Zusammenarbeit zwischen privaten Sicherheitsfirmen und Polizei
Referat von Bundesrat Christoph Blocher an der 100 Jahr-Jubiläumsfeier der Securitas AG, 4. September 2007, in Bern
04.09.2007, Bern
Bern. An der Jubiläumsfeier der Securitas AG überbrachte Bundesrat Christoph Blocher die Gratulationen des Bundesrates zum 100-jährigen Bestehen des Unternehmens und sprach die verschiedenen Aufgaben an, die die Securitas im Auftrag der öffentlichen Hand – für Gemeinden, Städte, Kantone und für den Bund – übernimmt.
Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen.
Sehr geehrter Herr Generaldirektor Winzenried
Sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Securitas
Sehr geehrte Damen und Herren
Es freut mich, Ihnen die Gratulationen des Bundesrates zum 100-jährigen Bestehen Ihres Unternehmens überbringen zu dürfen.
1. Schutz und Sicherheit als Urbedürfnis
Das Bedürfnis der Menschen nach Schutz und Sicherheit besteht seit Beginn der Menschheit.
Im Altertum und Mittelalter galt das Faustrecht. Entsprechend gefährlich war das Leben für die damaligen Menschen. Zunächst schützten sich die Stadt- und Dorfbewohner durch Nachtwachen vor Angriffen, Plünderungen, Raubüberfällen und Feuersbrunst. Erste Belege für den Einsatz von Nachtwächtern im deutschsprachigen Raum stammen aus dem Jahre 1430.
Während der Industrialisierung um 1800 entstand ein grösserer Bedarf an Nachtwächtern. Dabei handelte es sich um private Wächter, die nachts auf Fabrikarealen für Ruhe und Ordnung sorgten.
Um 1900 löste die staatliche Polizei das kommunale Nachtwachensystem ab. Der Schutzgedanke lebte aber in Form von Privatwächtern weiter, die für Auftraggeber nächtliche Kontrollgänge und Schliessdienste ausführten.
2. Die Gründung der Securitas AG
1907 war dann das Gründungsjahr der Securitas AG. Damals soll Ihre Firma 70 Mitarbeiter gezählt haben. Heute – 100 Jahre später – ist die Securitas, die grösste und bekannteste Sicherheitsunternehmung der Schweiz mit fast 9000 Mitarbeitenden.
Sie sehen: Nachtwächter sterben nicht aus – im Gegenteil!
3. Vielfältige Aufgaben
Doch neue Aufgaben sind seither hinzugekommen. Tatsächlich ist die Fülle von Dienstleistungen, die Sie anbieten gross:
* Bewachungsdienste,
* Veranstaltungsdienste – vom kleinen Firmenanlass bis zur grossen Sportveranstaltung.
* Personenschutz,
* aber auch viele präventive Dienstleistungen wie Brandverhütung oder Diebstahlsicherung.
4. Öffentliche Hand als Auftraggeber
Aber nicht nur das. Die Securitas erfüllt seit jeher auch Aufgaben im Auftrag der öffentlichen Hand – für Gemeinden, Städte, Kantone und für den Bund.
Wie den Annalen der Securitas AG zu entnehmen ist, unterstützte das Unternehmen die Polizei bereits am Eidgenössischen Schützenfest 1910 und an der Landesausstellung 1914. Diese Unterstützung hat sich seither stetig entwickelt, sodass heute das Public-Private-Partnership eine wichtige Voraussetzung für die Sicherheit des Landes ist.
5. Euro 08
Nehmen wir als Beispiel die Fussball-Europameisterschaft im nächsten Jahr. Während der Euro 08 werden Sicherheitsvorkehrungen im ganzen Land erforderlich sein: in den Stadien, bei den Hotels für Gäste und Mannschaften, bei den Trainingsplätzen, den Host-City-Installationen und den Public-Viewing-Zonen.
Mit der Polizei allein lassen sich die immensen Sicherheitsaufgaben nicht erfüllen. Für die bevorstehende Euro 08 haben sich private Sicherheitsfirmen wie bei der EXPO 2002 in einem Konsortium zusammengeschlossen und schweizweit eine einheitliche Führungs- und Leistungsstruktur mit einer Ansprechstelle geschaffen.
Diese Organisation verspricht den Veranstaltern und Vertretern der öffentlichen Sicherheit Vorteile bei der Umsetzung ihrer Sicherheitsaufgaben.
6. Sicherheit bei Grossanlässen
Private Sicherheitsunternehmen arbeiten aber nicht nur ergänzend zur Polizei. Sie erledigen auch Aufgaben im Auftrag eines Gemeinwesens und arbeiten so anstelle der Polizei. Erwähnt sei hier einmal der interkantonale Häftlingstransport, der von der Arbeitsgemeinschaft Securitas/SBB im Auftrag der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren betrieben und vom Bund zu rund 1/3 mitfinanziert wird.
