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Elections
02.12.1999
Interview mit der Weltwoche vom 2. Dezember 1999
SVP-Nationalrat Christoph Blocher zwingt mit seiner Bundesratskandidatur die CVP und FDP, Farbe zu bekennen. Es geht ihm am 15. Dezember nur um eines - die Führung im politischen Bürgertum. Seinen Anspruch formuliert er rigoros: Wer nicht für ihn ist, ist gegen ihn.
Interview: Synes Ernst und Matthias Baer
Herr Blocher, Sie haben immer gesagt, Sie wollten nie Bundesrat werden. Jetzt sind Sie trotzdem Kandidat.
Christoph Blocher: Ich habe meine Meinung nicht geändert. Ich wäre heute noch froh, ich müsste nicht Bundesrat werden.
War dieses Amt nie ein Lebensziel?
Blocher: Was denken Sie auch! Wer Bundesrat werden will, politisiert nicht mit Ecken und Kanten, sondern achtet darauf, es mit den 245 Parlamentariern, die ihn wählen sollen, nicht zu verderben. Ich habe aber immer gesagt, dass ich das Amt annehmen würde, falls es nötig wäre.
Ist das jetzt der Fall?
Blocher: Ja, wenn unsere Partei eine glaubwürdige Politik vertreten will, muss ich antreten. Jene in der SVP, die auch fähig wären, das Amt eines Bundesrates auszuüben, kandidieren jetzt nicht, weil die Situation doch einigermassen aussichtslos ist.
Wenn man sich in eine Situation begibt, die aussichtslos ist, ist doch man ein Märtyrer.
Blocher: Ich entscheide und handle nicht nach dem Lustprinzip. Ich habe in meinem Leben das meiste, das mir viel Verantwortung aufbürdete, mit Widerwillen angetreten. Ich kann Menschen nicht verstehen, die von sich behaupten, sie würden nur machen, was ihnen Freude bereite. Entscheidend ist für mich nur: Ist es notwendig? Und nicht: Habe ich Lust? Wenn die anderen Parteien der SVP einen Sitz überlassen hätten, wie es sich nach dem Konkordanzprinzip gehört, hätte es mich nicht gebraucht.
Wie hoch sind Ihre Chancen?
Blocher: Sehr klein. Im Augenblick besteht eine gewisse Verwirrung: Im Derby der Trojanischen Pferde, das bei Bundesratswahlen regelmässig stattfindet, kommt einer plötzlich transparent auf einem Ross daher.
Was verstehen Sie darunter?
Blocher: Um die Konkordanz finden die verschiedensten Vernebelungsübungen statt. Die Parteien werden nie so kreativ, wie wenn es um die Besetzung von Posten geht. Die SP ist zwar für Konkordanz, will der wählerstärksten Partei aber nicht zwei Sitze zugestehen. Und die CVP - als jetzt kleinste Partei - ist auch für die Konkordanz, will aber ihre beiden Sitze behalten. Der FDP-Präsident will sich zur Konkordanz nicht äussern, bis er die Namen kennt, als ob dies entscheidend wäre.
Haben Sie allen Ernstes angenommen, die CVP würde freiwillig auf einen ihrer beiden Sitze verzichten?
Blocher: Als CVP-Verantwortlicher hätte ich im Gespräch mit dem SVP-Präsidenten versucht, diesem etwas anzubieten. Zum Beispiel, den SVP-Anspruch in einem oder zwei Jahren einzulösen. Aber Offenheit ist nicht möglich, weil sie ihre Trojanischen Pferde nicht öffnen wollen. Jetzt sind sie erschrocken, weil wir eine klare Strategie auf den Tisch legen. Die SVP hat vor den Wahlen nach langer Diskussion beschlossen - ob sie die Wahlen gewinnt oder nicht -, an der Konkordanz für die Bundesrats-Beteiligung festzuhalten. Entscheidend in diesem System ist, dass nicht die politische Gesinnung zählt, sondern die Wählerstärke. An diesen Grundsatz hat sich die SVP immer gehalten.
Weshalb dann in den vergangenen Jahren die Dauerkritik an FDP und CVP?
Blocher: Weil sie in zentralen Themen, wie beispielsweise der Steuerfrage, den Energieabgaben, der Verkehrspolitik und der Aussenpolitik der SP gefolgt sind und keine bürgerliche Politik mehr vertreten haben. Die Konkordanz schliesst gegenseitige Kritik nicht aus - im Gegenteil.
Im Fall der Armeeabschaffungs-Initiative aber haben Sie die SP nicht nur kritisiert, sondern ihr auch Bedingungen gestellt.
Blocher: Nein, ich habe in einer Albisgüetli-Rede damals festgestellt, die Konkordanz habe abgewirtschaftet. Konsequenterweise forderte ich persönlich den Wechsel zum System mit Regierung und Opposition. Demnach sollten jene die Regierung bilden, die einander politisch näher stehen. Ich sagte ausdrücklich, dann müsste die SVP oder die SP in die Opposition. Dies zum Missfallen der SVP. Wir haben die Sache vor den Wahlen beraten und uns für die Konkordanz entschieden. Wenn diese gilt, sind wir bereit, auch SP-Bundesräte zu wählen, weil die SP in einer Konkordanzregierung mit zwei Sitzen vertreten sein muss.
Gegen diesen Anspruch der SP treten Sie am 15. Dezember an. Warum?
Blocher: Weil mindestens SP und CVP die Konkordanz nicht mehr wollen. Nach der Bundesratswahl soll man wissen, ob die Bundesversammlung eine Mitte-links- oder eine Mitte-Rechts-Regierung will. Meine Kandidatur ist nötig, um dies zu klären. Namentlich FDP und CVP werden gezwungen, sich klar zu äussern. Durch den Entscheid der SP und der CVP ist die Konkordanz gestorben.
Trauern Sie ihr nach?
Blocher: Ich persönlich bin der Meinung, dass sie sich überlebt hat. Aber man darf die Konkordanz an sich nicht gering schätzen, weil sie alle wichtigen Kräfte früh in die Entscheidung einbezieht und bei ehrlichem Ringen um einen Kompromiss auch zu guten politischen Lösungen führen kann. Konkordanz bedeutet aber auch, dass jede Partei in gewissen Fragen Opposition ist, sofern sie noch lebendig ist. Wer zu allem Ja sagt und sich auf die Vergabe von Posten beschränkt, hat politisch abgedankt. Es braucht auch eine Opposition, die auf Schwachpunkte aufmerksam macht.
