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01.08.2010

Alles im Griff?

Gedanken zum 1. August 2010 von Dr. Christoph Blocher a. Bundesrat (Es gilt das gesprochene und das geschriebene Wort – www.blocher.ch) Liebe Miteidgenossinnen, liebe Miteidgenossen Liebe Schweizerinnen und Schweizer Sehr geehrte Damen und Herren Wir dürfen heute den 719. Geburtstag unseres Landes, unserer Schweiz, unseres Vaterlandes, feiern. Wir haben dabei Grund zu grosser Dankbarkeit: Seit 719 Jahren hat unser Land Bestand. Vor 719 Jahren hat man den Grundstein zur Unabhängigkeit gelegt. Das Recht zur Selbstbestimmung. Heute sehr aktuell! Wir wollen auch heute selber bestimmen und auch heute keine fremden Richter haben. Die Ziele von damals sind heute noch gültig. Sehen Sie in die Welt hinaus. – In den vergangenen 20 Jahren wurde viel Freiheit und Unabhängigkeit aufgegeben, weil man glaubte, die Gebilde könnten nicht gross genug sein. Die Wirtschaft ging die ersten Schritte in diese Richtung. Unternehmen wurden zusammengelegt, Konzerne konnten nicht gross genug sein. Denken Sie an die globalen Finanzsysteme. Es wurde getan, als habe man unter dem Aspekt der Globalisierung alles im Griff. Bis der Grössenwahn und die Unübersichtlichkeit eine Dimension erreichten, dass alles zusammenkrachte. Mit furchtbaren Folgen, deren Ausmass heute noch niemand kennt. Dasselbe geschieht nun in der Politik. Auch hier lehrt die Geschichte, dass konstruierte grosse Gebilde zusammenkrachen. Denken Sie an die Grossmacht Sowjetunion, denken Sie an das Reich Karls des Grossen, denken Sie an Napoleon. Es hat nie geklappt. Und was passiert mit den neuesten Bestrebungen? Was passiert mit der EU? Es ist unübersehbar: Mit der Europäischen Union ist erneut ein solches Gebilde geschaffen worden. Eine Konstruktion, möglichst gross. Alle Länder sind zusammengebunden, verlieren an Eigenständigkeit. Die Landeswährungen wurden aus politischen Gründen aufgehoben. Alles wurde in einen Topf geworfen. Man erschuf eine einzige Währung und tat auch hier so, als habe man alles im Griff. Es wurde nicht nach ökonomischen Grundsätzen gehandelt, als man den Mitgliedstaaten die Nationalbanken wegnahm, sondern aus politischem Kalkül. Nun haben die einzelnen Länder keine Möglichkeit mehr, ihre Zins- und Geldpolitik nach ihren eigenen Bedürfnissen zu regulieren. Dabei sind die Verhältnisse der einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich. Jetzt ist geschehen, was voraussehbar war: Staatsverschuldungen und Zusammenbrüche sind die Folgen. Der Grössenwahn des Menschen ist, dass er glaubt, je grösser man sei, umso erfolgreicher werde das Ganze. Doch die Realität beweist das Gegenteil. Weshalb hat unser Land, die Schweiz, da nicht mitgemacht? Weil unsere Bevölkerung zu Beginn der 90er Jahre über diese Frage abstimmen konnte und weil sie dabei die Kraft hatte, Nein zu sagen. Auch die Mehrheit - zwei Drittel aller Kantone - sagten: "Nein, das kommt nicht in Frage". Mit diesem Nein sagten die Bürgerinnen und Bürger Ja zur Freiheit und Unabhängigkeit unseres Landes. Mit diesem Entscheid wehrten sie sich gegen alles, was Rang und Namen hat in unserem Land. - Die gesamte Classe politique, die Regierung, selbst die Wirtschaft fuhr damals auf dem falschen Dampfer. Heute, fast 20 Jahre später, sehen die Wirtschaftsexponenten langsam ein, dass der damalige Entscheid doch der richtige war. Durch Schaden wird man klug - oft leider erst dann. Dass wir bis auf den heutigen Tag gegenüber der Europäischen Union unsere Unabhängigkeit bewahrt haben, verdanken wir unserer besonderen Staatsform. Allein deshalb ist es möglich, heute den Geburtstag unseres Landes in Freiheit und Unabhängigkeit feiern zu