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09.01.2003

Für Graubünden ist das eine frohe Botschaft

Interview mit dem "Bündner Tagblatt" vom 9. Januar 2003 Norbert Waser "Bündner Tagblatt": Heute ist mit Sohn Markus das zweite Ihrer vier Kinder erstmals im Zusammenhang mit der EMS-Gruppe in der Öffentlichkeit aufgetreten. Ist es Ihnen also gelungen, die Weichen für die Zukunft des Unternehmens ohne Familienkrach zu stellen? Christoph Blocher (Mehrheitsaktionär Ems-Chemie Holding AG): Ja, bis heute schon. Wir haben darüber offen diskutiert, und es ist ein offenes Geheimnis, dass die aber Kinder für ein "Going private" waren. Sie suchen nicht die Öffentlichkeit und in naher Zukunft braucht das Unternehmen die Börse auch nicht. Aber in Anbetracht aller Eventulaitäten für die Zukunft ist die nun gewählte Strategie doch besser. Die Kinder haben diesen Entscheid akzeptiert. Aber entschieden haben Sie? Christoph Blocher: Den Entscheid habe ich getroffen. Die Kinder haben dies auch erwartet. Die Steuerfrage ist ein zentraler Punkt und Sie haben dabei auch den Wohnsitz im Kanton Zürich angetönt. Liebäugeln Sie mit einem Wohnsitzwechsel nach Graubünden? Christoph Blocher: Es wird sich zeigen, ob Graubünden künftig bessere Bedingungen hat als der Kanton Zürich. Es wäre auf jeden Fall nicht der letzte Kanton, in den in umziehen würde. Im Augenblick mache ich jedoch keine Anstalten in dieser Richtung. Wann ziehen Sie sich aus dem operativen Geschäft zurück? Christoph Blocher: Das passiert sukzessive. Vermutlich werde ich mich in den nächsten Jahren auf das Präsidium beschränken und die Funktion des CEO jemand anderem übergeben. Das hängt nicht zuletzt von der künftigen Führungssturktur für eine Publikumsgesellschaft ab. Wir eines Ihrer Kinder die operative Führung übernehmen? Christoph Blocher: Das ist eine Möglichkeit, die sich im Moment abzeichnet. Aber es muss nicht sein. Im Moment müssen Sie sich noch mit Alltagssorgen beschäftigen. Ist der Verkauf der Kraftwerkanlagen an die NOK eine solche? Christoph Blocher: Der Verkauf der Patvag-Kraftwerke ist per Ende Jahr bereits abgeschlossen worden. Bei den Kraftwerken Reichenau hat der Kanton Graubünden ein Vorkaufsrecht. Mir ist es an und für sich gleich, wer die Kraftwerke Reichenau AG übernimmt, aber jeder Käufer müsste ebenfalls auch eine Lieferverpflichtung für 15 Jahre garantieren. Kanton und Gemeinden möchten aber nur die Aktien, das ist nicht möglich, den Fünfer und das Weggli gibt es nicht. Ihr Kommentar zum Vorgehen der Standortgemeinde Doma /Ems. Christoph Blocher: Sie haben nicht einfach die Türe zugeschlagen, sondern einfach einmal das Interesse an den Aktien angemeldet. Wir sind bereit, darüber zu diskutieren. Ich hoffe, dass die Diskussion bis Ende Januar abgeschlossen sein wird. Welche Auswirkungen hat die künftige Strategie mit einer verstärkten Konzentration auf die Polymeren Werkstoffe für Domat/Ems? Christoph Blocher: In der Tat befinden sich die Produktionsanlagen im Hauptbereich der Polymeren Werkstoffe in Domat/Ems. So gesehen ist der jetzt bekanntgegebene Schritt eine frohe Botschaft für den Werkplatz Graubünden. Diese Bereiche sollen in Zukunft noch stärker gefördert und ausgebaut werden.

