagne gibt es nicht. Es ist nicht unsere Gewohnheit, zu nationalen Vorlagen einen Abstimmungskampf zu führen - ausser es handle sich um grundlegende Themen wie den EWR- oder den EU-Beitritt, wo wir keine knappen Parolen beschliessen. Sie selber haben sich an der Delegiertenversammlung nicht zu Wort gemeldet. Blocher: Als Versammlungsleiter halte ich mich stets zurück. Ich habe meine Meinung zu den bilateralen Verträgen schon vor der Schlussabstimmung im Parlament im letzten Oktober geäussert und von einem Referendum abgeraten. Es hat einfach keinen Sinn, einen Kampf zu führen, wenn nachher sowieso wieder derselbe EU-gläubige Bundesrat neue Verhandlungen führen müsste. Darin hat sich meine Haltung nicht geändert. Schweigen Sie auch heute Samstag an der Delegiertenversammlung der SVP Schweiz? Blocher: In Appenzell spreche ich zur Europapolitik als solcher, das ist etwas anderes. Man soll die Bilateralen an ihren Inhalten messen und nicht an der Souveränitätsfrage. Eine Vermutung: Als Parteipräsident halten Sie sich trotz Ihrer öffentlichen Kritik am Bundesrat punkto Bilaterale vornehm zurück, sorgen aber hinter den Kulissen schon dafür, dass durch Ihre Parteikollegen Hans Fehr und Ulrich Schlüer und in der Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (Auns) gegen die Vorlage Stimmung gemacht wird. Blocher: Die Auns hat beschlossen, keine Stellung zu beziehen. Sie äussert sich nur zu Fragen, welche die Unabhängigkeit und Neutralität der Schweiz betreffen. Im Auns-Vorstand gab es zu den Bilateralen drei Anträge: einen Antrag, keine Parole zu fassen, weil sie kein Auns-Thema seien; einen Antrag auf eine Ja-Parole, weil die Bilateralen faktisch einen EU-Beitritt verhindern; und einen Antrag auf eine Nein-Parole, weil das doppelte Spiel des un- glücklich agierenden Bundesrats zu einem schlechten innenpolitischen Recht führen werde. Wir entschieden uns für den ersten Antrag, nämlich keine Parole zu fassen. Für die Auns-Versammlung eine Woche vor der Abstimmung ist das Geschäft nicht traktandiert, doch viele Mitglieder werden es behandeln wollen. Sie meinen immer, die Auns sei eine Partei. Doch die bilateralen Verträge sind ein politisches Thema ausserhalb der Auns-Bandbreite. Was Hans Fehr und Ulrich Schlüer als Nationalräte sonst unternehmen, kann und will ich nicht bestimmen. Herr Blocher, wer mit anschaut, auf wie vielen Hochzeiten Sie als Politiker, "Heimatschützer" und Chemieunternehmer mit vorweggenommenem Anschluss an den europäischen und internationalen Wirtschaftsraum tanzen, fragt sich, ob es den "widersprüchlichen" Christoph Blocher eigentlich nie in Stücke reisst. Geht es Ihnen gut? Blocher: Da unterstellen Sie mir jetzt etwas viel. Meine Persönlichkeit ist nicht widersprüchlich, sie ist eine Einheit, eine Stärke, darum kann ich ja so aktiv sein. Wir verkehren mit allen Staaten freundschaftlich, auf politischem, kulturellem und wirtschaftlichem Gebiet, aber wir lassen uns nie vereinnahmen. Diese Überzeugung vertrete ich als Politiker, Unternehmer und Mensch. Natürlich gibt es Interessengegensätze. Die bilateralen Verträge bringen aus unternehmerischer Sicht gewisse Vorteile, zum Beispiel billigere Leute durch den freien Personenverkehr. Für das Gesamtinteresse des Landes, für den Bürger und den Wirtschaftsstandort, bringen sie aber Nachteile, eine starke Steuerbelastung und Arbeitslosigkeit. Deshalb muss ich die Interessen als Unternehmer eben zurückstellen. Ich wehre mich nicht gegen Weltoffenheit, das wäre nicht einmal aus wirtschaftlicher Sicht richtig. Aber ich wehre mich gegen die Einbindung.

31.01.2000

«Folgen bleiben nicht aus!»