Wenn am 15. Dezember die Konkordanz gebrochen wird und eine Mitte-Rechts-Regierung gewählt wird, besteht die Gefahr, dass die SP ganz in die Opposition geht.
Blocher: Ich frage Sie, weshalb man der SP nicht zumutet, bloss mit einem Sitz in der Regierung vertreten zu sein, während man von der ebenso wählerstarken SVP erwartet, dass sie sich mit einem einzigen Bundesrat begnügt und sich dann still verhält.
Die SP hat dreissig Jahre auf eine anteilmässige Vertretung im Bundesrat warten müssen.
Blocher: Seit die Konkordanz besteht, hat die SP keine Minute warten müssen. Das ist erst seit 1959 der Fall, und seither wurde den vier Konkordanz-Parteien ihr Anspruch auf eine angemessene Vertretung im Bundesrat erfüllt.
Befürchten Sie nicht, dass eine SP in der Opposition alles blockieren könnte?
Blocher: Nein. Wir Bürgerlichen müssen uns doch zutrauen, Lösungen zu finden, die auch von der Mehrheit im Volk unterstützt werden. Die neue Situation würde uns zwingen, Entscheide zu finden, die den berechtigten Einwänden der in der Regierung nicht mehr vertretenen Sozialdemokraten Rechnung trügen.
Die Folge wäre ein Mitte-Links-Kurs.
Blocher: Nein. Das Ergebnis wäre ein klarerer und gleichzeitig auch sozialerer Kurs als der heutige, der vielleicht sozialistisch, aber unsozial und arbeitsplatzfeindlich ist. Wir dürfen nicht vergessen, dass während fast hundert Jahren - von 1848 bis 1942 - alle sozialen Fortschritte von rein bürgerlichen Regierungen erzielt worden sind. Schliesslich ist die AHV durch ein bürgerliches Bundesratsmitglied lanciert worden...
...das unter sozialdemokratischem Druck stand...
Blocher: ...es ist ja nicht verboten, auf Druck zu reagieren. Möglicherweise hat der Bundesrat auch schon Dinge beschlossen, weil er sich von mir unter Druck gesetzt fühlte. Ich fordere ja nicht, dass die SP aus Bundesrat und Parlament ausgeschlossen wird. Dort hat sie weiterhin ihren Platz, und wenn es zu stärkeren Polarisierungen und vermehrten Diskussionen kommen wird, nützt dies der Sache, denn wir haben in der Schweiz eher zu wenig politische Auseinandersetzungen als zu viele. Wer zum Beispiel das erste Expo-Projekt kritisierte, erhielt als Antwort, er sei gegen die Schweiz. Solche Argumente töten jede Debatte. Im Fall der Expo hätte man bei harter Diskussion das heutige Debakel verhindern können.
Warum ist der Sitz von Frau Dreifuss Zielscheibe Ihrer Kandidatur?
Blocher: Wie kommen Sie zu einer solchen Feststellung? Ich trete gegen die SP an: Herr Leuenberger oder Frau Dreifuss. Das Parlament entscheidet. Ich muss in der Reihenfolge, wie es das Wahlsystem vorschreibt, antreten. Dass Frau Dreifuss zuerst zur Wahl steht, ist nicht meine Schuld. Wir haben sowohl gegenüber der Politik von Bundesrat Leuenberger als auch von Frau Dreifuss grosse Vorbehalte. Mir ist schon klar, warum in den Medien jetzt eine solche Einstellung kolportiert wird. Man hat es leichter, meine Kandidatur zu kritisieren, wenn man behauptet, sie richte sich gegen eine Frau und gegen eine Vertreterin der Romandie. Damit kann man sich der politischen Frage wieder entziehen.
Mit Ihrer Kandidatur wollen Sie FDP und CVP zwingen, Farbe zu bekennen - entweder für die Sozialdemokraten oder aber für die SVP. Geht es Ihnen um die bürgerliche Leaderposition?
Blocher: Ich habe nie grossen Wert auf die Frage gelegt, wer nun die bürgerliche Leaderposition innehat. Schön wäre es, wenn die Bürgerlichen innerhalb einer bestimmten Bandbreite die gleichen Ziele verfolgen würden. Mir geht es darum, die Stärken der Schweiz noch zu verstärken - zum Beispiel den schlanken Staat, den Föderalismus, die hohe Eigenverantwortung des Bürgers. Dies ist heute besonders wichtig, nachdem wir in den vergangenen zehn Jahren eine verhängnisvolle Politik betrieben haben. Wenn die Freisinnigen beispielsweise die Staatsquote und die Steuern senken wollen, kann ich mit der freisinnigen Leaderrolle sehr gut leben. Aber wenn die Freisinnigen das Gegenteil machen, sind wir gezwungen, selbst aktiv zu werden.
Sie untertreiben! Den Führungsanspruch nehmen Sie permanent wahr, indem Sie Themen besetzen, Pflöcke einschlagen und den Tarif durchgeben. Es ist unsere Aufgabe, Themen zu besetzen, nicht nur "Pöstli". Das ist doch kein Führungsanspruch.
Blocher: Die SVP fordert ihn aber gleichsam totalitär, wenn sie im Hinblick auf die Bundesratswahlen sagt, nur wer sich auf ihrer Linie bewege, sei bürgerlich. Wer die SVP der SP vorzieht, der wählt bürgerlich. Ist jemand, der eine klare Meinung vertritt, totalitär? Es ist ein Missbrauch des Begriffs "liberal", wenn er dazu dient, eine unklare Meinung zu rechtfertigen.
Aber wenn Sie mit Ihre Kandidatur FDP und CVP zwingen, Farbe zu bekennen, geben Sie und niemand anders vor, was bürgerlich ist.
