Alleingang kommt nicht in Frage
Interview mit der HandelsZeitung vom 13. März 2002
Ems-Chemie AG – Mehrheitsbesitzer Blocher kann sich einen Aktienrückkauf vorstellen, aber nur mit einem Partner. Steigt Martin Ebner bei der Ems ein?
Interview: Mélanie Rietmann und Reto Schlatter
Sie haben etwas Unübliches getan: Den Goodwill mit einem Schlag aus der Rechnungslegung verbannt und damit eine 30%ige Gewinn-Reduktion riskiert. Weshalb wollten Sie gerade jetzt « reinen Tisch » machen?
Christoph Blocher: Zunächst eine Richtigstellung: Wir hatten schon vorher immer einen « reinen Tisch ».
Aber Sie mokieren sich über die « Kreativität in der Buchhaltung » bei andern Unternehmen. Was verstehen Sie darunter?
Blocher: Ich stelle fest, dass Kreativität in gewissen Unternehmen fast nur noch in der Buchhaltung eine Rolle spielt. Dort aber ist diese Eigenschaft unzulässig. Buchhalterische Tricks zahlreicher Unternehmen sind ein wirtschaftliches Problem und führen dazu, dass Anleger den Firmen kein Vertrauen mehr schenken. Es wird zu viel geschummelt. In dieses Kapitel gehören auch die Pro-forma-Abschlüsse, die ja ihrem Namen alle Ehre machen. Nach einem halben Jahr folgen dann die Geschäftsberichte, die niemanden mehr interessieren – und das falsche Bild ist perfekt. Hinzu kommt die ganze Problematik mit den Goodwill-Abschreibungen, die auch in den USA Wellen geworfen hat. Wir haben den gesamten Goodwill von mehr als 37 Mio Fr. über die Erfolgsrechnung auf null abgeschrieben und nehmen einen geschrumpften Reingewinn in Kauf.
Wo liegt Ihrer Meinung nach der Grund für die von Ihnen skizzierte Fehlentwicklung?
Blocher: Dass sich in der Vergangenheit die gesamte Finanzwelt nur für Gewinnent- wicklungen und -erwartungen interessiert hat. Das Studium der Bilanz wurde völlig vernachlässigt, aber hier manifestiert sich die Substanz eines Unternehmens. Die jüngsten Vorfälle bieten ein anschauliches Beispiel: Nehmen Sie Enron, Swissair oder andere. Nicht die Gewinnentwicklung war das Hauptproblem, sondern die Bilanzwerte: Die Eigenkapitaldecke war zu dünn, die Verschuldung zu hoch und die Goodwill-Abschreibungen belasteten Gewinn und Bilanz.
Wenn wir gerade beim Eigenkapitalanteil sind: Er liegt bei der Ems mittlerweile bei über 50%, und Sie machen sich anscheinend Gedanken über eine künftige Kapitalstruktur. In einem früheren Gespräch haben Sie ein Going-Private ausgeschlossen. Das ist offenbar kein Tabu mehr?
Blocher: Das Eigenkapital macht bei Ems über 50% aus, und die Kapitalrendite lag in den letzten fünf Jahren durchschnittlich bei über 20%. Für mich allein kommt ein Going-Private trotzdem nicht in Frage. Es bedeutet einen Kapitalbedarf von über 1 Mrd Fr; das liegt für mich nicht drin. Ich könnte das Geld vielleicht beschaffen, was aber meinen finanziellen Spielraum allzu sehr einengen würde. Nicht in Frage kommt auch eine Geldaufnahme via die Ems-Firma. Ich möchte das operative Geschäft nicht mit Schulden für den Aktionär belasten.
Was also kommt denn in Frage?
Blocher: Es gibt die Möglichkeit, die Aktien zusammen mit anderen zurückzukaufen.
Denken Sie an Herrn Ebner?
Blocher: Ich denke eher an Partner, die nicht in erster Linie Kapitalanlagen machen – etwa Industrielle, die ihre Firma verkauft haben und sich noch gerne an einem privaten Unternehmen beteiligen, dessen Führung sie vertrauen. Es gibt solche Interessenten, aber der Nachteil beim Going-Private ist die beschränkte Kapitalisierungsmöglichkeit. Wenn dringend Kapital gebraucht wird – und das weiss man nie – dann kommt die Börse nicht in Frage.
Bis wann wird über die Einführung der Einheitsaktie entschieden?
Blocher: Bis Ende Jahr. Der Aktienmarkt von Ems ist eng geworden. Ich verfüge über 85% der Stimmen und zwei Drittel des Kapitals, was eine geringe Liquidität an der Börse zur Folge hat. Die Situation ist nicht befriedigend: Wenn ein Grosser einsteigt und viel kauft, steigen die Aktienkurse; verkauft er wieder, trifft das Gegenteil ein.
Was ist mit einer Nennwertrückzahlung?
Blocher: Auch die ist nicht ausgeschlossen, aber hier sind keine grossen Sprünge mehr möglich: Wir sind am unteren Limit.
Ein freier Cashflow von 70% des gesamten Cashflows, null Nettoverschuldung und eliminierte Goodwill-Positionen. Was machen Sie mit dem vielen Geld? Akquirieren, Dividenden ausschütten oder investieren?
Blocher: Bevor die Kapitalstruktur nicht gelöst ist, mache ich keine grossen Bocksprünge. Alle angesprochenen Möglichkeiten kommen in Frage.
Themawechsel: Atisholz. Würden Sie diese Firma nochmals kaufen?
Blocher: Kaum. Er erfolgte unter grossem Zeitdruck. Ich rechnete mit einem Worst-, einem Bad- und einem Best-case-Szenario. Nun ist der Bad-case eingetroffen. Das heisst, es dauert länger, bis wir in der Gewinnzone sind. Zu Ems passt die Firma nicht mehr, darum habe ich sie in die Emesta, die zu 100% mir gehört, überführt. Wenn wir alles gewusst hätten, was rausgekommen ist, hätten wir Atisholz nicht gekauft.
Wann kommt Atisholz in die Erfolgszone?
Blocher: Wir investierten 130 Mio Fr.; die neuen Produkte, die entwickelt wurden – es geht im Wesentlichen um Chemiezellstoffe und Hefeextrakte – werden jetzt eingeführt. Dieses Jahr rechnen wir mit einem Nullergebnis und dann mit steigenden Gewinnen.
Da gibt es noch eine zweite Firma, an der Sie Interesse hatten. Was läuft bei Netstal?
Blocher: Die letzten Verhandlungen fanden am 2. November statt. Es bleibt dabei: Siemens will Netstal nicht alleine verkaufen; ich will aber nur Netstal haben.
Sind die Verhandlungen auf Eis?
Blocher: Ja.
Wie lange haben Sie Geduld?
Blocher: Nicht ewig.
* * *
Fazit: Christoph Blocher hat sich – konsequent – einem antizyklischen Handeln verschrieben. Er bezeichnet seine Methode zwar als « handglismet », ist damit aber bislang richtig gelegen. Schade nur, dass die Besitzstrukturen zementiert sind. Das könnte sich aber ändern.
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