Anpassung statt Widerstand ist die Antwort der Schwachen.

Interview im «Sonntag» vom 8. November 2009

Von Patrik Müller und Othmar von Matt

Herr Blocher, die Schweiz hat keine Freunde mehr: Nun hat auch noch Italien zur Jagd auf die Schweizer Banken geblasen.   
Bismarck sagte es richtig: „Länder haben keine Freunde, sondern Interessen“. Aber die schweizerische Classe politique glaubte in den letzten 20 Jahren sich Freunde zu schaffen durch Liebedienerei und Preisgabe schweizerischer Werte, statt für die Schweiz zu kämpfen! Es kam wie es musste: Unser Land verliert den Respekt und wird verletzlich. Richtungswechsel ist angesagt.

Die Frage ist doch, wie setzt die Schweiz ihre Interessen am besten durch. Bundesrat Leuenberger sagt: Als Teil der EU.
Anpassung statt Widerstand ist die Antwort der Schwachen. Es ist Preisgabe der Schweiz, um die eigenen Schwächen zu verdecken. Leuenberger geht gerne den Weg des geringsten Widerstands.

Es gab auch nie so viel Druck auf die Schweiz wie heute. Das ist eine neue Situation.
Sie kennen die Geschichte schlecht. Druck und Erpressung des Auslandes ist doch nichts neues:1848 drohten die europäischen Grossmächte sogar mit der Armee, um die Schweiz vor einer unabhängigen Verfassung abzuhalten. Und im 2. Weltkrieg? Schon vergessen?

Heute haben wir keinen militärischen, sondern wirtschaftlichen Druck.
Auch das ist nichts neues. Liechtenstein ist im EWR und wurde bezüglich Bankgeheimnis massiv unter Druck gesetzt. Österreich und Luxemburg sind in der EU. Nur können sie sich weniger zur Wehr setzen. Wir könnten es!

Was muss denn der Bundesrat heute tun, um den Druck aus dem Ausland abzuwehren?
Endlich vorbehaltlos zur Schweiz stehen und endlich eine Strategie festlegen! Er hat keine. Man behandelt einzelne Geschäfte und jeder hat ein eigenes Vorgehen. Ich habe das im Bundesrat zur Genüge erlebt. Aussenpolitik heisst geben und nehmen. Das kann man nur mit einer Gesamtstrategie. Aber das wollte der Bundesrat nicht. Wer in die EU will, will die Schweiz nicht mehr verteidigen! Das zeigt sich an allen Ecken und Enden, auch im Fall Libyen, beim Flughafen oder wenn es um die ungebremste Einwanderung geht.

Justizministerin Widmer-Schlumpf lehnt es ab, die Ventilklausel einzusetzen, um die Einwanderung zu bremsen.
Wieder Angst, man könnte die EU verstimmen. Obwohl alle rechtlichen Voraussetzungen gegeben gewesen wären. Das ist verantwortungslos. Man sah doch die Rezession kommen. Es war eine Illusion zu glauben, dass ein arbeitslos gewordener EU-Ausländer nach Hause geht. Er weiss, dass wenn er in der Schweiz auch nur 1 Tag gearbeitet hat, kann er danach bis 5 Jahre Sozialleistungen in unserem Land beziehen. Schauen Sie, sogar das EU-Land England stoppt die Personenfreizügigkeit mit einzelnen Ländern. Rechtswidrig. Es kann doch nicht sein, dass jetzt – mitten in der Rezession – immer noch jeden Monat 1000 Deutsche in die Schweiz kommen.

Wie soll man das verhindern?
Wir hätten es können. Jetzt bleibt wohl nur noch die Verträge mit der EU zu ändern. Wir müssten die Personenfreizügigkeit kündigen und neu verhandeln – zu anderen Bedingungen. Endlich zugeben, es ist schlimmer gekommen, als man glaubte. Es braucht neue Verhandlungen. Eine Minimal-Wohnsitzdauer für Einwanderer ist absolut notwendig.

Wenn wir die Freizügigkeit kündigen, fallen doch auch die anderen bilateralen Verträge dahin.
Jeder Vertrag kann von beiden Seiten jederzeit gekündigt werden. Die EU wird kein Interesse haben, dies zu tun. Etwa die Verkehrsverträge?

Strebt die SVP die Kündigung der Personenfreizügigkeit offiziell an?
Das prüfen wir ernsthaft. Wir prüfen eine Volksinitiative in dieser Richtung. Es brodelt im Volk wegen der Einwanderung. Die Wahlen in Genf sind ein kleiner Vorgeschmack. Der Bund prognostiziert eine Arbeitslosenquote von sechs Prozent. Damit übertrifft sie alle bisherigen Rezessionen. Auch die Asylpolitik läuft wieder aus dem Ruder. 2008 eine Zunahme von mehr als 50%. Trotz Dublin! Die Parteien und der Bundesrat nehmen die Probleme der Einwanderung und die Ängste der Bevölkerung nicht ernst.

Sind Sie für die Minarett-Initiative?
Ich will es Ihnen nicht sagen, damit Sie kein Thema daraus machen können. Zumindest bin ich froh, dass diese Initiative eine Debatte über die Islamisierung ausgelöst hat.

Wie bitte? Sie kneifen?
Ich habe nichts beizufügen.

Ausländer, Asylwesen, Ausländerkriminalität: Sind das 2011 die grossen SVP-Wahlkampf-Themen?
Es sind grosse Probleme. Die SVP hat sich seit Jahren dem angenommen und wird es weiter tun. Die SVP ist glaubwürdig..

