Kommunikation ist Marktwirtschaft
Rede von Bundesrat Christoph Blocher am Tag der Werbung / 81. Mitgliederversammlung der Schweizer Werbung vom 21. April 2006, Lake Side, Zürich
21.04.2006, Zürich
Zürich, 21.04.2006. Am Schweizer Tag der Werbung nahm Bundesrat Christoph Blocher Bezug auf den Leitsatz des Verbandes « Kommunikation ist freie Marktwirtschaft » und rief dazu auf, die Marktwirtschaft und ihre grosse Bedeutung für die Güterversorgung der Menschen – also letztlich für die Wohlfahrt der Menschen – in den Mittelpunkt zu stellen. Der Staat habe in der Marktwirtschaft nichts zu suchen.
Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen.
1. « Kommunikation ist freie Marktwirtschaft »
Wer immer die Homepage Ihres Verbandes besucht, wird von einem dominant platzierten Satz begrüsst.
Dieser Satz steht zuoberst, unmittelbar neben dem Verbandslogo. Und welche Seite Sie auch zusätzlich auf dieser Homepage aufsuchen, der Satz bleibt stehen. Er ist gleichzeitig Begrüssung, Losung, ständiger Begleiter in einem; ich meine auch Mahnmal. Vielleicht fragen Sie sich neugierig: Welcher Satz steht denn da? Vielleicht haben Sie ihn schon oft gedankenlos gelesen. Es heisst dort: « Kommunikation ist freie Marktwirtschaft ».
2. Einer Grundhaltung verpflichtet
Sie denken jetzt vielleicht: Das habe ich gar nicht gewusst. Was nicht weiter tragisch ist. Ob Sie diesen Satz bewusst gespeichert haben, ist viel weniger entscheidend als die Frage, ob Sie ihn als Grundhaltung verinnerlicht haben.
Erachten Sie es als eine Selbstverständlichkeit, dass Kommunikation – und damit Ihr ureigenstes Metier – nur in einer freien Marktwirtschaft bestehen kann?
Denn es gibt in der Tat keine Kommunikation, keine Werbung, kein Marketing ohne eine freie Marktwirtschaft. Warum aber sprechen Sie – und wir alle immer wieder – von „freier“ Marktwirtschaft? Eine Marktwirtschaft definiert sich dadurch, dass sie frei von staatlicher Einflussnahme wirken kann. So wie ein Schimmel weiss und ein Rappe schwarz sind, muss die Marktwirtschaft per Definition frei sein. Eine regulierte Marktwirtschaft verdient ihren Namen nicht. Das Gegenteil der Marktwirtschaft ist die Planwirtschaft. – Niemandem käme es in den Sinn von staatlicher Planwirtschaft zu reden. Denn die Planwirtschaft ist immer staatlich, sonst ist sie keine Planwirtschaft. Und die Marktwirtschaft ist frei, sonst ist sie keine Marktwirtschaft.
3. Der Segen der Marktwirtschaft
Diese Freiheit, welche die Marktwirtschaft erst ausmacht, ist gerade heute wieder in den Mittelpunkt zu stellen. Der Staat hat in der Marktwirtschaft nichts zu suchen. Die Neigung der Politik, und namentlich der Politiker, in die Marktwirtschaft einzugreifen, war und ist gross. Immer wieder und überall versucht man diesen Markt zu « gestalten », zu formen, zu bemuttern. Ich denke an all die wohlgemeinten staatlichen « Förderungen », Unterstützungen, Umverteilungen, Vorschriften, Regulierungen, Ausgleichungen. Immer wieder soll der Mensch vor der Unbill des Marktes geschützt werden.
Es ist Aufgabe unserer Zeit, wieder vermehrt die Marktwirtschaft und ihre grosse Bedeutung für die Güterversorgung der Menschen – also letztlich für die Wohlfahrt der Menschen – in den Mittelpunkt zu stellen. Vor lauter gut gemeintem, « sozialem », ideologischem Gebaren wird leicht vergessen, wie sozial die Marktwirtschaft an sich ist. Nur sie gewährleistet eine funktionierende Versorgung der Menschen mit Gütern. Wo sie nicht existierte (am konsequentesten wurde sie im Kommunismus bekämpft), gingen Staaten und Völker gleichermassen Bankrott. Die Aufrechterhaltung der Marktwirtschaft ist die soziale Forderung unserer Tage!
