Keine Kompromisse mehr nach links
Christoph Blocher zu den neuen Machtverhältnissen im Kanton
Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung vom 20. April 1999
Erdrutschartig haben sich die Gewichte im Kanton Zürich zugunsten der SVP verschoben. Mit 60 von 180 Kantonsratssitzen stellt die Partei die klar stärkste Fraktion und wird in den Kommissionen markant mehr Gewicht haben als heute. Die NZZ wollte von Parteipräsident Christoph Blocher wissen, wie die SVP in der neuen Position agieren wird und wie sie sich die Zusammenarbeit mit den anderen bürgerlichen Parteien vorstellt. Die Fragen stellte Lorenz Baumann.
Herr Blocher, die SVP hat auf der ganzen Linie gesiegt. Worauf führen Sie diesen Erfolg zurück?
Blocher: Wir stellen seit ungefähr einem Jahr einen Wandel in der Bevölkerung fest, vor allem auch bei den jungen Leuten. Man besinnt sich auf die Werte, die die Schweiz stark gemacht haben, und weiss, dass diese Werte erhalten bleiben müssen, wenn die Schweiz stark sein soll.
Die Angst vor « Tabu-Themen »
Wie stark ist Ihre Ausländerpolitik ins Gewicht gefallen?
Blocher: Wir führten in den letzten Jahren einen mühsamen Kampf gegen Asylrechtsmissbrauch und illegale Einwanderung. Echte Flüchtlinge sollen aufgenommen werden, für die anderen darf die Schweiz nicht attraktiv sein. Flüchtlinge sind zu integrieren, die anderen aber auf die Rückkehr vorzubereiten. Wir haben dieses Thema zum Schwergewicht gemacht, weil wir wissen, dass hier ein ungelöstes Problem besteht. Dafür wurden wir von den andern Parteien getadelt, was uns genützt hat.
Sie sagten am Sonntag nach den Wahlen, andere Parteien scheuten sich vor sogenannten Tabu-Themen. Weshalb gibt man der SVP dieses Feld preis?
Blocher: Weil Ausländerpolitik unangenehm ist. Man wird von den Massenmedien und der classe politique hart kritisiert. Das Bundeshaus ist eine Gesellschaft für sich, abgeschottet von der übrigen Bevölkerung. Wenn Sie in diesen Kreisen einen Posten wollen – das Parlamentspräsidium oder ein Kommissionspräsidium -, dann dürfen Sie die Tabu-Themen nicht ansprechen. Die SVP hatte die Kraft, es trotzdem zu tun.
Welche Politik vertritt die SVP im Kosovo-Konflikt? In welcher Form sollen die Schweiz und der Kanton Zürich helfen?
Blocher: Sofern es notwendig ist, soll die Schweiz ihre Kräfte zur Verfügung stellen zum Bau und Betrieb von Flüchtlingslagern an Ort und Stelle. Wenn Flüchtlinge nach Zürich kommen und wir in Albanien Lager betreiben, müssen wir diese Leute sofort in diese Lager zurückschaffen. Solange die Lager nicht stehen, müssen wir auch hier Flüchtlinge aufnehmen, diese aber nicht integrieren, damit sie später wieder heimkehren.
Gestärkte innerparteiliche Position
Der Wahlerfolg gibt Ihnen Rückendeckung für die Auseinandersetzung mit anderen Kantonalparteien…
Blocher: Die Ergebnisse in Zürich haben nicht nur Signalwirkung für die nationalen Wahlen im Herbst, sie sind auch wichtig für die innerparteiliche Auseinandersetzung. Es gab in den letzten Monaten einige Anpasser, die auf Ämter schielten und sagten, man solle eine andere Politik machen. Heute gibt es nichts mehr zu rütteln: Die Politik, die jetzt gewonnen hat, ist die richtige Politik der SVP. Alle andern Kantonalparteien werden merken, welche Politik von der Bevölkerung getragen wird.
Das Verhältnis zur FDP
Im Zürcher Kantonsrat stellt die SVP neu die stärkste Fraktion. Wie wird sich das Verhältnis der SVP zur FDP verändern?
Blocher: Die bürgerlichen Parteien insgesamt sind dank unseren Gewinnen deutlich gestärkt worden. Es ist sogar so, dass FDP und SVP zusammen die absolute Mehrheit haben. Dieser Vorteil lässt sich aber nur ausspielen, wenn die FDP anders politisiert. Sie bekam einen Denkzettel, weil sie laviert hat. Die FDP hat Politiker, die nur auf sich schauen, Leute, die in Einzelfällen fanden, es sei lustiger, mit den Linken zu gehen und mit den Grünen eine Listenverbindung einzugehen. Es wird in Zukunft stark davon abhängen, wie die Freisinnigen politisieren. Wir hoffen, dass diese Partei endlich wieder – wie wir das früher mit Erfolg getan haben – mit uns politisiert, gegen eine sozialistische Politik. Die Voraussetzungen für eine gute Zusammenarbeit wären gut. Die SVP ist nun im Übrigen in der Lage, alleine über ein fakultatives Referendum zu bestimmen.
