Wahlen 99 auf Tele 24
Schawinskis Gegenstück zur DRS-«Arena»
Für Sie gelesen: Neue Zürcher Zeitung vom 8. Oktober 1999
Tele 24 löst seinen Anspruch als sprachregionales Informationsmedium vor den eidgenössischen Wahlen mit vier Live-Sendungen ein. Die Parteipräsidenten Franz Steinegger (FDP), Adalbert Durrer (CVP) und Ursula Koch (SP) sowie der Lenker der SVP, Christoph Blocher, sind je einen Abend bei Roger Schawinski zu Gast. Das Publikum, bestehend aus jeweils « 100 kritischen Wählerinnen und Wählern », ist im Unterschied zur politischen « Arena » von Filippo Leutenegger in ein Restaurant ausgelagert und wird nur zwischen einzelnen Gesprächsblöcken zugeschaltet. Das erlaubt im Studio vertiefte Zwiegespräche, die nicht laufend durch eine applaudierende Zuschauerkulisse unterbrochen werden.
Den – gelungenen – Einstand machte am Mittwoch der 90-Minuten-Talk mit Christoph Blocher. Roger Schawinski ist als Befrager um Klassen besser, wenn ihm jemand rhetorisch das Wasser reichen kann, als wenn er sich auf Kosten von unbeholfenen Heilern, Wahrsagerinnen oder Cervelat-Prominenten belustigt. Den Selfmademan Blocher und den Pionier der privaten elektronischen Medien verbindet neben der unternehmerischen Risikofreude auch die Kampfeslust gegen das (medien)politische Establishment, dem sie selber auch angehören. Aus diesem gegenseitigen Respekt entwickelte sich ein Gespräch, das auch weniger bekannte Facetten des Gebieters über die SVP und die Ems-Chemie aufdeckte.
Blocher konnte glaubhaft darlegen, dass er mit Haider, den er nicht persönlich kennt, nur den Kampf gegen die Classe politique gemein hat. Anders als der österreichische Populist bleibe er seinen Auffassungen treu, sagte Blocher unter Anspielung etwa auf Haiders Slalomkurs in der EU-Frage. Nicht recht zusammenpassen wollten dagegen Blochers Loblied auf die wirtschaftlich prosperierende Schweiz und die pauschale Schelte für die Landesregierung.
Persönlich hat Blocher Freude am Risiko in Wirtschaft und Politik, räumte aber auch ein, dass er sich mit seinen Entscheiden nicht immer leicht tut. Schlaflose Nächte in schwierigen Situationen gehören deshalb zum Alltag dieses Kantengängers. Dass selbst eine robuste Natur wie Blocher der Doppelbelastung als Unternehmer und Politiker sowie der Dauerpräsenz in den Medien Tribut zollt, zeigte die Bemerkung, nach der EWR-Abstimmung habe er einen Zusammenbruch erlitten. Aufschlussreich auch der Bildertest: Blocher, der nicht fernsieht, sah sich ausserstande, ein Dutzend Personen auf Grund einer Photo zu identifizieren. Das überraschte bei Starlets und Sportlern weniger als bei Persönlichkeiten aus Politik und Kultur, wie dem französischen Ministerpräsidenten Jospin, dem amerikanischen Präsidentschafts-Kandidaten Bush oder dem Kritiker Reich-Ranicki und dem Regisseur Düggelin. Dieser Test relativierte auch Blochers Rundumschlag gegen die Expo 02, weil er deren künstlerischen Leiter Heller nicht einmal aus den Medien kennt, geschweige denn sich aus erster Hand über die Landesausstellung informiert hat.
← retour vers: Articles