4. Der Markt als Feind
Warum ist die Marktwirtschaft, zwar nicht als Einrichtung als solche, aber im politischen Alltag so unter Druck geraten? Ist es vielleicht deswegen, weil die Marktwirtschaft unbequem und anstrengend sein kann? Oder erträgt man sie darum nicht, weil die Marktwirtschaft Ungleichheiten schafft oder diese zumindest sichtbar macht?
In einem öffentlichen Parkhaus finden Sie die Nobelkarosse neben einem Auto, das mehr einem aufgeblasenen Staubsauger als einem Fahrzeug ähnelt. Freiheit schafft in der Tat Verschiedenheit und führt zur Ungleichheit. Das ist so.
Nur: Ist der Weg zur Gleichheit der bessere, der wünschbarere? Der frühere britische Premier Winston Churchill formulierte das Dilemma auf seine rotzig-intelligente Art: « Dem Kapitalismus wohnt ein Laster inne: Die Verteilung der Güter (nicht an alle gleich viel). Dem Sozialismus hingegen wohnt eine Tugend inne: Die gleichmässige Verteilung des Elends. » Sie haben die Wahl. Die Erfahrung aus der Vergangenheit zeigt: Dem Westen geht es so gut wie noch nie in der Geschichte. Nicht zuletzt wegen des Systems der Marktwirtschaft.
Aber auch der Luxus – oder das, was unter Luxus verstanden wird – erfährt eine fortlaufende « Demokratisierung ». Alte Unterschiede verschwinden, weil eine breite Bevölkerung an der materiellen Entwicklung teilnehmen kann, nur manchmal mit etwas Verzögerung. Was vor wenigen Jahrzehnten noch ein exklusives Gut war – etwa ein Auto, ein Fernseher oder ein Kühlschrank – gehört heute in den Katalog der Selbstverständlichkeiten.
Doch trotzdem: Freiheit schafft Ungleichheit. Die Freiheit lässt dem Menschen eben die Wahl, wodurch er selig werden will. Die Marktwirtschaft begünstigt auch den Tüchtigeren. Derjenige, der ein besseres Produkt erfindet, produziert und verkauft, wird belohnt. Das schlechtere Produkt bleibt auf der Strecke. Einziger Massstab des Erfolges ist das Bedürfnis der Kunden. Die Befriedigung der Nachfrage! Die modernen Gegner der Marktwirtschaft stossen sich gerade daran, denn der Markt ist in dieser Hinsicht tatsächlich gnadenlos und kennt keine Moral.
Das mag im ersten Moment erschrecken. Das Positive daran ist: Der Markt kennt auch keine Rassen, keine Religionen, keine politischen Wertungen. Denn der Markt kennt nur ein Gesetz: Angebot und Nachfrage. Qualität und Preis. Ob jemand zu Allah, Christus oder Jehova betet, interessiert den Markt keinen Deut. Der Bessere möge gewinnen. Wer auch immer der Bessere ist. Und es ist jedem überlassen, auf welche Weise er besser sein will als sein Konkurrent.
Dies mag vielen zu archaisch klingen. Es klingt nach « der Stärkere setzt sich durch », nach Sozial-Darwinismus. Darum möchte man hilfreich eingreifen. Nicht etwa um einem Armen persönlich zu helfen, sondern um umzuverteilen, staatlich zu fördern, zu lenken, auszugleichen! Das ist interessant für die Politiker, denn je grösser das Umverteilungssystem wird, desto grösser wird die Macht der Politik. Wer umverteilt, hat Macht. Er weist den einen etwas zu, nimmt anderen etwas weg und diejenigen, denen er zuteilt, werden an der Urne seine Macht stärken. Sagen wir es offen: Unter dem Deckmantel der Gleichheit haben wir es mit einer kaum kaschierten Form der Korruption zu tun. Doch die Erfahrung zeigt: Dieses Prinzip führt ins Elend.
