Geschwätz über den service public
Mein Beitrag in der Berner Zeitung vom 21. Januar 2002
Nur die private Marktwirtschaft könne die Bedürfnisse der Menschen befriedigen, sagt SVP-Nationalrat Christoph Blocher. Die Staatswirtschaft sei dazu nicht in der Lage. Leider gelte vielerorts das Gegenteil.
Christoph Blocher
Eine funktionierende Brotversorgung gehört zu den wichtigsten Diensten an der Öffentlichkeit. Sie ist daher ein Service public. Doch sagen sollte man dies nicht zu laut, sonst finden sich schnell linke und nette Politiker, die die Brotversorgung verstaatlichen möchten, vor allem, wenn eine bedeutende Bäckerei in den Konkurs geraten sollte. Denn für Linke ist Service public nur durch Staatsbetriebe zu gewährleisten. Was wäre die Folge einer solchen Verstaatlichung? Täglicher Brotmangel oder Brotüberschuss, wahrscheinlich beides gleichzeitig, Preisanstieg und armseliges Brotsortiment, unzufriedene Kunden und Konsumenten, alles mangels Konkurrenz. Dazu kommen Subventionen, die Bäckereien über Wasser halten.
Im Interesse der Menschen
Wo der freie Markt, wo Konkurrenz und Wettbewerb möglich sind, kann nur die private Marktwirtschaft die Bedürfnisse der Menschen befriedigen. Die Staatswirtschaft ist untauglich. Obwohl dies längst erwiesen ist, gilt vielerorts das Gegenteil. So hält sich der Staat ein eigenes Fernsehen und behindert dadurch die Meinungsvielfalt. Ausgerechnet im Land der direkten Demokratie! Tele 24 und TV3 sind gestorben, weil der Staat keinen echten Wettbewerb zulässt. Hier ist dringend Liberalisierung geboten.
Die Swisscom bezeichnet man zwar als privatisiert. Doch der Staat hält weit über 50 Prozent ihrer Aktien. So behindert ein privilegierter Staatsbetrieb die private Konkurrenz, indem er zum Beispiel das Monopol über die letzte Meile hält. Die Gefahr ist gross, dass sich auch hier die privaten Konkurrenten zurückziehen müssen. Damit wird Telefonieren teurer. Der Swisscom-Bundesanteil ist deshalb rasch zu veräussern. Allen Anbietern sind die Infrastrukturen zu gleichen Bedingungen zur Verfügung zu stellen.
Ebenso ist die Export-Risiko-garantie (ERG) auf private Basis zu stellen, und die staatliche, halbstaatliche und kartellisierte Stromwirtschaft ist aufzubrechen. Diese hat der Schweiz, dem Wasserschloss Europas, die höchsten Energiepreise Europas beschert! Das revidierte Elektrizitätsmarktgesetz (EMG) liberalisiert nur mangelhaft.
Verheerend ist die neue Staatsbeteiligung – und damit die Ausserkraftsetzung der Marktwirtschaft – in der Flugfahrt. Die Flugkonsumenten und Steuerzahler haben das Nachsehen. Die neue Crossair ist ein Rückfall in eine Staatswirtschaft mit all ihren negativen Folgen. Die neue Lösung freut nur Politiker und private Investoren, die Angst vor dem freien Markt haben, weil sie dort weitgehend versagt haben.
Auch sind die Preise vieler Produkte, die durchaus in der freien Marktwirtschaft bestimmt werden könnten, staatlich festgelegt oder reguliert. Die Missstände sind hier offensichtlich. Es ist kein Zufall, dass im Jahr 2002 vor allem diejenigen Preise erneut und dauernd steigen, die entweder staatlich festgelegt oder staatlich reguliert sind. So beim Bier (durch die Erhöhung der Biersteuer), bei den Mieten, im öffentlichen Verkehr, im ganzen Gesundheitswesen, bei den Krankenkassen usw. Würde man die Preisfestsetzung dem Wettbewerb aussetzen, wäre das Preisniveau überall tiefer.