Blocher: Das nicht. Aber wenn FDP und CVP lieber statt mit der SVP mit den Sozialdemokraten regieren, heisst das, dass ihnen die sozialistische Politik näher liegt als die liberal-konservative der SVP. Ich verurteile das gar nicht, auch wenn ich es nicht richtig finde. Ich meine, wir haben in den vergangenen sieben Jahren einen verhängnisvollen Linkskurs gesteuert, der für unsere Arbeitsplätze, für unseren Wohlstand und für unsere Freiheitsrechte schwere Folgen haben wird. Ich bin überzeugt, dass ein moderner Industriestaat wie die Schweiz seine Probleme nur lösen kann, wenn er zu mehr Selbstverantwortung zurückkehrt. Das ist genau das Gegenteil sozialistischer Politik. Ich kann doch CVP und FDP nicht ersparen, in dieser Frage endlich Stellung zu beziehen.
Sind Sie glücklich darüber, dass es zu einer solchen Klärung kommen wird?
Blocher: Ja, ich bin froh. Denn bei allen Vorteilen der Konkordanz hat sie den Nachteil, dass man nicht Farbe bekennen musste. Jede fehlende Position lässt sich mit der Konkordanz begründen. Damit ist es nun vorbei.
Am 15. Dezember wird aber alles beim Alten bleiben.
Blocher: Das dürfte die wahrscheinlichste Lösung sein. Dass die SVP aus dem Bundesrat fliegt, ist die zweitwahrscheinlichste.
Das wäre der Fall, in dem FDP-Präsident Steinegger anstelle von Adolf Ogi Bundesrat wird?
Blocher: Daran basteln zurzeit gewisse Sozialdemokraten. Sie rechnen sich aus, dass dies für die Freisinnigen auf lange Dauer den Todesstoss bedeutet. Denn diese Wahl hätten sie den Sozialdemokraten zu verdanken. Steinegger soll nun von den Sozialdemokraten mit Unterstützung des Ringier-Konzerns auf den Schild gehoben werden. Offensichtlich wurde die Idee von Peter Bodenmann ausgeheckt, der davor warnt, anstelle von Ogi einen SP-Mann zu portieren, weil das die Bürgerlichen gegen die SP aufbrächte. Aber ein Freisinniger anstelle von Ogi, das wäre doch um einiges interessanter. Bodenmann weiss, dass Steinegger nichts mehr wünscht, als Bundesrat zu werden. Das Spiel könnte aufgehen, mit der Folge, dass die FDP künftig am Gängelband der SP politisieren müsste. Ich glaube jedoch nicht, dass Steinegger so ehrgeizig ist, um für einen solchen Kuhhandel Hand zu bieten, auf Kosten der eigenen Partei. Die Sozialdemokraten haben den Mut nicht, mit einem eigenen Kandidaten anzutreten, weil sie die Niederlage scheuen. Es ist unsere Stärke: Wir scheuen die Niederlage nicht.
Wie würde sich die CVP in diesem Szenario verhalten?
Blocher: Sie könnte darauf hinweisen, dass die FDP und nicht sie selbst von der SP am Gängelband geführt wird. Sie kann aber nicht verschleiern, dass der vorzeitige Rücktritt ihrer beiden Bundesräte relativ kurz vor den Wahlen geschah, um den Volkswillen nach den Wahlen missachten zu können. Solche Schlaumeiertricks zahlen sich nie aus.
Im vergangenen März sprachen die Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung aber noch für zwei CVP-Sitze.
Blocher: Das schon, aber es war doch offensichtlich, dass man noch kurz vor den Wahlen sein Schäfchen ins Trockene bringen wollte.
Würde sich die SVP in einem ähnlichen Fall nicht auch so verhalten wie die CVP?
Blocher: Auch die SVP besteht nicht aus lauter Engeln. Aber ich persönlich hätte von einem ähnlichen Schritt abgeraten, um nicht dem Wählerwillen zuvorzukommen. Solche Mätzchen rächen sich früher oder später, weshalb ich für eine offene Politik bin.
Sie befinden sich dazu in einer guten Position. Sie sind wirtschaftlich völlig unabhängig, sind den anderen Parlamentariern in Bern aufgrund ihrer langen Amtszeit an politischer Erfahrung überlegen, verfügen mit der Auns über eine eigene Haus macht...
Blocher: ...ich musste das alles selbst erarbeiten. Aber es stimmt, ich bin in einer privilegierten Situation und kann mich vielleicht freier äussern als andere. Ich betrachte das auch als Auftrag. Aber bitte: Ein bisschen mehr Mut, die eigene Meinung zu sagen, könnte man von den meisten Politikern schon erwarten.
Sie werden die Stimmen von jenen erhalten, die Sie in den Bundesrat hieven wollen, um Sie politisch zu neutralisieren.
Blocher: Diese Schlaumeierei ist mir bekannt. Aber ich kandidiere nicht einfach so für den Bundesrat; ich kandidiere nur gegen die beiden Sozialdemokraten und nur für den zweiten SVP-Sitz. Sonst stehe ich nicht zur Verfügung. Ich biete niemals Hand zu einem Szenario, bei dem die SVP nur einen Sitz mit Blocher hätte, und ich kandidiere nicht gegen einen der bürgerlichen Bundesräte.
Es gibt sozialdemokratische Stimmen, wonach es nicht darum gehe, ob die SVP zwei Sitze im Bundesrat erhalten solle, sondern ob man sie gar aus der Regierung werfen solle. Die Begründung: Die SVP sei tendenziell antidemokratisch, fremdenfeindlich und rassistisch.
Blocher: Das sind unhaltbare Vorwürfe der SP. Die SVP ist wesentlich demokratischer strukturiert als die SP, bei der die Basis zu wichtigen Entscheiden nichts zu sagen hat. Wir halten die Werte der direkten Demokratie hoch. Ausgerechnet die SP, welche dem massenmörderischen System des Marxismus und Stalinismus lange anhing, wirft uns mangelnde Demokratie vor!
Die Plakate Ihrer Partei appellieren aber an fremdenfeindliche Instinkte.
Blocher: Ich wehre mich auch gegen solche Vorwürfe. Was wir dargestellt haben, ist der Asylmissbrauch. Nichts anderes. Der Rassismus wird von jenen Politikern gepflegt, die in heuchlerischer Absicht bestreiten, dass es Asylmissbrauch gibt. Transparenz ist unseres Erachtens schon ein Teil der Lösung. Deshalb wählen wir drastische Darstellungen, um auf das Problem aufmerksam zu machen und endlich Lösungen zu forcieren. Wo etwas bewusst unter dem Deckel gehalten wird, macht Provokation Sinn. Wir sind gegen jede Form des Rassismus und sind weder fremdenfeindlich noch antisemitisch.
