Blocher lässt sich nicht so leicht einbinden
Interview mit dem Tages-Anzeiger vom 26. Oktober 1999
Christoph Blocher, Zürcher Nationalrat der SVP, kann sich nicht vorstellen, dass das Parlament ihn zum Bundesrat wählt. Auch nicht, um endlich Ruhe vor ihm zu haben.
Mit Christoph Blocher sprach Markus Somm
Herr Blocher, die SVP fordert einen zweiten Bundesratssitz. Heisst dieser zweite Bundesrat Christoph Blocher?
Blocher: Nein. Das Parlament wird mich nicht wählen, und ich strebe dies auch nicht an.
Aber wenn das Parlament Sie wählte, würden Sie das Amt annehmen?
Blocher: Ja, dann müsste ich das tun. Das erfordert mein Amtszwangverständnis. Doch dieses Parlament wählt mich ohnehin nicht.
Ist das Koketterie, um die anderen Parlamentarier zu provozieren?
Blocher: Nein. Ich vertrete eine bestimmte Politik, und will, dass diese so weit wie möglich umgesetzt wird. Auch als Bundesrat. Würde ich jetzt verkünden, ich sei nicht bereit, mich wählen zu lassen, kämen doch alle und würden mir zu Recht fehlende Verantwortung vorwerfen.
Aber befürchten Sie nicht, dass sich die Mitteparteien FDP und CVP sagen: Wenn wir schon der SVP einen zweiten Sitz verschaffen, dann wollen wir wenigstens die Gewähr haben, dass diese Partei nicht mehr auf Opposition macht. Und davor sind wir nur sicher, wenn Blocher im Bundesrat eingebunden wird?
Blocher: Nein. Weil sich der Blocher nicht so leicht einbinden lässt.
Im Bundesrat unterlägen Sie dem Kollegialitätsprinzip, im Bundesrat wären Sie in der Minderheit. Auch Sie müssten Kompromisse machen.
Blocher: Diese Fragen müssen Sie den anderen Parteien stellen. Für uns steht die Frage der Person derzeit nicht im Vordergrund, entscheidend ist für uns: Erhalten wir einen zweiten Sitz oder nicht? Gilt die Konkordanz, dann müsste die SVP auf Kosten der CVP einen zweiten Bundesrat bekommen. Will die CVP aber ihren Sitz nicht abgeben, dann müssen sich FDP und CVP über eines klar werden: Wollen sie die Sozialisten stärken oder die Liberal-Konservativen?
Was will denn die Oppositionspartei SVP?
Blocher: Opposition ist für uns kein Selbstzweck. Unser Gegner ist der Sozialismus. Damit ist die Frage beantwortet. Uns ist lieber, die SP hat bloss einen Sitz.
Noch einmal: Eigentlich müssen CVP und FDP doch alles Interesse daran haben, den ewigen Oppositionellen Blocher im Bundesrat zu zähmen.
Blocher: Warum auch? Meinen Sie denn, die zwei SVP-Bundesräte würden nicht dafür sorgen, dass unsere Politik stärker zum Zuge kommt?
Aber dann muss auch die SVP ihre Wähler mit Kompromissen vertrösten. Und das könnten Ihre Wähler nicht verstehen.
Blocher: Wir machen ja nicht Opposition um der Opposition willen. Wo wir können, sind wir an vorderster Front dabei, zum Beispiel in der Reform der Unternehmensbesteuerung.
Aber ein Teil Ihrer Wähler wählt SVP, weil sie faktisch eine Oppositionspartei geworden ist.
Blocher: Kennen Sie unsere Wähler so gut? Nein, wenn wir uns durchsetzen, müssen wir nicht opponieren. Und der Wähler wählt uns, weil er unser Programm erfüllt haben will. Wenn wir zwei Sitze fordern, dann ist das eine politische Aussage. Je mehr die Regierung einen Mitte-Rechts-Kurs steuert – wie dies übrigens noch vor acht Jahren selbstverständlich der Fall war -, desto weniger müssen wir dagegenhalten. Und wir werden unsere Meinung im Bundesrat mit aller Kraft einbringen.
