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19.11.2009

«Ich sass hin, eine Nacht lang»

Interview in der «Weltwoche» vom 19. November 2009 mit Urs Gehriger VBS-Chef Ueli Maurer fordert 700 Millionen Franken mehr für die Armee. Sie erteilen dem Verlangen eine brüske Absage. Kein Rappen über Budget dürfe gesprochen werden. Trauen Sie Ihrem Bundesrat nicht? Ein Problem zu lösen mit mehr Geld, ist immer am einfachsten. Gibt man in der Bundesverwaltung einen Auftrag, kommt die Antwort wie von einem Roboter: Ich brauche mehr Geld und mehr Leute. Für mich als Industrieller heisst es stets: Auftrag ausführen mit mehr Erfolg bei niedrigeren Kosten. Die SVP-Parteileitung will also den eigenen Bundesrat disziplinieren? Das Parlament muss den Bundesrat endlich zwingen, Konzeptionen vorzulegen und mit den budgetierten Mitteln zu haushalten. Es sind immerhin 4 Milliarden Franken pro Jahr. Bundesrat Maurer bezeichnet ihre Vorgabe als „realitätsfremd“. Vor seiner Wahl hatte BR Maurer das VBS als „Sauladen“ bezeichnet. Heute konstatiert er, der Zustand sei schlimmer, als er früher geglaubt habe. Viele Fehlinvestitionen und zu vieles funktioniert nicht. Wo man soviel falsch machen konnte, ist zuviel Geld vorhanden. Zuviel für das Falsche - zuwenig für das Richtige. Was gibt es für Varianten um mit einem Kostendach von 4 Milliarden das Land zu verteidigen? Welche dieser Varianten ist die beste? Wenn dies – immer in bezug auf künftige Bedrohungen – gemacht wird, dann kann entschieden werden. Auch die Militärexperten ihrer Partei wehren sich. Nationalrat Roland Borer zum Beispiel bezeichnet ihr Armee-Papier  als „Luftheuler“. Mir hat er das nicht gesagt. Die Kritiker Borer und Thomas Hurter wollen jetzt sofort ein neues Kampfflugzeug. Diesen Entscheid jetzt zu fällen, ist verfrüht. Eine weitere, kleinere Minderheit in unserer Partei will der Armee soviel Geld geben, wie das VBS fordert!  Das ist fahrlässig. Wer ein Unternehmen so führt, macht Konkurs. Sie orten im VBS einen „Speckgürtel“ von 20 Prozent. Wie kommen Sie auf die Zahl? Zu meiner Zeit als Bundesrat verordnete ich meinem Departement eine Kostensenkung von mindestens 20 Prozent. Schlussendlich reduzierten wir  um 22 Prozent, ohne eine Leistung abzubauen. Das ist auch im VBS mit gezieltem Vorgehen möglich. Einige Sparideen haben sie bereits in die Runde geworfen: Die „Abschaffung des VBS“ zum Beispiel, oder der „Verkauf aller Armee-Liegenschaften“. Ist das Ihr Ernst? Zuerst muss man mit extremen Vorgaben  arbeiten. Mehr Armee – weniger VBS mit dezentralen Strukturen ist ernsthaft zu prüfen. Es sind Impulse. Viel anderes ist auch zu prüfen: Immer mit dem Ziel: mehr Wirkung und weniger Kosten. Das müssen heute Tausende von Betrieben tun. Warum nicht die Bundesverwaltung? Bevor man solche Varianten ausarbeiten kann, muss man sich über die Bedrohungen im Klaren sein. Wo orten Sie die Feinde der Schweiz? Richtig. Was sind die künftigen Bedrohungen? Wie der künftige Krieg aussieht, weiss man immer erst im Nachhinein. Er wird jedenfalls anders sein als früher. Es geht aber auch in Zukunft um Macht, Geld, Kommerz, Terrorismus, Öl, Wasser, Geschichte, Freiheits- und Selbstbestimmungsdrang von Minderheiten mit religiösen, politischen und ethnischem Hintergrund. Dabei liegen die internationale Kriminalität, mafiaähnliche Strukturen, bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen, terroristische Überraschungen als mögliche Gefahren auf der Hand. Wie wappnet man sich gegen solche Gefahren? Indem man viel Erdenkliches übt, um dann die Überraschung besser bestehen zu können. Zuerst ist die Polizei am Zug. Wenn sie an ihr Limit gelangt, braucht man Soldaten. Gut ausgerüstete Soldaten zur Beobachtung, Überwachung, Bewachung. Leute, die im bekannten Raum, die Menschen vor heute Unbekanntem schützen können. Das heisst, üben von Ortskampf, Abschreckung, Abwehr, Verteidigung. Eine Art moderne territoriale Infanterie. Dafür eignet sich am besten die Milizarmee: Wenn man sie nicht braucht, ist sie zu hause. Wenn man sich braucht, kann sie innert Kürze in grosser Zahl aufgeboten werden. Sie ist: Integriert in die Wirtschaft und Gesellschaft. Ortskundig. Die Bilanz der hochtechnischen Armeen der Nachkriegszeit ist für Angriffsarmeen bescheiden. Ganz zu schweigen für eine Verteidigungsarmee. Ein Abbau drängt sich auf, bedingt durch die demographische Entwicklung. Wir haben doch heute nicht weniger Leute als im Zweiten Weltkrieg. Aber wenn man Wehrpflichtige so grosszügig ausmustert wie in den letzten Jahren und Dienstunwillige in den Zivildienst entlässt, dann fehlt es natürlich an Soldaten. Die Geburtenrate ist rückläufig. Entsprechend muss die Armee personell und finanziell reduziert werden. Das ist ein Beschluss des Bundesrates vom November 2008. Diesen Entscheid hat ex-VBS-Chef Samuel Schmid vor seinem Rücktritt noch durchgedrückt, ohne jede gründliche Grundlage. Natürlich hat man nicht nur von den möglichen realistischen Bedrohungen, sondern auch von den möglichen personellen und finanziellen Mitteln auszugehen. Und wie wehrt sich die Armee gegen Terroristen? Indem wir unsere Stärke ausspielen. Wir kennen unser Land. Die Entwicklung gilt es dauernd zu beobachten. Nachrichten zu sammeln. Hören, sehen, vorbeugen. Das Gelände ist unser bester Verbündeter. Wenn wir die modernen Kriege ansehen, stellt man fest, dass der Heimvorteil kriegsentscheidend sein kann. Darum müssen wir an Ort das mögliche Geschehen im eigenen Land üben, und nicht in Sizilien und Amerika. Ganz wichtig ist die bewaffnete Neutralität. Durch die Neutralität werden wir weniger zum Angriffsziel. Gerade auch gegenüber Terroristen. Es gibt Kräfte in unserer politischen und militärischen Elite, die die Neutralität beseitigen wollen. Sie halten nur noch verbal daran fest. Wie Bundesrat Maurer fordern Sie für die Schweiz die beste Armee der Welt. Ist das nicht etwas hoch gegriffen? Nein, aber sie ist im Positionspapier präzisiert. Sie muss nicht in Amerika oder in Afghanistan die beste sein, sondern „die beste Armee der Welt zur Verteidigung des unabhängigen und neutralen Kleinstaates Schweiz.