Es ist eine wüste Sache abgelaufen
Man hat vor einem Monat versucht, ihn aus der Regierung zu kippen: Christoph Blocher über seine Bundesratskollegen, den SVP-Wahlkampf und Ehefrau Silvia.
03.10.2007, Neue Luzerner Zeitung, Eva Novak
Nicht zuletzt dank Ihnen läuft der Wahlkampf für die SVP wie geschmiert. Sind Sie zufrieden?
Ich spüre eine grosse Sympathiewelle, die ich eigentlich meinen Gegnern verdanke. Seit fast vier Jahren versuchen sie, mich aus dem Bundesrat zu drängen. Am 5. September wurde eine derartige Walze auf mich losgelassen, dass es die Leute als grosse Ungerechtigkeit empfanden. Die Partei hat das jetzt gekehrt und den Leuten gesagt: So, jetzt bestimmt ihr, ob der aus dem Bundesrat soll.
Ihre Partei hat das nicht von langer Hand geplant?
Sie nicht, die Gegner aber schon. Inzwischen glaube ich auch, dass es einen Geheimplan gegen mich gegeben hat.
Wessen Idee war es, den Wahlkampf zu einem Entscheid für oder gegen Ihre Person zu machen?
Das weiss ich nicht mehr. Die Überlegungen hatte die Parteileitung schon länger gemacht. Die Vorwürfe wurden immer heftiger. Als mich die Partei am 18. August fragte, ob ich das O.K. gebe zu dieser Kampagne, die darlegte, dass man den Plan gegen Blocher thematisiere, sagte ich zu. Von den Komplottvorwürfen gegen den ehemaligen Bundesanwalt wussten wir da noch nichts.
Ihre Idee war es nicht?
Nein, aber ich stimmte zu.
Taten Sie dies um den Preis, dass sich Ihre Parteifreunde über den Personenkult ärgern?
Damit musste man rechnen, dass einige es für übertrieben halten und sagen, sie seien auch jemand – obwohl es erstaunlich wenige sind. Personenkult ist das aber nicht. Diesen gibt es nur bei Personen, die nicht angegriffen und kritisiert werden. Da besteht bei mir keine Gefahr! (lacht)
Sind Slogans wie « Blocher stärken – SVP wählen » kein Personenkult?
Nein. Es ist eine Tatsache. Da geht es nicht um Christoph Blocher, sondern um die Politik, die ich vertrete. Sehr viele Nichtmitglieder der SVP sagen, ich müsse deswegen im Bundesrat bleiben. Deshalb hat die Partei diesen Slogan gewählt. Die Grünen und die Linken haben ja fast nur noch ein Programm, nämlich den Blocher rauszudrängen, weil er für die Werte der SVP steht.
Mit Geissbock Zottel, dem Blocher-TV oder dem Engagement Ihrer Frau Silvia wendet die SVP im Wahlkampf amerikanische Methoden an, die von Sachthemen wegführen. Unterstützen Sie das?
Wenn man sagen würde, der Blocher ist der Mister Schweiz, deshalb müsse man SVP wählen, gäbe ich Ihnen Recht. Aber Blocher steht für eine Politik: für das Asyl- und Ausländergesetz, das den Linken nicht passt; für Sicherheit, für Kostenreduktion, für Unabhängigkeit und gegen den EU-Beitritt. Das sind alles Sachthemen! Wenn meine Frau Vorträge hält, sind das ebenfalls politische Themen, mit denen eine Haltung zum Ausdruck kommt. Sie war Hausfrau, gab den Beruf auf und macht Frauen, in der gleichen Lage Mut ihren Weg zu gehen.
Trotzdem: Dass sie den Wahlkampf ihres Mannes unterstützt, ist für die Schweiz neu und erinnert an die USA.
Wir haben nicht Amerika im Kopf. Es ist eine natürliche Reaktion: Wir sind seit 40 Jahren verheiratet, mussten und wollten alles zusammen machen. Bei der EWR-Abstimmung etwa war meine Frau mein Stabschef. Davon erzählt sie, und das scheint für viele Menschen interessant zu sein. Dass eine Frau mit über 60 sagt, sie habe ein sehr befriedigendes Leben gehabt, weil – und nicht obwohl – sie Kinder aufgezogen hat.
Will sich die SVP mit der für Samstag angekündigten Demo aufs Niveau linker Chaoten begeben, um die Schlagzeilen weiter zu beherrschen?
Wenn linke Chaoten – wie Sie sagen – unseren Anlass stören wollen, ist das sicher nicht gut. Deswegen darauf zu verzichten, kommt hingegen nicht in Frage.
Sie marschieren mit Samuel Schmid, obwohl dieser Bundesrat bleiben will, selbst wenn Sie abgewählt werden?
Das ist doch keine Neuigkeit. Wenn Bundesrat Schmid will, kann er in der Regierung bleiben. Aber er könnte nicht in der Fraktion bleiben, wenn die SVP in die Opposition muss. Das gilt auch für jeden anderen aus der SVP, den das Parlament an meiner Stelle in den Bundesrat wählen könnte.
Hat sich Ihr Verhältnis zu Schmid seither wieder abgekühlt?
