Preisgabe eines bewährten Erfolgsmodells
Mein Beitrag in der Neuen Zürcher Zeitung vom 13. Februar 2002
In der Auseinandersetzung über einen Beitritt der Schweiz zur Uno hat sich die Neutralität als zentrale Argumentationsfront der Gegner herauskristallisiert. Nationalrat Christoph Blocher zeigt hier, wieso für ihn eine Uno-Mitgliedschaft mit der Neutralität nicht vereinbar ist.
Von Nationalrat Christoph Blocher (svp.), Herrliberg
Der Grundsatz « Dabei sein ist wichtiger als gewinnen » ist zum offiziellen Leitprinzip der schweizerischen Aussenpolitik geworden. Darum kommt es zum Konflikt mit dem jahrhundertealten Erfolgsmodell der schweizerischen Neutralität, denn ein neutraler Staat darf dieses « Dabeisein » für Politiker und Funktionäre nicht ins Zentrum stellen. Freiheit der Bürger nebst Weltoffenheit ohne Einbindung ist das erfolgreiche Rezept des Kleinstaates Schweiz. Mit dem Uno-Beitritt soll davon abgewichen werden. Die immerwährende bewaffnete Neutralität hat wenig zu tun mit Ideologie oder Idealismus, aber sehr viel mit der Lebenswirklichkeit. Sie ist auch heute noch das modernste Schutz- und Selbstbehauptungsmittel für den Kleinstaat und erfüllt einen mehrfachen Zweck: Die Neutralität hindert die Regierenden, ihr Volk in Konflikte hineinzuziehen, und ist Schutz vor Krieg und Terrorismus für den Kleinstaat. Sie hindert jeden von uns vor unkontrollierten Emotionen, vor Gewalt- und Kriegsbereitschaft. Auch verhindert die Neutralität, dass unser mehrsprachiges Land mit vier Kulturen wegen Parteinahmen in internationalen Konflikten dauernden Zerreissproben ausgesetzt wird. So wenig die Schweizer eine Gesinnungsneutralität dulden, so wenig wollen sie es dem Bundesrat überlassen, sich in ihrem Namen in fremde Händel einzumischen.
Neutralitätsmüde Eliten
Trotz der eindrücklichen Erfolgsbilanz von zweihundert Friedensjahren erfreut sich die Neutralität bei den Eliten gegenwärtig keiner grossen Beliebtheit. Dies ist wohl kein Zufall, denn sie zu handhaben, erfordert ein gehöriges Mass an Kreativität, Standfestigkeit und Grundsatztreue. Zahlreiche führende Persönlichkeiten leiden denn auch an der Schicksallosigkeit des neutralen Kleinstaates; sie sehnen sich nach dem Dabeisein, nach grossen Worten und pathetischen Gesten. Die Neutralität schränkt ihren Handlungsspielraum und die aussenpolitischen Aktivitäten unserer Regierung in einer für sie ärgerlichen Weise ein; sie gewährt ihnen kaum Heldentaten und selten glanzvolle Auftritte. Das Mittun in internationalen Organisationen ist verlockender als das Tragen von Verantwortung im eigenen Land.
Vollbeitritt widerspricht schweizerischer Neutralität
Die Unterzeichnung der Uno-Charta zwingt die Schweiz, sich dem mächtigsten Organ der Uno – dem Sicherheitsrat – zu unterstellen. Die Uno-Mitglieder haben diesem von fünf Vetomächten dominierten Gremium « die Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit » (Art. 24) übertragen. Würde die Schweiz voll beitreten, würde der Sicherheitsrat auch im Namen der Schweiz handeln. Der Sicherheitsrat ist das einzige Uno-Organ, das für die Mitgliedstaaten verbindliche Beschlüsse fassen kann. Er allein entscheidet über die Hungerwaffe, Boykotte und kriegerische Massnahmen. Bei einem Uno-Beitritt muss sich die Schweiz seinem Kommando von Wirtschafts-, Diplomatie- und Kommunikationsboykotten bis hin zum Stellen von Streitkräften beugen. Wer hier mitmacht, ist gegenüber den betroffenen Staaten in keiner Weise mehr neutral. Er wird zur Kriegspartei mit all ihren Folgen.
Die politische Uno ist keine Rechts-, sondern eine Machtorganisation, denn sie schafft für die Mächtigen Sonderrechte. Die Unterzeichnung der Uno-Charta bedeutet ein offizielles Einverständnis mit einer Machtordnung, die für den Kleinstaat Schweiz von grossem Nachteil wäre.
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