Dieses so genannte Jail-Transport-System hat gezeigt, dass es als System zwischen privaten und polizeilichen Stellen bestens funktionieren und menschenrechtskonform betrieben werden kann.
7. Securitas und Bundesamt für Migration
Weiter greift das Bundesamt für Migration auf die Securitas AG zurück, um die Empfangsstellen in den Asylbewerberzentren an der schweizerischen Grenze zu betreiben. Bei Kollektivbefragungen in Wabern stellt sie den Schutz der Personen sicher und überprüft in Zusammenarbeit mit der Polizei die Liste der zu befragenden Personen.
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8. Anforderungen an Sicherheitsfirmen
Die Beispiele zeigen: Der Staat muss nicht alle seine Sicherheitsaufgaben selber wahrnehmen. Er kann damit auch private Sicherheitsfirmen beauftragen. Private Sicherheitsunternehmen sind faktischer Bestandteil der inneren Sicherheit geworden und sollen es auch bleiben.
Aber natürlich müssen solche Unternehmen zuverlässig sein und rechtlich einwandfrei arbeiten. Es ist daher notwendig, dass nur Firmen zum Zug kommen, die folgende Anforderungen erfüllen:
1. Seriosität und Integrität – unzuverlässige Firmen würden auf Dauer keine Akzeptanz bei den Bürgern finden.
2. Berufliche Qualifikation – das Personal muss über eine praxisbezogene Aus- und Weiterbildung verfügen. Nur Professionalität garantiert auf Dauer Markterfolg.
3. Qualität der Leistungserbringung – die Firmen müssen mit einem geeigneten Qualitätssicherungssystem das eingesetzte Personal überwachen und kontrollieren.
9. Verordnung des Bundes
Hinsichtlich der Vergabe von Bundesaufträgen an private Sicherheitsfirmen wird der Bundesrat eine Verordnung erlassen, die noch in diesem Jahr in Kraft treten soll. Die Verordnung hat zum Ziel, die Mindestvoraussetzungen festzulegen, unter denen der Bund öffentlich-rechtliche Schutz- und Sicherheitsaufgaben im In- und Ausland an private Sicherheitsfirmen vergeben kann.
Insbesondere müssen neben den bereits genannten Anforderungen wie
* guter Ruf des Aktionariates
* Seriosität der Ausbildung
* internes Kontrollsystem
weitere Voraussetzungen erfüllt werden, wie
* die Beachtung eines firmeneigenen Verhaltenskodexes
* das Vorweisen gesunder finanzieller Verhältnisse
* eine ausreichende Haftpflichtversicherung
10. Grenzen
Wo aber ist die Grenze der Übertragung polizeilicher Aufgaben auf Private?
Die Aufträge für die öffentliche Hand haben in den letzten Jahren an Bedeutung und Umfang gewonnen. Die Mitarbeiter der privaten Sicherheitsunternehmen üben dabei in der Regel keine hoheitlichen polizeilichen Befugnisse aus. Und über die Frage der hoheitlichen Befugnisse dreht sich heute vor allem die politische Diskussion.
Es ist sachlich zu analysieren, welche Funktionen zu den unverzichtbaren Kernaufgaben des Staates gehören, weil sie regelmässigen polizeilichen Zwang erfordern.
Die Befugnis zur Ausübung des voraus planbaren unmittelbaren Zwangs muss bei der Polizei bleiben. Dies gilt nicht nur mit Blick auf bewaffnete Einsätze, sondern auch von solchen Interventionen, welche in die Privat- und Intimsphären der Bürgerinnen und Bürgen eingreifen.
Die Übertragung derartiger Eingriffsbefugnisse auf Private ist ausgeschlossen, weil dadurch die Exklusivität des Gewaltmonopols des Staates verloren ginge.
Die Übertragung von polizeilichen Aufgaben auf Private ist indessen dort möglich, wo deren Ausübung keine spezifisch polizeilichen Interventionsbefugnisse voraussetzt:
Zu nennen sind Bewachungs- und Kontrolltätigkeiten. Es geht aber auch um Hilfstätigkeiten wie z.B. im Strassenverkehr, die Suche nach vermissten Personen und Sachen, und selbst bei Personenkontrollen ist zu überlegen, in wie weit diese nicht auch von Privaten durchgeführt werden können.
11. Dank
Im Namen der Landesregierung danke ich der Securitas AG für ihren grossen Beitrag an die öffentliche Sicherheit. Sie hat dazu beigetragen, dem Image der Schweiz als sicheres Land im Ausland nachhaltig Geltung zu verschaffen. Für die Zukunft wünsche ich ihr weiterhin unternehmerischen Erfolg.
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