31.12.2002

Es braucht neue Leute

Der Unternehmer Christoph Blocher über Abzocker, seinen Lohn und die Vorteile militärischer Führung. Interview mit "FACTS" vom 31. Dezember 2002 Lukas Hässig und Nadja Pastega FACTS: Herr Blocher, vor welchem Wirtschaftsführer haben Sie noch Respekt? Christoph Blocher: Vor allen, die ihre Firma ordentlich führen. Es gibt mehr gute Firmen als schlechte. Auch unsere Firma ist in Ordnung. Ich kenne aber auch andere. Es sind nicht zufälligerweise gerade jene grossen Flaggschiffe, die früher hochgejubelt wurden und bei denen man heute nicht viel Respekt haben kann. FACTS: Was haben CS, Rentenanstalt und ABB falsch gemacht? Blocher: Erstens haben sie sich einseitig auf Wachstum und Grösse ausgerichtet: Grössenwahn als Triebfeder. Zweitens haben die CEOs unbrauchbare Management-Methoden angewendet, die nur in der Hochkonjunktur funktionieren: Mit dauernder Umorganisation, mit Gutachten und Beratern, mit Akquisitionen und Fusionen kann man keine Firma führen. Und drittens haben zu viele Manager vor allem von den Unternehmen gelebt statt für die Unternehmen. Sie haben vergessen, was ein Unternehmer ist. Ein Unternehmer ist einer, der in erster Linie für die Firma schaut und nicht von ihr zehrt. Das alles ist jetzt ans Tageslicht gekommen. Insofern war 2002 ein hoffnungsvolles Jahr, weil das endlich aufgeflogen ist. FACTS: Wie konnte es so weit kommen? Sie haben das Wort «Grössenwahn» gebraucht, das im Widerspruch steht zur Tradition dieses Landes. Blocher: Die traditionellen Schweizer Werte sind in den letzten zehn Jahren über den Haufen geworfen worden. Grössenwahn gabs aber nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in der Politik. In den nächsten Jahren wird man sehen, was in der Politik alles falsch gemacht wurde. Sie sehen es an den riesigen Defiziten, an den Staatsschulden, an der Preisgabe von Werten, die die Schweiz stark gemacht hatten. Die gleichen Manager, die jetzt verdammt und rausgeworfen werden, standen vor fünf Jahren zuoberst auf dem Podest. Der Fehler war nicht, dass man sie rausgeworfen hat, sondern dass man sie hochgejubelt hat. Sonst wäre es gar nicht so weit gekommen. FACTS: Wo muss noch bereinigt werden? Blocher: Wir haben erst die Spitzen des Eisbergs gesehen. Vielleicht die spektakulärsten Fälle. Man muss nur nachschauen, wer wie viele Unternehmen dazugekauft hat. Dort ist der wunde Punkt. Mikron zum Beispiel war eine gute Maschinenfabrik mit hochqualifizierten Produkten. Dann kaufte sie etwas Fremdes aus dem Telekombereich, was damals ein Boom war. Davon hat sie nichts verstanden und ist zusammengekracht. So geht es vielen. Darum hing während 20 Jahren hinter meinem Pult ein berühmtes Bild von Albert Anker: «Schuhmacher Eisele». Darunter hab ich hingeschrieben: «Schuster, bleib bei Deinem Leisten!» Immer, wenn ein Direktor zu mir kam, musste er dieses Bild anschauen. Die Schweiz war nie erfolgreich dank Grösse. Wichtig war Qualität, Gewinn, Reserven. FACTS: Können Verwaltungsräte, die ein Unternehmen in diese Situation geführt haben, überhaupt korrigieren, oder braucht es neue Leute? Blocher: Es braucht neue Leute. Es ist auch eine Mentalitätsfrage, ob man Grösse oder Qualität in den Vordergrund stellt. In den Führungsetagen achtet man zu sehr auf Leute mit Klang und Namen. Das ist unnötig. Deshalb tauchen auch immer wieder die gleichen Namen auf. Es braucht Leute, die ein solides Führungshandwerk beherrschen. Auch all die grossen Managementtheorien sind überflüssig. FACTS: Worin besteht ein solides Führungshandwerk? Blocher: Es ist relativ einfach: Es fängt beim Auftrag an. Dieser - nicht der Mensch - steht im Mittelpunkt. Man hat die eigenen Stärken herauszufinden, darauf aufzubauen, das zu tun, was realisierbar ist. Dann kommt die Mühsal des raschen Vollzugs. Eine Strategie ist auf dem Papier immer toll. Sie ist nie falsch. Die