«Ich muss nochmals antreten»

Interview mit der Berner Zeitung vom 4. März 2002

SVP-Nationalrat und Auns-Präsident Christoph Blocher gibt nicht auf. Nach der gestrigen Abstimmungsniederlage will er erst recht weiterkämpfen. Denn schon bald gehe es wieder um den EU-Beitritt.

Interview: David Sieber

Herr Blocher, haben Sie mit einer Niederlage bei der UNO-Abstimmung gerechnet?

Christoph Blocher: Es ist weniger schlecht herausgekommen, als ich in den letzten Monaten befürchtet habe. Aber wir haben verloren, das ist betrüblich. Das heisst, die Schweiz hat verloren, weil die Schweiz geschwächt wird durch diesen Entscheid.

Inwiefern?

Blocher: Ein Beispiel: Ich habe auf CNN, dem weltgrössten Nachrichtensender, Berichte über die Schweizer UNO-Abstimmung gesehen. Und dort hat es geheissen, die Schweizer hätten über den UNO-Beitritt und damit über die Aufgabe ihrer Neutralität zu entscheiden. So wird das im Ausland gesehen. Das heisst im Klartext: Unsere Neutralität ist unglaubwürdig geworden. Da können wir noch lange daran festhalten. Abgesehen davon müssen wir uns nun Entscheiden des Sicherheitsrates beugen, darum sind wir faktisch nicht mehr neutral. Hinzu kommt, dass die Schweiz nun viel Geld bezahlen muss, das im Inland fehlen wird und dessen Verwendungszweck sie nicht kontrollieren kann. Auch wirtschaftlich wird das UNO-Ja Konsequenzen haben. Denn gerade die Unabhängigkeit und die Neutralität haben der Schweiz im internationalen Zinsgefüge grosse Vorteile verschafft. Ich würde mich nicht wundern, wenn sich bereits in den kommenden Wochen die langfristigen Zinssätze versteifen würden, weil die Schweiz nicht mehr als die verlässliche Partnerin gilt.

Bedeutet das Ja zur UNO einen Paradigmenwechsel in der schweizerischen Aussenpolitik?

Blocher: Das ist schwierig zu sagen. Der Bundesrat hat diese Frage verneint und erklärt, der Beitritt koste nichts und stärke die Unabhängigkeit. Ich persönlich meine, es ist einer.

Wie erklären Sie sich Ihre Niederlage?

Blocher: Ich wusste, dass es ganz schwer werden würde. Wir waren wenige. Nur noch ein Teil der SVP hat den Kampf geführt. Es gab ja leider auch Dissidente, die von den UNO-Befürwortern als Aushängeschilder benutzt worden sind. Wir haben unsere Kräfte auf jene Kantone konzentriert, wo wir etwas zu erreichen glaubten. Ich selber bin vor allem in Thurgau, St. Gallen und Aargau aufgetreten, aber auch in der Innerschweiz und in Luzern. Das ist missraten. Wir mussten zudem gegen eine Übermacht antreten, die den teuersten Abstimmungskampf der Geschichte geführt hat. Wir dagegen hatten nur wenig Geld zur Verfügung.

Wie viel?

Blocher: 2,5 bis 3 Millionen Franken …

… die Sie aus Ihrem Sack bezahlt haben?

Blocher: Nein. Ich decke, wie oft, bloss den Rest ab.

Wie viel ist das in Franken und Rappen?

Blocher: Das weiss ich noch nicht und werde es Ihnen auch nicht sagen.

Was hat sich verändert seit der letzten UNO-Abstimmung 1986?

Blocher: Vor allem hat sich die Wirtschaft verändert. Damals hiess es noch: Schuster, bleib bei deinen Leisten! Anfang der Neunzigerjahre fand ein unglaublicher wirtschaftlicher Wechsel statt, der jetzt überall Schiffbruch erleidet. Nicht mehr klein und solid, sondern international und gigantisch wollten die Firmen sein. Aushängeschilder wie die Swissair und alle drei Versicherungsgesellschaften sind damit gescheitert. Dieses Denken hat politische Folgen. Deshalb sind Firmen mit solchen Konzepten – anders als 1986 – für die UNO und haben den Abstimmungskampf geführt und bezahlt.

Aber es muss sich in den letzten 16 Jahren doch auch etwas in den Köpfen der Menschen verändert haben.

Blocher: Also, diese Keckheit, die der Bundesrat an den Tag gelegt hat, indem er behauptete, wir können auch in der UNO noch neutral sein, die hatte er 1986 nicht besessen. Damals war er noch ehrlicher. Er sagte zwar schon, der Beitritt habe für die Neutralität keine schwerwiegenden Folgen, aber er sagte nicht, es werde keine Folgen haben. Zudem hat der Bundesrat sich dieses Mal zum Propagandainstrument der Befürworter machen lassen. Der zweite Verlierer des Abstimmungssonntages ist deshalb der Bundesrat.

War das der letzte Kampf des Christoph Blocher?

Blocher: Schön wäre es. Doch der Kampf geht weiter, denn der Bundesrat will nun den Schengen-Beitritt forcieren, dann soll die Mehrwertsteuer auf EU-Niveau angehoben werden, um die Beitrittshürden zu verkleinern, und schliesslich wird der EU-Beitritt wieder auf dem Tisch liegen. Dies wird bereits in der nächsten Legislaturperiode der Fall sein. Dieses Konzept entnehme ich einem Vortrag von Bundesrat Joseph Deiss.

Sie werden also zu den Nationalratswahlen 2003 antreten?

Blocher: Ich muss. Nach dieser Niederlage erst recht. Es gilt noch viel zu tun.

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