können. Darum ist es das Gebot der ersten und der heutigen Stunde: Die Schweiz darf diese Staatsform nicht ändern, auch nicht durch den Beitritt in multinationale Gebilde und auch nicht durch bilaterale Verträge, die dies tun. Und dennoch: Auch wenn die Politiker es nicht laut sagen wollen, tönt es wieder aus allen Ecken, dass sie als Ziel für die Schweiz den Beitritt in die EU haben. Sie wissen, dass die Volksmehrheit zwar dagegen ist und machen darum alle erdenklichen Winkelzüge, um allmählich in die Arme der EU zu gelangen. Und meine Damen und Herren, es ist erste  Bürgerpflicht, auch in den kommenden Jahren mit Entschiedenheit zu Gunsten unserer Freiheit und Unabhängigkeit zu kämpfen. Ein Beitritt zur EU reisst die Schweizerischen Staatssäulen nieder. Das darf nicht sein. Weil es mir so wichtig ist, überlege ich mir derzeit sehr ernsthaft, im Wahljahr 2011 nochmals als Nationalrat zu kandidieren. Dies, obschon ich dieses Jahr meinen 70. Geburtstag feiern darf. Diese Überlegung mache ich deshalb, um das riesige Anliegen - nämlich den Beitritt der Schweiz zur EU - verhindern zu helfen. Es lohnt sich, - liebe Schweizerinnen und Schweizer - diesen Kampf zu führen. Es ist ein Kampf der betroffenen Bevölkerung gegen die Obrigkeit. Denn die Obrigkeit hat andere Interessen: Sie will den Beitritt zu grossen Gebilden. Sie will dorthin, wo alle für alles aber niemand für etwas Konkretes verantwortlich ist. Es bringt auch pekuniär den führenden Leuten viel, weil die Leute in diesen schlecht kontrollierten Gebilden hoch bezahlt sind. Gleichgültig wie das Resultat aussieht. Die lästige Kontrolle der Bevölkerung ist bei einem EU-Beitritt weg. Es gibt keine Aussenstehende, die die Arbeit begutachten und die darüber abstimmen. Die Kontrolle des Bürgers geht verloren und seine Meinung spielt keine Rolle mehr. Diese Aufsicht und diese Kontrolle sind aber entscheidend. Gerade diese machen die Stärke unseres Landes aus. Es ist das Wesen der Schweiz, dass die betroffenen Bürgerinnen und Bürger in den wesentlichen Fragen die Weichen stellen. Würde diese Möglichkeit bei uns fehlen, so wären wir längst Mitglied der EU. Stellen Sie sich das mal vor: Wir als EU Mitglied mitten in diesem Salat! Die bessere Situation unserer Schweiz wäre dadurch zunichte gemacht. Die Neutralität unseres Landes wäre längst begraben, wenn die Politiker alleine bestimmen könnten. Denn die Politiker möchten lieber in der Grossmachtpolitik mitmachen. Man kann zum Beispiel Truppen ins Ausland schicken und dabei so tun als sei man auch jemand. Dabei wissen wir, man holt dadurch den Krieg - den Terror - ins Land! All dies ist nicht möglich mit der heutigen Staatsform. Und deshalb dürfen wir dankbar sein. Dankbar dafür, dass wir unsere Freiheit bis jetzt erhalten konnten. Und wir werden sie auch künftig erhalten können. Diese, unsere Freiheit. Sie ist hochmodern. Ich erhalte täglich Briefe aus aller Welt. Die Absender beglückwünschen uns Schweizerinnen und Schweizer, dass wir noch frei sind. Wo ich in Europa hinkomme, lautet der Grundtenor, „Sie haben es gut. Sie sind nicht dabei!“ Vor allem Deutsche reden und denken so. Und sie haben Recht. Nicht, weil wir die besseren Menschen wären. Wir sind auch nicht besser als die andern. Aber wir haben eine bessere Staatsform gewählt. Eine Staatsform, die die Freiheit und Wohlfahrt der Bürger in den Mittelpunkt stellt. Wir achten unsere Nachbarn. Wir achten andere Staaten. Wir verkehren mit ihnen. Aber wir bleiben neutral. Das heisst, wir mischen uns nicht in die politischen Verhältnisse anderer ein. Wir schützen unser Land, damit wir auch weiterhin auf unserem kleinen Flecken Erde selber bestimmen können. Wir wollen unsere Zukunft selber in die