«Man will mich aus der Politik drängen!»
Fernsehautor und Journalist Kurt Felix im grossen Gespräch mit Bundesrat Christoph Blocher und dessen Frau Silvia: Liebe nach 40 Jahren Ehe, kriminelle Jugendliche, öffentliche Bundesratssitzungen, die «Lex Anti-Blocher» – die drei haben nichts ausgelassen
28.11.2006, Schweizer Illustrierte, Kurt Felix und Marc Walder
Kurt Felix: Herr und Frau Blocher, das Mikro läuft. Schauen Sie eigentlich oft Fernsehen?
Bundesrat Christoph Blocher: Nein, wir hatten zu Hause nie einen Fernsehapparat. Jedoch In unserer Berner Wohnung steht von Amtes wegen ein Gerät.
Oh je, dann muss ich wohl annehmen, dass Ihnen Namen wie Thomas Gottschalk oder Frank Elstner nichts sagen. Also möchte ich Sie darüber aufklären, dass ich vor dem jetzigen Job bei der Schweizer Illustrierten auch schon mal im Fernsehen vorkam…
Bundesrat Christoph Blocher: (lacht schelmisch) Joo waas! Dann ist es toll, dass Sie mit uns Fernsehabstinenten überhaupt reden. Sie verstehen ja Spass, oder!
Sie haben meiner Frau und mir vor zwei Wochen per SMS gratuliert, weil wir von den deutschen Fernsehzuschauern zum Traumpaar gewählt wurden. Sie gehören ebenso zum Club all der glücklich Verheirateten, die als Traumpaar wahrgenommen werden. ..
Silvia Blocher: Herr Felix, wir leben in der Realität, nicht im Traum…
Bundesrat Christoph Blocher: …es gibt ja auch Albträume. Jeder, der mit Silvia zusammen lebt, wird durch sie zum Traumpaar.
Silvia Blocher: Wir sind schon 40 Jahre zusammen…
Bundesrat Christoph Blocher:.. und wir haben eine intensive Zeit miteinander erlebt, die nicht immer nur ein Traum war, sondern ein gemeinsamer Kampf für unsere Anliegen. Auch ein Durchstehen und Überleben gegenüber Anfeindungen von aussen.
Frau Blocher, wissen Sie, dass auch wir eine Gemeinsamkeit haben?
Silvia Blocher: (fragendes Schweigen)
Wir haben in den 60er Jahren aushilfsweise im selben Schulhaus in Amriswil unterrichtet. Und uns knapp um ein Jahr verpasst. Stellen Sie sich vor, wir wären uns im Lehrerzimmer begegnet und ich hätte Sie zu einem romantischen, kerzenbeleuchteten Dinner auf das Schloss Sonnenberg eingeladen. Dann wären Sie vielleicht heute nicht die Frau eines Bundesrates.
Silvia Blocher: (hält sich vor Lachen am Stuhl) …und ich hätte auch kein Schloss, aber dafür ein Haus am Luganersee.
Mein erstes Lehrergehalt betrug sechshundert Franken. Ich habe vernommen, dass damals Ihre grosse Liebe Christoph noch ärmer dran war als ich. Mussten Sie Ihren Lover durchfüttern?
Silvia Blocher: Ja. Er hatte damals gar nichts.
Bundesrat Christoph Blocher: Mein ganzes Hab und Gut hatte in einem kleinen, blauen Köfferli Platz.
Silvia Blocher: Als wir 1967 heirateten, war er Werkstudent. Mausarm.
Was fasziniert Sie noch heute an diesem Mann?
Silvia Blocher: Er ist ursprünglich, originell, ausserordentlich intelligent, gefühlsstark, grosszügig, ein Fels in der Brandung.
Bundesrat Christoph Blocher: Hör auf, ich werde ja so rot, wie dieses Mikrofon vor mir.
An Ostern konnte ich in einem Tessiner Grotto beobachten, wie Ihnen die Gäste zwischen Gitzi und Polenta Merlotflaschen zur Unterschrift reichten. Sie haben diese Wünsche mit Spass erfüllt. Mein verstorbener Kollege Rudi Carrell, von dem Sie ja sicher noch nie etwas gehört haben, ist jeweils ausgerastet, wenn er am Tisch gestört wurde.
Bundesrat Christoph Blocher: Viele dieser Leute treten spontan an mich heran und sagen zum Beispiel: „Wir schätzen Ihre Arbeit; man merkt, dass Sie im Bundesrat sind. Wir sind froh darüber.“
Wissen das Ihre Gegner?