Frage ist nur, ob man sie durchsetzen kann. Und hier fehlt mancherorts das Einmaleins der Unteroffiziersschule. Dort lernt man mit 21 Jahren, wie man sechs Soldaten führt. Man lernt die drei K: Kommandieren, kontrollieren, korrigieren. Wer etwas anordnet, muss es kontrollieren und korrigieren. Mühselige Kleinarbeit. FACTS: Man hört den Oberst Blocher heraus: Führen heisst befehlen. Blocher: Befehlen - Auftrag erteilen - ist ein Teil. Das Durchsetzen - den Erfolg erzielen - braucht mehr. In den guten Jahren ist das weniger zur Geltung gekommen. Oft hatte einer auch Erfolg, ohne etwas beizutragen. Man hat den Chef eigentlich gar nicht gebraucht, so gut ging es. Die Bankdirektoren konnten doch nichts dafür, dass sie solche Gewinne erzielten, nur weil die Börse 25 Prozent stieg. Doch sie sagten: «Wir haben so hohen Gewinn, also sind wir gute Manager.» Dabei kann man dies nur in schwierigen Zeiten beurteilen. FACTS: Brauchts mehr Kontrolle? Blocher: Nur nicht zu viel vorschreiben. Einfache Lösungen. Das Problem sind die grossen Publikumsgesellschaften. Das liegt daran, dass es hier keine fassbaren Eigentümer gibt. Das Eigentum ist pulverisiert. Wenn sie hunderttausend Eigentümer haben, dann gibts in Wirklichkeit keinen Eigentümer mehr. Wie beim kommunistischen System, dort sind ja auch alle Eigentümer, aber es gibt keinen, der das Eigentum schützen kann. Darum entsteht eine Nomenklatura. So sind unsere grossen Verwaltungsräte zur Nomenklatura verkommen. Sie können machen, was sie wollen, weil kein Eigentümer zum Rechten schauen kann. Deshalb ist es für den Schutz des Eigentums absolut notwendig, dass die oberste Führung wenigstens die eigenen Saläre und Bezüge veröffentlicht, jährlich, mit Namen. Dies zum Schutz des Privateigentums. Das Zweite: Man muss das Depotstimmrecht der Banken abschaffen. Man kann einen Verwaltungsrat heute nicht auswechseln, denn die Banken müssen mit dem Depotstimmrecht für den Verwaltungsrat stimmen. Das ist, wie wenn man sagen würden, wer nicht an die Urne geht, der stimmt für den Bundesrat. FACTS: Die Depotstimmen haben oft die Mehrheit? Blocher: Sie sind oft massgebend, wo gros-se Aktionäre fehlen. Das muss verschwinden. Es muss so geregelt sein, dass eine ausdrückliche, schriftliche Vollmacht vorliegen muss für einen bestimmten Entscheid. FACTS: Brauchts eine Obergrenze bei den Löhnen? Blocher: Nein. Bei sehr guten Leistungen und Erfolg ist die Frage, ob zehn oder eine Million, nicht massgebend. Doch nur wenn die Entschädigung extrem erfolgsabhängig ist, sind zehn Millionen gerechtfertigt. FACTS: Wie viel verdienen Sie? Blocher: 370'000 Franken, im letzten Jahr. FACTS: Alles inklusive? Blocher: Ja, weil ich keinen Bonus beziehen konnte. Wir hatten das Ziel nicht erreicht, also gabs keinen Bonus. Als es sehr gut ging, habe ich 1,5 Millionen verdient. Ein System, das auch für meine Direktoren gilt. Sie haben kleine Löhne, im Durchschnitt 200'000 Franken. Aber wenn sie sehr gut arbeiten, können sie in Extremfällen bis auf eine Million kommen. Das begreifen die Leute auch. Aber die Leute begreifen nicht, wenn ich letztes Jahr gesagt hätte, ich nehme zehn Millionen als Bonus heraus, obwohl das Ziel nicht erreicht ist. FACTS: Wir stecken in einer Wirtschaftskrise. Wird es wieder besser? Blocher: Davon bin ich überzeugt. Ich glaube, wer ein bisschen Lebenserfahrung hat und die Wirklichkeit sieht, der weiss, dass es in der Wirtschaft immer Hochkonjunkturen und Rezessionen geben wird, das ist vom System her notwendig. Der Mensch macht in guten Zeiten immer Fehler, im privaten Bereich übrigens auch. Ich habe ganz vernünftige Leute gesehen, die in der New-Economy zu Geld gekommen sind. Was die mit diesem Geld gemacht haben, war dann fertiger Blödsinn. So ist es auch in den Firmen. Mir geht es genauso. Wenn ich heute durch das Unternehmen gehe, sehe ich so viele Dinge, die ich in den guten Jahren bewilligt habe und wo ich sagen muss: Das wäre jetzt also auch nicht unbedingt nötig gewesen. Zum Beispiel ein zu schönes Bürogebäude. FACTS: Sieben magere und sieben fette Jahre? Blocher: Ja, der biblische Zyklus gilt (lacht). FACTS: Jetzt haben wir wie viele magere Jahre? Zwei? Blocher: Im Grunde hats 1999 angefangen. Am Anfang sehen Sie es eben noch nicht. Ich fange jetzt wieder an zu investieren für die Hochkonjunktur. 