Der vergangene Samstag war ja vielleicht ein heilsamer Schock

«Bundesrat Christoph Blocher über die Krawalle von Bern und die Folgen für die Politik»

14.10.2007, SonntagsZeitung, Denis von Burg und Andreas Windlinger

Herr Blocher, ausländische Medien berichteten sehr negativ über die Krawalle von Bern und die SVP – die « New York Times » gar auf der Titelseite. Hat unser Image gelitten?
Man muss nicht meinen, ein paar Artikel, in denen viel Falsches steht, würden das gute Image der Schweiz zerstören. Die « New York Times » war der Schweiz noch nie wohl gesinnt. Sie hat auch die Erpressungskampagne wegen des Verhaltens der Schweiz im 2. Weltkrieg orchestriert.

Im Ausland hält man das Schafplakat für rassistisch.

Die SVP-Kampagne, die zeigt, dass kriminelle Ausländer kein Bleiberecht haben sollen, ist hervorragend. Die Ausländer sind willkommen, aber die « schwarzen Schafe » – die Kriminellen eben – nicht. Jede Sprache kennt den Ausdruck « schwarzes Schaf ». Jeder versteht ihn. Es hat wochenlang niemand Anstoss genommen. Erst als die politischen Gegner von den kriminellen Ausländern ablenken wollten, haben sie den Rassismusvorwurf erhoben und ihn ins Ausland getragen.

Bundespräsidentin Calmy-Rey hat der SVP Mitschuld an den Krawallen zugeschoben.
Sie will als SP-Mitglied wohl nicht zugeben, dass die Berner Sozialdemokraten und die Grünen eine schwere Verantwortung tragen. Sie haben die Gegendemonstration angezettelt, illegal durchgeführt und unterstützt. Diese und die unfähige rot-grüne Stadtregierung sind die Schuldigen!

Die SVP wollte sich nicht auf eine Kundgebung auf dem Bundesplatz beschränken.
Wenn jemand nachts um zwei Uhr auf dem Trottoir erschossen wird, kann man nicht sagen, das Opfer sei mitschuldig, man müsse ja nicht nachts um zwei Uhr aufs Trottoir gehen! Die Meinungsäusserungsfreiheit ist vom Staat zu verteidigen. Die SVP hat noch nie eine linke Demonstration gewaltsam unterbunden.

Selbst die Bundesräte Schmid und Couchepin warnten vor einem Umzug.
Die SVP-Manifestation mit einem schönen, friedlichen Umzug war bewilligt. Die Stadt versicherte bis zuletzt, sie könne die Sicherheit garantieren, und verlangte keine Änderung. Dass Herr Couchepin davon abriet, liegt auf der Hand. Sein Beweggrund war nicht die Sicherheit. Für die SVP, die die direkte Demokratie hochhält, ist die Beteiligung der einzelnen Bürger von Bedeutung. Absagen, weil Krawallanten drohen, ist ein Zeichen der Schwäche des Staates! Als die Polizei während des Umzugs die SVP bat, die Route zu ändern, hat sie eingewilligt.

Kamen die Krawalle der SVP im Wahlkampf nicht gerade recht?

Die SVP tat alles, um Krawalle zu verhindern. Von ihren Leuten gingen keine Aggressionen aus. Aber die friedliche Manifestation der SVP wurde zu einer anschaulichen Demonstration der Realitäten. Die Situation erinnert an den SVP-Wahlkampffilm « Himmel oder Hölle »: Auf der einen Seite 10000 friedliche Menschen in Feststimmung – die Schweiz der SVP -, auf der anderen Seite gewalttätige Krawallanten und eine rot-grüne Stadtregierung, die versagt hat.

Die Aufgabe war fast nicht zu bewältigen.
Sie wäre zu lösen gewesen. Obwohl vorgängig alles bekannt war, duldete die Berner Regierung ausdrücklich eine unbewilligte links-grüne Gegenveranstaltung nur wenige Hundert Meter vom Bundesplatz. Zweitens schätzte sie die Veranstalter der Gegendemo fälschlicherweise als friedlich ein, wohl weil diese aus dem rot-grünen Umfeld kamen. Hauptveranstalter war ein grüner Stadtrat!