Bundesrat Christoph Blocher: Darum tun die doch so wüst! Wissen Sie, ich gebe nicht nur meine Unterschrift, sondern rede mit den Leuten mindestens ein paar Worte. Meine Devise ist: Christoph Blocher steht Red und Antwort. Wenn man im Bundesrat sitzt, besteht die Gefahr, dass man plötzlich abhebt.
Ich war vor Jahren mit Adolf Ogi und einem anderen Bundesrat unterwegs. Dölf national hat zehn Autogramme verteilen müssen, sein Kollege eins.
Bundesrat Christoph Blocher: (platzt heraus) Der Ogi hat halt den kürzesten Namen! In der Zeit, in der andere einmal schreiben können, schafft er zehn.
Aber die Stimmung war dann futsch! Wie futsch und eifersüchtig ist die Stimmung im heutigen Bundesrat?
Bundesrat Christoph Blocher: Eifersucht ist tatsächlich eine weit verbreitete Krankheit in der Politik. Seit wir im Bundesrat offener miteinander umgehen, ist die Stimmung sehr gut und die Sitzungen werden sogar kürzer.
Selbst Ihre Gegner attestieren jedoch, dass Sie Herr Blocher, im privaten Umgang ein äusserst höflicher Mensch sind. Ich bin Ihnen schon ein paar Mal begegnet und habe dabei konstatiert, dass Sie vor allem gegenüber Frauen ein richtiger Charmebolzen sind. Ich komme mir im Vergleich zu Ihnen wie ein Rüppel vor. Und dann schlage ich die Zeitung auf und lese, der Blocher sei ein Polterer ohne Manieren.
Silvia Blocher: (verzweifelt) Ach, diese Zeitungen! Ein Polterer ist Christoph nicht: Er ist einer, der seine Meinung klar und pointiert ausspricht. Und auch mit Engagement. Da gibt es Leute, die das nicht ertragen. Mir tut es sehr weh, wie mein Mann oft angefeindet wird.
Ihr Mann ist aber manchmal auch unzimperlich…
Silvia Blocher: …aber nie so beleidigend, wie man ihm gegenüber ist.
Bundesrat Christoph Blocher: Manchmal erfüllt mich der heilige Zorn, und den will ich einfach nicht verstecken. Man muss den Mut aufbringen, Dinge, die falsch laufen, beim Namen zu nennen. Dann gibt es auch ein politisches Führungsmittel: Die Provokation. Das Wort kommt von „provocare“ hervorrufen.
Oder ausrufen, Herr Blocher. Aber hier in Ihrem Schloss sind Sie ein sanfter und liebendwürdiger Gastgeber.
An einer Wand des Schlosses steht der Spruch: „Flectimur non frangitur“
Bundesrat Christoph Blocher: Frei übersetzt heisst das: Wir werden gebogen, aber wir brechen nicht. Heute erlebe ich, dass viele Stimmbürger gar nicht mehr zuhören, wenn meine Gegner aufzählen, was ich wieder alles falsch gemacht haben soll. Sie stellen sich nur noch die Frage: Gibt er nach oder nicht? Kippt er jetzt oder nicht?
Frau Blocher, Sie könnten als Frau eines prominenten Politikers ebenfalls ein politisches Amt übernehmen und eine Art Hillary Clinton der Eidgenossen werden. Man vermutet ja jetzt schon, Sie seien heimlich das achte Mitglied des Bundesrates.
Silvia Blocher: (amüsiert) Mein höchstes politisches Amt hatte ich bis jetzt in der Pfarrwahl-Kommission.
Bundesrat Christoph Blocher: (schmunzelt) Das war der Glanzpunk ihrer Polit-Karriere! Wir haben keine Trennung zwischen Berufs- und Privatleben. Die grossen Sachen diskutieren wir dauernd miteinander. Es ist gut, dass meine Frau ausserhalb des aktuellen politischen Geschehens bleiben will. Sie liest zum Beispiel meine Reden und deckt sofort die Schwachstellen auf.
Silvia Blocher: (in unmissverständlichem Tonfall) Für mich ist das Leben Politik und Politik das Leben. Meine zentrale Aufgabe war jedoch, Mutter von vier Kindern und Hausfrau zu sein und da bin ich stolz darauf. Ich wurde auch schon angefragt für politische Ämter, aber ich habe stets abgelehnt.
Eine deutsche Politikerin hat schon mal angeregt, dass die Medien bei ihrer Kriminal-Berichterstattung die Nationalität der Täter nicht mehr bekannt geben sollten. Die bisherige Praxis würde den Fremdenhass fördern. Wäre dies ein Beitrag zur Bekämpfung der Abneigung gegenüber gar fremden Ausländern?