“ Nur dann schreckt sie einen Gegner ab. Gibt es ein historisches Vorbild für diese „beste Armee“? Alle kleinen Armeen, die in der Geschichte im Land gewonnen haben. Die spektakulärste ist wohl der Vietkong. Der Vietkong operierte mit simplen, aber effektiven Mitteln. Ich war in diesen unterirdischen Gängen und dem KP von Ho Chi Minh. Gänge, die sich trichterförmig verengen, so dass die korpulenteren Amerikaner, aber nicht die Vietnamesen, darin stecken blieben. Der Kampf mit einfachsten Mitteln unter Ausnützung der lokalen Verhältnisse und der Schwäche des Gegners. Aber auch die Schweizer Armee im Zweiten Weltkrieg: Die Armee im Gebirge, das den Gegner abschreckte. Die Dissuasion hat gespielt. Wie viele Soldaten braucht die Armee, die Ihnen vorschwebt? Diese Frage muss ich jetzt nicht beantworten. Im Friedensfall hat man immer zuviel und im Ernstfall immer zu wenig. Was wieder für die Milizarmee spricht. Wir erwarten Antworten mit unserem Vorstoss. Es gibt Varianten. Eine Armee die quer über die Schweiz an allen Ecken und Enden platziert ist? Sie muss im Stande sein, Gefährdungen, die an mehreren Orten gleichzeitig erfolgen, abzuwehren. Eine Armee die so mobil ist, die man von Zürich nach Genf verschieben kann,  funktioniert, wenn es nicht in Genf und Zürich gleichzeitig losgeht. Ein asymmetrischer Gegner schlägt jedoch häufig an verschiedenen Orten zu. Aber ich will nichts vorwegnehmen. Die Konzeptionsvarianten zur künftigen Verteidigung soll nun der Bundesrat vorlegen. Mit dem Papier haben Sie sich sozusagen als Schatten-Militärminister positioniert und die Armee-Debatte in eine neue Richtung gelenkt. Was ist ihr Motiv? Es geht mir um eine Belebung der Debatte. Als ich nach 14 Tagen – abgeschnitten von der Welt – aus Nordkorea heimkam, traf ich ein riesiges Durcheinander an, auch in der eigenen Partei. Die einen riefen: „Kampfflugzeuge sofort!“ Andere meinten: „Kosten senken, keine Flieger!“ Dann las ich in der Zeitung, Bundesrat Maurer habe beantragt, keine Kampfflieger zu beschaffen. Der Bundesrat habe ihn im Stich gelassen und auf der Flugzeugbeschaffung beharrt, ohne jedoch dafür die nötigen Finanzmittel zu sprechen. Schliesslich habe die Sicherheitspolitische Kommission (SIK) neue Kampflugzeuge und mehr Geld verlangt. Da sagte ich mir: Jetzt ist ein geordnetes Vorgehen am Platz. Dann sind Sie hingesessen und haben das Armee-Papier verfasst? Ich sass hin, eine Nacht lang, und habe einen ersten Entwurf eines Positionspapieres geschrieben. Dieses sendete ich den Verantwortlichen in der Partei. An einem Sonntag, Anfang November, morgens um 8 Uhr, trafen wir uns. Mit dabei: der Partei- und Fraktionspräsident, der Parteisekretär, ein Mitglied der SIK und selbstverständlich auch unser Bundesrat. Das Papier wurde bereinigt. Ein zweiter Entwurf wurde der Parteileitung zur Stellungnahme unterbreitet. Ein 3. Entwurf entstand. Dann beschloss die Parteileitung. Es folgte die Orientierung der SIK- und der Finanzkommissionsmitglieder. Das Papier wurde verdeutlicht. Dann der Presse vorgestellt, damit es in der Öffentlichkeit frei diskutiert werden konnte. Schliesslich wurde es von der Fraktion mit vier Gegenstimmen verabschiedet. Was ist hier auszusetzen? Bundesrat Maurer war von Beginn weg eingeweiht? Selbstverständlich. Wir arbeiten mit offenem Visier. Das gilt vor allem auch, wenn man unterschiedlicher Meinung ist. Niemand verlangte von Ueli Maurer, dass er dem Papier zustimme. Das ist seine Sache. Aber wir wollten seine Meinung hören. Natürlich will er mehr Geld. Aber er erklärte in der Fraktion, er könne mit diesem Positionspapier leben, und er habe die Untersuchungen über Varianten bereits in Auftrag gegeben. Die ganze Aktion ist also kein Rückenschuss auf Maurer, sondern ein taktischer Schachzug: Indem Sie das VBS in ein Budgetkorsett zwingen, bringen Sie die Mitteparteien in Zugzwang. Wir können niemanden von der Entscheidung dispensieren. Die Sozialdemokraten und Grünen klammere ich aus. Sie sind ja nicht für die Armee. Aber FDP und CVP, aber auch die SVP selbst, müssen sich dann entscheiden: Wenn sie tatsächlich der Meinung sind, 4 Milliarden seien zuwenig, müssen sie mehr Geld sprechen. Aber auch sagen, wo sie es auftreiben wollen. Ich bin der Meinung, bei guter Führungsarbeit kommt man mit 4 Milliarden durch. In Ihrer Partei scheint die Stossrichtung der Sparübung bereits vorgezeichnet: Fraktionschef Baader zum Beispiel hat gesagt, durch die Streichung der Auslandeinsätze könnten 300 Millionen gespart werden. Gibt es überhaupt Auslandeinsätze, die Sie befürworten? Das alles sind Impulse und Varianten. Sie müssen sicher geprüft werden. Ich war immer der Meinung, dass Schweizer Armeeeinsätze im Ausland nichts bringen. Sie sind ein Leerlauf. Die Interventionseinsätze aller Länder sind weltweit gescheitert. Sie sehen keinen Sinn in friedenserhaltenden Einsätzen? Ausser dem schönen Namen machen sie keinen Sinn.