Interview mit der Verkehrs-Rundschau vom 31. Januar 2000 Nach dem erdrutschartigen Sieg der SVP an den letzten Bundeswahlen drängt sich die Frage eines politischen Kurswechsels auch in Fragen der Verkehrspolitik auf. Mit Christoph Blocher unterhielten sich zu diesem und anderen Themen Erwin Kartnaller und André Vollmar Die erste Frage könnte man durchaus als "saisongerecht" bezeichnen: Haben Sie Neujahresvorsätze gefasst? Christoph Blocher: Nein, das mache ich nie. - "Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert...." Damit zum eigentlichen Thema. Die SVP hat an den letzten Nationalratswahlen einen erdrutschartigen Sieg errungen. Wird diese Verschiebung der Machtverhältnisse einen politischen Kurswechsel zur Folge haben, der gerade auch unserer wenig verwöhnten Branche Anlass zu berechtigten Hoffnungen im Bereich der Verkehrspolitik gibt? Blocher: Es ist vielleicht noch etwas früh, diesbezüglich endgültig zu urteilen. Die Wahlen allerdings werden nicht ohne Folgen bleiben, das ist klar. Die FDP wie die CVP müssen stark aufpassen, wie weit links sie ihre Politik in Zukunft noch ansiedeln wollen. Ohne einen entsprechenden Bewusstseinsprozess riskieren sie, bei den nächsten Wahlen abermals Wähleranteile zu verlieren. Sie werden in Zukunft auf die SVP Rücksicht nehmen müssen. Wir haben dies in der letzten Session anhand von zwei Vorstössen im Bereich der Steuern bereits erfahren dürfen. Gegen den Willen des Finanzministers Kaspar Villiger ist ein Postulat zur Steuerharmonisierung von uns bekämpft worden, und sowohl FDP wie CVP haben voll mitgezogen, was noch vor den Wahlen undenkbar gewesen wäre. Auch bei der Eigenmietwert-Initiative, wo diese beiden Parteien versagt haben, glaube ich nicht, dass sie sich nochmals auf ihre alte Positionen versteifen würden. Selbstverständlich ist es aber auch möglich, dass sie sich auf den Standpunkt stellen, die SVP künftig noch mehr an die Wand zu drücken. Bei den Bundesratswahlen haben sie ja klar aufgezeigt, dass sie lieber mit der SP als mit der bürgerlichen SVP paktieren. Und verkehrspolitisch? Blocher: Hier sind die meisten Weichen natürlich bereits falsch gestellt worden; - auch mit der tatkräftigen Unterstützung dieser bürgerlichen Parteien. Ich erinnere nur an die ganze Schwerverkehrsabgabe. Ein verhängnisvoller Entscheid, dessen krasse Folgen erst noch auf die Wirtschaft zukommen. Nicht zu vergessen die NEAT, welche nun beschlossene Sache ist, gebaut werden muss, und uns noch schwer Kosten verursachen wird. Im weiteren stehen Initiativen an, die nach meiner Ansicht eher chancenlos sind. Die VerkehrshalbierungsInitiative etwa, wo sie selber sehen können, dass die SP nicht mal die Kraft hat, nein zu sagen. Aber das ist die Verkehrspolitik der SP... Verkehrspolitisch von Bedeutung sind natürlich all die Bereiche im Umfeld der vorgesehenen Energiesteuern. Die Hauptweichenstellung, das deutet sich schon heute an, werden wir in Volksabstimmungen legen müssen. Gerade die vier Vorlagen zur Energiebesteuerung müssen abgelehnt werden, weil sie weiter verhängnisvoll sind. Sie haben vorgängig etwas angesprochen, was in Auge sticht. Das Resultat der Nationalratswahlen bringt eigentlich zum Ausdruck, dass das Volk einen politischen Kurswechsel will, weg von der Linkslastigkeit gerade der bürgerlichen Parteien. Führt man sich nun aber die letzten Bundesratswahlen zu Gemüte, muss man zwangsläufig zum Schluss kommen, dass das Parlament den Volkswillen trotz kräftiger Signale noch nicht kapiert hat... Blocher: ...das ist eindeutig! Im Parlament wird extrem "gemauschelt", damit man's