Hände nehmen. Auf Abenteuer ist weiterhin zu verzichten, indem wir uns nicht in die Angelegenheit anderer mischen. Es ist an der Zeit, diese Werte wieder zu erkennen, wieder zu schätzen. Eigentlich fällt es uns leicht, diese Einsicht zu haben, wenn wir sehen, was in diesen anderen grossen Gebilden angerichtet wird. Niemand weiss heute, wie es mit den hohen Staatsverschuldungen weiter geht. Niemand weiss heute, wie die EU zusammengehalten werden kann. Wenn EU-Befürworter ehrlich sind, geben sie das zu. Doch heute wird viel versprochen. Wichtiger wäre, Bescheidenheit an den Tag zu legen und zu sagen, es ist eine grosse Leistung, wenn man in einem kleinen Land wie der Schweiz die Freiheit und Unabhängigkeit bewahren und das Recht der Bevölkerung hochhalten kann. Wenn man in Sachfragen selber entscheiden und darüber abstimmen kann. Wenn man dieses Recht in unserer Demokratie weiter hochhält, werden wir auch künftig in Frieden und Wohlfahrt leben können. Es wird möglich sein, dass es allen Leuten gut geht. So lautet die Botschaft zum Geburtstag unseres Landes! Wir wollen in dieser Richtung weitergehen, und hoffen auf die Kraft, durchzuhalten. Dann werden wir auch im nächsten Jahr den 720. Geburtstag und noch viele weitere Geburtstage feiern können, voller Dankbarkeit. Ich wünsche Ihnen einen schönen Nationalfeiertag, Ihnen und unserem Land ein gutes Lebensjahr. Ich wünsche Ihnen alles Gute.

29.07.2010

SVP-Vizepräsident Christoph Blocher (69) über den Nationalfeiertag, den Umgang mit EU-Vertretern und die Bundesratswahlen

Interview mit den «Obersee Nachrichten» vom 29. Juli 2010 Christoph Blocher: «Gibst du mir die Wurst, so lösche ich Dir den Durst» Christoph Blocher, alt Bundesrat und Chefstratege der SVP, hält am 1. August in Rüti eine Festansprache. Im ON-Interview spricht der «Polterer der Nation», der eigentlich gar keiner ist, sachlich und ausführlich darüber, wie man mit dem Druck der EU umgehen soll und was von den Bundesratswahlen zu erwarten ist. Obersee Nachrichten: Waren Sie in den letzten Jahren einmal nicht  Gastreferent an einer 1.-Augustfeier? Christoph Blocher: Nein. Ich glaube, ich habe seit 40 Jahren jedes Jahr meistens mehrere Reden gehalten. Dieses Jahr spreche ich beispielsweise an vier Bundesfeiern. Ich finde, man sollte solche Einladungen wahrnehmen. Es gab Zeiten, da war kein Bundesrat an einer 1.Augustfeier ausser ich. Dann hat man gedacht, sie könnten diesen Anlass nicht immer nur mir überlassen. Und so sind dann auch die anderen Bundesräte aktiv geworden. Möchten Sie nicht gerne selbst wieder mal eine Rakete hochgehen lassen, ganz privat im Kreis von Familie und Freunden? Christoph Blocher: Doch schon, ich sehne mich auch nach einer Zeit, in der ich sagen kann, dass ich mal keine Rede halte. Aber das ist momentan nicht möglich. Und es wäre auch nicht richtig zu verzichten, nur weil es einem anders besser passen würde. Obwohl: Von Herrliberg aus – ich wohne ganz in der Höhe – sehe ich bis nach Schindellegi, auf den Uetliberg und ins Limmattal hinab. Wenn das Wetter schön ist, dann sieht man alle Höhenfeuer. Das durfte ich einmal erleben, als ich die Bundesfeier-Rede in Herrliberg hielt. (lacht) Was verbindet Sie mit Rüti und dem Zürcher Oberland? Christoph Blocher: Erstens: Meine Frau ist eine Zürcher-Oberländerin, sie stammt aus Wald. Zweitens: Meine Eltern haben ihre letzten Lebensjahre in Wald verbracht. Rüti ist für mich eine typische Zürcher Oberländer Industriegemeinde. Viele Male wurde ich für eine Rede in dieser Gemeinde angefragt, und dieses Jahr bin ich zum ersten Mal tatsächlich dort. Die aktuellen Themen im Land sind brisant und drängen sich für 1.