05.11.2009

Wanderferien in Nordkorea

Ein Reisebericht von Christoph Blocher in der Weltwoche vom 5. November 2009 Die kommunistische Diktatur Nordkorea lebt im permanenten Kriegszustand. Wie die Schweiz möchte auch die asiatische Halbinsel ihre Unabhängigkeit behaupten. Wenn die armen Nordkoreaner nur den Sozialismus überwinden könnten. Ein Reisebericht. Von Christoph Blocher Viel – sehr viel – wird über Nordkorea geschrieben und gesprochen. Eigenartig, dass fast jedermann dieses für asiatische Verhältnisse doch eher kleine Land mit 22 Millionen Einwohnern, das etwa dreimal so gross wie die Schweiz ist, mindestens dem Namen nach kennt. Bekannt sind vor allem die Anstrengungen, die das kommunistische und diktatorische Land unternimmt, um Atomwaffen zu entwickeln. Weil Nordkorea aber nach aussen streng abgeschottet ist, ranken sich Urteile, Vorurteile, Geheimnisse und Vermutungen wie ein dichtes Geflecht um dieses weit weg liegende Unbekannte. Was liegt also näher, als dieses Geheimnis selbst zu lüften, einmal hinzugehen und zu schauen, mit eigenen offenen Augen! Vor unserem Abflug erreicht mich eine SMS eines witzigen Menschen aus der Schweiz: «Wir wünschen gute Reise – das Lösegeld ist bereitgestellt.» Meine Antwort: «Was soll schon einem abgewählten Bundesrat aus unserem konsequent neutralen Kleinstaat geschehen können?» Doch mindestens eine Gemeinsamkeit zwischen Nordkorea und der Schweiz stelle ich fest: Beide Länder möchten ihre Selbständigkeit wahren und streben eine sichere Zukunft an. Unterwegs mit Ulrich Ochsenbein  So fahre ich denn hin, zusammen mit meiner Frau und unserer jüngsten Tochter. Wir melden uns beim lokalen Reise-Forum Meilen,  und schliesslich ergibt sich eine Reisegruppe von zehn Personen, die sich anfänglich nicht kennen und die sich aufmachen, um dieses Land während zehn Tagen zu erkunden. Sehen, hören und erleben – möglichst ausserhalb des Inszenierten den Alltag sehen! Als Industrieller, aber auch als ehemaliger Bundesrat weiss ich: Bei offiziellen Besuchen kann man ein Land nicht wirklich sehen und nicht erfassen: viele offizielle Gespräche, Empfänge, Besuche von ausserordentlichen Sehenswürdigkeiten, von Firmen, die man für diesen Besuch zurechtgemacht hat – die besten Seiten eines Landes stehen im Vordergrund. Doch da es für Nordkorea ein Visum braucht, wurde ich von offizieller Seite schon vor meiner Abreise erkannt, so dass Besuche bei der Regierung unausweichlich wurden, die dann den Eindruck aus dem Alltag auch sinnvoll ergänzten. Also: Flug über Peking in die Hauptstadt Pjöngjang, von dort mit dem Bus über Nampho nach Südwesten, dann in den Süden nach Kaesong und Panmunjon an der Demarkationslinie zwischen Nord- und Südkorea und auf anderem Weg zurück nach Pjöngjang. Mit der Air Koryo auch in den Norden, ins Chilbo-Gebirge. Dort schöne Herbstwanderungen hoch über dem Ostmeer. Stets sind wir begleitet von Reiseführern, Übersetzern, Beobachtern und einem Videofilmer. Am Schluss folgt die vierundzwanzigstündige Zugfahrt von Pjöngjang über die Grenze nach Peking. In der Hauptstadt – selbstverständlich sind nur die repräsentativen Quartiere und Strassen für uns frei – herrschen ordentliche Verhältnisse. Die Strassen sind sauber, die Koreaner, alle sauber und anständig gekleidet, sind zu Fuss unterwegs. Das Volk marschiert. Es gibt wenige Autos oder Fahrräder, selten Busse, die ausnahmslos vollgestopft sind. Sich allein oder sich im Freien zu bewegen, ist in diesem Lande nicht möglich. Für alles braucht es Bewilligungen, auch zum Fotografieren und zum Verlassen des Hotels. Unser Hotel entspricht westlichen Standards, hat aber nur wenige Gäste. Ausserhalb der Stadt sind die Unterkünfte sehr einfach. Vieles funktioniert schlecht oder gar nicht. Vor allem die Versorgung des Landes mit Elektrizität ist sehr mangelhaft. So liege ich denn oft in vielen langen Nachtstunden am Boden auf harten Matten oder im Zugabteil in einem leider ungeheizten Wagen, meist etwas frierend und mangels Strom mit der Taschenlampe lesend. Alle reichlich mitgeführten Batterien und Reservelampen werden als «Leselämpchen» schliesslich aufgebraucht. Wie immer auf solchen Reisen habe ich auch diesmal Literatur aus der Schweiz bei mir, um mit dem Heimweh besser fertig zu werden. Diesmal die vor kurzem erschienene sechshundertseitige Biografie von Rolf Holenstein über Ulrich Ochsenbein (1811–1890), den – wie es der Verfasser nennt – «Erfinder der modernen Schweiz». Unabhängigkeit und Neutralität So liege ich also im Norden Nordkoreas, auch dort in den Bergen – nahe der Stelle, wo unterirdische Kernwaffen-Versuche durchgeführt wurden –, in einem Land, das ganz auf