2003 wirds noch nicht aufwärts gehen. Aber so 2004, 2005 bin ich der Meinung, dass es eine Besserung geben wird. FACTS: Wann investieren Sie wieder in die Börse? Blocher: Wir sind keine Finanz-Firma. FACTS: Sie haben zeitweise viel Geld mit Aktien-Anlagen verdient Blocher: Auch ein Industrieunternehmen muss seine Mittel entsprechend bewirtschaften. Auch mit Aktien müssen Sie in der Rezession beginnen. FACTS: Das heisst, jetzt, wo viele Aktien im Keller sind, ist ein guter Moment zum Einsteigen? Blocher: Ja, nur eine Firma, die unten ist, kann rasch höher werden. Ich kann Ihnen jetzt natürlich keine Anlagerichtlinien geben. FACTS: Das wäre aber spannend. Blocher: Ich bringe ein Beispiel, keine Empfehlung: ABB ist jetzt am Boden. Die geht wahrscheinlich zu Grunde, wenn die Asbest-Sache nicht gelöst werden kann. Wer hier investiert, verliert das investierte Geld in diesem Falle. Anderseits halte ich vom Chef, Jürgen Dormann, sehr viel. Ich habe ihn verfolgt bei der Sanierung von Hoechst. Wenn einer aus dieser Firma etwas machen kann, dann er. Gelingt es ihm, dann wird ABB hoch bewertet. FACTS: Sie haben schon ABB-Aktien gekauft? Blocher: Ich mache keine Angaben über unser Wirtschaftsportefeuille. Aber wer hier investiert, der investiert wie in der Forschung: Der Erfolg ist 50 Prozent. FACTS: Sie haben vermutlich nicht jetzt bei 4,5 Franken pro Aktien gekauft, sondern als die Titel bei 2 Franken waren. Blocher: Sie dürfen nicht stets auf den allerbesten Punkt schauen. Es sind Risikoanlagen. Ich frage die Leute, die sich bei mir Rat holen: Können Sie Ihre 20 000 Franken verlieren? Nein? Dann können Sies nicht machen. Sie müssen das Risiko in Kauf nehmen können. FACTS: Was empfehlen Sie heute einem jungen Menschen in der Schweiz, der sich entwickeln möchte? Blocher: Eine Berufslehre. Nicht studieren gehen. Davon bin ich überzeugt. Nicht, weil ich selbst diesen Werdegang gemacht habe ... FACTS: Sie haben doch auch das Gymnasium besucht und studiert. Blocher: Ja, nach der Berufslehre. Nachher sind alle Wege offen. Leider habe ich mich bei allen meinen vier Kindern nicht durchgesetzt. Auf meinen Vorschlag, die Kinder in die Lehre zu schicken, sagten die Lehrer: «Das wäre Unrecht an Ihren Kindern.» Aber gut, jetzt müssen sie die Lehre halt bei mir machen. Nach dem Studium ist man niemand, man fängt bei Null an. Wenn Sie lesen und schreiben können und Sie machen eine Lehre, haben Sie so einen wertvollen Fundus. Alles andere können Sie später noch lernen. FACTS: Kann man eine Karriere planen? Blocher: Wenn mich einer fragt, wie man eine Karriere macht, sage ich: Das können Sie gar nicht. Es ist ausgeschlossen, dass Sie das können. Wenn Sie das wollen, dann gibts keine. Aber machen Sie eine gute, solide Berufslehre und machen Sie überall, wo Sie sind, die Sache tipptopp, und zwar unabhängig. Und unabhängig ist man dann, wenn man immer auf den Job verzichten kann. Dann wird man stark. Sobald man abhängig wird und denkt, ich darf dieses nicht sagen, ich darf jenes nicht machen, sonst fliege ich raus, haben Sie nie Erfolg. Weil Sie das Richtige nicht machen können. Bei Theodor Storm heisst es: «Der eine fragt, was kommt darnach, der andere, was ist recht, und also unterscheidet sich der Freie von dem Knecht.» Der Knecht fragt immer, was kommt nachher. Der Freie sagt, ich mache es richtig, mir ist egal, was passiert. Das muss man den jungen Leuten mit auf den Weg geben.