- August-Reden geradezu auf. Etwa der verschärfte Ton der EU gegenüber der Schweiz. Ist das nun das Ende des bilateralen Wegs? Christoph Blocher: Nein. Das ist eine Drohung, eine Aussage, um uns in die EU zu zwingen. Wissen Sie, das hören wir jetzt zum zweiten Mal. Damals, in den 90er-Jahren, sollten wir in den EWR. Wenn die EU jetzt sagt, es gäbe keine bilateralen Verträge mehr, nun ja, dann gibt es halt keine mehr. Wir brauchen auch nichts Dringendes von ihr. Aber die EU will dafür viele Dinge von uns, sie will, dass wir das Steuergesetz ändern, sie will Abmachungen mit uns in Bezug auf das Bankgeheimnis, Informationsaustausch und so weiter. «Wir brauchen nichts Dringendes von der EU» Im Volkswirtschaftsdepartement findet auch die Idee eines EWR-Beitritts «light» Anklang. Mit dem Anschluss der Schweiz an den Efta- Gerichtshof gäbe es bei Streitigkeiten eine gemeinsam anerkannte Instanz, die das letzte Wort hat. Christoph Blocher: Darüber kann man reden. Ich würde sowieso keine Verträge mehr abschliessen, ohne dass es ein Schiedsgericht gibt. Ich habe nie verstanden, weshalb man das nicht verlangt hat. Bei internationalen Verträgen ist das eigentlich normal, denn man unterwirft sich nicht gern dem Gericht des anderen. Wie siehts mit der Übernahme von EU-Recht in einem geregelten Rahmenabkommen aus? Christoph Blocher: Da bin ich sehr misstrauisch. Weil die Regierung in die EU will, besteht mit einem Rahmenabkommen die grosse Gefahr, dass man ein solches abschliesst und sagt, darunter würden alle Teilabkommen fallen. Ich fürchte, man würde so etwas beschliessen, ohne das Volk zu fragen und so dessen Willen ausser Kraft setzen. Noch konnte mir aber niemand sagen, was eigentlich mit einem Rahmenabkommen genau gemeint ist. Doch ganz abgesehen davon: Wir brauchen gar nichts! Ich weiss nicht, weshalb man immer davon spricht. In Bern suchen sie mit der Lupe, ob man noch irgendwo etwas vertraglich regeln könnte. Was ist Ihrer Meinung nach in dieser angespannten Lage zu tun? Christoph Blocher: Mit den EU-Vertretern reden und ihnen immer wieder erklären, dass wir ein souveräner Staat sind. Denn eins muss man sehen: Wir sind für die EU nicht so uninteressant. Wir sind nach Amerika ihr zweitgrösster Kunde. Vom Einkaufsvolumen her sind wir sogar wichtiger als China. Ausserdem haben wir ein gutes Verhältnis mit den umliegenden Ländern. Wenn die EU Druck auf uns ausübt, dann gibt es halt Gegendruck. Dann sagen wir einfach, wir erfüllen nicht mehr alles, was ihr von uns wollt. International muss es ein Geben und Nehmen sein. Gibst du mir die Wurst, so lösche ich Dir den Durst. «International muss es ein Geben und Nehmen sein» Könnten wir es uns denn leisten, keine Abkommen mehr mit der EU zu schliessen? Dafür sind wir doch schon zu fest miteinander vernetzt. Christoph Blocher: Wir sind miteinander vernetzt, es gibt Verträge, die wir und die EU erfüllen müssen. Aber wir verkehren ja nicht nur mit der EU, sondern zum Beispiel auch mit Amerika. Und es ist noch niemandem in den Sinn gekommen, den USA beizutreten. Oder mit China. Ich würde diesem Land nicht beitreten wollen, obwohl ich die Chinesen mag. Auch mit der EU pflegen wir grundsätzlich ein gutes Verhältnis. Die Schweiz ist sehr weltoffen. Wir verkehren im Rahmen der Neutralität mit allen Ländern, aber wir sind sehr empfindlich, wenn jemand kommt und sagt: «Ab morgen bestimme ich auf eurem Boden». Genau diese Drohung steht aber jetzt im Raum. Christoph Blocher: Ja, das ist so. Und unsere Antwort darauf sollte sein: Nett, dass uns das gesagt wird, aber wir sind souverän, das Volk will nicht in die EU. Aber die, die verhandeln, schon. Das sind Interessens-Gegensätze. Bei einem Beitritt verliert die Bevölkerung in jeder Beziehung an Bestimmungsrecht. Sie