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Mandat de Conseiller Fédérale

11.10.2007

«Ich frage mich täglich, was gut ist fürs Schweizer Volk, für unser Land»

«Bundesrat Christoph Blocher (er feiert exakt heute seinen 67. Geburtstag) ist gefragt, geliebt und gehasst wie keiner. Wie er dem ständigen Druck standhält und warum er sich dies alles antut, erzählte er den ON letzten Freitag während seines Besuches auf dem Hauptplatz Rapperswil.» 11.10.2007, Obersee Nachrichten, Andreas Knobel Obersee Nachrichten: Herr Bundesrat, Sie kommen nach Rapperswil, um Ihre vieldiskutierte Sendung für Blocher-TV aufzunehmen. Suchen Sie sich einfach die schönsten Plätzchen für diese Interviews aus? Nein nein, eingeladen hat mich Matthias Ackeret, der Interviewer. Er arbeitet hier am Hauptplatz. Und Rapperswil ist mir recht, ich wohne schliesslich auch in der Nähe, heute in Herrliberg, früher in Meilen. Rapperswil war immer eine "verliebte" Stadt für mich, denn meine Frau Silvia kommt ursprünglich aus Wald. Da liegt Rapperswil am See natürlich im Einzugsgebiet für verliebte Leute! (lacht) Hat Sie die Kritik an der Sendung eigentlich erstaunt? Ja, ich hätte nie gedacht, dass dem eine so grosse Bedeutung beigemessen wird. Der Präsident der Sozialdemokraten meinte sogar, man solle diese Sendung verbieten. Und der Präsident des Presserates warnte, man müsse das genau untersuchen. Ist es so gefährlich, wenn ein Bundesrat eine Viertelstunde pro Woche redet? Und nicht auf dem staatlichen Sender! Schliesslich kam noch die Frage auf, wer das Ganze bezahle. Das könne sich nicht jeder leisten. Also: Der Internetbetreiber bezahlt die Aufnahmekosten, ich verlange nie Honorare, muss aber eine Viertelstunde Zeit pro Woche opfern. Zuguterletzt war die Sendung sogar im Bundesamt für Kommunikation und im Bundesrat ein Thema. Da sieht man, wieviel in unserem Land der Freiheit schon reguliert wird. Wäre diese Sendung auch lanciert worden, wenn sich nicht plötzlich alles um "Geheimplan" und "Abwahl" drehen würde? Ich habe sie gar nicht selber lanciert. Norbert Neininger vom Schaffhauser Fernsehen ist schon vor einem halben Jahr auf mich zugekommen. Ich sagte zu unter der Bedingung, dass ich nicht zuviel Zeit verliere. Sie müssen einfach jeweils dorthin kommen, wo ich gerade bin - und heute bin ich gerade in Rapperswil. Vom Marketing her war das optimal, die Sendung wäre sonst nie so bekannt geworden! Natürlich war das optimal. Dass während dieser Zeit so auf mich geschossen wurde, hat die Sendung www.teleblocher.ch bekannt gemacht. Man könnte Blocher-TV doch ausweiten: Statt nur statische Interviews auch mal ein Quiz, Showblöcke - und natürlich Werbeblöcke. Nein, bleiben wir bei diesem einfachen, aber interessanten Konzept: Ein Konzept, wo die gleiche Persönlichkeit einen Kommentar zum Geschehen abgibt. Das ergibt eine Konstanz, die viele Leute interessieren dürfte. Gerade Auslandschweizer schauen gerne im Internet rein. Ein anderer Bundesrat könnte dies aber nicht mehr machen, weil es sonst ein Abklatsch wäre. Von mir aus können sie das auch machen. Herr Leuenberger zum Beispiel schreibt ja Bücher und Blogs. Mir fehlt dazu die Zeit. Das einfache Format ohne Spektakel ist also ganz bewusst gewählt? Ja, das Konzept ist betont langweilig. Umso mehr muss der Inhalt bieten! Sie sind in aller Munde. Der Wahlkampf scheint sich plötzlich nur noch um Sie zu drehen. Ehrt Sie oder nervt Sie das? Weder noch! Natürlich: Blocher, Blocher und nochmals Blocher - da braucht man eine dicke Haut, man kann nicht auf jeden "Schlötterlig" eintreten. Man muss bei der Sache bleiben, sonst verzettelt man sich. Daran habe ich mich bis jetzt gehalten. Es geht mir schliesslich um die Schweiz und ihre Bürger! Ist für Sie der Fall Roschacher nach der "Sondersession" zu Ihrer Genugtuung abgehakt? Für mich schon lange - es war ja nie etwas dran! Jetzt ziehen sie es noch etwas weiter, sonst würden sie ja zugeben, dass nie etwas dran war. Glauben Sie, dass Politiker und Medien, die sich bei jedem Thema gegen Sie verschwören, Ihnen und Ihrer Partei mehr nützen als schaden? Wenn ich meine Sache recht mache - und ich mache sie