Verteidigung, Unabhängigkeit und die eigene Sicherheit konzentriert ist. Und lese die spannende Geschichte der Schweizerischen Eidgenossenschaft von 1848, als die Schweiz – nicht zuletzt dank Ochsenbeins Weitblick und dank seiner «Starrköpfigkeit» (wie dies seine Gegner meinten) – die Unabhängigkeit und die Neutralität gegen alle Einmischungen der europäischen Grossmächte und gegen die Kriegsdrohungen Frankreichs, Deutschlands und Österreichs einen Weg zum demokratischen, freiheitlichen und föderalistischen Kleinstaat durchsetzte. Wie standhaft war man doch 1848 gegenüber den europäischen Grossmächten und wie kleinmütig gebärdet sich die heutige Classe politique! Die Bedrohungen damals waren weit gravierender als die heutigen, aber die Persönlichkeiten wohl auch um einiges stärker. So lese ich, bis mich der einbrechende Morgen wieder in die nordkoreanische Wirklichkeit zurückbringt: Um sechs Uhr früh erschallen – wie überall in den koreanischen Dörfern – die Lautsprecher, welche die Koreaner mit Marschmusik und aufmunternder Stimme zur Tagwache rufen und die Bürger bitten, nun aufzustehen, den Morgen zu geniessen und sich aufzumachen, um an der Reisernte teilzunehmen. Natürlich fehlt auch eine Ode an den Grossen Führer nicht, dank dem Korea eine friedliche Ernte durchführen könne. Ihm verdankt das Volk alles. Alle sind gefordert, nicht nur Bauern, auch Arbeiter, Büroangestellte, Soldaten, alle. So sieht man auch in den Strassen der Städte manche zierlich gekleideten, irgendwo in einem Büro tätigen Sekretärinnen in Gummistiefeln mit der Sichel in der Hand auf dem Weg zu den zugewiesenen Reisfeldern, wo sie zu Hunderten Reis mähen, bündeln und die Reispuppen zum Trocknen aufschichten. Die durch und durch sozialistische Planwirtschaft mit ihrer auf den ersten Blick zu erkennenden gewohnten mangelhaften Produktivität arbeitet in diesen Tagen am Hauptproblem des Landes: an der Ernährung der Bevölkerung. Diese ist ungenügend, was auf den ersten Blick erkennbar wird: Die Menschen sind alle sehr schlank. Sorgsam wird jedes Körnchen Reis aufgelesen. Aber – so denke ich – wie leicht liesse sich das ändern, wenn die sozialistische Planwirtschaft aufgehoben und durch die Privatinitiative mit Privateigentum und Eigenverantwortung ersetzt würde. Aber: weit und breit kein Ulrich Ochsenbein, der zu einer Umkehr aufriefe und dies bewerkstelligen könnte. Minister und höhere Beamte fragen mich: «Was würden Sie denn als weltweit tätiger Unternehmer tun, um die Wirtschaft zu verbessern? Was glauben Sie denn, was man hier produzieren sollte?» Meine Antwort lautet: «Diese Frage ist zu früh gestellt. Bevor man weiss, was man produzieren will, muss man fragen, was man produzieren kann. Zuerst müsste man das Land zu einer marktwirtschaftlichen, eigenverantwortlichen, dezentralen Wirtschaft öffnen. Dann wird es genügend Leute und Investoren geben, die hier investieren, produzieren und verkaufen.» Korea verfüge doch über fleissige und initiative Leute, was ich bereits nach wenigen Tagen gut habe beobachten können. Auch in die Schule gehen sie, und das Land legt zu Recht grossen Wert auf eine gute Ausbildung. «Aber sehen Sie», so fahre ich fort, «da muss zuerst der Sozialismus überwunden werden.» Ich sei überzeugt, dass Nordkorea, würde es den Weg der Chinesen in den achtziger Jahren gehen, in zwanzig Jahren ebenso hervorragend dastünde. Die Antwort des Ministers ist schlagfertig: «Aber wir wollen doch nicht zwanzig Jahre warten!» Ob er es ernst meint, wird nicht ganz klar. Auf meine Frage, was denn Korea zu tun gedenke, folgt die Antwort: «Der grosse Schub passiert 2012. Das ist das hundertste Jahr seit der Geburt des Grossen Führers, Kim Il Sung. Da wird die Wirtschaft einen ausserordentlichen Aufschwung erleben.» Auf meine Frage, wie sie dies denn umsetzen wollten, kam die gut vorbereitete Antwort: Schon heute würden die Leute mit Programmen in den Schulen, mit Liedern und Musik in der Öffentlichkeit in eine gute Stimmung gebracht, damit sie aufgemuntert diese Mehrleistungen erbringen könnten. Land voller Soldaten Nordkorea ist ein Land voller Soldaten. Das Militär dominiert. Nicht nur als Armee, die das Land mit Waffen verteidigt. Sie wird auch eingesetzt zur Errichtung von Bauten, zur Verbesserung von Strassen, für die Reisernte, zu Polizeidiensten. Nordkorea ist ein durch und durch organisiertes Land. Es stehe ja – so sieht man es überall – im Krieg. Auch Schulen, Festspiele, die Musik – alles hat etwas Militärisches. Warum denn? Ohne Kenntnis der Geschichte und ohne Kenntnis der besonderen Lage ist diese Militarisierung nicht zu verstehen. All dies als lächerlich abzutun undals Auswuchs einer