kann an der Urne nicht mehr sagen, sie wolle keine Mehrwertsteuererhöhung von 7,6 auf 8 Prozent. Von Brüssel heisst es dann 15 Prozent und fertig! Denen in Bern kann das ja egal sein, die sind froh, wenn sie Geld haben, dann können sie es nämlich ausgeben. Kostet uns die EU mehr, als sie uns nützen würde? Christoph Blocher: Ja natürlich. Aber man muss eins begreifen: Der Druck nimmt zu, weil es der EU finanziell schlecht geht. Die wollen, dass die Schweiz kommt und zahlt. Allein schon über den Weltwährungsfonds, wo wir leider Mitglied sind, müssen wir drei Milliarden Franken an das Griechenland-Abenteuer zahlen. Wenn wir in der EU wären, müssten wir zusätzlich nochmals etwa sechs bis sieben Milliarden berappen. Dagegen ist die Rettung der UBS ein kleiner Fisch. «Die wollen, dass die Schweiz kommt und zahlt» Ein anderes aktuelles Thema. die Bundesratswahlen. Die SP favorisiert Simonetta Sommaruga als Nachfolgerin von Moritz Leuenberger. Damit wären vier Frauen im Bundesrat. Was halten Sie davon? Christoph Blocher: Das spielt für mich keine Rolle. Wichtig ist die parteipolitische Zusammensetzung. Die grösste Partei, die SVP mit 29 Prozent Wähleranteil, hat nur einen Sitz. Laut Konkordanz müssten aber die grossen drei Parteien je zwei Sitze haben. Aber die SVP wird möglichst aus dem Bundesrat ausgeklammert. SVP-Präsident Toni Brunner hat der SP den Vorschlag gemacht, sie im Dezember zu unterstützen, wenn Leuenbergers Sitz neu besetzt wird. Im Gegenzug will er dafür die Unterstützung von der SP im Fall eines Rücktritts von Hans-Rudolf Merz (FDP) im Herbst. Wird dieser Deal funktionieren? Christoph Blocher: Ganz so hart hat er das nicht gesagt. Gemäss den Zahlen ist der Anspruch der SP an sich besser ausgewiesen als jener der FDP. Aber die SP ist auch die Partei, die in den letzten Jahren die Konkordanz nicht ernst genommen hat. Sie hat Eveline Widmer- Schlumpf vorgeschlagen und zusammen mit den Grünen gewählt. Insofern hat die SP mit ihr eine Vertreterin im Bundesrat, denn unsere ist sie nicht. Sie kann nicht einfach sagen, ihr Sitz gehöre zur SVP, denn sie ist in einer anderen Partei. Wir werden sehen, ob die FDP lieber mit den Linken geht oder mit uns. Wenn sie das nicht macht– und die CVP auch nicht –, dann ist auch das möglich, was Toni Brunner vorschlägt. In dem Fall heisst es: Der beste Anspruch ist bei uns ausgewiesen, danach kommt die SP. Aber dann muss eine der anderen Parteien einen Sitz preisgeben und/oder Eveline Widmer-Schlumpf als ihre Vertreterin anerkennen. Was passiert, wenn Merz nicht zurücktritt? Christoph Blocher: Ich nehme sogar an, dass er das nicht tun wird. Der bleibt bis 2011, er ist ja für 4 Jahre gewählt. Leuenberger wäre auch für 4 Jahre gewählt, der hätte ebenfalls bleiben müssen. Natürlich hätte er von mir aus auch schon früher gehen können, aber an sich ist es nicht in Ordnung, wenn ein Bundesrat ausserterminlich zurücktritt. Aber es ist offenbar üblich geworden, dass man als Bundesrat sagt, ich gehe, wenn es mir stinkt. «Ich nehme an, dass Merz nicht zurücktritt» Aber es wäre doch von Vorteil für die SVP, wenn Merz im Herbst ginge? Christoph Blocher: Ja natürlich, aber wir können nicht darauf schauen. Es wird interessant. Diese Bundesratswahlen zeigen, ob die Mitteparteien lieber mit der SVP oder mit den Linken gehen wollen. Was ist Ihr dringlichstes Anliegen für die Schweiz zum Nationalfeiertag 2010? Christoph Blocher: Zu den Staatssäulen stehen, sich selbst treu bleiben und nicht umfallen, auch wenn von aussen Druck ausgeübt wird. Wir sind nicht so schwach, als dass wir nicht hinstehen und sagen können, wir wollen diese Staatsform. Wenn man das entschieden genug sagt, dann wird man auch gehört.

