Die Stärken fördern
Referat von Bundesrat Christoph Blocher am Wirtschaftsforum der wufa, 6. September 2007 in Wil/SG
06.09.2007, Wil
Wil. Bundesrat Christoph Blocher rief anlässlich des Wirtschaftsforums wufa auf, den Erfolg als Ziel zu sehen. Erfolgreiche Unternehmer sollen sich auf ihre Stärken und auf Weniges konzentrieren. Dies brauche die Stärke zur selbstkritischen Analyse, den Mut Dinge wegzulassen, sowie die Demut gegenüber der Sache.
Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen.
Meine Damen und Herren
1. Was ist ein Unternehmer?
Ein klassischer Unternehmer ist ein Mensch, dem eine Firma gehört und der diese auch selbst führt. Er ist Manager und Eigentümer in einem. Sein Dasein – man könnte etwas pathetisch auch von Schicksal reden – ist eng mit der Firma verbunden, weil sein Kapital in der Firma steckt und er diese auch führt. Das unterscheidet ihn vom Manager, der als Angestellter die Firma (nur) führt.
Bei den börsenkotierten Unternehmen ist es allerdings anders. Dort gibt es den klassischen Unternehmer – der Eigentümer und Manager zugleich ist – selten. Führung und Eigentum fallen nicht zusammen. Der Eigentümer besteht darüber hinaus aus einer Vielzahl von Aktionären.
Ohne die Leistungen von Managern in irgendeiner Form zu schmälern oder zu bewerten: Ein Unternehmer, der sein Kapital in der Firma hat, spürt eine ganz andere Verantwortung als ein Angestellter. Wenn ich aber heute zum Thema „Die Stärken fördern“ spreche, gelten die Gedanken für jeden, der eine führende Stellung in einem Unternehmen wahrnimmt. Ob Manager, Unternehmer, leitender Angestellter: Es gilt für alle Führungspersönlichkeiten.
2. Das Ziel ist das Ziel (oder der Erfolg)
Es gibt den verführerischen Satz: „Der Weg ist das Ziel“. Nicht das tatsächliche Erreichen eines Ziels, also nicht der Erfolg, zählt, sondern der Weg. Das tönt angenehm und bequem, das erinnert uns an einen sonntäglichen Spaziergang.
Der „Weg ist das Ziel“ meint, es ist nicht so wichtig, wohin wir gehen; vielleicht weiss man nicht einmal, ob der Weg überhaupt an ein Ziel führt. Hauptsache, man ist unterwegs und hat es gut miteinander, man geht miteinander.
Für einen Unternehmer ist dies ein unbrauchbarer Satz. Leider wird er in der Politik häufig befolgt. Für den Unternehmer gilt: Das Ziel ist das Ziel.
Das heisst:
Auf die Zielerreichung, den Erfolg, die Auftragserfüllung allein kommt es an.
3. Wann habe ich Erfolg?
* Die Konzentration auf die eigene Stärke ist – das sage ich aus Erfahrung – etwas vom Wichtigsten, um Erfolg zu haben. Dies ist einfach einzusehen: Muss ich hundert gleichwertige Dinge tun, kann ich jeder Sache nur einen Hundertstel meiner Energie widmen. Mache ich nur eine Sache, so kann ich meine ganze Energie dieser einen Sache widmen, also fliesst in diese Sache hundertmal mehr Energie.
Da ist das Geheimnis der Konzentration. Sie ist für den Erfolg entscheidend.
Bei voller Konzentration auf eine Sache wird das Risiko, dass sie scheitert, kleiner. Wer sich mit hundert verschiedenen Dingen abgibt, wird sich beruhigen, er habe ja noch 99 andere, falls eine Sache schief gehe. In der Regel funktionieren aber alle 100 schlecht.
Die Erfahrung zeigt, dass diejenigen Unternehmen, die sich voll auf ihr Gebiet konzentriert haben, erfolgreicher waren. „Gemischtwarenläden“, die meinen, Maschinenfabriken, Banken, Hotels, Versicherungen und vieles mehr führen zu können, waren nicht erfolgreich. Es gab zwar Jahre – wirtschaftlich gute Jahre – da predigte man Diversifikation und meinte Risikoverteilung. Am Anfang – weil die Konjunktur beflügelte – funktionierte dies. Sobald die Wirtschaft lahmte – und erst dann zeigt sich die Tauglichkeit einer Strategie – brach dieses System regelmässig zusammen.