18.12.2002

Die Blochers

Interview mit der "Bilanz" vom 18. Dezember 2002 Christoph Blocher denkt daran, die EMS-Gruppe von der Börse zu nehmen - oder den Freeflow zu erhöhen. Sein Sohn prüft Varianten, die älteste hält sich als mögliche Firmenchefin bereit. Blochers haben das Unternehmertum im Blut. von Bruno Affentranger Die Familie ordnet sich neu. Noch einmal bittet der Fotograf zum Gruppenbild. Der auf einem Stuhl sitzende Vater zieht zwei seiner Töchter zu sich und sagt: "So! Kommt ein wenig nach vorne. Ihr seid diejenigen, die man sehen soll." Die älteste Tochter, Magdalena, sagt: "Sieht aus, als ob Papi schon zurücktreten würde." So weit ist es noch nicht. Der Vater sitzt fest auf seinem Stuhl. Seit 1983 ist Christoph Blocher Verwaltungsratspräsident und mit stetig anwachsendem Aktien- und Stimmrechtskapital der starke Mann der Ems-Gruppe, des grössten Arbeitgebers im Kanton Graubünden. Doch bei den Blochers stellt sich die Nachfolgefrage. Christoph Blocher sagt: "Ich bin jetzt 62 Jahre alt. Man muss sich fragen: Wer erbt und führt später? Gibt es Junge, die im Unternehmen nachkommen?" Die gibt es. Die vier Nachkommen sitzen erstmals für die Öffentlichkeit gemeinsam mit den Eltern am grossen Sitzungstisch in Herrliberg. Im Januar werden sie gemeinsam den Entscheid gefällt haben, ob sie die Firma von der Börse nehmen und zum reinen Familienunternehmen oder diese kotiert belassen und im Gegenteil zur echten Publikumsgesellschaft machen wollen. Blochers prüfen derzeit alle Möglichkeiten. Vordenker in dieser Sache ist Christoph Blochers Sohn, Markus (31). Der promovierte Chemiker hat sich im Oktober nach fast drei Jahren bei McKinsey vom Beraterberuf verabschiedet und in den Sold des Vaters begeben. In Ems geht er derzeit die verschiedenen Alternativen und deren Konsequenzen in der Theorie durch. Vorkämpferin ist indes die älteste Tochter, Magdalena (33). Die Marketingspezialistin ist seit zwei Jahren im eigenen Unternehmen tätig, seit vergangenem August als Vizepräsidentin des Verwaltungsrates. Die zwei Jüngsten, Miriam (27) und Rahel (26), sind ebenfalls unternehmerisch tätig - aber nicht in der Ems-Gruppe. Das kann noch werden. Bei der Ems-Gruppe wird die Familie Blocher - welchen Weg die Firma auch gehen wird - an Bedeutung und Macht zulegen. Am Tisch in Herrliberg ist die Familiendiskussion eröffnet. Frage an die junge Generation: Wann haben Sie zum ersten Mal an einen Eintritt ins Unternehmen des Vaters gedacht? Magdalena Martullo-Blocher: Früher sagte ich immer, dass ich auf keinen Fall in das Unternehmen gehen wolle. Nie. Mein Vater hatte mich ein paar Mal gefragt. Aber ich sagte immer Nein. Irgendwann kam der Zeitpunkt, zu überlegen, was als Nächstes zu tun sei. Warum taten Sie es dann doch? Magdalena: I ch hatte nicht eine Erscheinung, die mir sagte: Jetzt musst du auf nach Ems. Aber ich realisierte, dass ich von ihm und seinen Erfahrungen profitieren kann. Ausserdem ist es eine interessante Herausforderung. Ich wollte international tätig sein. Als nächster beruflicher Schritt stand eine Tätigkeit als Geschäftsführerin an - ich wollte aber auch noch schwanger werden. Und ich wusste, dass dies nicht die optimale Kombination sein würde. Als Verantwortliche für spezielle Projekte liess sich dies eher vereinbaren. Christoph Blocher: Ich sagte meiner Frau: Jetzt ist sie plötzlich bereit, ins Unternehmen zu kommen. Hättest du das gedacht? Silvia Blocher: Ich hätte das nie geglaubt. Markus Blocher: Für mich war das eine totale Überraschung. Miriam Blocher: Sie hatte immer kategorisch abgelehnt. Was wollen sie sicher nicht so machen, wie es Vater und Mutter gemacht haben? Christoph: Bringt etwas. Los! Magdalena: Feindbilder habe ich keine. Ich werde sicher nicht in der Politik tätig sein. Politisch leben Sie nun einmal mit der Marke Blocher. Haben Sie Mühe damit? Miriam: Wir sind alle politisch nicht aktiv. Markus: Ich bin Auns-Mitglied. Miriam: Okay. Wir sind alle aktive Stimmbürger und eher auf seiner Linie. Sicher