recht - werde ich angegriffen, weil man anderer Meinung ist. Denken Sie an die Asylpolitik, an die Ausländerpolitik, wo ich mit meiner eingeschlagenen Richtung Erfolg habe - da wollen meine Gegner das Gegenteil. Sie wollen in die EU, ich kämpfe dagegen, sie wollen Geld ausgeben und Steuern erhöhen, ich mache das Gegenteil. Ich mache meine Aufgaben, und das passt denen nicht. Sie möchten einen Schwächeren, um ihre Ziele durchzusetzen, oder sie möchten die SVP gleich ganz draussen haben. Darum bleibe ich im Bundesrat, damit wir vorankommen. Trotzdem: Sie sind seit Jahren der bekannteste Politiker. Jede Aussage wird auf die Goldwaage gelegt. Es ist ein ständiger Kampf. Ermüdet Sie das oder spornt Sie das an? Ja doch, das zehrt an den Kräften. Ich habe aber diesen Kampfwillen immer noch. Weil ich gradlinig weiter gehe, brauche ich keine Ränkespiele zu veranstalten. Aber zugegeben, dieser Mittwoch, 5. September, als man öffentlich verkündete, Bundesrat Blocher sei in kriminelle Machenschaften involviert, aber die Originale, aus denen das herauskomme könne man erst in einigen Monaten offenlegen (!), war sehr gefährlich. Das habe ich erst am Sonntag darauf richtig realisiert. Denn diese Verleumdungen, die noch vom Bundesrat als Verdächtigung, von der Geschäftsprüfungskommission und der Bundesanwaltschaft in die Welt gesetzt wurden, hätten einen Bundesrat zum Rücktritt zwingen müssen. In diesem Vakuum so stark verdächtigt zu sein, das wäre sehr schwer für mich geworden. Ich bin überzeugt, mich hätte es "glupft", wenn Nationalrat Christoph Mörgeli die Dokumente durch einen glücklichen Zufall nicht auf den Tisch hätte legen können. So ist alles ans Tageslicht gekommen. Dies schadet nun den andern! Wie kann man eigentlich ein Land führen, wenn man an den wöchentlichen Sitzungen stets von Feinden umgeben ist? Bis zum 4. September war das Klima - bei allen unterschiedlichen Meinungen im Bundesrat - soweit ganz gut. Diese Affäre hat die Atmosphäre aber vergiftet! Weil ich aber das Opfer bin, gehe ich auf die Kollegen zu, um weiterarbeiten zu können. So ist es auch in diesem Klima möglich, Beschlüsse zu fassen. Wir kommen schon voran, auch wenn es zurzeit nicht so angenehm ist. Sind Sie kein bisschen enttäuscht oder beleidigt? Immerhin haben Sie einige der Bundesratskollegen hängen lassen? Ja, sogar aktiv hängen lassen! Aber da spielen halt die Wahlen mit folgender Taktik hinein: Man hat vergeblich versucht, Blocher politisch zu bekämpfen. Ergebnislos. Dann dachten die Taktiker: Wenn es nun gelingt, Blocher als Kriminellen zu verunglimpfen, dann müsste er selber gehen. Ein Rücktritt eines kriminellen Bundesrates! So hätte man es verdreht. Und dann hoffte man, der SVP, die im Aufwind ist, zu schaden! Gut, man wird sich wieder zusammenraufen müssen. Aber hier spielt bereits eine moralische Komponente hinein, wenn man Sie ins offene Messer laufen liesse? Schon, aber ich habe mich nie der Illusion hingegeben, dass im Bundesrat ein Freundesbund zusammensitzt. Aber es braucht von meiner Seite eine gewisse Grosszügigkeit! Nach den National- und Ständeratswahlen sehen wir weiter. Der Druck lastet enorm auf Ihnen. Haben Sie nie Lust nach mehr Ruhe? Lust, zurückzutreten und in Rappi am See unbehelligt spazieren gehen? Ja, diese Versuchung kenne ich auch, die hatte ich das ganze Leben. Aber meine Pflicht ruft nach anderem! Sie sind nie schwach geworden? Nein - okay, nie ist übertrieben. Aber ich habe jedenfalls nie aufgegeben. Wissen Sie, es ist auch eine Stärke, wenn Sie ein Amt nicht nötig haben, Unabhängigkeit ist auch viel wert. Ich mache meine Sache und bin für das Land da. Jemand sagte mal, ich hätte eine "beängstigende Unabhängigkeit". Einem Mitarbeiter unseres Verlages haben Sie als Widmung ins Buch geschrieben: Knecht des Volkes. Ist es nicht schwer, zugleich Milliardär, Bundesrat und doch Knecht zu sein? Nein, ich habe keine Mühe damit. Ich überlege mir auch nicht ständig, ob ich Milliardär bin oder nicht … … und auch nicht ständig, ob Sie Knecht sind? Doch, "säb scho, säb scho, moll" - ich frage mich täglich, was das Volk will, was gut ist für das Schweizer Volk, für unser Land!