Welches sind Ihre Strategien für den Fall, dass man die SVP aus dem Bundesrat wirft.
Blocher: Dann gibt es nur eine Strategie: die Opposition. Darauf sind wir vorbereitet. Dann wird es in vier Jahren unweigerlich zur grossen Klärung kommen. Logisch ist auch, dass wir von Fall zu Fall Opposition machen, wenn man uns den zweiten Sitz verweigert. Das ist die Konsequenz. Wir haben einen Wählerauftrag, den wir umsetzen müssen und wollen, entweder - gemäss unserer Wählerstärke - mit zwei Bundesräten oder aber mit nur einem Bundesrat oder in der vollen Opposition.
Wo besteht für Sie der Unterschied zwischen voller und halber Opposition?
Blocher: Wir haben beispielsweise mit der neuen Bundesverfassung einen grossen Brocken geschluckt, was wir als reine Oppositionspartei nicht getan hätten. Dasselbe gilt für die bilateralen Verträge.
Gehört zur Oppositionsstrategie auch die Lancierung der Initative zur Bundesratswahl durch das Volk?
Blocher: Diese Initiative muss so oder so kommen. Zu Beginn des Bundesstaates wurde keine Kantonsregierung durchs Volk gewählt, heute kann man sich etwas anderes gar nicht vorstellen. Die Erfahrung zeigt, dass bei solchen Wahlen viel weniger Spiele betrieben werden können als bei einer Bundesratswahl im Parlament. Bundesratswahlen würden ernsthafter, was nötig ist.
02.12.1999
Für Sie gelesen: Artikel in der Weltwoche vom 2. Dezember 1999
Der SVP-Volkstribun muss in die Regierung. Nicht nur zwecks Domestizierung. Erproben wir seine Politik. Sie passt zu einer Generation in der Zwickmühle der Modernisierung.
Von Ludwig Hasler
Wohnen wir einem politischen Akt bei, oder sitzen wir in der Arithmetikstunde? Dauernd klimpert der Zählrahmen: SP 51 Nationalratssitze, CVP 35, SVP 44. Reimt sich das zum Verhältnis 2-2-1 im Bundesrat? Nein. Doch die Ständeräte hinzuaddiert, sieht es schon besser aus: 57-50-51. Das bricht zwar der genialste Parteimathematiker nicht auf die Formel 2-2-1, macht aber nichts, er wechselt den Rahmen und zählt die Jahre, die seine Partei auf ihre zwei Regierungssitze hat warten müssen. Überhaupt: Wählt denn das Volk den Bundesrat? Alles korrekt - und daneben. Zählrahmen plus Formelkram machen noch keine Politik. Der springende Punkt ist doch: Christoph Blochers SVP ist zur ersten politischen Kraft avanciert. Soll dieser Erfolg jetzt unter jahrzehntealte Usanzen geraten? Es geht nicht um Regelkonformität. Es geht um Legitimierung der Regierung im Lichte der Wahlen. Und diese Legitimation gelingt, nach Blochers Kandidatur, nur mit Blochers Wahl. Ob er unseren Geschmack trifft, ist nicht die Frage.
Ebenso wenig, ob uns eine Mitte-Rechts-Regierung gefällt. Entscheidend ist einzig die Funktionstauglichkeit unserer Demokratie. Die aber würde mit einem in die Opposition verbannten Blocher arg strapaziert. Ein Blocher, der "draussen" agiert, wird das Plebiszit radikalisieren, bis die Abstimmungs- demokratie zur Stimmungsdiktatur verkommt. Einen Vorgeschmack gibt die Initiative "Einbürgerungen vors Volk". Der Volksabsolutismus, der ihm vorschwebt, lebt vom Ressentiment gegen die parlamentarische Demokratie, insgeheim von der Verachtung eines zivilisierten Ausgleichs der Interessen. Der Mythos der kollektiven Volksidentität dient dabei nur als Chimäre einer autoritären Politik, die den Staat privaten Kapitalinteressen gefügig machen will.
Wer nicht riskieren will, dass dieser begabte Populist seine eigene Volksherrschaft organisiert und finanziert, muss ihn in die Verantwortung nehmen. Nur mit Blocher "drinnen" entschiede sich endlich, was an seinen Parolen mehrheitsfähiges Programm ist - und was landjunkerhaft-absolutistische Überheblichkeit. Zumal seine Parolen im Zeitgeist fruchtbaren Humus finden.
Mit seiner Trilogie der Negation - Ausländer raus, Europa nein, Steuerstaat ade - mobilisiert Blocher nicht nur das letzte Aufgebot der Aktivdienst-Generation. Er dirigiert die grösste Jugendpartei. 27 Prozent der 18- bis 39-jährigen Wähler. Christoph Blocher, die Galionsfigur der Dreissigjährigen? Das ist kein Witz. Die Jüngeren sitzen in der Zwickmühle. In der "Weltwoche"-Umfrage nennen sie als höchsten Wert die Familie; die Realität macht sie zu Einzelkämpfern, die mit Babys am Bein den Flexibilitätserwartungen kaum genügen.
Sie finden Solidarität ganz gut, in der Praxis haben sie mit sich selber genug zu tun. Sie sehen sich politisch in der Mitte, doch mit Ausländern haben sie ein Problem. Sie wollen den Weltfrieden und Eier aus artgerechter Hühnerhaltung, aber bitte ohne Engagement, sie wollen das nur für sich. Wir 55-Jährigen hatten es auch nicht leicht.