nicht bei jeder Vorlage, aber oft. Markus: Ich bin bewusst nicht Parteimitglied, aber ein Stammwähler. Ich finde die SVP gut. Grosswetterpolitisch bin ich auf derselben Linie. Magdalena: Ich bin auch derselben Meinung - ausser bei den Frauenfragen, da sind wir jeweils ein wenig aneinander geraten. Die Frau gehöre an den Herd, war am Familientisch eher seine Parole. Aber er propagiert das nicht mehr, seit ich im Unternehmen bin. Christoph: (Lacht) Ich wollte euch provozieren. Das zwingt zum Nachdenken. Miriam: Gewisse Grundeinstellungen bekommt man von zu Hause mit. Ausleben wird man sie dann individuell. Unternehmerisches Denken haben wir sicher alle im Blut - aufgesogen in der Kindheit. Gerade Sie sind nicht in der Ems-Gruppe tätig. Wie leben Sie das unternehmerische Denken aus? Miriam: Im Job denke ich gesamtheitlicher als andere in meinem Alter. Ausserdem ist es nicht normal, dass ich in meinem Alter eine derartige Position habe und haben will. Ich führe dreissig Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Für mich wäre es keine Herausforderung, am Morgen um acht ins Labor zu kommen, danach dort meine Versuche zu machen und um fünf Uhr abends wieder nach Hause zu gehen. Christoph: Sie ist gestern bis zehn Uhr abends in ihrem Unternehmen gewesen, weil es nötig war, und war heute morgen um fünf Uhr bereits wieder dort. Das kann nur jemand, der weiss, dass diese Art des Arbeitens zu einer leitenden Funktion gehört. Der dies vielleicht als Kind bereits mitbekommen hat. Miriam: Für mich ist das selbstverständlich, obwohl ich es auch nicht immer gerne mache. Aus den Reaktionen anderer merke ich manchmal, dass es nicht für alle selbstverständlich wäre. Ferienjobs im Unternehmen Welches waren Ihre ersten Kontakte zur Firma und zum Unternehmertum? Miriam: Früher nahmen wir an den Tagen der offenen Tür teil. Ausserdem gingen Rahel und ich oft in der Silvesternacht mit den Eltern in die Ems-Chemie. Unser Vater wünschte in der Fabrik, wo das ganze Jahr 24 Stunden im Tag gearbeitet wird, allen, die in dieser Nacht arbeiten mussten, ein gutes neues Jahr. Christoph: Ich habe stets die Kinder in das Unternehmen einbezogen. Auch geistig. Am Familientisch haben wir viel über das Unternehmen geredet. Und da ich wenig Zeit hatte und nie freinehmen konnte, begleitete mich die Familie jeweils während der grossen Geschäftsreisen. Magdalena: Die Auslandgesellschaften kennen wir fast besser als die schweizerischen. Christoph: Für mich waren es Geschäftsreisen, für die Familie hätte es Vergnügen sein sollen … Silvia: … was es längst nicht immer war. Markus: Für mich war es eine gute Erfahrung. Christoph: Dann lade ich jährlich die Kinder und meine Frau zu je zwei Tagen Führungsseminar in die Ems-Chemie ein. Ich möchte, dass die ganze Familie einen Bezug zur Firma hat. Miriam: Diese Tagungen sind in erster Linie für die Kaderleute der Firma gedacht. Wir können mithören, wenn wir wollen. Markus: Jeder mit einem Vater, der in einer derartigen Position tätig ist, wird automatisch ein Stück weit vom Unternehmen tangiert. Wir haben das nicht künstlich gepflegt. Es hat sich einfach so ergeben. Magdalena: Es war nicht so, dass wir stets in der Firma ein und aus gegangen wären. Wir suchten das nicht. Und trotzdem: Meine Schwester und ich arbeiteten während des Studiums in den Auslandgesellschaften der Ems. Christoph: Und er (zeigt auf Markus) war einige Monate als Schichtarbeiter in Ems tätig. Rahel: Ich war in Spanien und in Frankreich als Aushilfssekretärin tätig. Miriam: Ich hatte einmal ein Ferienjob als seine Sekretärin. Das war nur ganz kurz. Christoph: Schade, sie wollte einfach nicht bleiben. Miriam: Als deine Sekretärin? Silvia: Das wollte sie auf keinen Fall. Rahel, Sie sind die Jüngste und haben Anfang Dezember nach dem Abschluss Ihres Studiums bei der Clariant zu arbeiten begonnen. Warum sind Sie nicht direkt in die Ems-Chemie gegangen? Rahel: Ich wollte nie im Unternehmen meines Vaters starten. Dort wäre ich doch nur die Tocher