Bundesrat Christoph Blocher: Die Leute haben bei uns schnell gemerkt, dass, wenn nicht ausdrücklich „Schweizer“ steht, es sich um einen Ausländer handeln muss. Und wenn heute demonstrativ „Schweizer“ geschrieben wird, vermuten die Leute, dass es sich um einen Eingebürgerten handelt, was ja leider oft zutrifft. Man muss die Medien-Konsumenten nicht für so dumm verkaufen. Das vorsätzliche Vertuschen fördert die Ausländerfeindlichkeit.
Silvia Blocher: Menschen aus gewissen Kulturkreisen haben halt ein anderes Verständnis zur Kriminalität. Auch ihr Verhältnis zu uns Frauen ist anders.
Ausländer-Kriminalität
In Zürich Seebach wurde die 13-jährige Michelle von skrupellosen Sextätern mehr-fach vergewaltigt. Es sind 13 Burschen im alter von 15 bis 18 Jahren. Es handelt sich um Ausländer. In diesem Fall aus Ex-Jugoslawien, Italien und der Dominikanischen Republik sowie um eingebürgerte Schweizer aus dem Balkan und der Türkei. Hilmi Gaschi, Gewerkschaftssekretär für Migration, sagte letzte Woche in der Sendung « Rendez-vous » auf DRS 1: « Ich wehre mich dagegen, dass Gewalt einer Region oder bestimmten Kulturen zugeordnet wird. (…) Schuld ist das Frustrationspotenzial wegen der Diskriminierung und mangelndes Selbstwertgefühl. »
Bundesrat Christoph Blocher: Ich sehe bereits, dass Fachleute diese schreckliche Tat verpsychologisieren und schön reden wollen. Man entschuldigt die Täter damit, dass sie aus einem anderen Kulturkreis stammen. Man gibt allem Schuld: der Pornoindustrie, den Handys, der mangelnden Integration, und, und, und. Stimmt ja alles, aber wesentlich ist etwas anderes: Das Unrecht! Unrecht ist begangen worden und muss bestraft werden.
In vielen Medien, die dieses Thema lange ausgeblendet haben, liest und hört man zunehmend: Wir haben ein Ausländerproblem…..
Bundesrat Christoph Blocher: ….das ist nicht von der Hand zu weisen. Probleme machen uns oft junge Ausländer und eingebürgerte Leute. Da gibt es Schwachstellen. Die Einbürgerungsbehörden haben keinen direkten Zugang zu den Polizeiakten. Nur zum Leumundszeugnis. Delikte von Jugendlichen bis 15 Jahren sind nicht im Strafregister eingetragen. So stehen z. B. bei einem 16-jährigen Jugendlichen, wenn er eingebürgert wird, im Strafregister keine Delikte, die er in früheren Jahren begangen hat. In einem schlimmen Fall müsste einem jungen Ausländer die Einbürgerung wieder entzogen werden können. Notfalls müsste eine solche Person das Land verlassen. Wenn es sein müsste, sogar die ganze Familie.
Umso mehr ist doch die Integrationsarbeit angesagt. Da können Sie sicher nichts dagegen haben.
Bundesrat Christoph Blocher: Integrationsprojekte sind wichtig. Aber ich warne davor, die Integration als allein selig machende staatliche Massnahme anzusehen. Hier geht es um die Einstellung zu Recht und Unrecht. Die Leute müssen unsere Gesetze und unsere Kultur akzeptieren. Einbürgerung als Integrationsmassnahme ist Unsinn. Die Einbürgerung muss immer die Folge der Integration sein. Die grosse Mehrheit des Volkes hat das alles schon längst begriffen, nur linke Politiker und die so genannten Gutmenschen noch nicht.
Umfragen zeigen auf, dass das Ausländerproblem zuoberst auf der Liste des Unbehagens steht. Wie könnte man dieses Thema entschärfen?
Bundesrat Christoph Blocher: Die Strafverfolgung hat in den letzten 20 Jahren eine zu weiche Linie verfolgt. Nach dem Motto: « Therapie statt Strafe ». Dabei ist die Strafe ein Teil der Therapie! Das Unrecht muss geahndet werden. Gerade Junge müssen spüren, dass sie etwas Verbotenes getan haben. Nicht Beschönigung und Verständnis ist angezeigt, sondern sie müssen die „Grenzen“ ihres Tuns erfahren.
Das hören aber die Psychologen, Therapeuten und Migrationsexperten nicht gerne. – es sind immer etwa dieselben, die sich in den Medien äussern – nicht gerne. Ich vermute, dass dies wieder eine ihrer Provokation ist. Bundesrat Moritz Leuenberger und Sie spielen ja meisterhaft auf der Medienklaviatur. Ihr Kollege schnüffelt am Auspuff und diese Bilder werden bei jeder CO2-Diskussion immer wieder abgedruckt. Und Sie setzen die Themen, indem Sie alles auf den Tisch legen. Beispiel Afrika. Beispiel Anti-Rassismus-Gesetz. Sind Sie ein bewusster Stratege, oder ist es Intuition?