Diktatur zu begründen, greift zu kurz. Man schaue sich Nordkorea auf der Karte an. Das Land ragt als Halbinsel aus dem Festland. Im Norden das mächtige China und das mächtige Russland. Beides Atommächte. Im Süden – durch eine entmilitarisierte Zone abgetrennt – liegt Südkorea, das im Schutze der Grossmacht USA steht, einer weiteren Atommacht. Zwischen diesen Gebieten herrscht kein Friede, sondern lediglich ein Waffenstillstand. Dabei, so wird immer betont, gehören die beiden Länder zusammen. Man ist für den Zusammenschluss – den friedlichen Zusammenschluss – von Nord- und Südkorea. Im Osten und Westen ladet das offene Meer nicht nur zum Bade. Am nächsten liegt Japan, das Korea während vierzig Jahren kolonialisierte, bis es nach dem Zweiten Weltkrieg – nach dem Atombombenabwurf auf Hiroshima und Nagasaki – bedingungslos kapitulieren musste und gezwungen war, sich aus Korea zurückzuziehen. Die Siegermächte Russland, USA und Grossbritannien teilten Korea am 38. Breitengrad auf – in eine russisch bestimmte Nordzone (Nordkorea) und eine amerikanisch bestimmte Südzone, das heutige Südkorea. Die Beziehungen zu Japan sind schlecht. Auf meine Frage: «Warum denn eigentlich? Die Besetzung liegt doch fünfzig Jahre zurück!», lautet die Antwort eines höheren Regierungsbeamten: «Die Japaner haben sich nie entschuldigt und beanspruchen noch heute eine unserer Inseln.» Ein anderer sagt: «Wir müssen jederzeit mit japanischen und amerikanischen Angriffen rechnen.» Stolz werden ein in den siebziger Jahren gekapertes amerikanisches «Spionageboot» und abgefangene Unterwasserdrohnen als Trophäen in der Hauptstadt vorgezeigt. So wird auch das ganze Volk mit dieser Gefährdung täglich vertraut gemacht. Martialische Plakate der mit Handgranaten bewaffneten Bevölkerung rufen zur Revolution auf: «Zur Verteidigung des alles überragenden Korea». Tatsächlich ist dieses Korea als Zugang zu China und Russland stets bedeutungsvoll gewesen, auch als Schauplatz von Kriegen, Kolonialismus und Besatzungen. Die Sehnsucht nach Unabhängigkeit und Sicherheit kann man deshalb verstehen. Und dass der längst verstorbene Grosse Führer Kim Il Sung als ehemaliger Partisanenkämpfer gegen die japanischen Besetzer und für die Gründung des Staates Nordkorea hoch verehrt wird, wird man auch verstehen können. Dass mit einer wohl einzigartigen Monumentendichte diese Person geradezu vergöttert wird, ist für uns demokratische, freiheitliche und föderalistische Schweizer unverständlich. Allerdings: So besonders ist das nicht. Man hat Ähnliches erlebt mit Stalin, Mao Zedong oder Ho Chi Minh. Man kann die asiatische Mentalität auch nicht ganz ausser Acht lassen. Den Willen zu Unabhängigkeit und Sicherheit, der stark personifiziert ist, kann man aus der Kenntnis der Geschichte, der besonderen geografischen Lage und der Strategie der heutigen Weltmächte gut begreifen. Selbst der Wille, eine Atommacht sein zu wollen, entbehrt nicht jeglicher Logik. Warum sollen eigentlich nur die Grossen Nuklearwaffen besitzen? Atommächte – so wird argumentiert – greifen sich nicht an! Und so denke ich: Haben wir nicht dank des «Gleichgewichts des Schreckens» den Kalten Krieg in Europa glücklicherweise kalt über die Runden gebracht? Zudem: Die Welt spricht zwar von «Nonproliferationsverträgen», d. h. keine Verbreitung von Nuklearwaffen. Aber niemand spricht über einen Verzicht von Atomwaffen. Die heutigen Atommächte wollen diese nämlich behalten. Sozialismus bis zum Untergang Bringt man noch Verständnis für die sicherheitspolitischen Anstrengungen auf, so fehlt dieses für die Innenpolitik, nämlich für die realsozialistische und diktatorisch-zentralistisch durchgesetzte Staatsallmacht. Es gibt keine Zweifel: Nordkorea ist arm. Die Leute müssen untendurch. Es beelendet, wie die Leute – vor allem ausserhalb der Hauptstadt – ihren Lebenskampf bestreiten müssen. Mütter mit ihren Kleinkindern auf dem Rücken suchen in abgeernteten und abgeräumten Reisfeldern nach Reiskörnern und allfälligen Reisähren. Alte Frauen und Männer tragen schwere Lasten mit Holzästen und allerlei Laubranken auf dem Rücken oft kilometerweit nach Hause, als Nahrung für den Ochsen, als Heizung, als Suppenzutat – wer weiss es? Die Industrie ist veraltet. Doch die Leute können nicht vergleichen. Sie wissen nicht, wie die Menschen im Ausland leben. Das Land ist völlig abgeschottet. Es sei eben Krieg, so wird dies begründet. Jeder Koreaner bekommt zwar einen Fernseher vom Staat. Er kann damit aber höchstens drei gleichgeschaltete nordkoreanische staatliche Programme empfangen. Diese beinhalten keine Nachrichten von aussen. Vom Inland wird nur Lobendes gesendet; immer ist der Geliebte