03.10.2007

Es ist eine wüste Sache abgelaufen

Man hat vor einem Monat versucht, ihn aus der Regierung zu kippen: Christoph Blocher über seine Bundesratskollegen, den SVP-Wahlkampf und Ehefrau Silvia. 03.10.2007, Neue Luzerner Zeitung, Eva Novak Nicht zuletzt dank Ihnen läuft der Wahlkampf für die SVP wie geschmiert. Sind Sie zufrieden? Ich spüre eine grosse Sympathiewelle, die ich eigentlich meinen Gegnern verdanke. Seit fast vier Jahren versuchen sie, mich aus dem Bundesrat zu drängen. Am 5. September wurde eine derartige Walze auf mich losgelassen, dass es die Leute als grosse Ungerechtigkeit empfanden. Die Partei hat das jetzt gekehrt und den Leuten gesagt: So, jetzt bestimmt ihr, ob der aus dem Bundesrat soll. Ihre Partei hat das nicht von langer Hand geplant? Sie nicht, die Gegner aber schon. Inzwischen glaube ich auch, dass es einen Geheimplan gegen mich gegeben hat. Wessen Idee war es, den Wahlkampf zu einem Entscheid für oder gegen Ihre Person zu machen? Das weiss ich nicht mehr. Die Überlegungen hatte die Parteileitung schon länger gemacht. Die Vorwürfe wurden immer heftiger. Als mich die Partei am 18. August fragte, ob ich das O.K. gebe zu dieser Kampagne, die darlegte, dass man den Plan gegen Blocher thematisiere, sagte ich zu. Von den Komplottvorwürfen gegen den ehemaligen Bundesanwalt wussten wir da noch nichts. Ihre Idee war es nicht? Nein, aber ich stimmte zu. Taten Sie dies um den Preis, dass sich Ihre Parteifreunde über den Personenkult ärgern? Damit musste man rechnen, dass einige es für übertrieben halten und sagen, sie seien auch jemand - obwohl es erstaunlich wenige sind. Personenkult ist das aber nicht. Diesen gibt es nur bei Personen, die nicht angegriffen und kritisiert werden. Da besteht bei mir keine Gefahr! (lacht) Sind Slogans wie "Blocher stärken - SVP wählen" kein Personenkult? Nein. Es ist eine Tatsache. Da geht es nicht um Christoph Blocher, sondern um die Politik, die ich vertrete. Sehr viele Nichtmitglieder der SVP sagen, ich müsse deswegen im Bundesrat bleiben. Deshalb hat die Partei diesen Slogan gewählt. Die Grünen und die Linken haben ja fast nur noch ein Programm, nämlich den Blocher rauszudrängen, weil er für die Werte der SVP steht. Mit Geissbock Zottel, dem Blocher-TV oder dem Engagement Ihrer Frau Silvia wendet die SVP im Wahlkampf amerikanische Methoden an, die von Sachthemen wegführen. Unterstützen Sie das? Wenn man sagen würde, der Blocher ist der Mister Schweiz, deshalb müsse man SVP wählen, gäbe ich Ihnen Recht. Aber Blocher steht für eine Politik: für das Asyl- und Ausländergesetz, das den Linken nicht passt; für Sicherheit, für Kostenreduktion, für Unabhängigkeit und gegen den EU-Beitritt. Das sind alles Sachthemen! Wenn meine Frau Vorträge hält, sind das ebenfalls politische Themen, mit denen eine Haltung zum Ausdruck kommt. Sie war Hausfrau, gab den Beruf auf und macht Frauen, in der gleichen Lage Mut ihren Weg zu gehen. Trotzdem: Dass sie den Wahlkampf ihres Mannes unterstützt, ist für die Schweiz neu und erinnert an die USA. Wir haben nicht Amerika im Kopf. Es ist eine natürliche Reaktion: Wir sind seit 40 Jahren verheiratet, mussten und wollten alles zusammen machen. Bei der EWR-Abstimmung etwa war meine Frau mein Stabschef. Davon erzählt sie, und das scheint für viele Menschen interessant zu sein. Dass eine Frau mit über 60 sagt, sie habe ein sehr befriedigendes Leben gehabt, weil - und nicht obwohl - sie Kinder aufgezogen hat. Will sich die SVP mit der für Samstag angekündigten Demo aufs Niveau linker Chaoten begeben, um die Schlagzeilen weiter zu beherrschen? Wenn linke Chaoten - wie Sie sagen - unseren Anlass stören wollen, ist das sicher nicht gut. Deswegen darauf zu verzichten, kommt hingegen nicht in Frage. Sie marschieren mit Samuel Schmid, obwohl dieser Bundesrat bleiben will, selbst wenn Sie abgewählt werden? Das ist doch keine Neuigkeit. Wenn Bundesrat Schmid will, kann er in der Regierung bleiben. Aber er könnte nicht in der Fraktion bleiben, wenn die SVP in die Opposition muss. Das gilt auch für jeden anderen aus der SVP, den das Parlament an meiner Stelle in den Bundesrat wählen könnte. Hat sich Ihr Verhältnis zu Schmid seither wieder abgekühlt? Nein, nein. Ein fraktionsloser Schmid könnte