des Chefs. Für eine erste Stelle wäre das sicher eine schlechte Voraussetzung. Schliessen Sie es aus, einmal in der Firma Ihres Vaters zu arbeiten? Rahel: Ich stehe am Anfang meiner beruflichen Karriere. Ich plane nicht, wie lange ich wo sein werde. Und ich habe nicht vor, im nächsten Monat schon wieder zu kündigen. Christoph: Du hast ja die Probezeit noch nicht einmal überstanden (lacht). Könnten Sie sich vorstellen, in einer Firma der Ems zu arbeiten, Miriam? Miriam: Ich bin in einer ganz anderen Branche tätig. Aber auch grundsätzlich wäre es für mich nicht in Frage gekommen. Gerade nach dem Studium hätte mich mein Vater auch nicht unbedingt haben wollen, nehme ich an. Christoph: Ich habe es richtig gefunden, dass alle zusammen ausserhalb der Firma Tätigkeiten annehmen und sich dort bewähren. Sie wollten nicht, und ich wollte auch nicht, dass sie in Ems beginnen. Alles auf eine Karte gesetzt 1983 hat ihr Vater das Unternehmen übernommen. Haben Sie dies als Kinder bereits mitgekriegt? Markus: Ich kann mich gut daran erinnern. Damals war in der Familie ein Spannungsfeld. Als Kind merkte ich, dass eine schwere Entscheidung anstand. Ob er sich verschulden und ins Unternehmen einsteigen und dieses retten sollte - oder nicht. Als Kind merkte ich genau, dass bei uns alles auf dem Spiel stand. Miriam: Wir waren immer ein bisschen Zuschauer. Für ihn war das aber mehr. Eine Lebensaufgabe. Dies ist es auch heute noch. Markus: Ich sah seinen Einsatz. Seinen Risikowillen (blickt zum Vater). Er sah das Problem und sagte: "Ich muss das einfach tun." Silvia: Er kaufte das Unternehmen nicht einfach, weil er es unbedingt haben wollte. Er musste, weil er es retten wollte und nur so retten konnte. Er musste es wegen der Mitarbeiter und aus Verantwortung dem Unternehmen gegenüber. Das glaubt heute leider kein Mensch mehr. Das erzeugte in jener Zeit das Spannungsfeld, das du erwähnt hast, Markus. Magdalena: Unsere Mutter sagte. "Aber du! Du investierst alles, was wir haben. Unser Haus. Du hast vier Kinder." Wir hatten nachher einfach kein Geld mehr. Wir wohnten zwar in einem Haus, aber das gehörte der Bank. Mein Vater kam dann nach Hause und sagte: "Huh, jetzt habe ich der Bank wieder etwas zurückzahlen können." Es war schwierig. Was war schwierig? Magdalena: Wir hatten zwar ein Unternehmen, aber das war am Boden. All das Vermögen steckte da drin. Und wir - mein Bruder und ich - konnten nie sagen: "Wir sind jetzt super, wir sind reich, wir sind jetzt Unternehmerkinder." Wir waren noch ärmer als die anderen, die mit uns in die Schule gingen. Markus: Wir sind bescheiden aufgewachsen. Wenn alle ein Velo hatten, hatten wir keines. Und wenn man es brauchte, um in die Schule zu fahren, dann gab es zwar ein Velo, aber als Geschenk zu Weihnachten. Alle hatten Sackgeld, wir hatten keines. Als es dann welches gab, reichte es für ein Maisbrötli einmal in der Woche. Magdalena: Wir trugen Kleider von Freunden und der älteren Geschwister. Markus: Ich musste mit anderen Dingen bestehen, nicht mit materiellen Dingen Christoph: Auch später, als es finanziell gut ging, wollten wir die Kinder nicht verwöhnen. Für uns war das ein Erziehungsprinzip. Mit dem Notwendigsten leben lernen. Das Geld wird nicht für Dummheiten gebraucht. Alle unsere Kinder besuchten eine normale Volksschule. Markus: Hunger mussten wir nie haben. Rahel: Nein. Man konnte aber auch keine grossen Sprünge machen. Christoph: Das ist ein Lebensprinzip. Junge Menschen muss man zur Selbstverantwortung erziehen, das heisst: sich auf das Notwendigste beschränken, wenn man wenig hat. Das gibt auch das Gefühl der Normalität im Leben. Ein Unternehmer weiss nie, ob er alles verliert. Die Erziehungsfrage Wer war das strenge Element in der Erziehung: Mutter oder Vater? Rahel: Beim Vater hiess es immer: "Da musst du s Mami fragen." Magdalena: Bei extremen Situationen konnte man mit ihm diskutieren. Mit ihr konnte man streiten. Mit ihm habe ich immer konstruktive Lösungen gefunden. Er konnte zuhören. Die