Führer Kim Jong Il im Bild. Fast alle gezeigten Filme sind Kriegsfilme. Es gibt kein Internet, keine E-Mail, keine freie Post und keinen freien Telefonverkehr mit dem Ausland. Vergleiche sind so ausgeschlossen. Das Land benötigt dringend wirtschaftliche Entwicklung. Dass dies nur mit marktwirtschaftlichen Grundsätzen, mit Eigentumsgarantie, mit Rechtssicherheit und unternehmerischer Verantwortung und unter Absage an den zentralistischen Interventionismus möglich ist, will man hier noch nicht sehen. Zwar lehnt man den weltweiten Kommunismus à la Sowjetunion für Nordkorea ab. Auch der chinesische Weg, der ja die marktwirtschaftlichen und unternehmerischen Prinzipien nach dem Bankrott der sozialistischen Marktwirtschaft übernommen hat, sei kein Weg für Korea. Man wolle «den koreanischen Kommunismus». Es ist, wenn man das erläutert bekommt, ein «National-Kommunismus». Aber doch eben ein strenger Kommunismus. So strahlen denn auf dem Kim-­Il-­Sung-Platz gegenüber dem Porträt des Grossen Führers die Porträts von Marx und Lenin, während diese Porträts in ihren Heimatländern längst verschwunden sind. Eine Art Entwicklungshilfe Zuweilen erfüllt mich auch Wehmut, und ich halte mich wieder an Rolf Holensteins Ochsenbein-Biografie und bin unseren schweizerischen Vätern, Grossvätern und Urgrossvätern dankbar, dass sie dem süssen Gift des Sozialismus widerstehen konnten. Warum nur konnten sich so viele – sogenannt gescheite – Intellektuelle in unserem Land und in Europa im letzten Jahrhundert für diesen Unsinn begeistern? Sartre beispielsweise oder viele Schweizer Schriftsteller. Die 68er Generation – viele dieser Leute sind heute in unserem Land in Amt und Würden. Der grossartige Theologe Karl Barth, der standhaft dem Nationalsozialismus die Stirn bot – zu den Gräueln des Kommunismus aber schwieg. Es ist zu hoffen, dass Nordkorea eine Öffnung hin zur freien Marktwirtschaft, zu selbstverantwortlichen Bürgern, die selber produzieren, verkaufen und auch für sich Gewinne erzielen können, schafft. Investoren aus der neutralen kleinen Schweiz kämen dann wohl am ehesten in Frage. Korea müsste keine Angst haben, dass es dadurch zur Kolonialisierung käme. Immerhin spricht man auch in Nordkorea bereits heute von Joint Ventures. Doch was das genau sein soll, ist nicht klar zu sehen. Es müsste ja eine Win-win-Situation sein. Das wäre zwar nicht herkömmliche Entwicklungshilfe, die ja bekanntlich wenig nützt, aber es wäre eine Tätigkeit, die dem Land und seiner Entwicklung wirklich helfen würde.

28.10.2009

Blocher wanderte durch Nordkorea

Interview mit S. Reber TagesAnzeiger Online, 28. Oktober 2009 Wie kamen Sie auf dieses Reiseziel? Ich  reise gerne in Ländern, die etwas abgeschlossen sind. Sehen statt nur hören. So war ich schon in China in den frühen 80er-Jahren, in Russland und in der DDR, als diese noch zu war. Und woran leidet das Land nach ihren Eindrücken? Das Problem bei diesen Ländern ist, dass sie ein extremes Sicherheitsbedürfnis haben, das man aus der Geschichte heraus verstehen muss. Nordkorea hatte chinesischen Feudalismus, war 40 Jahre lang von Japan besetzt und in den Korea-Krieg verwickelt. Dieses Land will unabhängig sein. Und sind umgeben von Atommächten, von Russland, von China und indirekt von den Amerikanern im Süden. Die Nordkoreaner haben ständig Angst vor einem Angriff. Und das spürt man. Das Schlimmste aber in diesem Land ist der Sozialismus. Diese Leute sind sehr, sehr arm. Befürworten Sie gar, dass Kim Jong-Il die Atombombe hat? Nein, befürworten natürlich nicht. Wenn er die Bombe hat, dann haben wir auch Angst. Aber ich habe Verständnis für seine Anstrengungen. Die Regierung sagt sich doch: Wieso dürfen die Grossen Atombomben haben und wir nicht? Die sagen sich: Atommächte greifen sich gegenseitig nicht an. Das ist das Gleichgewicht des Schreckens. Konnten Sie mit der Bevölkerung sprechen? Nein, mit der breiten Bevölkerung ist dies nicht möglich. Man würde die Leute in Schwierigkeiten bringen. Man kann abends auch nicht alleine raus. Ich hörte einmal Musik und ging allein in die Stadt. Das gab dann einen kleinen Aufruhr. Demokratische Grundwerte werden in diesem Land doch mit den Füssen getreten. Das müsste gerade sie wütend machen. Wissen Sie, als Tourist sieht man solche Verletzungen der demokratischen Rechte nicht. Haben Sie den Minister, den Sie getroffen haben, darauf angesprochen? Nein. Ich habe ja in der Tat ein ausgeprägtes Demokratiebedürfnis und bin bekanntlich auch sehr empfindlich, wenn man sie in der Schweiz einschränkt. Aber ich bin kein Apostel und sage einem Land, das noch nie Demokratie hatte, das braucht ihr jetzt. Das widerspricht auch meinem Souveränitätsverständnis. Haben Sie die Landbevölkerung gesehen? So gut man sie vom Zug und vom Auto aus sehen kann. In den Dörfern, die man besuchen darf, war die Situation geschönt dargestellt. Was war ihre eindrücklichste Begegnung? Man sieht, wie die Menschen nach der Reisernte auf den Äckern verzweifelt nach übrig gebliebenen Körnern suchen, so etwa Mütter mit ihrem Kind auf dem Rücken. Das ist schon beelendend. Wie haben Sie eigentlich diese Reise gebucht? Ich ging mit einer privaten Gruppe. Es waren alles Deutschschweizer, zehn an der Zahl. Man kann nicht frei reisen. Mann kann Wünsche stellen, aber der Staat sagt, wo es durchgeht.  