weniger bewirken, aber es wäre immerhin besser als irgendein Linker. Und wie steht es um Ihr Verhältnis zu Pascal Couchepin? Teilen Sie die Meinung ihrer Partei, der Walliser habe gegen Sie komplottiert? Ich will weder auf Details noch auf Namen eingehen. Fest steht: Am 5. September ist eine wüste Sache abgelaufen. An diesem Tag wurde der Eindruck erweckt, der Justizminister stecke in einer strafbaren Verschwörung gegen den früheren Bundesanwalt. Das wäre ein schwer wiegendes Delikt. Was haben Sie konkret befürchtet? Hätte Nationalrat Mörgeli nicht am nächsten Tag die Dokumente vorweisen und zeigen können, dass die Vorwürfe von GPK-Subkommisssionspräsidentin Meier-Schatz "Chabis" waren, stünde ich heute nicht mehr als Justizminister vor Ihnen. Vor einer solchen Vorverurteilung können Sie sich als Bundesrat nicht während Monaten halten. Schon selbst nur bei einem so schwerwiegenden Verdacht müssten Sie zurücktreten. Das war auch das Ziel! Sie wären also selbst bei einem Verdacht zurückgetreten? Ja, dies wäre die Konsequenz gewesen, wenn dieser Vorwurf über Monate aufrecht erhalten wäre. Frau Meier-Schatz hat ja ausdrücklich davon gesprochen, die Beschaffung der Unterlagen werde Monate benötigen. Was erwarten Sie von der heutigen Debatte im Nationalrat? Es ist schon viel Luft draussen. Ich nehme an, dass die anderen Parteien auf den süffigsten Teil - nämlich den absurden Vorwurf, ich sei in einer Verschwörung gegen den ehemaligen Bundesanwalt involviert - verzichten werden. Wenn ich vor dem Parlament spreche, gibt mir das die Gelegenheit, Dinge richtigzustellen. Empfinden Sie die Tatsache, dass die Bundespräsidentin für Sie sprechen wird, als Bevormundung? Zum "Putschversuch" und zur Kollegialität zu sprechen, ist der Part von Bundespräsidentin Calmy-Rey. Was aber die Bundesanwaltschaft betrifft, werde ich sprechen. Von welchem Putchversuch sprechen Sie? Dass nach der Bundesratssitzung vom 5. September nach aussen der Eindruck erweckt wurde, ich sei in den Roschacher-Komplott involviert, war der Versuch, mich aus der Regierung zu kippen. Die SVP-Interpellation spricht von "Putschversuch". Sollte das in Ihrer Abwahl gipfeln? Nein, in einem selbstverschuldeten Rücktritt. Das wäre das eleganteste Manöver meiner Gegner gewesen. Ich verstehe die Idee dahinter, auch wenn ich nicht weiss, wer der Spiritus Rector dahinter war. Zuerst versuchte man, mich aus dem Bundesrat zu drängen, weil man eine andere Politik wollte und merkte, dass es nicht geht. Mich zum Rücktritt zu drängen, wäre für die Gegner eine willkommene Lösung gewesen: "Man muss nun den bekannten SVP-Bundesrat nicht abwählen, er muss selber gehen", wäre die Redewendung gewesen. Damit trifft man auch die Partei, weil man sagen kann, sie habe einen kriminellen Justizminister gestellt. Rechnen Sie mit einer Abwahl? Nein, ich rechne nicht damit, schliesse es aber auch nicht aus. Auf jeden Fall verzicht ich nicht auf die meines Erachtens richtige Politik, nur damit mich die Gegner wiederwählen. Wie schlimm wäre es für sie, nicht zum Vizepräsidenten gewählt und damit nicht Bundespräsident zu werden? Es ist nicht so, dass ich nach einer Nichtwahl ein Fest veranstalten würde. Alles hat eine Bedeutung. Wenn dies geschehen würde, würde das Parlament sagen: Wir haben dich schon in die Regierung gewählt, aber du bist nicht ganz vollwertig. Das gäbe eine gewisse Freiheit. Wie das sein wird, schaue ich im Dezember an. Dazu brauche ich keine Strategie. Heisst das, Sie drohen mit Teilopposition? Nein, ich sage nur, dass es eine Bedeutung hat. Wenn ich auf den Weg des Präsidenten geschickt werde, weiss ich: In diesem Jahr muss ich die Regierung vertreten. Das muss jetzt einfach sein, da kann ich weniger Eigenes machen. Wenn mir das Parlament diesen Weg verwehrt, heisst das: Dann musst du nicht die Regierung vertreten. Das ist eher aussergewöhnlich, so halb ausgestossen zu werden. Wie das aber im Detail aussieht, weiss ich nicht. Damit würde Ihnen das Parlament zu verstehen geben, es sehe Sie nicht als vollwertigen Bundesrat an, und Sie würden sich im Gegenzug auch nicht als vollwertiger Bundesrat verhalten? Ja, das müsste wohl so sein. Dazu brauche ich aber keine grossen Pläne - und auch keinen Geheimplan... (lacht)