Die Umfragen prophezeien Ihnen Verluste.
Wir leben von Resultaten nicht von Umfragen. Bisher hat die SVP alle Umfragen übertroffen. Seit meiner Abwahl legte die SVP dort massiv zu, wo die kantonalen Parteien voll auf Schweizer SVP-Kurs sind. Wo man abweicht – zum Beispiel in Neuenburg und Genf – hat die SVP schlecht abgeschnitten. Das hätte nie passieren dürfen: Die SVP müsste mit dem « Mouvement Citoyens Genvevois » zusammenarbeiten. Genau so, wie sie das im Tessin mit der Lega tun sollte. SVP und Mouvement wären in Genf gemeinsam die weitaus stärkste Partei. Rechts von der SVP darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben.

Ausgerechnet Ihr Bundesrat Ueli Maurer kritisierte, unter Parteipräsident Toni Brunner politisiere die SVP zu wenig pointiert.
Hat er das gesagt? Toni Brunner macht seine Sache hervorragend.

Und wie beurteilen Sie die Arbeit von Ueli Maurer?
Er hat das erkannt, was die SVP seit fünfzehn Jahren kritisiert: Das VBS ist sogar noch schlimmer dran, als wir dachten. Und Maurer legt jetzt die Mängel schonungslos auf den Tisch. Das braucht Kraft, weil er auch gegen langjährige Leute im eigenen Departement kämpft. Bundesrat Schmid war unfähig das VBS zu führen, nur wollten die anderen Parteien dies von Anfang an nicht wahr haben.

Hat die Armee zuwenig Geld?
Sie hatte zu wenig Geld für das Richtige und zu viel für das Falsche.

Das VBS teilte die Mittel falsch ein?
Ja. Aber auch Bundesrat und Parlament, die zehn Jahre lang nicht auf die SVP hörten, Schmid wurde stets gedeckt, weil er sich gegen die SVP wendete. Zuletzt nannten die SVP das VBS sogar einen Sauladen. Auch das ging unter. Ulrich Maurer deckt endlich auf. Die Auslandeinsätze kosten viel mehr, als man sagte. Bei der EDV gab es Fehlinvestitionen für Hunderte von Millionen. Keine Kostenrechnung. Verteidigungsauftrag, Leitbild, Mittel, Ausrüstung, Bestände stimmen nicht mehr überein.

Was wollen Sie tun?
Erstens: Man muss endlich alles zugeben. Auf den Tisch legen. Schonungslos.

Das tat Ueli Maurer.
Ob es schon alles ist, wird man sehen. Er muss schrittweise vorgehen. Er muss die Kostenrechnung im VBS einführen. Erst dann hat er volle Transparenz.

Zweitens?
Wir verlangen Varianten vom Bundesrat: Was gibt es für Möglichkeiten um die beste Armee der Welt zu haben, um autonom die unabhängige, neutrale Schweiz mit jährlichen Kosten in der heutigen Grösse (4 Milliarden Franken) zu verteidigen.

Also soll Maurer 300 Millionen erhalten?
Vier Milliarden entspricht etwa dem heutigen Rahmen. Drittens: Der Bundesrat – nicht nur dass VBS – müssen die beste dieser Varianten – oder die wenigst schlechteste – darlegen. Und viertens: Der Bundesrat soll darlegen, welche Armee und welche Ausrichtung er wählen würde, wenn er unbeschränkte finanzielle Mittel zur Verfügung hätte. Das Parlament müsste den Bundesrat zu dieser Arbeit zwingen. Es geht letztlich um eine Strategiediskussion. Und: Es ist keiner grösseren Rüstungsbeschaffungen zuzustimmen, welche die Marschrichtung präjudiziert, bis entschieden ist. Das heisst: Es dürfen bis dann keine Kampfflugzeuge bewilligt werden.

Wie lange wird es dauern, bis Maurer diese Varianten vorlegen kann?
Ich rechne laufs 2010.

Das heisst: Ein Jahr lang soll die Armee nichts beschaffen?
Nichts ausserordentliches. Und mit den vorhandenen Kampfflugzeugen kommt sie bis 2015 gut zurecht.

Gibts weiteres?
Es sind Sofortmassenahmen vorzulegen. Was ist zu tun um einen Betrieb und Ausbildung aufrecht zu erhalten? Was ist zu sanieren? Alles ist zu tun, ohne die Marschrichtung grundsätzlich zu präjudizieren.
Wer ist denn da verantwortlich? Für die letzten acht Jahre Samuel Schmid, aber auch der Bundesrat und das Parlament.

Nur: Eigentlich ist die SVP verantwortlich, denn das VBS ist seit 1996 in SVP-Händen.
Jetzt soll die SVP für Samuel Schmid noch die Verantwortung tragen! Ein Bundesrat, der gegen den Willen der SVP gewählt worden war. Die SVP, die seit 1995 die Fehlentwicklung im Parlament und oft auch an der Urne bekämpfte. Leider stets ohne Erfolg.

Die SVP hat aber Schmid wieder gewählt.
Tatsächlich wäre es besser gewesen, Samuel Schmid früher auszuschliessen. Aber sowohl bei Adolf Ogi wie bei Samuel Schmid hatten wir als Partei die Kraft zu sagen, was nicht in Ordnung war.

Werden Sie das bei Ueli Maurer auch tun?
Wenn er in eine unannehmbare Entwicklung laufen sollte, natürlich. Im Moment sieht es nicht darnach aus.

Ihre Vorschläge gehen ja in Maurers Richtung.
Wir glauben es auch. Das VBS will sicher aber mehr Mittel.

Maurer will mehr Geld.
Das ist ja selbstverständlich. Welcher Departementchef will das nicht? Mehr Geld ist stets die bequemste Problemlösung, aber nicht die einzige.

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