11.07.2010

Baader ist standhaft und hat einen hervorragenden Leistungsausweis

Nach dem Rücktritt von BR Leuenberger: Interview mit der «SonntagsZeitung» vom 11. Juli 2010 mit Andreas Windlinger Die SVP will den SP-Sitz angreifen. Haben Sie sich von der Konkordanz verabschiedet? Im Gegenteil: Konkordanz bedeutet, dass die drei grossen Parteien je zwei Sitze und die kleinste einen Sitz im Bundesrat hat. Die SVP mit 29 % Wähleranteil ist als weitaus grösste Partei mit nur einem Vertreter in der Regierung! Die SP hat nur 19 % Wähleranteil und will deren zwei. In dieser Logik müssten Sie aber bei einem Merz-Rücktritt der SP auf Kosten der FDP wieder zum zweiten Sitz verhelfen. In der Tat hat die SP den grösseren Wähleranteil als die FDP. Gegenüber der SVP sind aber beide übervertreten. Wenn die SVP der SP einen Sitz wegnimmt, ist das linksgrüne Lager mit total 30 Prozent Wähleranteil genauso untervertreten wie heute die SVP. Die SP ist eine Partei und die Grünen eine andere. 2007 haben SP und Grüne mit Teilen der CVP die heutige EJPD-Vorsteherin vorgeschlagen und gegen die geschlossene SVP gewählt. Frau Widmer-Schlumpf ist doch keine linke Politikern. Plötzlich gehören linke Kandidatinnen nicht mehr zur Linken! Die Parteien tragen die Verantwortung für ihre Kandidaten. Wie auch immer: Die Reaktionen der Mitteparteien auf die SVP-Kampfansage sind zurückhaltend bis ablehnend. Die Mitteparteien müssen sich nun eben entscheiden: Es geht um eine Weichenstellung: Wollen sie mit der Linken gehen oder mit der bürgerlichen SVP? Diese Entscheidung hat auch ihre Bedeutung für die Wahlen 2011. Die Chancen, dass Ihre Forderung erfüllt wird, sind gering. Die eigentliche Diskussion hat noch nicht begonnen. Die heutige Misere im Bundesrat liegt vor allem daran, dass die Bundesratswahlen liederlich vonstatten gehen und die Parteien ihre Verantwortung nicht wahrnehmen. Ihre Drohungen werden die anderen Parteien kaum beeindrucken. Sollten die Mitteparteien der SVP den berechtigen Anspruch auf einen zweiten Sitz verwehren, dann tragen sie die Verantwortung dafür : Wenn der Anspruch der grössten Partei, die gegen einen Drittel der Bürger hinter sich hat, und allein gegen die Missstände in der Ausländerkriminalität und für die Unabhängigkeit der Schweiz antritt, nicht berücksichtigt wird, dann haben die Wähler bei den Parlamentswahlen 2011 die Gelegenheit, dies zu korrigieren. Treten Sie selber an, wenn es um die Leuenberger-Nachfolge geht? Bei der Nachfolge von Samuel Schmid hat die SVP mich nochmals vorgeschlagen. Ich trat an, um die Bereitschaft zu zeigen. Das Parlament wollte das nicht, das wird sich kaum geändert haben. Wer soll für die SVP kandidieren? Im Vordergrund steht Fraktionschef Caspar Baader. Er ist standhaft und hat einen hervorragenden Leistungsausweis. Unter anderem bringt er grosse Kenntnisse in den Steuerstreitfragen mit dem Ausland mit. Es braucht noch viel Überzeugungsarbeit, damit er Ja sagt. Muss das Uvek nun in bürgerliche Hände? Gegensteuer zur Politik von Leuenberger wäre wichtig. Seine Verkehrs- und Klimapolitik hat zu höheren Steuern, Abgaben, Gebühren und Strompreisen geführt. Gegen die voraussehbaren Energieengpässe wurden vor allem Kongresse und viel Papier produziert. Zudem sollte jetzt endlich die SRG zum Sparen und zu mehr Meinungsvielfalt angehalten werden. Einfach einen Bürgerlichen ins Uvek zu wählen, genügt aber nicht. Der neue Departementschef müsste aber die Kraft haben, der Linken