02.10.2007

Gewaltentrennung und Bundesanwaltschaft

Die Bundesanwaltschaft als Teil der Exekutive 02.10.2007, Beitrag von Bundesrat Christoph Blocher in der Neuen Zürcher Zeitung vom 2. Oktober 2007 Eine ungeteilte Aufsicht mit klaren Kompetenzen stärkt die Qualität der Bundesanwaltschaft. Die Unterstellung unter den Bundesrat stärkt den Rechtsstaat: Ein Beschuldigter hat so Gewähr, von einem unvoreingenommenen Gericht beurteilt zu werden, vor dem sich der Bundesanwalt als Vertreter des Staates und der Verteidiger des Beschuldigten gegenüberstehen. Der EJPD-Vorsteher spricht sich daher für die Aufsicht durch den Bundesrat aus. Am 21. September 2007 hat der Bundesrat den Vorentwurf zu einem Bundesgesetz über die Organisation der Strafbehörden des Bundes in die Vernehmlassung geschickt. Damit sollen unter anderem die Strafverfolgungsbehörden des Bundes organisatorisch an die neue Schweizerische Strafprozessordnung angepasst werden. Die Vernehmlassungsvorlage unterstellt die Bundesanwaltschaft der ungeteilten Aufsicht des Bundesrates. Geteilte Aufsicht - fehlende Verantwortung Die Bundesanwaltschaft stand seit ihrer Schaffung im Jahre 1889 bis zum Inkrafttreten der Effizienzvorlage am 1. Januar 2002 unter der alleinigen Aufsicht des Bundesrates. Seit 2002 ist die Aufsichtsverantwortung geteilt: Die administrative Aufsicht liegt nach wie vor beim Bundesrat, während die so genannte Fachaufsicht den Gerichten (zuerst der Anklagekammer des Bundesgerichts, seit dem 1. April 2004 der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts) übertragen wurde. Die Oberaufsicht haben die Geschäftsprüfungskommissionen der Eidgenössischen Räte. Diese Mehrfachunterstellung hat sich nicht bewährt: Sie ist bestes Beispiel dafür, dass in der Führung Verantwortung unteilbar ist. Schwierige Kompetenzabgrenzungen und Unklarheiten sind das Ergebnis. So hat bei Mängeln die Beschwerdekammer nach eigenem Bekunden kaum Möglichkeiten, unmittelbar organisatorische oder disziplinarische Massnahmen anzuordnen, da die administrative Aufsicht beim Bundesrat liegt. Das EJPD, das die Aufsicht für den Bundesrat wahrnimmt, hat seinerseits nur beschränkte Möglichkeiten, den finanziellen und personellen Bedarf der Bundesanwaltschaft zu steuern, weil es über die faktische Geschäftsentwicklung (Fallzahlen und deren Aufwand) keine Kenntnis hat. Diese und weitere Unklarheiten führen dazu, dass eine effiziente und kohärente Aufsicht erschwert wird und die Bundesanwaltschaft letztlich einer griffigen Kontrolle entzogen ist. In Anbetracht ihrer Macht, in die persönlichen Freiheiten des Bürgers einzugreifen, ist dies eine bedenkliche Feststellung. Gefährdung der richterlichen Unabhängigkeit Gegen die heutige Regelung der Mehrfachunterstellung spricht ebenso sehr, dass eine dauernde und direkte Aufsicht durch das Bundesstrafgericht dessen eigene richterliche Unabhängigkeit gefährdet. Die Bundesanwaltschaft tritt regelmässig als Partei vor den Kammern des Gerichts auf. Bis heute ist unklar, in welchem Verhältnis die fachliche Aufsichtsfunktion der Beschwerdekammer zu ihrer Funktion als Beschwerdeinstanz steht. Ein Beispiel: Als Aufsichtsbehörde erteilt die Beschwerdekammer der Bundesanwaltschaft Weisungen, wie sie Beweise zu erheben hat. Als Beschwerdeinstanz hat die Kammer die Rechtmässigkeit einer Beweiserhebung zu beurteilen, die gemäss jenen Weisungen erfolgt ist. Bei einer solchen Ausgangslage drängt sich die Frage auf, wie frei der Spruchkörper in seiner Beurteilung noch ist. Offensichtlich besteht hier ein Spannungsverhältnis, das daher rührt, dass das Gericht im Rahmen der Aufsicht mit der anklägerischen Partei regen Kontakt unterhalten, dieser Weisungen erteilen und Bilanz über abgeschlossene Fälle ziehen muss, während es als Spruchbehörde gegenüber beiden Parteien in gleichem Ausmass Unbefangenheit und damit Unabhängigkeit zu gewährleisten hat. Dieses Dilemma beschränkt sich nicht nur auf die Beschwerdekammer, sondern trifft letztlich die Strafkammer als urteilender Spruchkörper genauso sehr. Nachteile für die beschuldigte Person Diese rechtsstaatliche Problematik verdeutlicht die Sicht der Betroffenen: Die beschuldigten Personen sehen sich heute bei ihrer Verteidigung in die Lage versetzt, die Qualität der Arbeit der Bundesanwaltschaft vor einem Gericht in Zweifel ziehen zu müssen, welches im Rahmen seiner Aufsichtsfunktion ebendiese zu gewährleisten hat. Diese Ausgangslage vermag das Vertrauen in die Justiz nicht zu stärken, sondern zu beeinträchtigen. Was für das Bundesstrafgericht gilt, hätte ebenso Geltung bei einer Aufsicht durch das Bundesgericht, wie sie in letzter Zeit verschiedentlich vorgeschlagen worden ist. Teil der Exekutive Damit ist gleichzeitig auch gesagt, dass die Bundesanwaltschaft keine richterliche Behörde und demnach nicht Teil der Judikative ist. Von Gesetzes wegen ist sie vielmehr eine Einheit der dezentralen Bundesverwaltung − wie dies der Staatsrechtler Giovanni Biaggini in der NZZ vom 25. September 2007 zutreffend dargelegt hat. Es erscheint nur folgerichtig, die Bundesanwaltschaft erneut der Aufsicht durch den Bundesrat zu unterstellen. Unabhängigkeit der Bundesanwaltschaft Damit die Strafverfolgungsbehörde nicht für politische oder anderweitige Zwecke instrumentalisiert wird, muss ihre Unabhängigkeit im Einzelfall gewährleistet sein. Das gilt unbesehen davon, wem die Bundesanwaltschaft auch immer unterstellt ist. Deshalb schliesst der Vernehmlassungsentwurf denn auch konkrete Anweisungen des Bundesrates oder seines Beauftragten bezüglich die Einleitung, die Durchführung und den Abschluss einzelner Verfahren, die Vertretung der Anklage vor Gericht und die Ergreifung von Rechts¬mitteln ausdrücklich aus. Stärkung der Rechtsstaatlichkeit Die vom Bundesrat vorgeschlagene Aufsichtsregelung vermag das Vertrauen in die Justiz in mehrfacher Hinsicht zu stärken: Einerseits verhilft sie dem Anspruch der beschuldigten Partei auf ein unabhängiges Gericht zum Durchbruch. Gleichzeitig erfährt die Arbeit der Bundesanwaltschaft durch eine glaubwürdige richterliche Kontrolle im Einzelfall eine Aufwertung. Der Bürger hat Vertrauen, dass die Bundesanwaltschaft wirksam beaufsichtigt wird. Mittels klarer gesetzlicher Ausgestaltung kann schliesslich die Gefahr einer politischen Einflussnahme durch das Aufsichtsorgan im Einzelfall vermieden werden. Das anstehende Gesetzgebungsprojekt bietet die Chance, die rechtsstaatlichen Institutionen des Bundes zu stärken und das Funktionieren der Bundesanwaltschaft zu gewährleisten.