… die Polizei hätte die Stadt abriegeln müssen…
Drittens war die Strategie mangelhaft. Viertens: Die polizeiliche Devise « Dialog, Deeskalation, Durchgreifen » taugt für solche Fälle nicht, vor allem, wenn man mit dem Durchgreifen zu lange wartet. Das funktioniert kaum bei ungezogenen Kindern, geschweige denn bei Leuten, die ein solch kriminelles Potenzial haben. Und fünftens: Dass der zuständige Vorsteher am Schluss noch sagt, man habe das Ziel erreicht, ist eine Beleidigung für den Bürger. Tatsache ist, dass unschuldige Bürger wahllos zusammengeschlagen und verletzt wurden und grosser Sachschaden entstand.

Die Stadt will den Polizeieinsatz jetzt untersuchen. Genügt das?
Der Samstag war ja vielleicht ein heilsamer Schock und zeigt, dass die Stadt Bern und vielleicht auch andere Behörden im Hinblick auf die Euro 08 Lehren daraus ziehen müssen. Idealismus und Nachgiebigkeit haben in dieser Situation keinen Platz. Dialog und Deeskalation machen zu Beginn Sinn; wenn es aber brenzlig wird, muss die Polizei früh, entschieden und notfalls hart durchgreifen. Das erfordert der Schutz der Sicherheit der Bürger und unserer Grundrechte. Hoffentlich waren die Krawalle auch politisch heilsam.

Inwiefern?
Die Ausschreitungen haben gezeigt, dass die rot-grüne Berner Stadtregierung – selbst in einer einfachen Situation – unfähig ist, ihre Bürger zu schützen. Das ist ein unglaublicher Vorfall, der klar macht, wie wichtig Wahlen sind. Am Sonntag müssen sich die Wähler entscheiden, ob sie wirklich rot-grüne ideologische Rezepte oder doch lieber bürgerliche Lösungen wollen.

Es gibt nicht nur Sicherheitsfragen. Was ist Ihr Programm für die nächsten vier Jahre?
Wenn die SVP stabil bleibt oder zulegt, ist das ein Auftrag für eine akzentuierte bürgerliche Politik: Die Abkehr vom EU-Beitritt – direkt oder indirekt – muss gesichert werden. Das Ziel, die Bundesausgaben um 20 Prozent zu senken, muss umgesetzt werden, und die Zwangsabgaben sind substanziell zu senken. Die Privatisierung der Swisscom ist dringend. Grosse Sorgen macht mir die Stromversorgung, ohne zwei neue AKW wird das nicht gehen. Und wir haben die Kriminalität insbesondere bei den Ausländern in den Griff zu kriegen.

Dieses Programm ist in einer Konkordanzregierung mit der SP kaum umsetzbar.

Es ist schrittweise und mit Mehrheitsentscheiden – sofern die Bürgerlichen geschlossen sind – zu machen. Natürlich wäre es einfacher in einer rein bürgerlichen Regierung.

Trotz der dann drohenden Linken Referendumsflut?
Wenn man intelligent und konsequent politisiert und das tut, was im Interesse der Bevölkerung ist, muss man keine Angst haben vor Referenden. Nur muss man dann von Anfang an schon an die Bevölkerung denken und nicht erst im Abstimmungskampf.

Sie müssten zuerst die SP aus dem Bundesrat werfen.
Die SVP bekennt sich klar zur Konkordanz, auch wenn diese Nachteile hat. Ein Teil der SP und die Grünen wollen heute die SVP aus dem Bundesrat werfen. Der Entscheid liegt bei den beiden Mitteparteien.

Muss die Frage einer bürgerlichen Regierung nach den Wahlen aufs Tapet kommen?
Meiner Meinung nach müssen alle diese Fragen in ernsthaften Verhandlungen diskutiert werden. Ob die Parteien dazu führungsmässig in der Lage sind, bezweifle ich. Im Wahlkampf vermittelten die Mitteparteien eher das Bild eines Kampfes ums Überleben. Und Links und Grün haben nur einen Programmpunkt: « Gegen Blocher ». Das sind eher schwache Voraussetzungen.

Wie gross ist umgekehrt das Risiko, dass man Sie und so die SVP aus dem Bundesrat wirft?
Wenn die SVP verlieren sollte, deutlich höher als 50 Prozent.

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