Gebucht haben wir über das Schweizer Büro Background Tours. Der Reiseführer war der frühere Nachrichtensprecher Walter Eggenberger, der einmal in der Entwicklungshilfe in diesem Land tätig war. Man hat sie dann aber doch als Politiker erkannt. Der Botschafter hat sich nach dem Visumsantrag gleich gemeldet. So habe ich dann auch Regierungsstellen besucht. Das war interessant und gut. Ich wollte auch schauen, ob man jetzt beginnen könnte das Land wirtschaftlich zu erschliessen. Und zu welchem Schluss kamen Sie? Es ist noch viel zu früh, als dass sich jetzt die Wirtschaft öffnen würde. Sie versuchen es, in dem sie Bauern kleine Grundstücke geben, deren Ertrag sie behalten dürfen. Aber da geht es um winzige Felder von 5 mal 20 Metern Grösse. Hätte das Land Potential? Ich bin überzeugt, wenn Nordkorea die Landwirtschaft hin zu einer selbstverantwortlichen Marktwirtschaft mit privatem Eigentum öffnen würde, gäbe das ein blühendes Land. Die Leute sind fleissig und gehen auch in die Schule. Aber es ist eben die staatliche Planwirtschaft und darum funktioniert es nicht. Wie lange geht es noch bis westliche Investoren tätig werden können? Es fehlt ja auch an der ganzen Infrastruktur. Elektrizität funktioniert vielerorts nicht. Aber wenn sich Nordkorea öffnet, und dazu wird es früher oder später gezwungen sein, dann kann es rasch gehen. So wie in China. Sie gingen ja auch wandern. Wie muss man sich das vorstellen? Ich wollte in den Norden in die „Berge“. Das wurde bewilligt. Das ist übrigens die Gegend, wo die unterirdischen Atomversuche stattfanden. Dort kann man „laufen“. Aber nur auf Strassen, der Rest ist abgesperrt. Aber es hat keine Autos, von dem her ist es auch wieder angenehm… Wie lange kann man laufen? Die Gruppe war nicht so gängig. Einige spazierten eine Stunde, andere zwei, drei. Man kann aber auch länger. Wie muss man sich diese Landschaft vorstellen? Es war sehr schön. Bewaldete Hügel, die sich jetzt im Herbst sehr farbig zeigten. Auch ein Sandstrand den wir gesehen haben, war sehr attraktiv. Aber das war nicht typisch, was man uns zeigte. Gäbe es für den Tourismus Chancen? Das wäre etwas vom ersten, das man nutzen könnte. Aber die Hotels in diesem Gebiet sind keine Hotels. Der Standard ist tiefer als in unseren SAC-Hütten. War es sauber? Die Hotels am Meer waren nicht so sauber. In der Hauptstadt jedoch schon. Die Leute geben sich mühe. Sie sind auch bescheiden aber gepflegt gekleidet. Und gegessen haben Sie gut? Es ist bescheiden. Aber wir hatten immer genug. Wir waren ja auch Touristen, die viel dafür gezahlt haben. Was kostet eigentlich so eine Reise? Ach, das kann ich Ihnen nicht mehr sagen. Meine Frau hat gebucht. Aber es ist ziemlich teuer. Um die 20'000 Franken? Ja, in diese Region geht es schon. Man zahlt alles mit Dollar oder Euro. Das haben sie gern. Landeswährung dürfen sie nicht bei sich haben. War das Reisen nicht mühsam, zum Beispiel an der Grenze? Als wir von der Pjöngjang (die Hauptstadt) nach Peking mit dem Zug fuhren, brauchten wir an der Grenze vier Stunden. Da wurde alles genau kontrolliert. Ich hatte da aber eine etwas bevorzugte Behandlung. Wenn Sie dem Land drei Tipps geben könnten, was würden Sie Nordkorea raten? Erstens den Sozialismus in der Wirtschaft einschränken, wie das China gemacht hat. Damit die Leute auch genug zu essen haben. Brecht sagte ja schon: Zuerst kommt das Fressen, dann die Moral. Zweitens die Dezentralisierung vorantreiben. Und als drittes würde ich ein freiheitlicheres System empfehlen. Das geht dann hin zur Selbstbestimmung der Bürger und hin zu demokratischen Gemeinden. Ich habe den Nordkoreanern gesagt, ich würde ihr Sicherheitsbedürfnis verstehen. Aber mit der sozialistischen Planwirtschaft würden sie nie vom Fleck kommen. Aber die glauben halt noch daran. Sind Reformen in absehbarer Zeit möglich? Nein, ich denke nicht. Ich sehe keine Opposition. Und da die Leute ja nichts wissen und keine Medien und somit keine Vergleichsmöglichkeiten haben, können sie auch nichts Neues fordern.