die Stirn zu bieten. Soll Ueli Maurer das Uvek übernehmen? Das steht nicht im Vordergrund. Er ist ja erst seit anderthalb Jahren im Amt. Die Fehlentwicklungen bei der Armee zu korrigieren ist eine ebenso wichtige Aufgabe. In letzter Zeit mehren sich die Stimmen, die einen neuen Anlauf für den EWR-Beitritt fordern. Was sagen Sie dazu? Der EWR-Vertrag ist ein Kolonialvertrag mit der EU. Wer ihn will, meint in Tat und Wahrheit den EU-Beitritt. Eine erneute EWR-Abstimmung würden wir gewiss nicht scheuen! So oder so: Der Druck der EU auf die Schweiz wächst, in irgendeiner Art automatisch das neue EU-Recht zu übernehmen. Von Druck kann man nicht reden. Die SVP nimmt die Schweiz ernst, da kann man nicht jeden Wunsch des Auslands erfüllen. Wir brauchen keine weiteren Verträge mit der EU. Die SVP ist nicht bereit, die Schweiz in ihrer guten Position zu schwächen.

01.07.2010

Il était un patriot Suisse

Le Matin, Première Juillet 2010 - Déclaration sur la mort de Nicolas Hayek «Nicolas Hayek et moi, nous nous connaissions depuis plus de 40 ans. Entrepreneurs tous les deux, nous avons eu des parcours assez proches. En 1983, j’ai racheté EMS-Chimie pour sauver une industrie en difficulté. Peu de temps après, M. Hayek s’est investi pour la sauvegarde de l’horlogerie suisse. A l’époque, nous avons eu des contacts réguliers. Par la suite, il a souvent lutté à mes côtés. Il me disait : «Je suis avec vous. C’est très bien d’avoir des entrepreneurs en politique ». Nous n’étions pas d’accord sur tout. Mais, comme moi, il était favorable à la souveraineté de la Suisse et opposé à une entrée dans l’Union Européenne. Il était un patriot Suisse. Notre dernier combat ensemble remonte à l’année passée. Il m’a écrit une lettre enflammée pour me dire que la Suisse allait droit à la faillite si rien n’était fait contre les trop grosses banques. Je lui ai dit que je partageais son point de vue. Nous avons alors décidé d’organiser une conférence de presse ensemble. Il m’a dit qu’il tâcherait de convaincre d’autres entrepreneurs de se joindre à nous. Je lui ai dit : « M. Hayek, si vous arrivez à persuader dix entrepreneurs de venir, je vous offre du vin jusqu’à la fin de vos jours !» Plus tard, il m’a avoué qu’il n’en avait pas trouvé un seul. Alors, nous avons fait la conférence tous les deux, avec M. Levrat. Puis on a bu une bonne bouteille ensemble, et c’est lui qui l’a payée ! Cette anecdote montre bien quel genre d’homme était Nicolas Hayek. Lorsque quelque chose lui déplaisait, il n’hésitait jamais à décrocher son téléphone. Il avait un style direct, souvent impulsif. C’était un entrepreneur engagé qui s’impliquait avec le cœur, la tête, le corps. »

01.07.2010

Wie Christoph Blocher (69) zum Jungjäger wurde

Interview von Karl Lüönd für die Zeitschrift «Jagd & und Natur» in der Juli-Ausgabe 2010 90 Kandidaten, ein Viertel davon Frauen, sind dieses Frühjahr zur Vorarlberger Jägerprüfung angetreten, 60 haben bestanden, darunter auch alt Bundesrat Dr. Christoph Blocher (69). «Der Lehrstoff war fast umfassender als beim juristischen Doktorexamen,» sagte er hinterher. Der prominente Politiker will in Zukunft im Montafon jagen. «Aufgefallen ist er am Anfang schon,» erinnert sich Jörg Gerstendörfer, Leiter der Vorarlberger Jägerschule. «Nicht nur wegen seines Jahrgangs, sondern weil er meist in Anzug und Krawatte kam. Aber er hat sich sofort toll integriert und war bald mit allen per Du.» Besonders beeindruckt hat den Schulleiter, dass