Diversifikationen überfordern die Führung, vor allem die Spitze des Unternehmens. Man muss sich gleichzeitig verschiedenen Gebieten widmen. Aber der Mensch ist beschränkt. Bei zu vielen Gebieten leidet sowohl die notwendige Tiefe in der Bearbeitung als auch der Überblick. Wenn es überall brennt, dann kann man nirgends mehr löschen.
* Der Unternehmer muss sich stets behaupten. Er ist von der Konkurrenz stets bedroht! Dadurch hat er stets Angst, es könnte scheitern. Aber hier etwas Tröstliches: Man muss nicht gut sein, sondern nur besser als die Konkurrenz!
Sie werden einwenden: Wer sich auf eine Sache konzentriert, kann sich ja auch auf die falsche Sache konzentrieren und damit seinen Untergang erst recht einläuten.
Natürlich kann ich mich auch auf das Falsche konzentrieren. Sich auf eine Sache festzulegen, ist noch keine Garantie auf Erfolg. Doch wer sich voll und ganz einer Sache widmet, läuft weniger Gefahr, dass er sich auf das Falsche konzentriert. Er merkt früher, ob es die richtige oder die falsche Sache ist. Natürlich: Man muss sich stets auf die Stärke – auf das, wo ich besser und anders bin, als der Konkurrent – konzentrieren. Nur, wie findet man das „Richtige“?
Diese Frage ist zu vertiefen. Wo habe ich eine Stärke? Das heisst: Wo bin ich anders und besser als die Konkurrenten und ist diese Stärke auf dem Markt gefragt? Darum gehört die Konkurrenzanalyse zu den Grundvoraussetzungen für jeden, der selber erfolgreich sein will. Unternehmerisches Schaffen ist stets begleitet durch die bange Frage. Wo bin ich weniger schlecht als die Konkurrenz?
Werfe ich dann all meine Kraft und die all meiner Mitarbeiter, alles Geld und alles, was ich habe auf meine Stärke, bin ich erfolgreich.
Mit aller Kraft die Stärke meiner Position zu pflegen ist erfolgreicher als Schwächen auszumerzen.
Dieser Weg erfordert freilich gründliche Analysen und viel Selbstkritik. Sie müssen bereit sein, sich und alles immer wieder zu hinterfragen. Sie müssen kontroverse Meinungen zulassen, Sie müssen sie sogar einfordern. Doch je mehr Sie sich in eine Frage vertiefen, desto besser erkennen Sie ihre Stärken. Die Erfolgschance zu erkennen, ist für jeden Unternehmer überlebensnotwendig. Aber wie gesagt: Ich muss nicht, absolut gesehen, stark sein.
Es genügt, wenn ich besser bin als der Konkurrent. Weniger schwach!
* Was heisst aber, „sich konzentrieren“?
Die Kunst des sich Konzentrierens heisst: Weglassen! Weglassen können! Weglassen müssen! Abschneiden! Vernachlässigen! Das Falsche nicht tun!
Nicht die Konzentration ist die Hauptschwierigkeit, sondern das Weglassen von Geschäftstätigkeiten. Konzentration heisst Abschied nehmen von Dingen, die auch gut, einem auch lieb sind, aber eben doch zu wenig wichtig.
Man glaubt immer, man könne dies auch noch tun. Man überschätzt und überfordert sich in der Regel.
Persönlich hilft stets die Konzentration auf Weniges. Was kann ich wegschneiden. Ordnung „im Fadezeinli“ machen. Vor allem aber muss man darauf dringen, dass sich der Verantwortliche auf den Auftrag konzentrieren kann. Zersplitterung ist ein häufiger Grund für das Scheitern.
4. Unternehmer sein heisst demütig sein
Ein guter Chef zeichnet sich vor allem durch Demut aus. Demut gegenüber der Sache, gegenüber dem Auftrag – nicht so sehr gegenüber Personen und schon gar nicht gegenüber Personen, die nicht bei der Sache sind.
Ebenso ist die Einsicht in die Beschränktheit des eigenen Handelns erforderlich. Unter diesen Voraussetzungen wird man fähig, ein Problem zu erkennen und zu analysieren. Man gewinnt die Kraft zu entscheiden und den Mut, seine Untergebenen auf ein gemeinsames Ziel einzuschwören und mit diesen das Ziel zu erreichen.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie die Kraft und den Mut und eben auch die Demut aufbringen, ihren Auftrag zu finden, ihre Stärken zu erkennen und ihre Ziele zu erreichen.
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