Aber die Perspektive war eindeutig: vorwärts, aufwärts. Diese Perspektive ist weg. Die Hochschulen stehen allen offen, doch die Abschlüsse sind zu nichts und allem zu gebrauchen. Die ganze Welt steht herrlich offen, doch was heute zählt, ist morgen vielleicht schon Schrott. Das Leben, ein Flickwerk. Bastelbiografien. Und bei dem Tempo weht ein ziemlicher kühler Wind. Angesichts solcher Modernisierungsstrapazen empfiehlt sich die simple Doppelstrategie: abhärten und aufwärmen. Blochers Rezept! Wirtschaftlicher Neoliberalismus plus gesellschaftlicher Wertekonservativismus. Dazwischen schrumpft der Staat auf ein Minimalpensum: Kriminelle verhaften, Ausländer ausschaffen, Lonza subventionieren. Simpel, doch nicht unlogisch. Wer permanent im Überlebenstraining steckt, kann sich nicht noch um andere kümmern. Wer der Globalisierungsfalle ins Auge sehen muss, mag nicht noch ideologische Restbestände (Political Correctness, Solidarität mit Minderheiten, Toleranz für Graffitisprayer) mitschleppen. Also abhärten, abschotten, Besitzstand wahren, Gewinn maximieren.
Und für die Kälte der Globalkonkurrenz Entschädigung suchen. Am besten bei konservativen Ersatzwärmespendern. Die alten Werte. Die Familie. Die gute alte Schweiz. Das wärmt zwar nicht wirklich, erwärmt schon gar nicht für andere, Fremde. Mehr als der Schein humaner Werteordnung darf es nicht sein. Sonst müsste man sie ja noch in der Praxis befolgen.
Blochers Politik als Offerte für Modernisierungsgeplagte in der Zwickmühle. Es geht nicht allein darum, Christoph Blocher zu domestizieren. Seine Politik muss in der Regierung ihre Chance erhalten. Damit ihre Tauglichkeit, ihre Risiken und Nebenwirkungen offenbar werden.
01.12.1999
Interview mit "Finanz und Wirtschaft" vom 1. Dezember 1999
lnterview: Peter Schuppli
Herr Blocher, falls Sie am 15.Dezember in den Bundesrat gewählt werden, hätten Sie einiges neu zu regeln. So müssten Sie aus allen Verwaltungsräten ausscheiden und die operative Leitung der EMS-CHEMIE neu besetzen. Hingegen sei es möglich, sagten Sie kürzlich am Radio, dass Sie über die Emesta AG Mehrheitsaktionär der EMS-CHEMIE Gruppe bleiben würden. Als Eigentümer könnten Sie aber jederzeit Einfluss auf die Konzernleitung nehmen. Wo bliebe Ihre Unabhängigkeit? Wäre das nicht ein permanenter Interessenkonflikt?
Blocher: In der "Samstag-Rundschau" sagte ich, dass es für Bundesräte klare Regelungen gibt: Er darf für keinen anderen bezahlten Posten tätig sein. Das hiesse für mich: Rückzug aus allen Verwaltungsräten und Exekutivfunktionen. Aber: Ich bin doch kein Unternehmer, der wartet, bis er unter Umständen in den Bundesrat gewählt wird, um zu überlegen was passiert, wenn er morgen nicht mehr zur Verfügung steht. Es gibt wahrscheinlichere Fälle, dass ich morgen nicht mehr da bin als derjenige, dass ich zum Bundesrat gewählt werde!
Wie hoch stufen Sie denn Ihre Chancen ein, dass Sie gewählt werden: 10%, 50%, über 50%?
Blocher: Weniger als 1%! Ich habe von der Partei den Auftrag, Bundesrat zu werden. Dieser Auftrag wird sich aber nicht erfüllen lassen, weil die bürgerlichen Parteien wollen, dass die SP im Bundesrat vertreten bleibt. Also werde ich draussen bleiben und mehr Opposition machen müssen.
Bereitet Ihnen diese absehbare Niederlage keine Mühe?
Blocher: Ich bin ein Spezialfall: Aus Niederlagen bin ich stets gestärkt hervorgegangen.
Sie erwähnten im Radiointerview auch, es sei, was die Ems-Gruppe betrifft, alles geregelt...
Blocher: ...natürlich. Das hat aber mit der Bundesratswahl direkt nichts zu tun. Ich muss mir doch überlegen, wie es mit der EMS-Gruppe im Todesfall weitergeht. Solche Überlegungen und Lösungen gehören doch zum Pflichtenheft eines jeden Unternehmers.
Sie hätten aber keine Mühe über die Emesta AG Mehrheitsaktionär der EMS-Gruppe zu bleiben, falls Sie zum Bundesrat gewählt würden?
Blocher: Ich bin Eigentümer einer privaten Holding, der Emesta AG. Ich sehe überhaupt nicht ein, weshalb ein Bundesrat keine Holdinggesellschaft besitzen darf. Jeder Bundesrat besitzt schliesslich ein Vermögen, das ihn gedanklich und finanziell beschäftigt. Ich denke auch nicht daran, die EMS-CHEMIE Gruppe zu verkaufen.
Es ist ab er schwer vorstellbar, dass Sie als Eigentümer die EMS-Gruppe ihrem Schicksal überlassen könnten...
Blocher: Es ist klar, dass meine Familienangehörigen in der Emesta Einsitz nehmen müssten...
....die sind zurzeit noch nicht in der Familienholding?
Blocher: Nein, noch nicht. Aber wir sind gerade in einer Übergangssituation. Würde ich in den Bundesrat gewählt, müsste meine Familie sofort die Funktionen in der Familienholding übernehmen, die ich ausübe. Was in der EMS-CHEMIE Gruppe geschähe, darüber möchte ich mich zum jetzigen Zeitpunkt nicht äussern. Es nähme seinen Lauf, so wie das für den Fall meines plötzlichen Ablebens vorgesehen ist.
EMS-CHEMIE würde mehrheitlich in Familienbesitz bleiben?
Blocher: Ja, natürlich.
Ein Verkauf der Emesta oder der Beteiligung an EMS-CHEMIE kommt also nicht in Frage?
Blocher: Ich denke nicht daran.
Warum haben Sie dann seinerzeit überhaupt das Opting-out in die Statuten aufgenommen, wenn Sie ja nicht an einen Verkauf denken?