In der letzten Legislatur war es allerdings oft die SVP, die bremste, namentlich bei Reformvorhaben.
Blocher: Reformen um der Reformen willen können wir nicht unterstützen. Wenn die Verwaltung ausgedehnt und das Recht des Bürgers geschwächt werden soll, machen wir nicht mit. Reformen müssen von einer Werteordnung ausgehen und ein Ziel haben. Im Kanton Zürich sind zu viele technokratische Reformbestrebungen im Gange.
Welche konkret?
Blocher: Nehmen wir die Verwaltungsreform: Wir müssen am Schluss eine billigere Verwaltung haben, eine effizientere Verwaltung und eine bürgernahe Verwaltung. Wenn nur Reformen kommen mit New Public Management, bei dem niemand weiss, was das ist, wenn die Regierung schlechter kontrolliert werden soll und das Ganze am Schluss noch teurer ist, dann sagen wir Nein.
Droht stärkere Polarisierung?
Empfindlich geschwächt wurden die Mitte-Parteien, verloren hat die Linke. Droht dem Kanton eine stärkere Polarisierung?
Blocher: Wenn die linken Parteien merken, dass es einen Wechsel geben muss, dann werden wir keine Polarisierung machen. Wenn die Linke eine Polarisierung will, werden wir diese aber austragen. Wir sind nicht mehr bereit, Kompromisse nach links zu machen, nur weil man gerne Kompromisse hat. Wir wollen nicht noch mehr Staat, wir dulden den Asylrechtsmissbrauch nicht mehr, wir akzeptieren nicht, dass Rita Fuhrer sich von anderen Parteien abkanzeln lassen muss, weil sie bei den Bosnienflüchtlingen ihre Pflicht tut. Wir haben für unsere Politik vom Volk einen gewaltigen Auftrag bekommen.
Der Erfolg in den Wahlen kontrastiert auffällig mit Misserfolgen in zahlreichen Abstimmungen, Stichworte: Lastenausgleich, Herrmann. Worauf führen Sie das zurück?
Blocher: Das kann ich nicht sagen. Wir haben beim Lastenausgleich den Kampf nicht geführt, weil wir nicht alles bekämpfen können, das falsch ist, dazu fehlt uns die Kraft. Es ist eine Masche der Regierung, so viele Vorlagen zu bringen, dass der Stimmbürger darin ersäuft. Die Bürger merken später, dass Versprechungen bei Abstimmungen nicht gehalten werden. Solche Niederlagen haben uns glaubwürdiger gemacht.
Wird sich die Art des Politisierens im Kantonsrat bei der SVP dank dem grösseren Einfluss in den Kommissionen ändern?
Blocher: Mit einer so grossen Fraktion wollen wir früher Einfluss nehmen. Schon am Anfang eines Geschäfts müssen wir daran denken, ob wir ein fakultatives Referendum ergreifen wollen. Wir müssen die Fraktion wie die Partei gemäss unserem Auftrag anders führen. Wir brauchen einen stärkeren Führungsapparat. Unsere Art des Politisierens wird von den Mehrheiten abhängen. Wenn die FDP und die CVP weiterhin mit der SP liebäugeln, werden wir zum Nein-Sagen verdammt sein. Wenn nicht, dann wird die SP zur Nein-Sager-Partei.
Kein Platz für Rechtsaussenparteien
Wie gewichten Sie die Schlappe der Rechtsaussenparteien?
Blocher: Man weiss nicht, welche Wähler von wem zu wem wanderten. 1995 hatten wir 600’000 Parteistimmen, jetzt etwa 900’000. Diese können nicht nur von diesen Parteien kommen. Allerdings: Die Freiheitspartei hat keine eigenen Themen mehr. Wenn die bürgerlichen Parteien richtig politisieren, darf es rechts von ihnen keine Partei geben.
Die SVP betrieb vor vier und acht Jahren erfolgreich provokative Wahlkämpfe. Jetzt waren Sie zurückhaltender und noch erfolgreicher. Ein Wandel von Dauer?
Blocher: Wir wählen den Stil, den die Zeit braucht. Vor vier und acht Jahren wollten wir schockieren, um ein Thema auf den Tisch zu bringen. Wir sagten: « Das haben wir den Linken und den Netten zu verdanken »: den Messerstecher – das hat aufgerüttelt. Jetzt sind die Themen da, wir müssen nur noch argumentieren. Bei den Steuern sagen wir heute: « Steuern runter, damit deinem Schatz mehr zum Leben bleibt » – geradezu eine liebliche Sache. Wenn wir aber merken, dass wir mit dem Thema nicht durchkommen, werden wir wieder provokativ. Es ist alles genau berechnet. Manchmal sind wir auch zu besonderen Methoden gezwungen, weil die Medien die Anliegen eines grossen Teils des Volkes unterschlagen.
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