Also hat es keinen Platz mehr für Adolf Ogi?
Blocher: Warum nicht?
Weil Ogi in der Europafrage und der Neutralität dezidiert andere Positionen vertritt als die siegreiche Zürcher SVP.
Blocher: Da wird er nach diesem Wahlsieg Korrekturen machen müssen. Das ist ganz klar.
Das heisst, Sie stellen Adolf Ogi Bedingungen?
Blocher: Nicht nur ihm. Aber auch ihm.
Wie muss man sich das vorstellen?
Blocher: Man wird mit ihm reden müssen.
Und schlimmstenfalls muss Ogi um die Wiederwahl bangen?
Blocher: Das nicht. Es gibt keine Regierungsmitglieder, die mit ihrer Partei hundertprozentig übereinstimmen.
Europa ist eine Schlüsselfrage.
Blocher: Ja, aber sehen Sie, bisher war es doch so, dass keiner Bundesrat wurde, der gegen den EU-Beitritt war. Das müssen auch die anderen Parteien überdenken.
Glauben Sie, dass die SVP einen zweiten Sitz erhält?
Blocher: Nein. Leider bleibt sehr wahrscheinlich alles beim Alten. Aber auch so muss man sehen, dass sich vieles verändert hat: Erstens wird man nach diesem klaren Wählerentscheid zu Gunsten einer bürgerlicheren Politik nicht zur Tagesordnung übergehen können. Zweitens sind sowohl in der SVP als auch in der FDP die rechten Flügel gestärkt worden. Drittens ergeben sich nun im Parlament rein numerisch ganz andere Mehrheiten. Die Linke hat drei Sitze verloren, wir haben 15 gewonnen. Das ist eine Verschiebung von 18 Stimmen. Das heisst, viele Abstimmungen können anders ausgehen als bisher. Die Möglichkeit, eine andere, eine Politik rechts der Mitte zu machen, ist da, ergreifen die anderen bürgerlichen Parteien diese nicht, werden sie 2003 die Quittung dafür erhalten.
Mit anderen Worten, die SVP legt 2003 erneut zu?
Blocher: Richtig.
Aber rechts von der SVP liegt nur mehr die Wüste. Wo holen Sie noch Stimmen?
Blocher: Wir haben in der Westschweiz noch ungeheure Möglichkeiten. Das hat diese Wahl deutlich gezeigt. Zudem liegt in den Deutschschweizer Kantonen, wo die SVP nur einen lauen Wahlkampf geführt hat, noch einiges drin.
Zum Beispiel im Kanton Bern?
Blocher: Die Berner SVP hätte mit Sicherheit viel mehr zulegen müssen. Dass sie sich nur gehalten hat, ist beileibe kein Erfolg.
Erfüllt es Sie nicht mit Unbehagen, dass offenbar so viele rechtsextreme Wähler sich der SVP zugewendet haben?
Blocher: Diese Aussage können wir nicht bestätigen. Wir haben ein klares, bestimmt nicht rechtsextremes Programm. Wir haben niemanden über unsere Ziele im Unklaren gelassen.
Adolf Ogi hat via « SonntagsZeitung » angekündigt, er möchte die Mitglieder der SVP durchleuchten. Machen Sie mit?
Blocher: Rechtsextremismus und Rassismus haben keinen Platz in unserer Partei. Exponenten, die solches Gedankengut vertreten, sind auszuschliessen. Aber ich halte es für Gesinnungsschnüffelei, jedes Parteimitglied zu durchleuchten. Zudem wird in diesem Zusammenhang viel geheuchelt. Keine Partei prüft ihre Wähler oder Mitglieder in dieser Art und Weise.