Blocher: Die Opting-out-Klausel haben wir auf Grund der seinerzeit mit EMS-CHEMIE gesammelten Erfahrungen in die Statuten aufgenommen. Das Unternehmen geriet 1983 ins Trudeln. Wenn damals das gleiche Aktienrecht wie heute gegolten und EMS-CHEMIE keine Opting-out-Klausel gehabt hätte, wäre diese Gesellschaft heute am Boden. Ich hätte damals nicht die Möglichkeit gehabt, sämtliche Aktien zu kaufen. Und ein anderer hätte diese Gruppe in diesem Zustand nicht übernommen. Damit will ich sagen: Es gibt durchaus Notsituationen, in denen ein Opting-out gut sein kann. Es könnte beispielsweise auch der Fall eintreten, in dem ich einen Teil meiner Aktien verkaufen muss.
Und wie steht es mit der Gleichbehandlung der Aktionäre, für die Sie sich stets ausgesprochen haben?
Blocher: Opting-out heisst nicht, dass ich die Aktionäre nicht gleich behandeln darf. Es heisst umgekehrt aber auch nicht, dass man die Publikumsaktionäre unter allen Umständen gleich behandeln muss. Ich will im Handeln frei bleiben. Massgebend ist für mich die Notwendigkeit vom Unternehmen her und die Wahrung der Aktionärsinteressen. Es war für die anderen Aktionäre kein Nachteil, dass ich seinerzeit "nur" die Mehrheit und nicht das ganze Aktienkapital erworben habe.
Unter welchen Umständen würden Sie nur in einen Verkauf von 100% der Aktien einwilligen?
Blocher: Gesetzt den Fall, EMS-CHEMIE würde an einen Konkurrenten gehen, würde ich darauf beharren, dass dieser ein Kaufangebot an sämtliche Aktionäre richtet. Denn in einem solchen Fall könnte es für die Publikumsaktionäre nachteilig werden wenn ein Käufer nur einen Teil der Aktien übernähme. Aber nochmals: Mein Wille ist, eine gesamtunternehmerische Lösung zu finden, falls EMS-CHEMIE jemals in eine solche Situation geraten würde, unter der Voraussetzung der Gleichbehandlung aller Aktionäre. Nur wenn aus unternehmerischen Interessen eine Ungleichbehandlung der Aktionäre sich als opportun erweist, ist die Opting-out-Klausel gut.
Macht sich die Konjunkturbelebung in Europa verstärkt auch im Geschäftsgang der EMS-CHEMIE Gruppe bemerkbar?
Blocher: In den ersten acht Monaten waren wir hinter den Budgetwerten zurück. Wir werden aber dank der Geschäftsbelebung in den letzten Monaten und trotz der Umstrukturierung innerhalb der Gruppe das Betriebsergebnis des Vorjahres wieder erreichen. Es gibt keine Gewinnwarnung, aber das Resultat wird auch nicht signifikant besser als erwartet ausfallen. Es ist bekannt, dass wir im Bereich polymere Werkstoffe einige alte Produkte aus dem Sortiment eliminiert und in erheblichem Umfang in neue Produkte investiert haben. Im laufenden und im nächsten Jahr wird die EMS-CHEMIE Gruppe auf operativer Ebene keine grossen Sprünge schaffen. Im Finanzbereich sind die Mittel gebunden in den Beteiligungen an Algroup und Lonza. Da werden wir bekannt geben, wie hoch die stillen Reserven etwa sind.
Wird die EMS-Chemie Holding an beiden Konzernen beteiligt bleiben?
Blocher: Diese Frage muss offen bleiben. Wir haben noch keinen endgültigen Entscheid getroffen.
27.10.1999
Christoph Blocher zur Regierungsbeteiligung seiner Partei
Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung vom 27. Oktober 1999
Nach dem für sie sehr positiven Ausgang der Wahlen haben Exponenten der Schweizerischen Volkspartei bereits mehrmals den Anspruch auf eine Zweiervertretung im Bundesrat erhoben. Inlandredaktor Max Frenkel hat sich mit Christoph Blocher über die Rahmenbedingungen einer solchen Vertretung unterhalten.
Wird die SVP im Dezember mit zwei Kandidaten zur Bundesratswahl antreten?
Blocher: Das muss die Fraktion entscheiden. Aber für mich ist es klar, dass wir den Anspruch auch mit einer Kandidatur untermauern müssen.
Haben Sie Hinweise darauf, dass eine Zweierkandidatur chancenreich sein könnte?
Blocher: Nein, sie ist es nicht. Die andern Parteien verlangen von uns, dass wir zuerst Konzessionen machen. Darauf können wir nicht eingehen. Man verlangt das ja auch von der SP nicht. Bisher war es bei einer Änderung der Regierungsform immer so, dass das Parlament zur Überzeugung kam, dass eine neue Kraft eingebunden werden müsse. Ich erinnere an Minger, aber auch an die CVP und die SP. Dann erst, in der Regierungsarbeit, kam der Konsens. Franz Steinegger (fdp.) - er schiebt zwar Adalbert Durrer (cvp.) vor - will uns, mindestens für die nächste Legislaturperiode, keinen zweiten Sitz zugestehen.
Wäre aber ein Vertreter Ihrer SVP-Richtung im Bundesrat auch konsensfähig?
Blocher: Selbstverständlich. Das ist ja das schweizerische Regierungssystem. Wenn man nicht in der Regierung ist, dann trägt man seine Opposition nach aussen aus, sonst im Gespräch nach innen.
Kommen wir gleich zum Szenarium Ihrer eigenen Einsitznahme in den Bundesrat.
Blocher: Dazu wird es nicht kommen. Das Parlament wählt mich nicht. Ich bin auch nicht ein Mann der Verwaltung und strebe deshalb nicht nach diesem Amt. Aber ich wäre, wie jeder Parlamentarier sein muss, bereit, es zu übernehmen. Es wäre eine Last, aber ich würde sie übernehmen.
Können Sie sich tatsächlich in einem Kollegium vorstellen?
Blocher: Wieso nicht? Ich war und bin in vielen Kollegien. Ich pflege natürlich meine Meinung einzubringen. Aber man konnte und kann mit mir sowohl im Gemeinderat Meilen (ich erinnere an meine Vorstösse zum Leuensaal und zur Privatisierung der Elektrizitätswerke) wie in der Gesellschaft für Chemische Industrie reden.
Das Kollegialsystem verlangt aber auch, dass man die Meinung der Regierung vertritt, selbst wenn es nicht die eigene ist.