möglichst bequem hat und niemanden stört. FDP und CVP haben zum Ausdruck gebracht, dass sie Angst hätten, wenn die SP nur noch einen Vertreter im Bundesrat hätten. FDP und CVP können der SP keine eigene Politik gegenübersetzen. Für die SVP heisst dies in der Zukunft vermehrt Oppositionspolitik ausserhalb des Bundesrates und des Parlaments zu betreiben, und dafür zu sorgen, dass der Bundesrat endlich durch das Volk gewählt wird! Vermehrte Opposition und Bundesratswahl durch das Volk ist die logische Folge! Sie verstehen sich aber nicht als Oppositionspartei? Blocher: Nein, wir haben ja auch einen Vertreter im Bundesrat. Dort müssen wir einbringen, was möglich ist, was nicht gelingt, gilt es im Parlament zu verfechten, und wenn auch das scheitert, müssen wir's vor das Volk bringen. Sie haben gesagt, dass Sie einen Bundesrat hätten. Aber zwischen Adolf Ogi, einem Grossteil der SVP-Mitglieder und speziell Ihnen öffnen sich indes Welten, oder? Blocher: (hadert) Jaja..., in der Verkehrspolitk haben wir im Prinzip nicht so grosse Differenzen. Man muss schon berücksichtigen, dass wenn einer im Bundesrat ist, hat er ihn zu vertreten.... ...Das Kollegium.... Blocher: ...ja. Auch bei der Energiebesteuerung ist Adolf Ogi nicht die treibende Kraft, das ist eindeutig. Bei der NEAT hingegen hat er tüchtig mitgewirkt... Blocher: ...jaja, nur der Transitvertrag war ja eigentlich kein schlechtes Abkommen und hätte durchaus weitergeführt werden sollen. Ein Adolf Ogi jedenfalls hätte sich nicht leisten können, was uns ein Moritz Leuenberger mit den 40-Tönnern und der LSVA eingebrockt hat. Doch gerade Moritz Leuenberger macht ja geltend, dass er ein Erbe angetreten habe, jenes von Adolf Ogi nämlich... Blocher: ...so läuft es in der Politik, jeder findet einen anderen, der schuld sein soll. Damit wir uns richtig verstehen: Ich will mich nicht zum Richter aufspielen, denn letztlich hat ja der Gesamtbundesrat solche Entscheide getroffen. Die Hoffnung unserer Branche begründet sich mithin in der Tatsache, dass Ihre Partei in der Verkehrskommission einen Sitz hinzugewonnen hat und ausserdem in zwei Jahren das Präsidium übernehmen wird. Sind in diesem Zusammenhang bereits Schwerpunkte gesetzt, gibt es Prioritäten im Sinne, dass bestimmte Themen umgehend angepackt werden sollten, jetzt wo Ihr Einflussbereich gestiegen ist? Blocher: Nein. so weit ist es noch nicht. Im Augenblick muss man darauf achten, die sich abzeichnenden Fehlentwicklungen zu blockieren. Das passiert jetzt mit der Energiebesteuerung. Zu meiner Freude habe ich festgestellt, dass die Wirtschafts-Verbände die vier dazu gehörenden Vorlagen bekämpfen. Das ist schon mal ein Lichtblick... ...ist das der Auns-Effekt? Blocher: (schmunzelt) Ja, hm, ich weiss nicht. Die Wirtschaftsverbände haben in den letzten Jahren in der Verkehrspolitik versagt, daran gibt es nichts zu rütteln. Jetzt aber scheinen sie gemerkt zu haben, dass es kein gangbarer Weg ist, wenn die Leute immer mehr bezahlen müssen für die Energie. Das ist lediglich eine weitere Belastung. Andererseits darf man nicht vergessen, dass hinter den Interessen einer höheren Energiebesteuerung wieder viele Leute stehen, die Geld kriegen, Mittel zum Umverteilen gewinnen usw. Was aber genau macht die Verkehrskommission. Unterbreitet sie lediglich Empfehlungen zu Handen der Räte? Blocher: In der Regel kommen die Vorschläge vom Bundesrat. Die Verkehrs-Kommission nimmt dann allerdings Veränderungen daran vor und neuerdings ist es Mode, dass sie Vorschläge von Grund auf neu ausarbeitet. Ich betone allerdings nochmals: In der Verkehrspolitik sind