02.10.2007

Bündner des Jahres

Bern. Kurzansprache von Bundesrat Christoph Blocher bei der Preisübergabe, Bündner des Jahres 2007, 2. Oktober 2007, in Bern. 02.10.2007, Bern Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen. Geschätzte Damen und Herren Liebe Bündnerinnen und Bündner Zunächst einmal und ohne Einschränkung: Herzlichen Dank für Ihre Auszeichnung zum „Bündner des Jahres 2007“. Ich habe mich gefreut. Meine Frau hat sich gefreut. Meine Kinder, die ja teilweise das Unternehmererbe im Kanton Graubünden weiterführen, ebenso. Sie haben also mit dieser Wahl Freude bereitet. Das ist schon mal positiv. Wie anfangs erwähnt: Ich habe mich ohne Einschränkung über diese Auszeichnung gefreut. Denn für die Einschränkungen bin offensichtlich nicht ich, sondern die Jury zuständig. Wie ich der schriftlichen Begründung entnehmen konnte, hielt der Verlag Exclusiv (der diesen Preis initiiert und vergeben hat) ausdrücklich fest, man habe „Blocher nicht als Politiker, sondern als Kulturförderer“ auszeichnen wollen. Diese Unterscheidung ist löblich und gefällt mir wenigstens aus drei Gründen. Erstens, könnte man das eigentlich häufiger machen bei Preisverleihungen. Dass in der Laudatio mindestens so ausführlich darauf eingegangen wird, wofür ein Preisträger seinen Preis eben nicht erhält. Ich kann mir vorstellen, dass die Spannung und das Interesse an solchen Veranstaltungen sprunghaft ansteigen würde. Dieses Verfahren liesse sich auch beliebig erweitern, beispielsweise auf Jubiläen, Nachrufe oder Rücktrittsreden für Politiker. Der zweite Grund, warum ich diese Unterscheidung „Kulturförderer-Politiker“ begrüsse, darf ich Ihrer Weitsicht zuschreiben. Es hätte gut sein können, dass Sie heute gar keinen Politiker Blocher mehr als „Bündner des Jahres“ zu feiern gehabt hätten. Denn eigentlich sollte ich ja im September aus meinem Amt entfernt werden, und Sie hätten, wenn schon, die „Intrige des Jahres“ begehen können. (Eine Rubrik, die vielleicht zukunftsweisend werden könnte.) Jetzt aber, drittens, ganz ohne Ironie: Die Kultur in Graubünden liegt mir tatsächlich am Herzen. Mein beruflicher Weg führte mich ja in diesen Kanton und ich war und bin mit der Südostschweiz weit mehr verbunden als nur rein unternehmerisch. Diese Beziehung zur Landschaft und den Leuten – und die Kultur ist so etwas wie das Geflecht, das diesen Kanton durchwirkt wie die Blutbahnen einen Körper – also diese Beziehung hat sich im Laufe der Jahre verstärkt und vertieft. Für mich war Graubünden immer der Urtyp des Schweizer Sonderfalls. Weil dieser Kanton so vielfältig ist und eigensinnig in der besten Bedeutung des Wortes. Natürlich habe ich mich seinerzeit nicht aus Berechnung in der Kulturförderung engagiert, um später mal den Titel „Bündner des Jahres“ einzuheimsen. Aber ganz so uneigennützig war mein Engagement auch wieder nicht. Denn ich liebe die Musik, die klassische und die Volksmusik im Speziellen. Ich habe gesehen, dass vor zwei Jahren Armin Caduff, der Begründer der Compagnia Rossini, ebenfalls die Ehre dieser Auszeichnung widerfuhr. Ich bin ein grosser Bewunderer seines Könnens und seines Schaffens. Allerdings musste Armin Caduff sich 2005 gegen eine tierisch harte Konkurrenz durchsetzen: Schliesslich war damals auch der „Bündner Bär“ als möglicher Preisträger nominiert… Ich durfte in diesem Jahr selber eine für mich spezielle Laudatio halten – und zwar auf den Schweizer des Jahres. Die Einladung erfolgte auf Wunsch des Preisträgers, Köbi Kuhn. Die Voraussetzung für eine Laudatio hätte besser nicht sein können: Ich kannte Köbi Kuhn nur als öffentliche Person und von Fussball verstehe ich erwiesenermassen wenig – ich habe auch keinen Fernseher zu Hause. Trotzdem sagte ich freudig zu: Weil mich Köbi Kuhn schon länger angesprochen hat, nämlich als Mensch. Ich hätte auch sagen können (in Anlehnung an die Jurybegründung dieses Anlasses): Ich möchte nicht den Fussballtrainer, sondern den Menschen Köbi Kuhn würdigen. Denn der Mensch steckt in all unseren Tätigkeiten – und insofern muss ich Sie enttäuschen: Der Kulturförderer Christoph Blocher und der Politiker Christoph Blocher sind ein und dieselbe Person. Ich habe darum an die Auszeichnung Köbi Kuhns erinnert, weil es – wenigstens für mich – wesentlich einfacher ist, jemanden für seine Leistungen zu würdigen, als eine Würdigung über mich ergehen zu lassen. Das hat wohl mit meiner politischen Biographie zu tun: Ich habe im Verlaufe der Jahre vor allem gelernt, mit Schmähreden umzugehen. Mit Lobreden habe ich weniger Übung. Doch ich bin mit Interesse Ihren Ausführungen gefolgt, und eine solche Preisverleihung könnte uns vor allem eines lehren: Manchmal sollte man eine Ehrung ganz einfach in Demut und Dankbarkeit entgegen nehmen. Was ich hiermit tue.