5. Kommunikation
Sie haben als Ihren Leitsatz: « Kommunikation ist freie Marktwirtschaft » gewählt. Ich drehe diesen Satz um: Ohne Kommunikation gibt es keine Marktwirtschaft. Wie ist es möglich, die Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen, ohne dass diese wissen, welche Produkte überhaupt im Angebot sind? Wie soll Nachfrage entstehen, wie soll jemand entscheiden können, ohne dass er über die Qualität, den Preis, die Vorzüge, Nachteile und Unterschiede informiert wird? Diese Informationen können nur über die Werbung oder eine andere Form der Kommunikation an die mögliche Kundschaft gelangen – ohne Kommunikation gibt es keine funktionierende Marktwirtschaft. Auch anderes nicht, etwa keine Demokratie. Denn sowohl die Marktwirtschaft wie die Demokratie setzen Gedankenfreiheit, Meinungsfreiheit, Rede- und Pressefreiheit, Freiheit für die Werbung voraus. Diese Freiheiten gilt es auch heute wieder mit Nachdruck zu betonen. Zwar sind sie nicht öffentlich als Institutionen in Frage gestellt, aber auch die bürgerlichen Freiheiten werden schleichend untergraben. Darum ist Ihr Leitbild « Kommunikation ist (freie) Marktwirtschaft » höchst aktuell und höchst bedeutsam. Denken Sie im politischen Bereich an die Islam-Karikaturen. Denken Sie an all die Zensurversuche bei politischen Inseraten, an die Einschränkungen von Fernsehwerbung, der Zigarettenreklame und vielem mehr. Die Bevormundung der Bürger hat nie zu guten Resultaten geführt, aber sie wird dauernd moralisch begründet.
6. Reglementierte Sprache
Die sozialistischen Staaten des Ostens sind untergegangen. Aber der Sozialismus lebt weiter. Auch bei uns. Er handelt einfach verdeckter. Die Ziele sind dieselben geblieben: Verstaatlichung, Bevormundung, Umverteilung. Schlussendlich will der Sozialismus die Freiheit und damit auch die Marktwirtschaft aushebeln. Das läuft über den Moralismus und zeigt sich zum Beispiel in der Sprache. In der Kommunikation. Wenn Ihr Verband schreibt « Kommunikation ist freie Marktwirtschaft », dann müssen wir uns fragen, was passiert mit einer Marktwirtschaft, in der die Kommunikation mit einer Vielzahl von Auflagen und Tabus belegt wird. Eigentlich führt eine « geregelte » Kommunikation zu einer « geregelten » Marktwirtschaft. Das klingt alles noch wenig gefährlich, sondern scheint sogar vernünftig und besonnen zu sein. Aber schauen Sie genau hin: Die geregelte Sprache heisst heute neudeutsch political correctness und ist nichts anderes als der Versuch, über die Sprache die Menschen im wahrsten Sinne des Wortes zu bevormunden. Ein solches Unterfangen zerstört letztlich die Grundlagen einer freiheitlich organisierten Gesellschaft. Unter dem Vorwand der Volkserziehung – es wollen ja alle nur das Beste für die Menschen, besonders die Ideologen – greift der Staat immer mehr in die Sphäre der bürgerlichen Freiheiten ein. Im Zweifelsfall sollte man sich immer für die Freiheit entscheiden. Es ist den Menschen in der Regel weit mehr zuzutrauen als die Politik glaubt.
7. Auch der Bundesrat ist gesponsert
Wie ich gesehen habe, steht auf Ihren Tagungsprogrammen jeweils, welche Firma den Auftritt eines Künstlers bezahlt hat. Oder von wem der Apéro finanziert ist. Da soll bloss keiner schnöde die Nase rümpfen wegen dieses Sponsorings. Sie praktizieren im Prinzip nur, wofür Ihr Berufsstand steht. Das kann man nicht von jedem Berufsstand behaupten. Ich persönlich bin über jede Veranstaltung im Land froh, die sich selber finanziert und nicht durch den Bund unterstützt werden muss. Sonst kommt jeweils sofort der Bundesfaktor ins Spiel. Und wie wir bei der Fussball-EM 08 gesehen haben, kann der ziemlich hoch sein.
In Ihrem Programm fehlt beim Programmpunkt « Referat des Bundesrates » ein solcher Sponsorenhinweis. Vielleicht sind ja Bundesräte nicht zuletzt deshalb so beliebt als Vortragende, weil Bundesräte ohne Honorar reden und dadurch auch keinen Sponsor brauchen. Das stimmt so leider nicht. Bundesräte sind nicht gratis. Eigentlich müsste in Klammern noch stehen: Dieser Auftritt wird freundlicherweise durch den Steuerzahler ermöglicht. Ich danke Ihnen.
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