die Weichen, richtige wie auch falsche, eigentlich gelegt. Es gilt jetzt in der ganzen Verkehrspolitik die Geschichte mit den Energie-Abgaben zu einem guten und tragbaren Ende zu führen. Der NEAT-Entscheid ist getroffen, vom Volk abgesegnet. Diesen Fehlentscheid müssen wir nun mal ausführen, da können wir nicht mehr machen. Man wird alsdann berappen müssen, was nicht funktionieren wird. Die 40-Tönner orientieren sich an der Strasse, wir werden im Transitverkehr ein Chaos kriegen usw. Doch das ist beschlossene Sache und muss durchgezogen werden. Aber es gibt Dinge, die gegenwärtig in den Teilplänen sind und die ebenso verhängnisvoll sind für die Verkehrspolitik und die Wirtschaft. Beispiel: Die ganze CO2-Abgabe, wo niemand so recht weiss, was sie dannzumal bringen wird, führt dazu, dass gewisse Personen von einem Benzinpreis von fünf Franken pro Liter sprechen... ...was fast vermuten lässt, dass wir auf deutsche Verhältnisse zusteuern? Blocher: Auf das läuft es hinaus. Die treibenden Kräfte machen sich dafür stark. Dahinter steht im Grunde einzig der Fiskus, der immer neue Geldquellen anzapfen will. In Deutschland wird indes immer wieder geltend gemacht, dass die Wirtschaft unter den Ökoabgaben nicht leide, weil es im Gegenzug zu einer Umverteilung komme und die gleichwertige Entlastung im Bereich der Lohnnebenkosten entstehe... Blocher: ...das ist eine schön verbreitete Theorie. Wenn ich allein schon sehe, wofür all diese Mittel aus der Energiebesteuerung eingesetzt werden wollen, geht es nicht mehr nur um die Senkung der Lohnnebenkosten. Nein, Alternativenergien sollen gefördert werden, bestimmte Industrien sollen Zuschüsse erhalten - also halt, da wird einzig und allein im grossen Stil umverteilt. Im weiteren darf man nicht ausser Acht lassen, dass die Energie für die Wirtschaft ein Rohstoff ist, dessen Verteuerung sich nicht ohne weiteres an einem anderen Ort abgelten lässt. Beschäftigen muss uns ja im Moment die Verkehrshalbierungs-Initiative, welche im März dem Volk zur Abstimmung vorgelegt wird. Die Positionen scheinen klar: Der Bundesrat ist dagegen, die Mehrheit des Parlaments verhält sich ebenfalls ablehnend. Droht nicht die Gefahr, dass man angesichts der bekannten Meinungsbilder dazu neigt, die Vorlage zu unterschätzen? Blocher: Die Verkehrshalbierungs-Initiative muss bekämpft werden! Parteien können solche Kämpfe nicht führen. Die Verkehrsverbände sind auf den Plan gerufen und täten gut daran, sich nicht allzu sehr zurückzulehnen. Auf der anderen Seite stehen nämlich ebenfalls Interessensgruppen, die der Initiative zum Sieg verhelfen wollen und den Leuten dabei das Blaue vom Himmel versprechen. So war es ja schon bei der LSVA-Abstimmung, als verkündet wurde, es gäbe nachher keine Lastwagen mehr auf der Strasse. Da wird genau gleich viel unwahres Zeugs verzapft wie an anderen Orten. Ihre Partei tritt ja vehement für eine Steuerentlastung und für eine Senkung der Staatsquote ein. Wie soll das konkret aussehen angesichts der Tatsache, dass die Wünsche an den Staat laufend steigen und damit der Finanzierungsbedarf hochklettert? Blocher: Dass die Wünsche an den Staat steigen, ist richtig. Aber man muss ihnen ja nicht nachgeben. Die Staatsausgaben müssen zurückgehen und das ist wahrlich keine Kunst, wenn nur einmal aller Blödsinn gestrichen wird. Wenn man betrachtet, was in den letzten Jahren alles gemacht worden ist. Denken Sie etwa an die Expo, deren Organisation eine Ausstellung der staatlichen Unfähigkeit ist. Oder die 800 Millionen Franken bei der PTT, welche abgeschrieben wurden wegen falscher Beteiligung in