26.09.2007

Die geltenden Gesetze konsequent anwenden

Zürcher Landzeitung: «Auch in der Schweiz ist töten nicht erlaubt», sagt Justizminister Christoph Blocher zur aktuellen Diskussion über Sterbehilfe. Erstrebenswert sei ein Ausbau des Angebots der Palliativmedizin. 26.09.2007, Beitrag von Bundesrat Christoph Blocher in der Zürichsee-Zeitung vom 26. September 2007 Die unschönen Begleiterscheinungen von Suizidhilfe und Sterbetourismus sorgen immer wieder für Schlagzeilen. Tatsächlich ist es etwa für die Anwohner in der Nähe von Sterbewohnungen unzumutbar, fast täglich zuschauen zu müssen, wie fremde Leute herkommen, von ihren Angehörigen Abschied nehmen und wenig später im Sarg weggetragen werden. Es lohnt sich, hier wieder einmal auf die bestehende Rechtslage und die Notwendigkeit der Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen zu achten! Der Betrieb einer Sterbewohnung oder eines Sterbehauses in einer Wohnzone verletzt das seelische Empfinden. Um sich davor zu schützen, können die betroffenen Nachbarn zu den im Zivilgesetzbuch vorgesehenen nachbarrechtlichen Mitteln (Art. 679 und 684) greifen. Zudem können die Behörden gestützt auf das Raumplanungs- und Baurecht auf eine zonenkonforme Nutzung beharren und den Betrieb von Sterbewohnungen unterbinden, was in Stäfa anscheinend geschehen ist. Missbräuche verhindern Zunächst ist darauf hinzuweisen, und das kann nicht genug betont werden: Auch in der Schweiz ist töten verboten! Auch wenn die Schweiz - als eines der wenigen europäischen Länder - die Beihilfe zum Suizid aus uneigennützigen Gründen für straflos erklärt, ist mit Nachdruck darauf hinzuweisen, dass töten nicht erlaubt ist. Diese liberale Regelung will zwar niemand in Frage stellen. Aber mit der Zunahme der organisierten Suizidbeihilfe und dem Aufkommen des Sterbetourismus sind auch Missbrauchsgefahren verbunden. Doch auch hier bietet das geltende Straf- und Gesundheitsrecht genügend Kontroll- und Interventionsmöglichkeiten, die es auszuschöpfen gilt. Wenn zum Beispiel die Grenzen von der uneigennützigen - und damit straflosen Beihilfe zur Selbsttötung - zur Fremdtötung überschritten werden oder bei der Verschreibung des todbringenden Betäubungsmittels Natrium-Pentobarbital (NAP) der Sterbewunsch nicht sorgfältig und fachkundig abgeklärt wird, sind die Behörden gefordert. Sache der Behörden Es ist unerlässlich, dass auch nach jeder Selbsttötung die Strafverfolgungsbehörden sorgfältig und umfassend die Todesart abklären, da bei einem aussergewöhnlichen Todesfall eine strafbare Handlung von Dritten grundsätzlich nie ausgeschlossen werden kann. Diese Behörden haben einen Augenschein vor Ort zu nehmen, Einvernahmen durchzuführen und eine Untersuchung der Leiche durch einen sachverständigen Arzt anzuordnen, um den Sachverhalt abzuklären. Ebenso müssen die Gesundheitsbehörden konsequent gegen Sorgfaltspflichtverletzungen von Ärzten vorgehen und ihnen allenfalls die Bewilligung zur Berufsausübung entziehen. Aufsichtsgesetz: keine Lösung Statt alle Handlungsmöglichkeiten zu nutzen und die geltenden Gesetze konsequent anzuwenden, wird in Teilen der Öffentlichkeit immer wieder der Erlass eines Bundesgesetzes über die Zulassung und Beaufsichtigung von Suizidhilfeorganisationen gefordert. Der Bundesrat lehnt die Schaffung eines Aufsichtsgesetzes ab, denn es bietet keine taugliche und brauchbare Lösung, um Missbräuche zu verhindern. Die Gefahr ist gross, dass dadurch lediglich von der eigentlichen Aufgabe abgewichen wird, die geltenden Gesetze konsequent anzuwenden. Ein Aufsichtsgesetz könnte sogar die verantwortlichen Behörden dazu verleiten, die Fälle nicht mit der notwendigen Konsequenz und Gründlichkeit abzuklären, da „staatlich qualifizierte“ und beaufsichtigte Organisationen über jeglichen Zweifel und Verdacht erhaben zu sein scheinen. Liberale