Monopolbetriebe
Aus natürlichen oder wirtschaftlichen Gründen können bei grossen Infrastrukturen, wie beispielsweise bei Strassen, Schienen, Pipelines, Stromleitungen und Wasser-Versorgungen, die Bedürfnisse nur durch einen Monopolbetrieb befriedigt werden. Wo ein solches Monopol unumgänglich ist – aber nur dort -, ist ein staatliches Monopol mit demokratischer Kontrolle besser als ein privates Monopol. Dies gilt aber ausdrücklich nicht für zum Beispiel die ganze Abfallwirtschaft, die Telekommunikation, das Fernsehen, die Gütertransporte auf Schiene und Strassen, die öffentlichen Bauten, die Crossair oder das gesamte Gesundheitswesen.
Nein zur Mischwirtschaft
Neuerdings werden so genannte Service-public-Unternehmen halbprivatisiert. Das heisst, die Privatwirtschaft und die Politik betreiben die Betriebe gemeinsam. Was gibt es Schöneres als « Wir sitzen so traulich beisammen und haben einander so lieb ». Überwacher und zu Überwachende sitzen am gleichen Tisch und sind oft gar die gleiche Person. Zu leiden haben wieder die Benutzer. So war es bei der alten Swissair, und so wird es noch verstärkt bei der Crossair sein. So ist es bei den « privatisierten » Rüstungsbetrieben, bei der SRG, bei der Expo, um nur einige Bespiele zu nennen. Mit diesen gemischtwirtschaftlichen Formen ist aufzuräumen. Sie führen zur Vettern-Wirtschaft, zu « Sauhäfeli – Saudeckeli » und zur Korruption. Sie dienen einzig Politikern und Funktionären sowie einigen Privaten, die das Licht der Marktwirtschaft scheuen.
Landwirtschaft
Die Landwirtschaft hat gemäss Verfassung und Gesetz der Nahrungsmittelversorgung, dem Schutz des Landes vor Vergandung und der dezentralen Besiedelung des Landes zu dienen. Die beiden letzten Staatszwecke lassen sich mit der freien Marktwirtschaft nicht erreichen, weil es nichts zu verkaufen gibt. Dazu braucht es aber nicht die heutige unheilvolle Agrarbürokratie, nicht diesen zerstörerischen Interventionismus, der die Landwirtschaft unheimlich verteuert und dem Bauern jede unternehmerische Freiheit nimmt. Vielmehr ist – abgestuft nach Nutzungszonen – den Bauern ein Flächenbeitrag zur Bewirtschaftung des Landes zuzuweisen, mit der Verpflichtung, das Land minimal zu bewirtschaften. Das sind keine Sozialbeiträge, und sie haben mit der Einkommenshöhe nichts zu tun. Für den Rest kann die Agrarbürokratie abgeschafft und dem Bauern und den Produkten die Freiheit des Marktes gegeben werden.
Die Post ist gefordert
Die Umwälzungen sind wohl am stärksten bei der Post. Durch die starke Verschiebung vom Briefverkehr auf die elektronische Kommunikation (z. B. E-Mail, SMS, Telefax, Internet, starke Verbesserung der Telefonverbindungen) und die zunehmenden, qualitativ einwandfreien, privaten Kurierdienste und Verteilorganisationen kommt die Post nicht darum herum, die Kosten zu senken, um konkurrenzfähig zu sein. Damit die Posttaxen nicht ins Unbezahlbare steigen und der Druck von dritter Seite nicht noch mehr erhöht wird, sind vermehrt auch von der Post unkonventionelle Lösungen zu verwirklichen. Sie kann nur bestehen, wenn sie konkurrenzfähig ist. Um namentlich auch abgelegene Orte bedienen zu können, sind dort vermehrt auch Gemeinschafts-Lösungen zu treffen. Warum nicht die Post mit den Gemeindekanzleien, dem Dorfladen oder gar dem Pfarrer zusammenlegen? Eine Postbank – nach den Kantonalbanken -, das heisst eine eidgenössische Bank, die den Wettbewerb verzerrt, nein danke. Auch das wäre kein Dienst am Kunden, kein Service public, sondern wieder eine Staatsbank zur Freude von Politikern und Funktionären.