Indien und Malaysia. Da besteht ein Knäuel, in dem alles zugedeckt wird und bei dem jeder den andern deckt. Schauen Sie sich mal an, wieviele Milliarden im Asylwesen verpulvert werden, ohne dass endlich richtig Gegensteuer gegeben wird. Es gibt in Bern unglaublich viel Geldfluss, den man versiegen lassen könnte, ohne dass jemand etwas merken würde. Bleiben wir beim Finanzierungsbedarf: Schon kurz nach der Annahme der FinöV läuteten in Bern die Sturmglocken wegen drohender Kostenüberschreitungen. Bereits sind erste parlamentarische Vorstösse zu vermelden, es werden nicht die letzten sein. Worauf läuft dieses Finanzdebakel hinaus, liegt eine Redimensionierung des NEAT-Projektes im Bereich des möglichen? Blocher: Erfahrungsgemäss wird man schlicht und einfach die Kosten bewilligen, welche das Projekt zusätzlich benötigt. Das ist nun mal so. Schon bei der ersten Vorlage fand die NEAT nur die Zustimmung des Volkes, weil Adolf Ogi versprochen hat, dass dieses Vorhaben den Steuerzahler nichts kosten werde. Dann kam Moritz Leuenberger und präsentierte eine neue Vorlage, mit dem Hinweis, dass die Rentabilität nicht gewährleistet sei, weshalb es eine Schwerverkehrsabgabe brauche, die Mehrwertsteuer erhöht werden müsse usw. usw. All jene, die damals vor der Nichtfinanzierbarkeit warnten, wurden an die Wand gespielt. Und heute, wo die eigentliche Bautätigkeit noch nicht mal begonnen hat, merkt man, dass die Kostenberechnungen nicht stimmen. Ich bin der Meinung, dass Kosten-Überschreitungen dieser Ausmasse nochmals vors Volk müssten. Die Zustimmung des Souveräns ist nämlich in der Regel mit anderem Zahlenmaterial herbeigeführt worden... Im Zusammenhang mit der LSVA kommt ja auch noch einiges auf uns zu. Am Neujahrestag mussten wir vergegenwärtigen, dass die pauschale Schwerverkehrs-Abgabe sich schon mal verdoppelt hat. Wenn wir nächstes Mal zu Silvester anstossen, schenkt es noch weitaus mehr ein... Wo sehen Sie heute die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser LSVA, welche Veränderungen wird diese exorbitante Steuer auf den Wirtschaftsstandort Schweiz haben? Blocher: Die Transporte werden massiv teurer. Die Konkurrenzfähigkeit wird schwinden. Ich sehe das selber an Schweizer Unternehmen. Unsere Leute, die jetzt Investitionen beantragen, berechnen heute die Transport- und Energiekosten. Das sind zwei gewichtige Faktoren, die sich markant verschlechtert haben. Aufgrund dieser Berechnungen entschliessen sie sich dann kurzerhand, die Investition nicht mehr in der Schweiz zu tätigen. Der Wirtschaftsstandort Schweiz wird geschwächt werden, insbesondere der Industriesektor, der auf Transport und Energie angewiesen ist. Die SBB verstecken sich ja laufend hinter dem Vorwand, dass sie einen Verfassungs-Auftrag zu erfüllen hätten. Der Personenverkehr ist die eine Seite. Wie aber wäre es gewesen, wenn man den Bahngüterverkehr privatisiert hätte, womit automatisch eine Interessensverlagerung im Zusammenspiel Strasse/Schiene stattgefunden hätte und erst noch unter marktwirtschaftlichen Prinzipien? Wäre dieses Instrument nicht tauglicher als der lapidare Kunstgriff einer neuen Steuer wie die LSVA? Blocher: Ich bin sehr für dieses Modell. Die SBB sollten nach meiner Ansicht das Schienennetz zur Verfügung stellen. Privatfirmen würden auf diese Weise ein Nutzungsrecht auf dem Schienennetz erwerben, um Ware darauf zu transportieren. Das würde eine wesentliche Verbesserung bringen. Der Umlagerungseffekt von der Strasse auf die Schiene scheitert ja daran, dass die staatlich geführte Bahn zu langsam, zu umständlich und zu wenig flexibel in