Die vierte Erpressung wird folgen
Christoph Blocher über Globallösung und Diktaturen
Interview mit der SonntagsZeitung vom 23. August 1998
Christoph Blocher bleibt hart: An der Globallösung, so der SVP- Politiker, sollten sich keine « seriösen » Firmen beteiligen.
Interview: Niklaus Ramseyer
Herr Blocher, die Nationalbank leistet keinen Beitrag an die Globallösung, welche die Schweizer Grossbanken mit Sammelklägern aus den USA ausgehandelt haben. Was sagen Sie dazu?
Christoph Blocher: Das war der einzig mögliche und richtige Entscheid. Es war schon ein Fehler, dass die Nationalbank 100 Millionen in den Holocaust-Fonds einzahlte. Die Nationalbank hat mit dem Washingtoner Abkommen von 1946 alle ihre Fehler und Unsorgfältigkeiten während des Zweiten Weltkriegs abgegolten.
Firmen wie Novartis hingegen wollen sich an der Globallösung beteiligen.
Blocher: Auch das finde ich falsch. An diesem Deal sollte sich keine seriöse Firma beteiligen.
Und wenn eine Firma von der Notlage der Juden in Hitler-Deutschland profitiert oder Zwangsarbeiter ausgebeutet hatte?
Blocher: Auch dann kann eine Firma sich nicht einfach mit einem Beitrag an die Globallösung freikaufen. In einem Rechtsstaat muss festgestellt werden, wem ein solches Unternehmen Unrecht getan hat und dann müssen diese Opfer entschädigt werden – im Rahmen des Rechts.
Ihr Konzern macht in den USA rund 150 Millionen Jahresumsatz. Hätten Sie im Boykottfall darauf verzichten können?
Blocher: Natürlich wäre dies auch für uns sehr schmerzhaft. Aber wenn es gegen meine Firma erpresserische Sammelklagen gäbe, würde ich mir einen Rückzug aus dem Produktionsstandort USA überlegen – ich bin darauf vorbereitet.
Machen Sie denn bei juristischen Streitigkeiten nie eine Kosten-Nutz-Rechnung und sind zu einem Vergleich bereit?
Blocher: Einen Vergleich zu machen ist nichts Ehrenrühriges. Auf erpresserische Forderungen eingehen darf man hingegen nie. In jedem Land der Welt – ausser in den USA – würde die Art und Weise, wie dieser Deal von den amerikanischen Kreisen erzwungen wurde, als Erpressung bezeichnet.
Die Schweizer Grossbanken haben Fehler gemacht und müssen darum jetzt bezahlen.
Blocher: Ich bin auch der Meinung, dass vollumfänglich wieder gutmachen muss, wer Unrecht begangen hat.
Genau darum geht es doch bei der Globallösung, die den Sammelklägern zugute kommt.
Blocher: Eben nicht. Ich habe nämlich die unterschiedlichsten Begründungen gehört für diese Milliardenzahlung. Herr Gut von der CS-Bank sagte etwa, es sei ein Geschenk. Firmen haben jedoch keine Geschenke zu verteilen, das ist in dieser Grössenordnung auch gar nicht erlaubt. Dann habe ich gehört, das sei eben der Preis, um sich den Zugang zum US-Markt zu sichern. Dass unter zivilisierten Ländern gegenseitig ein Zutrittspreis zum Markt entrichtet werden müsste, wäre mir allerdings sehr neu.
Also überhaupt kein Grund für diese Globallösung?
Blocher: Moment. Eine dritte Begründung hat mir halbwegs eingeleuchtet. Sie heisst: Die Banken haben Unrecht getan jetzt müssen sie Genugtuung leisten. Genugtuung leistet man in einem Rechtsstaat nur jenen, denen Unrecht geschehen ist und nicht einem zufälligen Erpresser, der herausgefunden hat, dass man Fehler gemacht hat und mit Boykotten droht.
Ihre Kritik an den Banken erstaunt immer wieder. Könnte es sein, dass Sie einfach immer noch verärgert sind wegen Ihres Streites mit der damaligen SBG, die Sie aus dem Verwaltungsrat geworfen hat?
Blocher: (lacht) Wo denken Sie denn hin. Ich bin nicht gegen Banken, aber gegen Erpressungen. Seit Herbst 1996 weise ich auf die Gefahren der Erpressung hin. Vor dem nächsten Holocaust-Fonds warnte ich, weil ich sah, die nächste Erpressung wird folgen. Es war die Solidaritätsstiftung. Da verliess ich den Nationalratssaal und sagte, der Bundesrat habe den Kopf verloren. Und jetzt ist dieser Deal von New York die dritte Erpressung. Die vierte wird folgen.
Soll die Bergier-Kommission weiterarbeiten?
Blocher: Ja. Aber sie soll sich auf das Problem der nachrichtenlosen Vermögen beschränken. Diese Kommission ist jedoch problematisch, weil nur diktatorische Staaten ihre Geschichte von Staates wegen aufarbeiten lassen. In freiheitlichen Staaten sollte das dem freien Schaffen der Historiker überlassen bleiben.
Auch wenn diese Historiker die Archive Ihrer EMS-CHEMIE durchforschen möchten?
Blocher: (lacht) Sie sind in unseren Archiven ja schon lange drin. Unsere Firma wurde 1939 gegründet und hatte damals noch eine staatliche Beteiligung. Solche historische Forschung ist interessant und wichtig.
Wie beurteilen Sie das Verhalten des Bundesrates in Zusammenhang mit der Globallösung?
Blocher: Er hat sich im letzten Jahr sehr standhaft verhalten. Da muss ich ihn rühmen.
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