Blocher: Auch das würde mir keine Probleme machen. Ich würde es tun, auch wenn man mir - und hier bin ich ja nicht der einzige - meine eigenen Präferenzen vielleicht anmerken könnte.
Sie sind jedoch auch Industrieller. Wie würden die daraus entstehenden Bindungsprobleme gelöst?
Blocher: Selbstverständlich wäre das nötig. Dazu habe ich Vorstellungen. Aber es wäre noch früh genug, nach einer Wahl darüber zu reden.
Mit wem wird die SVP im Dezember antreten?
Blocher: Das hängt von der Fraktion und von den andern Parteien ab. Wenn wir das Signal bekommen, dass man unseren Anspruch - auch ohne mich - sowieso nicht akzeptiert, können wir nicht zum Beispiel eine Regierungsrätin wie Rita Fuhrer "verheizen".
Aber einen Christoph Blocher könnte man opfern?
Blocher: Einen Christoph Blocher könnte man opfern.
Wie stellen Sie sich zu einer SVP-Bundeskanzler-Kandidatur?
Blocher: Das strebt die SVP nicht an. Der Kanzler macht Traktandenlisten. Aber wenn man einen SVP-Kanzler wählt, werden wir uns nicht dagegen stemmen.
Nehmen wir an - mit Ihnen übrigens -, dass es im Dezember bleibt, wie es ist, wie geht's dann weiter mit der SVP?
Blocher: Wir werden unsere Position vor allem auch in der Westschweiz ausbauen und dann in vier Jahren wieder antreten.
Heisst das, dass Sie davon ausgehen, dass Ihre Initiative auf Volkswahl des Bundesrats dann noch keine Wirkung zeigt?
Blocher: Die Initiative ist ja auch in der SVP selbst umstritten. Wer nach einem von der Bundesversammlung vergebenen Amt strebt, ist dagegen. Und ich sehe das mit ihr aufgeworfene Problem der Minderheitenvertretung ebenfalls. In vier Jahren wird es jedenfalls noch nicht so weit sein, dass das Volk den Bundesrat wählt. Auch wenn das in den Kantonen gut funktioniert und die Probleme der Zauberformeln automatisch löst.
26.10.1999
Christoph Blocher über den Wahltriumph der SVP und die Zukunft der Zauberformel
Interview mit der Zürichsee-Zeitung vom 26. Oktober 1999
Die Debatte um den Kurs der SVP ist mit den Wahlen definitiv geklärt: Gewonnen hat die SVP-Politik nach Zürcher Art, wie der Dominator vom Wochenende, Christoph Blocher, gegenüber dieser Zeitung erklärt. Nun nimmt er die Zusammensetzung des Bundesrats ins Visier - und schont, eher überraschend, Adolf Ogi.
Mit Christoph Blocher sprach Luzi Bernet
Haben Sie gut geschlafen?
Blocher: Ja, danke. Ich bin zwar etwas später als üblich zu Bett gegangen...
...weil Sie üppig gefeiert haben.
Blocher: Es geht. Die zahlreichen Medienauftritte haben mich stark absorbiert. Nur zwischen acht und halb neun Uhr war ich kurz bei der Partei. Erst gegen elf Uhr kehrte ich zurück, um bis etwa ein Uhr noch etwas zu feiern. Sie ziehen sich ja bekanntlich nach Siegen eher zurück. Auch diesmal? Das ist diesmal anders als beim EWR, der ja viel wichtiger war als die gestrigen Wahlen. Ich bin Unternehmer, und als solcher muss ich im November nach Asien fahren. Das ist fällig, und meine Präsenz hier ist ja auch nicht mehr so wichtig. Diese Woche allerdings ist jetzt noch wichtig, damit die Weichen innerhalb, aber auch ausserhalb der Partei richtig gestellt werden. Wir haben einen Wählerauftrag erhalten, über dessen Erfüllung wir zu diskutieren haben.
Was darf man von dieser Woche an Entscheidungen konkret erwarten?
Blocher: Zunächst steht die Analyse der Wahlresultate an. Allmählich sehen wir etwas klarer, weil die Namen der Gewählten vorliegen.
Was fällt Ihnen da auf?
Blocher: Bis jetzt hat man immer von einer Blocher-SVP bzw. einem Zürcher Flügel gesprochen. Diese Bezeichnung steht für eine konsequente Parteilinie, die nun in alle Kantone ausgestrahlt hat - auch in jene Kantone, deren SVP-Sektionen bisher eine weniger konsequente Haltung gepflegt haben. Die Zurückhaltung der Parteispitze führte im Kanton Bern leider zu einer Stagnation. Bereits drei Prozent hätten in Bern für einen Mandatsgewinn gereicht, und insofern ist das dortige Resultat enttäuschend. Aber immerhin zeigt sich bei den Gewählten im Kanton Bern ein erfreuliches Bild. Alle, die auf unserer Linie liegen, haben nämlich gut abgeschnitten. Damit ist für die SVP die Kursfrage definitiv geklärt.
Hat sich gegenüber Ihren ersten Stellungnahmen Ihre Einschätzung des Wahlresultats verändert - auch nach Vorlage der Zürcher Zahlen?
Blocher: Nein. Das Zürcher Resultat kommt einem Erdbeben gleich. 13 Sitze sind ein grosses Mandat. Hingegen war die Aufteilung in zwei SVP-Listen unglücklich (Ost und West). 1991 waren die Listen noch ausgeglichen, 1995 betrug das Verhältnis fünf (Ost) zu vier (West), und jetzt beträgt das Verhältnis neun zu vier. Viele Leute haben wegen der Namen "Blocher" und "Maurer" einfach die Liste Ost gewählt und die Liste West gar nicht beachtet. Das müssen wir beim nächsten Mal ändern. Vielleicht kommen wir nur mit einer Liste, oder wir bilden eine Stadt- und eine Landliste. Die gewählten Zürcher SVP-Vertreter fahren alle einen sehr profilierten Kurs, wie zum Beispiel Christoph Mörgeli, der die eigentliche Überraschung ist und trotz der Tatsache, dass er praktischen keinen Wahlkampf geführt hat, gewählt wurde. Insgesamt verfügen wir über eine beruflich und fachlich sehr breit abgestützte Zürcher SVP-Vertretung in Bern.