Bezug auf die individuellen Marktbedürfnisse ist. Heute ist es doch so, dass die Bahn Weltmeister im Herumschieben von Güterwaggons ist, aber nicht ganz ohne Grund erschrickt, wenn da noch einer etwas zum Transportieren bringt. Das ist für sie eine Belastung, eine Mehrarbeit. Das lässt den Schluss zu, dass die Bahn, so lange sie unter staatlichen Regie gestellt bleibt, nie nach marktwirtschaftlichen Gesetzen funktionieren wird? Blocher: Ja natürlich, das liegt in der Natur der Sache. Wenn man daraus schlussfolgert, die Bahn solle gänzlich privatisiert werden, schaffen wir im Gegenzug das Problem, dass ein einzelner sich eine Monopolstellung aufbauen kann. Und das privatwirtschaftliche Monopol ist auch nicht besser als das staatliche Monopol. Wichtig wäre eine Konkurrenzsituation. Würden aber die SBB das Netz unterhalten und an Private vermieten hätte dies eine belebende Wirkung auf den Markt. Damit zu Fragen, die eher etwas persönlicher Art sind. Christoph Blocher ist in der Schweizer Politlandschaft die Reizfigur schlechthin, nicht zuletzt dank der gütigen (...!) Mithilfe der Medien. Wenn Blocher ja zu etwas sagt, sehen sich die anderen bemüssigt, nein zu sagen - und umgekehrt. Stinkt es Ihnen nicht manchmal, haben Sie sich noch nie gesagt: Warum soll ich mich in der Öffentlichkeit derart aufreiben, stopp, ich zieh' mich in mein Wirtschaftsimperium zurück? Blocher: Meine Stärke liegt ja darin, dass ich es nicht nötig habe zu politisieren. Dadurch wahre ich mir eine Unabhängigkeit. Im weiteren müssen Sie sehen, dass jeder Politiker, der so viel bewegt und an so vielen Orten eine Richtung bestimmt wie ich, nur umstritten sein kann. Jene, die überall beliebt sind, sind keine Persönlichkeiten. Jene, die alle gern haben, haben nichts gemacht. Die haben sich nur vom Trend treiben lassen... ...so frei nach dem Motto: Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom... Blocher: ...ja, natürlich, ...und ausnahmslos stromabwärts. Und wer kein Gewicht hat, wird auch nicht bekämpft. Solange ich bekämpft werde, ist dies ein Zeichen dafür, dass sie mich ernst nehmen. Die Frage ist natürlich auch, wieviel man erreicht. Und da haben wir eine Bilanz, die weitaus besser ist, als man nach aussen hin sieht. Ich merke dies im Bundesrat und Parlament, wo sie Rücksicht nehmen müssen, weil sie sonst fürchten, den Blocher wieder im Nacken zu haben. Nun aber sind Sie ja einerseits ein Mann der Wirtschaft, andererseits ein Politiker. Als Unternehmer sind sie sehr europäisch oder - um das Modewort zu gebrauchen - globalisiert, als Politiker indes stemmen Sie sich gegen den Beitritt der Schweiz zur EU. Ist das nicht Widerspruch? Blocher: Nein, im Gegenteil. Damit habe ich überhaupt keine Mühe. Ich bin ja nicht der Meinung, wir müssten Mauern an unseren Grenzen errichten. Wir verkehren doch mit allen Ländern dieser Welt freundschaftlich, kulturell wie wirtschaftlich. Ich wehre mich aber dagegen, dass man sich einbindet. Und diesbezüglich hat die Schweiz eine grosse Erfahrung. Wir haben uns nie einbinden lassen und wollen unsere Entscheidungen aus eigener Kraft fällen. Das ist massgebend. Je stärker die Globalisierung voranschreitet, desto grösser wird die Sehnsucht der Menschen nach etwas Besonderem. Und das kann nur lokal geschehen. Daraus leitet sich der Anspruch ab, dass der Staat seine Eigenständigkeit wahren muss. Nicht indem er sich abschottet, aber indem er seine Entscheidungsfreiheit nicht aus der Hand gibt. Das wäre eigentlich alles. Bleibt mir einzig, Ihnen für dieses Gespräch zu danken und Ihnen im neuen Jahr alles Gute zu wünschen.