Christoph Blocher auch auf den meisten Exkursionen und Anschuss-Seminaren dabei war, sogar an den Erste-Hilfe-Kurse, die er als ehemaliger Offizier nicht mehr hätte mitmachen müssen. Der Kurs umfasst immerhin rund 25 Abende mit je vier Lektionen, dazu je zwei Stunden Hin- und Rückfahrt. Gelernt hat Christoph Blocher vor der Prüfung vor allem am frühen Morgen. «Ich bin einfach zwei Stunden früher aufgestanden, dafür weiss ich jetzt, wie viele Eier das Rebhuhn legt.» Warum Vorarlberg? Christoph Blocher sagte im Gespräch mit J&N: «Weil ich im Vorarlberg zur Jagd gekommen bin, und weil ich voraussichtlich dort weidwerken werde. Und weil ich genau die gleichen Bedingungen erfüllen wollte wie die anderen Jäger dort auch, habe ich den Vorarlberger Kurs gebucht. Ich wollte keinerlei Sonderrechte. Mancher Teilnehmer hat sich darüber gewundert, und mehr als einer hat mir nachher beim Bier gesagt: Unsere Politiker hätten sich diese Mühe sicher nicht gemacht, sondern wären auf andere Weise zum Jagdschein gekommen...» Vor fünfzehn Jahren hat Christoph Blocher, der als Luftschutzoberst immer ein guter Schütze gewesen ist, auf Gästekarte sein erstes Tier erlegt, einen Rehbock im Silbertal. «Wir hatten gepirscht, ich lag im Gras, das Tier lag sofort.» Kurz nachher folgte seine erste Gams. Dies alles geschah im Revier Gafluna im Silbertal hinter Schruns, das seit mehr als zwei Jahrzehnten von den Zürcher Pächtern Walter Frey (alt Nationalrat) und Prof. Franz (Schurle) Rhomberg bewirtschaftet wird. Blocher hatte Walter Frey zur Politik gebracht, Autoimporteur Frey begeisterte ihn im Gegenzug für die Jagd. «Prüfung ablegen war Ehrensache!» «Was als Versuch und Ferienplausch angefangen hatte, wurde bald zur Passion. Es hat mich nicht nur interessiert, zu schiessen, sondern ich beobachte auch gern und lerne gern etwas über Tier und Natur. Schliesslich wurde es für mich zur Ehrensache, dass ich wie alle anderen auch die Prüfung ablegte. Ob Blocher nun in der Gafluna zum Mitpächter aufsteigt, ist noch offen. Dass er auch noch die Zürcher Jägerprüfung ablegen wird, ist aus heutiger Sicht eher unwahrscheinlich, «aber wenn sich die konkrete Frage stellt, würde ich es mir überlegen,» sagt der Mann, der seit Jahren die Schweizer Politik bewegt wie kaum ein zweiter. «Erlegen kommt etwa an vierter Stelle.» Was sieht der frisch brevetierte Jungjäger Blocher heute anders als früher, als er noch als unbewaffneter Berggänger unterwegs war? «Als Laie hatte man den Eindruck, es gehe bei der Jagd vor allem um das Erlegen. Jetzt weiss ich, dass das erst etwa an vierter Stelle kommt. Die Zusammenhänge zwischen Wald und Wild, die Hege, der Landschaftsschutz und die Rücksicht auf andere Nutzer, vor allem die Sicherheit, sind wichtiger. Ich habe gespürt und war auch beeindruckt, wie ernst es die Jäger nehmen und wie wichtig ihre Rolle im Naturkreislauf ist; das ist für den Laien nicht so ersichtlich. Auch die Zusammenarbeit zwischen Jägern, Förstern, Landwirten und Naturschützer sehe ich heute viel breiter.» Von Christoph Blocher ist bekannt, dass er jeden Morgen seine sechs Kilometer läuft – ideale Voraussetzungen für einen bewegungsfreudigen Jagdhund! Wie steht es damit? «Unser Jagdaufseher hat einen Kleinen Münsterländer. Bei mir ist das Problem halt, dass ich immer noch aktiv und deshalb bei weitem nicht immer zuhause bin.» Und ins Bundeshaus müsste Christoph Blocher, um seinen Stil zu wahren, eher einen scharfen Terrier mitnehmen...