Regelung bewährt sich Die liberale Regelung der Suizidhilfe in der Schweiz hat zwar zur Entstehung von Suizidhilfeorganisationen geführt und ist eine Hauptursache für das Aufkommen des Sterbetourismus. Doch wir dürfen nicht aus den Augen verlieren, dass sich diese Regelung bewährt hat und dass von keiner Seite deren Aufhebung gefordert wird. Zudem sind die Regelungen der verschiedenen Formen der Sterbehilfe aufeinander abgestimmt. Indem der Staat die Beihilfe zum Suizid ohne selbstsüchtige Beweggründe zulässt, hilft er nicht nur dem Einzelnen in dieser Situation seinen Willen frei zu bilden und danach zu handeln. Gerade die Straflosigkeit der uneigennützigen Beihilfe zum Suizid erleichtert es, ohne Abstriche am absoluten Tötungsverbot festzuhalten. Tötungsverbot nicht gelockert Der Schutz des menschlichen Lebens gehört zu den vornehmsten und primären Aufgaben des Staates. Bisher haben es sowohl der Bundesrat wie das Parlament entschieden abgelehnt, das unserer Rechtsordnung zugrunde liegende absolute Tötungsverbot zu lockern. Zwar waren die parlamentarischen Vorstösse zur Legalisierung der direkten aktiven Sterbehilfe restriktiv formuliert. Nur in extremen Ausnahmefällen sollten jene von einer Strafe befreit werden, die aus Mitleid einen unheilbar und schwer kranken, vor dem Tode stehenden Menschen, auf sein eindringliches Verlangen hin von einem unerträglichen und menschenunwürdigen Leiden befreien. Dass diese Vorstösse abgelehnt wurden, ist auf den breiten Konsens zurückzuführen, dass selbst eine äusserst restriktive Strafbefreiung der direkten aktiven Sterbehilfe ein Tabu brechen, Hemmschwellen senken und gefährliche Schleusen zur unfreiwilligen Sterbe-„Hilfe“ öffnen würde. Standesrecht besser geeignet Die indirekte aktive und die passive Sterbehilfe dagegen gehören seit langem zum Schweizer Spitalalltag und sind in den standesrechtlichen Richtlinien der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften detailliert geregelt. Dennoch fordern parlamentarische Vorstösse, diese unter bestimmten Voraussetzungen straflosen Formen der Sterbehilfe auch ausdrücklich im Strafgesetzbuch zu regeln. Die Befürworter einer Regelung im Strafgesetzbuch sind sich allerdings uneinig, ob eine restriktivere oder liberalere Lösung anzustreben ist, und bezeichnenderweise schweigen sich die Vorstösse über den genauen Inhalt einer solchen Regelung aus. Recht setzt klare Schranken Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich Sterbehilfe in der Schweiz nicht in einem rechtsfreien Raum ereignet. Die geltenden Regeln sind in der Bundesverfassung, im Bundesrecht und im kantonalen Recht, in Gemeindebeschlüssen sowie im medizinischen Standesrecht gegeben und setzen klare Schranken. Hinsichtlich der Strafbarkeit der direkten aktiven Sterbehilfe besteht keine Rechtsunsicherheit. Sie ist verboten. Unvermeidliche Grenzzonen (z.B. im Grenzbereich zwischen Schmerztherapie und gezielter Lebensverkürzung) lassen sich nicht durch gesetzliche Regelungen aus der Welt schaffen. Jede Regelung würde letztlich dazu führen, dass Töten in Ausnahmefällen grundsätzlich erlaubt wäre. Töten muss aber grundsätzlich verboten bleiben. Um allfälligen Missbräuchen und stossenden Begleiterscheinungen der organisierten Suizidhilfe und des Sterbetourismus zu begegnen, sind keine neuen Gesetze erforderlich. Vielmehr müssen insbesondere die Strafverfolgungs- und Gesundheitsbehörden in allen Kantonen die Kontroll- und Interventionsmöglichkeiten des geltenden Rechts voll ausschöpfen. Erstrebenswert ist hingegen ein Ausbau des Angebots der Palliativmedizin. Denn eine umfassende Unterstützung und Betreuung todkranker Patienten ermöglicht es diesen Menschen, in Würde zu leben und zu sterben. Die Palliativmedizin trägt damit dazu bei, den Sterbewunsch und die Nachfrage nach Suizidhilfe abzuschwächen.