Wie verstehen Sie den Auftrag der Wähler? Wollen Ihre Anhänger eine Oppositions- oder eine Regierungspartei?
Blocher: Wir haben ein klares Programm vorgelegt mit konkreten Vorschlägen zur Eindämmung des Asylmissbrauches, mit der Absicht, das Nationalbankgold für die AHV zu verwenden, mit dem Anliegen, die Bundessteuer um zehn Prozent zu senken und mit dem Bekenntnis gegen einen EU-Beitritt usw. Diese Forderungen wollen wir durchsetzen - innerhalb der Regierung, wenn man uns einen zweiten Sitz im Bundesrat eingesteht, oder mit der Verstärkung der Opposition, wenn uns der zweite Sitz vorenthalten bleibt. Mit anderen Worten: Die Form hängt von den Mitteln ab, die man uns gibt.
Das bedeutet, dass Sie Ihre Rolle als Opposition zurücknehmen, wenn Sie zwei Bundesräte haben?
Blocher: Selbstverständlich. Mit zwei Vertretern in der Regierung werden wir uns bereits im Bundesrat besser durchsetzen können. Wir haben nie Opposition als Selbstzweck betrieben, sondern nur wenn es notwendig war.
Aber Sie haben Stimmen in Kreisen gemacht, die eindeutig Protestwähler sind und von Ihnen Opposition erwarten?
Blocher: Weil ihre Forderungen nicht erfüllt wurden, zum Beispiel die Freiheitspartei. Übrigens sind das alles ehemals freisinnige Wähler.
Immerhin hat sich der Freisinn gehalten und nicht mehr viele Wähler nach rechts verloren.
Blocher: Im Kanton Zürich ist die Position des Freisinns unklar. Aber in den anderen Kantonen haben jene Freisinnigen gewonnen, die einen ähnlichen Kurs wie wir fahren (Aargau, Schaffhausen zum Beispiel). In Zürich dürften viele Landesring-Wähler zur FDP gegangen sein. Dass die FDP trotzdem nicht zulegen konnte, ist ein Zeichen dafür, dass viele Freisinnige heute in Zürich nicht mehr FDP wählen. Übrigens auch in den ehemals freisinnigen Hochburgen am Zürichsee.
Zur Zauberformel. Wenn Sie zwei Sitze beanspruchen, dann sind damit zwei Vertreter gemeint, die Ihren Kurs fahren.
Blocher: Eindeutig. Wir akzeptieren kein Feigenblatt.
Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang die Rolle Bundesrat Ogi?
Blocher: In Wirtschafts- und Steuerfragen haben wir wie übrigens auch in Sachen Expo, Solidaritätsstiftung und Verkehrspolitik mit Bundesrat Ogi einen sicheren Wert in der Regierung. Es bestehen hingegen grosse Differenzen in der Aussen- und Neutralitätspolitik. Hier wird Adolf Ogi Korrekturen seiner Position vornehmen müssen.
Glauben Sie ernsthaft daran, dass Ogi seine Positionen aufgibt? Und wenn nein, muss er dann gehen?
Blocher: Nein. Exekutivmitglieder stimmen ja in der Regel nicht in allen Fragen mit der Parteimeinung überein. Wir werden Ogi sicher wieder aufstellen und auch unterstützen.
Wer könnte denn neben ihm stehen?
Blocher: Für diese Entscheidung bleibt noch viel Zeit. Es bleibt vor allem einmal abzuwarten, wie sich die anderen Parteien entscheiden.
Im Klartext: Eine Änderung der Zusammensetzung der Landesregierung würde eine Abwahl eines bisherigen Bundesrats bedeuten.
Blocher: Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder zieht die kleinste Partei - die CVP - einen ihrer Vertreter zurück, oder aber die SP gibt einen Sitz her. Im ersteren Fall spielt die Konkordanz, wonach die grossen Parteien zwei und die kleinen einen Sitz beanspruchen. Im anderen Fall würde das ein Bekenntnis der CVP und der FDP zu einer Mitte-Rechts-Politik bedeuten. Es entscheiden also die Mittelparteien.
Welche Variante würden Sie vorziehen?
Blocher: Nun, unsere Gegner sind die Sozialdemokraten, also würde ich die zweite Variante mit nur einem SP-Vertreter bevorzugen. Aber natürlich kann ich auch mit einem Konkordanzmodell leben.
Glauben Sie daran, dass das funktionieren könnte - zumal nach einem Wahlkampf, in dem sich die Parteien gegenseitig nicht geschont haben?
Blocher: Selbstverständlich. Wir regieren ja nicht, um gleiche Meinungen zu haben, sondern obwohl wir verschiedene haben.
Sie könnten also auch mit den bisherigen SP-Bundesräten zusammenarbeiten?
Blocher: Ja. Ich selber hätte damit keine Mühe, obschon es nicht meine Freunde sind, aber ich wäre gezwungen, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Wir würden aber selbstverständlich unsere Meinung dezidiert einbringen.
Glauben Sie, dass angesichts des Systems der Referendumsdemokratie ein Regierungs- / Oppositionsmodell funktionieren könnte?
Blocher: Ja, das hat auch früher schon funktioniert, vor der Zauberformel.
Aber Sie könnten doch mit Ihrem Referendumspotenzial eine Regierung blockieren.
Blocher: Nicht komplett, aber in den wichtigen Fragen hätte das Volk das letzte Wort und würde entscheiden.
Wie interpretieren Sie das Wahlergebnis der SP?
Blocher: Schauen Sie: Vor vier Jahren hat die SP ein künstliches Resultat erzielt. Mit den Restmandaten einerseits und anderseits mit dem Paukenschlag des Rücktrittes von Bundesrat Otto Stich. Das war der ganze Triumph. Aber der war nicht langlebig. Namentlich langjährige SP-Wähler (Angestellte, Arbeiter) wählen heute SVP. Die SP ist zu einer Partei der gut verdienenden Staatsangestellten geworden. Die wirklichen Arbeiter der Privatwirtschaft beklagen sich ebenso über die steigende Abgaben- und Steuerlast und finden damit bei der SP kein Gehör mehr.