SVP hat anspruch auf nächsten vakanten Bundesratssitz
Interview Basler Zeitung von Matthias Geering vom 3. April 2010
BaZ: Herr Blocher, was hat Sie bei den Parlamentswahlen im Kanton Bern mehr erstaunt, das starke Abschneiden der BDP oder die Verluste der FDP?
Christoph Blocher: Weder das eine noch das andere. Überrascht hat mich aber das starke Resultat der SVP. Sie ist heute wieder fast so stark wie vor vier Jahren, obwohl sie im Laufe der Legislatur 17 Sitze der Fraktion an die BDP abgeben musste.
Die SVP konnte in Bern ihr Potential ausschöpfen. Was ist mit der politischen Mitte passiert?
Es ist das geschehen, was geschehen musste: Die BDP ist ein Projekt von Mitte-Links. Sie ist nach meinem Rauswurf aus dem Bundesrat gezimmert worden, um die SVP zu schwächen. Es kam so, wie es kommen musste; die BDP als Mitte-Links-Partei erhielt logischerweise die Stimmen derer, die sie unterstützten: Von den Mitteparteien, aber auch von den Linken und den Grünen.
Die BDP – eine Mitte-Links-Partei? Die Behauptung ist gewagt…
Die Partei hat kein erkennbares Programm, und der selbsternannte « Anstand » ist noch keine Leistung. Sie bewegt sich irgendwo zwischen FDP, CVP, EVP und Grün-Links. In Fragen wie dem Minarettverbot, der Ausländerpolitik oder auch dem EU-Beitritt ist sie weit weg von der SVP. Und darum sind ihre Wähler nicht die von der SVP.
Inwieweit lässt das Berner Resultat Schlussfolgerungen für die kommenden kantonalen Wahlen zu? Im Juni wird im Kanton Graubünden gewählt, wo die SVP neu gegründet werden musste.
Wo die BDP nicht mit ehemals treuen SVP-Vertretern antreten konnte, was bis jetzt im Kanton Aargau der Fall war, hatte sie wenig Erfolg. Im Aargau erreichte sie nach aufwendigem Wahlkampf 2,6 Prozent. Die wenigen Prozente, die sie holen kann, werden der FDP, der CVP und der SP gehen. Ausnahmen werden der Kanton Glarus und vor allem der Kanton Graubünden sein. Vor allem in Graubünden wird es die SVP in kantonalen Wahlen schwer haben, da die alte SVP einfach den Namen auf BDP wechselte. Die neue Bündner SVP musste bei Null anfangen. Zudem wird in Graubünden das Parlament ebenfalls im Majorzsystem gewählt, was es den anderen Parteien einfacher machen wird, eine Allianz gegen die SVP zu bilden. Aber auch die neue bündnerische SVP – gerade auch dank vieler junger Leute – ist stark eingestiegen.
Welches Potential sehen Sie für die BDP auf nationaler Ebene?
Ich gehe von vier, vielleicht fünf Prozent aus.
Damit wäre die Abwahl von BDP-Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf Ende 2011 besiegelt?
Das müssen Sie die SP, die Grünen und die CVP fragen. Diese haben sie portiert und gewählt. Alle Parteien sind angeblich für die Konkordanz. Das heisst, dass die Parteien die Bundesräte gemäss ihrem Wähleranteil stellen. Die BDP wird nach den Wahlen 2011 kaum die nötige Stärke erreichen. Aber wer weiss, vielleicht fusioniert die BDP mit der CVP oder der FDP. Das wäre immerhin denkbar.
Spätestens seit der Wahl in Bern besteht der Eindruck, dass sich Ihr bisher verlässlichster Partner, die FDP, im freien Fall befindet…
In den kantonalen Wahlen seit 2008 hat nicht nur die FDP massiv verloren sondern auch die CVP. Die wahren Verlierer sind aber die Sozialdemokraten: Seit 2008 ist in 13 Kantonen gewählt worden und die SP hat als einzige Partei ausnahmslos in allen Wahlgängen verloren.
Kann die FDP ihren zweiten Sitz im Bundesrat retten, wenn sie ihren Bundesrat Hans-Rudolf Merz noch vor den möglicherweise verlustreichen Wahlen 2011 zum Rücktritt bewegt?
Es gibt nur eine Partei, die heute einen ausgewiesenen Anspruch auf einen frei werdenden Sitz im Bundesrat hat, und das ist die SVP mit ihren 29 Prozent Wähleranteil. Bei der letzten Vakanz haben wir der FDP den Vortritt gelassen. Bei der nächsten Vakanz wird die SVP den Sitz beanspruchen.
Mit Ihnen als Kandidat? Sie haben zuletzt die Frage nach einer Kandidatur nicht deutlich abschlägig beantwortet.
Ich will nicht mehr in den Bundesrat. Meines Erachtens ist es besser, wenn die SVP ohne Blocher antritt. Die anderen Parteien reagieren ja wie hypnotisiert, wenn es um meine Person geht. Aber wir haben andere, starke Persönlichkeiten. Der richtige wäre SVP-Fraktionschef Caspar Baader, wenn er nur wollte!
Wird Baader ihrer Meinung nach Bundesrat, wenn Merz zurücktritt?
Für den Bundesrat wäre er der Beste: Intelligent, sehr sachkundig, stand- und charakterfest! Leider will er nicht, aber vielleicht muss er.
Wie wird Ihrer Meinung nach die Sitzverteilung im Bundesrat nach den nächsten nationalen Wahlen aussehen?
Falls das Bekenntnis zur Konkordanz weiterhin gilt, wird die SVP zwei Sitze haben. Falls die CVP stärker wird als die FDP, was möglich ist, werden die CVP zwei und die FDP einen Sitz haben. SP und Grüne zusammen haben gemäss ihren Anteilen (2007 noch 29 Prozent wie die SVP allein) zwei Sitze zugute. Daran dürfte sich kaum etwas ändern.
Zurück zu den Berner Wahlen: Einmal mehr hat sich gezeigt, dass Ihre SVP weniger Erfolg hat, wenn es um Wahlen in die Regierung geht. Sie verlangen die Volkswahl für den Bundesrat, schneidet sich die SVP nicht ins eigene Fleisch?
In Bern war es ein vereinter Kampf aller Mitte-Links-Parteien gegen die SVP. Diese Taktik hat bei Majorzwahlen Erfolg. Wie Bern zeigt, rächt sich das für die Taktiererer dann bei den Parlamentswahlen. Je mehr die SVP aus den Exekutiven ausgeschlossen wird, desto stärker wird sie in den Legislativen werden. Wenn die Politiker die Schweizer Werte weiterhin nicht verteidigen, was bei Problemen mit der EU, Libyen, Bankkundengeheimnis und im Fall USA der Fall ist, dann wird die SVP im Herbst 2011die 30-Prozent-Schwelle deutlich überschreiten. Die Schweizer wollen keinen Anti-Schweiz-Kurs, darum legt die SVP zu.
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