«Straffällige Ausländer müssen raus!»
30.06.2004, Blick (Georges Wüthrich und Urs Moser)
Herr Bundesrat, haben wir ein Ausländerproblem?
Ja, das haben wir. Vor allem halten sich zu viele Ausländer in der Schweiz auf, die gar nicht hier sein dürften. Und wir haben einen hohen Anteil an Ausländerkriminalität. Obwohl der Anteil der ausländischen Wohnbevölkerung bis 20 Prozent beträgt, lag der Ausländeranteil bei Verzeigungen im letzten Jahr bei rund 55 Prozent.
Welches Ist Im Moment das dringendste Problem?
Wir haben Mühe, Ausländer, die illegal da sind und zum Teil straffällig geworden sind, auszuschaffen.
Was unternehmen Sie dagegen?
Leider genügen die Verschärfungen im neuen Asyl- und Ausländergesetz nicht. Wir brauchen, nicht zuletzt auch auf Druck der Kantone, mehr Zwangs-Instrumente gegen renitente Ausländer. Die bisherige Ausschaffungshaft genügt bei weitem nicht. Deshalb braucht es eine neue Durchsetzungshaft, die länger dauert.
Und was ist mit den Papierlosen?
Wir haben jetzt einige Missstände unterbunden. Ohne Vorweisen rechtsgültiger Papiere dürfen künftig keine Prepaid-Karten mehr für Handys verkauft werden. Papierlose erhalten keinen Lernfahr- oder Führerausweis mehr. Der Asylausweis genügt nicht mehr. Es braucht gültige Papiere. Das hat der Bundesrats bereits beschlossen.
Was kommt noch nach?
Wir werden vorschlagen, dass Papierlose längere Arbeitsverbote haben als jene, die gültige Papiere vorweisen können. Auch der Familiennachzug soll für Papierlose erschwert werden. Diese Vorschläge gehen zur Konsultation an die Kantone, dann muss der Bundesrat entscheiden, ob wir sie dem Ständerat als Zusatzanträge einreichen.
Für dieses Vorgehen ernten Sie bereits Kritik auf breitester Front…
Ich habe die Sache im Nationalrat angekündigt, der Bundesrat weiss es und die Kommission des Ständerates hat signalisiert, dass wir so verfahren können.
Glauben Sie im Ernst, dass Sie mit solchen Anträgen durchkommen? Sie müssen schon froh sein, wenn ihnen der Bundesrat grünes Licht gibt.
Wenn ich mich ständig fragen würde, ob ich mit Vorschlägen durchkomme, könnte ich keine Probleme lösen. Bis jetzt habe ich keine Hinweise, dass der Bundesrat nicht zustimmt.
Im Parlament haben Sie doch keine Chance. Die Linke tobt jetzt schon…
Da bin ich nicht so sicher. Die Linke kann doch ihren Wählern nicht verkaufen, dass es gut ist, so viele Illegale und Kriminelle im Land zu haben, die wir nicht mehr loswerden.
Vorstossen solche drastischen Massnahmen gegen die Europäische Menschenrechtskonvention?
Nein, sonst würde ich sie nicht vorschlagen.
Sie reden jetzt viel von «Kriminaltouristen». Das grössere Problem bei der Ausländerkriminalität sind Leute, die bei uns einen ordentlichen Wohnsitz haben.
Im Kanton Zürich, beispielsweise, sind beinahe 30 Prozent aller ausländischen Straftäter Illegale oder Asylsuchende. Das ist viel. Aber Sie haben Recht:. Wir müssen auch dort den Hebel ansetzen. Ich sage ganz klar, wer als Ausländer in der Schweiz straffällig wird, sollte keine Aufenthaltsbewilligung mehr erhalten. Wir arbeiten an einem neuen Bundesgesetz zur Wahrung der inneren Sicherheit. Mein Ziel ist, die Schwelle für den Entzug von Bewilligungen bewusst tief anzusetzen.
Also: Jeder Ladendieb muss raus?
Nein, Ladendiebstahl ist zwar auch nicht in Ordnung, aber ich rede hier von schweren Vergehen.
Hat die Schweiz wegen der Ausländerkriminalität ein Sicherheitsproblem?
Ja, das hat sie. Dazu tragen aber auch Schweizer Straffällige bei. Die schweren Straftaten nehmen zu, das muss man verhindern. Die Schweiz ist sonst kein sicheres Land mehr.
Wird es mit dem Schengen-Abkommen besser oder schlechter?
Es kommt darauf an, wie wir damit umgehen. Der Wegfall von Grenzkontrollen bedeutet im Prinzip einen Abbau von Sicherheit. Entscheidend ist, wie stark wir im Gegenzug die Sicherheitskräfte und Kontrollen im Hinterland ausbauen. Das braucht mehr Personal. Das müssen wir mit den Kantonen zusammen regeln.
Und was bringt das Dubliner Asylabkommen?
Das Dubliner Abkommen besagt, dass man Asylbewerber einem anderen Land übergeben kann, wenn sie dort bereits ein Asylgesuch gestellt haben. Ob das Abkommen einen Vorteil bringt, hängt also ganz einfach davon ab, ob man mehr Asylbewerber aus Drittländern zurücknehmen muss oder abgeben kann. Wenn das Abkommen spielt, sollte es Verbesserungen geben. Aber man löst mit Dublin das Asylproblem nicht. Wir haben selbst etwas zu tun.
Bundespräsident Joseph Deiss hat Sie öffentlich gerüffelt, weil Sie nicht klar zur Position des Bundesrates in Sachen Schongen und Dublin stehen.
Wenn Bundespräsident Deiss an meiner Haltung etwas auszusetzen hat, kann er mir das direkt sagen. Ich führe mit ihm keine Diskussion über die Medien. Wir sehen uns schliesslich regelmässig, und jetzt gehen wir ja dann zwei Tage miteinander wandern.
Stehen Sie nun zu den bilateralen Verträgen mit der EU und vertreten Sie sie auch in der Öffentlichkeit?
Selbstverständlich, das ist meine Aufgabe. Ich muss erklären, warum der Bundesrat für Schengen ist. Genauso wie es meine Aufgabe ist, zusammen mit den Kantonen dafür zu sorgen, dass wir auch mit dem Sehengen-Abkommen die Sicherheit im eigenen Land wahren.
Und bei den Einbürgerungsvorlagen im September, treten Sie da in den Ausstand?
Nein, warum auch? Jedermann weiss, was ich als Nationalrat vertreten habe. Jetzt bin ich Bundesrat, jetzt zählt das nicht mehr. Ich habe kein Problem damit, wenn ich über Bundesrats-Beschlüsse informieren muss, über die ich anders gedacht habe.
Schadet das auf Dauer nicht der Glaubwürdigkeit? Auch der Glaubwürdigkeit Ihrer Partei?
Meine Partei hat eine Aufgabe und ich habe als Bundesrat einen anderen Auftrag, das muss man trennen. Nicht akzeptabel wäre, wenn ich im Bundesrat plötzlich etwas ganz anderes vertreten würde, als ich vor der Wahl versprochen habe. Aber dafür sehen Sie wohl kaum Anzeichen, oder?
Stimmt jetzt die Geschichte, dass Sie 2007 für den Nationalrat kandidieren wollen, falls Sie davon ausgehen müssen, dass man Sie wieder aus dem Bundesrat rauswirft?
Wir haben dieses Szenario tatsächlich vor den letzten Wahlen durchgedacht. Aber wirklich nur für den Fall, dass die anderen Parteien planen, Blocher als Bundesrat abzuwählen, damit er endlich von der politischen Bühne verschwindet.