01.08.2009

Gedanken zum 1. August 2009

von a. Bundesrat Dr. Christoph Blocher<br> (Es gilt das gesprochene und das geschriebene Wort.) Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, liebe Schweizerinnen und Schweizer Wir feiern heute den Geburtstag der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Von unserem Land, von unserer Heimat. 718 Jahre existiert dieses Land. Was heisst das? Als Geburtsstunde gilt der Moment, in dem unsere Urkantone bedroht waren. Man wollte den einfachen Menschen die Freiheit nehmen. Sie bevormunden. Aus dieser Not heraus sind die Leute zusammengestanden. Und sie leisteten einen Schwur auf einen Freiheitsbrief. Darin heisst es: Wir wollen unser Schicksal selber bestimmen. Wir sagen wohin unsere Reise geht. Wir dulden weder fremde Richter noch Herrscher über uns. Heute wissen wir, um die Opfer, die diese Freiheit abverlangt. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns gemeinsam gegen diese fremden Mächte auflehnen. Dieser Eid, dieses Bündnis, hat 718 Jahre unsere Schweiz zusammengehalten. Viele Länder wären stolz, einen so hohen Geburtstag feiern zu können. Wir tun dies heute in Dankbarkeit. Was bewegt unser Land heute, im 719. Lebensjahr unseres Landes? – Ziemlich klar, worum es heute geht: Wir leben heute – wie zur Geburtsstunde unserer Eidgenossenschaft – in einer arglistigen Zeit. Die Wirtschaft kränkelt. Wir stehen mitten in einer Weltfinanzkrise. In einer Art, wie wir sie seit 70 Jahren nicht mehr kennen. Viele Leute haben Angst, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Und um herum stehen grosse einflussreiche Länder, die sagen, „jetzt nehmen wir uns die wohlhabende Schweiz vor. Die haben Geld. Die leben im Wohlstand und haben Vermögen. - Holen wir ihr Erspartes, das bei uns fehlt.“ - Die USA finden, das Schweizer Bankgeheimnis müsse weg. Die Schweiz müsse die Dossiers der US-Bürger rausrücken, die bei uns ihr Geld angelegt haben. Die EU-Länder stossen ins gleiche Horn: Sie verlangen von uns, unsere Steuergesetze jenen der EU-Staaten anzupassen. Damit niemand mehr zu uns kommt, weil die steuerlichen Anreize fehlen. Die EU möchte überall die gleich schlechten steuerlichen Rahmenbedingungen schaffen. Man beginnt zu erpressen: „Wehe der Schweiz, wenn sie sich nicht fügt! Dann werdet ihr sehen, was passiert.“ - Solche Einflussnahme nennt man Wirtschaftskrieg. Es wird gefährlich, wenn das so weitergeht. Doch: Wie es weitergeht, können wir lernen am Beispiel der Geburtsstunde unseres Landes. Es war auch gefährlich. Damals. Unsere Vorfahren hätten zwar auch die Möglichkeit gehabt, sich anzupassen. Sie hatten aber auch die Möglichkeit, Widerstand zu leisten. Sie haben sich zum zweiten entschlossen: Sie verankerten ihren Willen zum Widerstand über einen Schwur, verfassten den Freiheitsbrief und sagten ihren Gegnern damit, „wir halten zusammen und fügen uns nicht. Für unsere Zukunft.“ Auch heute können wir dieses Bündnis nur erneuern durch Entschiedenheit. Wir wollen selber bestimmen. Wir wollen unabhängig bleiben. Wir wollen ein Land sein, in dem die Bürgerinnen und Bürger, die hier leben, sagen, wohin die Reise geht. Jedes Land soll seine Zukunft so gestalten, wie es dies für richtig hält. Wir sind ein kleines Land. Wir wissen das. Eigentlich sind wir ein armes Land. Wir haben keine Bodenschätze. Von daher haben wir schlechte Voraussetzungen. Aber mit Fleiss, Geschicklichkeit und Zuversicht ist es uns möglich, unseren eigenen Weg zu gehen. Weiter zu gehen. Doch das bedeutet: Nicht nachgeben. Wer von uns etwas Unbilliges verlangt, dem muss man Grenzen setzen: „Bis hierher und nicht weiter.“ Was heisst das für uns, unseren Alltag? Wenn die USA sagen, „gebt uns die Dossiers der schweizerischen Bankkunden“, die wir eigentlich nicht hinaus geben dürfen. Weil die Rechte der Anleger durch unsere Gesetze geschützt sind. Da gilt es Widerstand zu leisten, zu sagen: „Nein, tun wir nicht.“ – Dasselbe gilt, wenn die EU von uns verlangt, unsere Gesetze anzupassen, damit unsere steuerlichen Rahmenbedingungen entsprechend verschlechtert werden. Auch da müssen wir Einhalt gebieten und antworten: „ Wir sind ein souveränes Land. Wir gestalten unsere Steuergesetze so, wie wir sie für richtig halten.“ Unser Land wurde stark, weil es die Eigenverantwortung von uns Bürgerinnen und Bürgern in den Vordergrund gestallt hat. Der Bürger soll das Recht haben, damit der Staat nicht zu mächtig wird, ihm nicht das Geld aus der Tasche zieht. Heute ist das schiere Gegenteil der Fall: Der Staat hat Macht, nimmt Einfluss: Denken wir an die Erziehung unserer Kinder. Die Tante soll einen Ausweis machen müssen, um ihre Nichten und Neffen hüten zu dürfen. Da müssen wir den Mut haben, nein zu sagen. Wir wollen unsere Kinder in Eigenverantwortung erziehen. Ein weiteres Thema ist die Erhöhung der Mehrwertsteuer: Am 27. September können wir an der Urne sagen: „Nein, wir wollen die Mehrwertsteuer nicht erhöhen, weil das ein schlechtes Rezept ist für uns und unsere Wirtschaft.“ - Sie sehen, es gibt viel zu tun. Einige Schweizerinnen und Schweizer sind über die guten Jahre hinweg ein bisschen träge geworden. Heute ist Kraft gefordert, um selbstständig zu bleiben. Doch diese Selbstständigkeit hat mit unserem Erfolgsrezept zu tun. Das finden auch viele Leute in unseren Nachbarstaaten. Tausende und Abertausend möchten in unser Land strömen. Sie möchten hier arbeiten, hier wohnen. Weil es hier besser ist. - Sie sehen daran: Es besteht für uns kein Anlass, die Fehler der Staaten, aus denen die Menschen zu uns strömen, nachzumachen. Der 1. August, der Nationalfeiertag, gibt uns Gelegenheit, wieder an die Grundsäulen unseres Landes zu denken: An unsere Unabhängigkeit, an den Rütlischwur, an den Freiheitsbrief, in dem die Neutralität und die Eigenverantwortung verankert sind. Wenn wir uns darauf besinnen und in diese Richtung gehen, werden wir erfolgreich bleiben. Ich wünsche Ihnen, liebe Bürgerinnen und Bürger, einen frohen 1. August. Einen guten Geburtstag und eine gute Zukunft. Ich danke Ihnen.

22.06.2009

Stiftung Schweizer Musikinsel Rheinau