Bundesrat Christoph Blocher: Ich brauche die Intuition und die Strategie. Was ich wann als Thema setze, hängt von Missständen oder Provokationen der andern ab. Mich beschäftigen zurzeit die Fehleinschätzungen, der 90-Jahre. Vieles war naiv: Man dachte, der Weltfrieden sei definitiv ausgebrochen, nur weil die Mauer fiel. Es sollte nichts Negatives, nichts Böses mehr geben. Man wollte die Neutralität aufgeben, hatte aber zum Glück Angst vor dem Volk. Wichtige Strukturen wurden zerstört. Das Geld wurde verschleudert. Staatliche Defizite entstanden. Alles was aus früherer Zeit kam, wurde, wie von einem pubertären Kind, abgelehnt.
Sie bezeichnen die 90er-Jahre rückblickend als die « düstersten der letzten Jahrzehnte » für unser Land. Was sind für Sie die gravierendsten Folgen?
Bundesrat Christoph Blocher: Kein Wirtschaftswachstum, mehr Kriminalität, Wertezerfall. Auch, dass ich nun in der Regierung bin, ist ein Zeichen dafür, dass etwas nicht mehr gestimmt hat. Solche Leute wie mich wählt man nicht in die Regierung, wenn alles in Ordnung ist.
Herr Blocher, Sie können mit den Medien umgehen und wissen sicher auch, wie das Fernsehen demaskieren kann. Diese Tatsache bestätigt sich für mich immer wieder, wenn ein Bundesrat unengagiert vor die Kamera tritt und eine Parole vertreten muss, die er überhaupt nicht teilt. Das sind doch Eiertänze vor aller Öffentlichkeit. Und die machen Sie jetzt auch mit! Vor-Vorgänger Justizminister Kurt Furgler hat sich einst in der Frage des Schwangerschaftsabbruchs, dem er menschlich nicht zustimmen konnte, einen medialen Stellvertreter ernannt. hand aufs Herzog: Wäre das nicht ehrlicher?
Bundesrat Christoph Blocher: Kurt Furgler erhielt eine Ausnahmebewilligung. Das kann man nur sehr selten aus Gewissensgründen beantragen! Das mit dem Eiertanz ist leider so. Es ist doch klar: Wenn ich mit Überzeugung für etwas gekämpft habe, sieht man es mir an, wenn ich vor der Kamera das Gegenteil erzählen muss. Ich kann zu wenig gut schauspielern. Dann sage ich halt: « Der Bundesrat findet…. » Ich bin der Meinung, das Publikum darf ruhig erfahren, wer welche Meinung bis zur Abstimmung im Bundesrat vertreten hat. Darum bin ich an sich auch für öffentliche Bundesratssitzungen. Doch nachdem der Bundesrat entschieden hat, muss man sich an den Beschluss halten.
Die Linke möchte Sie im kommenden Jahr als Bundesrat abwählen. Die SVP droht, in diesem Fall den Bundesrat zu verlassen und in die Opposition zu gehen. Würden Sie als Ex-Bundesrat die Opposition wieder anführen?
Bundesrat Christoph Blocher: Warum nicht….
Silvia Blocher: (greift sofort ein) Die Linke will meinen Mann ja nicht draussen haben, weil er als Bundesrat ein Versager wäre, sondern weil er die Dinge beim Namen nennt und danach handelt. Er ist ihnen zu stark.
Bundesrat Christoph Blocher: Der SVP will man schon zwei Sitze zugestehen, aber ihre Politik will man nicht zulassen.
Eigentlich könnten Sie ja von sich aus Ihr Amt aufgeben und sich wieder als Nationalrat wählen lassen, um dann im Parlament die Opposition anzuführen. Und zudem könnten Sie später erneut als Bundesratanwärter kandidieren. Mit dem Nachteil, dass Sie noch etwas länger warten müssten, bis Sie Bundespräsident würden. Alles ist also offen, Herr Blocher.
Bundesrat Christoph Blocher: (nachdenklich) Ja. Das stimmt. Auch das wird man prüfen. Darum reden die Linken bereits über ein neues Gesetz, dass es einem Bundesrat verbieten würde, als Nationalrat zu kandidieren. Eine Art Lex Anti-Blocher. Man will mich aus der Politik drängen.
Danke für diesen Paar-Talk! Doch es heisst nun schon: Mikro aus!