Nein, nein. Ein fraktionsloser Schmid könnte weniger bewirken, aber es wäre immerhin besser als irgendein Linker.
Und wie steht es um Ihr Verhältnis zu Pascal Couchepin? Teilen Sie die Meinung ihrer Partei, der Walliser habe gegen Sie komplottiert?
Ich will weder auf Details noch auf Namen eingehen. Fest steht: Am 5. September ist eine wüste Sache abgelaufen. An diesem Tag wurde der Eindruck erweckt, der Justizminister stecke in einer strafbaren Verschwörung gegen den früheren Bundesanwalt. Das wäre ein schwer wiegendes Delikt.
Was haben Sie konkret befürchtet?
Hätte Nationalrat Mörgeli nicht am nächsten Tag die Dokumente vorweisen und zeigen können, dass die Vorwürfe von GPK-Subkommisssionspräsidentin Meier-Schatz « Chabis » waren, stünde ich heute nicht mehr als Justizminister vor Ihnen. Vor einer solchen Vorverurteilung können Sie sich als Bundesrat nicht während Monaten halten. Schon selbst nur bei einem so schwerwiegenden Verdacht müssten Sie zurücktreten. Das war auch das Ziel!
Sie wären also selbst bei einem Verdacht zurückgetreten?
Ja, dies wäre die Konsequenz gewesen, wenn dieser Vorwurf über Monate aufrecht erhalten wäre. Frau Meier-Schatz hat ja ausdrücklich davon gesprochen, die Beschaffung der Unterlagen werde Monate benötigen.
Was erwarten Sie von der heutigen Debatte im Nationalrat?
Es ist schon viel Luft draussen. Ich nehme an, dass die anderen Parteien auf den süffigsten Teil – nämlich den absurden Vorwurf, ich sei in einer Verschwörung gegen den ehemaligen Bundesanwalt involviert – verzichten werden. Wenn ich vor dem Parlament spreche, gibt mir das die Gelegenheit, Dinge richtigzustellen.
Empfinden Sie die Tatsache, dass die Bundespräsidentin für Sie sprechen wird, als Bevormundung?
Zum « Putschversuch » und zur Kollegialität zu sprechen, ist der Part von Bundespräsidentin Calmy-Rey. Was aber die Bundesanwaltschaft betrifft, werde ich sprechen.
Von welchem Putchversuch sprechen Sie?
Dass nach der Bundesratssitzung vom 5. September nach aussen der Eindruck erweckt wurde, ich sei in den Roschacher-Komplott involviert, war der Versuch, mich aus der Regierung zu kippen. Die SVP-Interpellation spricht von « Putschversuch ».
Sollte das in Ihrer Abwahl gipfeln?
Nein, in einem selbstverschuldeten Rücktritt. Das wäre das eleganteste Manöver meiner Gegner gewesen. Ich verstehe die Idee dahinter, auch wenn ich nicht weiss, wer der Spiritus Rector dahinter war. Zuerst versuchte man, mich aus dem Bundesrat zu drängen, weil man eine andere Politik wollte und merkte, dass es nicht geht. Mich zum Rücktritt zu drängen, wäre für die Gegner eine willkommene Lösung gewesen: « Man muss nun den bekannten SVP-Bundesrat nicht abwählen, er muss selber gehen », wäre die Redewendung gewesen. Damit trifft man auch die Partei, weil man sagen kann, sie habe einen kriminellen Justizminister gestellt.
Rechnen Sie mit einer Abwahl?
Nein, ich rechne nicht damit, schliesse es aber auch nicht aus. Auf jeden Fall verzicht ich nicht auf die meines Erachtens richtige Politik, nur damit mich die Gegner wiederwählen.
Wie schlimm wäre es für sie, nicht zum Vizepräsidenten gewählt und damit nicht Bundespräsident zu werden?
Es ist nicht so, dass ich nach einer Nichtwahl ein Fest veranstalten würde. Alles hat eine Bedeutung. Wenn dies geschehen würde, würde das Parlament sagen: Wir haben dich schon in die Regierung gewählt, aber du bist nicht ganz vollwertig. Das gäbe eine gewisse Freiheit. Wie das sein wird, schaue ich im Dezember an. Dazu brauche ich keine Strategie.
Heisst das, Sie drohen mit Teilopposition?
Nein, ich sage nur, dass es eine Bedeutung hat. Wenn ich auf den Weg des Präsidenten geschickt werde, weiss ich: In diesem Jahr muss ich die Regierung vertreten. Das muss jetzt einfach sein, da kann ich weniger Eigenes machen. Wenn mir das Parlament diesen Weg verwehrt, heisst das: Dann musst du nicht die Regierung vertreten. Das ist eher aussergewöhnlich, so halb ausgestossen zu werden. Wie das aber im Detail aussieht, weiss ich nicht.
Damit würde Ihnen das Parlament zu verstehen geben, es sehe Sie nicht als vollwertigen Bundesrat an, und Sie würden sich im Gegenzug auch nicht als vollwertiger Bundesrat verhalten?
Ja, das müsste wohl so sein. Dazu brauche ich aber keine grossen Pläne – und auch keinen Geheimplan… (lacht)