Lösungen nahmen die Bedürfnisse beider Seiten auf. Christoph: Für mich war es natürlich einfacher, eine weichere Linie zu fahren. Silvia: Weicher war er nicht. Aber er war viel weg. Ich musste selber schauen, wie ich mit diesen vier lebhaften Kindern zurechtkam. Christoph: Sie war immer mit den Kindern. Das war für sie schwierig. Wenn ich nach Hause kam, dann stand nicht gleich Erziehung im Mittelpunkt, sondern das Wiedersehen - und ich konnte meist etwas grosszügiger sein. Ich hatte die Erziehung aber nicht einfach abgegeben. Ich nahm stark daran teil. Silvia: (Lacht) Stimmt! Wir versuchten immer, dem anderen nicht in den Rücken zu fallen. Denn das ist relativ schnell passiert. Christoph: Sie rief während der Pubertät der Kinder schon einmal ins Büro an und sagte: "Jetzt ist einfach fertig, so geht das nicht mehr mit den Kindern. Die sind derart frech." Silvia: Dann sagte ich: Du musst sofort kommen. Christoph: Und ich ging nach Hause nach dem Rechten schauen. Dann war die Autorität wiederhergestellt. Ich tröstete in solchen Momenten meine Frau, dass sie froh sein solle, dass die Kinder mit der Mutter so saufrech seien. Die Kinder lebten ihre Pubertät aus. So konnten sie sich ablösen. Und Sie, Frau Blocher, sagten: Ja, ja, du hast so Recht, Schatz. Silvia: (Lacht) Ich habe mich aufgeregt. (Blickt zu Christoph Blocher) Du musstest das nicht jeden Tag hautnah miterleben. Christoph: Ich habe zehn Geschwister. Darunter hat es einige, die haben die Pubertät nicht ausgelebt. Sie erleben sie noch mit sechzig. Ich sagte meiner Frau immer: Was jetzt rausgeht, ist draussen. Die Tochter des Chefs Frau Martullo, sind Sie in Ems jetzt nicht zuerst einmal die Tochter des Chefs, genau so, wie es Ihre Schwester Rahel für sich nie hat erleben wollen? Magdalena: Das werde ich ausserhalb der Firma sehr viel gefragt. Dem liegt aber ein negativer Gedanke zu Grunde. Dass nämlich die Mitarbeiter einen solchen Wechsel schlecht aufnähmen und sagten, dass nun die Tochter des Chef komme, die keine anderen Qualitäten als die Abstammung vorzuweisen habe. Bei Ems war es aber ganz anders. Die Leute haben mich sehr positiv aufgenommen. Sie schätzen die Kontinuität. Die junge Generation steigt ein und verkörpert diese Fortsetzung. Und vielleicht dachten einige, dass es nun für sie mit mir ein wenig einfacher würde. Aber das ist nicht so (alle lachen). Was verstehen Sie unter "einfacher"? Magdalena: Dass die Leute denken: Schau, jetzt kommt jemand Junger. Die können wir noch ein bisschen formen. Inzwischen wissen alle, dass mein Stil nicht bequemer ist als derjenige des Vaters. Misstrauen oder Zweifel habe ich noch nie gespürt. Ich habe auch nie mein Hirn zermartert mit dem Gedanken, was die Leute darüber denken, dass ich die Tochter von Christoph Blocher bin. Man kümmert sich um die Sache und macht seine Arbeit. Markus: Im Unternehmen gibt es zwei Aspekte: Als Tochter oder Sohn des Vaters im Geschäft muss man eher mehr bieten und in der Sache mehr überzeugen. Man wird an den Leistungen gemessen. Auf der anderen Seite kommt man leichter an gewisse Informationen heran - auch von anderen Leuten, weil diese die Beziehung zum Vater stets vor Augen haben. Christoph: Ich bin mit meinen eigenen Kindern eher strenger als mit Dritten. Ich verlange mehr. Sie haben eine Vorbildfunktion. Wir haben bei Ems einen sehr offenen Führungsstil. Wir pflegen die Polarisierung in den Diskussionen. Dabei spielt es keine Rolle, wer woher kommt. Das Hierarchiedenken ist nicht so ausgeprägt, dass das Wort der Tochter einfach immer mehr Gewicht hätte als jenes von anderen Leuten. Magdalena war zwei Wochen da und musste gleich voll ran. In einem Unternehmensbereich lief es nicht rund - sie bekam den Auftrag, diesen Bereich zu leiten und ihn in Ordnung zu bringen, obwohl sie schwanger war. Ich sagte ihr: Bis das Kind kommt, musst du im Betrieb einen Chef gefunden haben. Sie schaffte das, und für sie war das eine sehr gute Herausforderung. Magdalena: Das hat mir sehr geholfen. In der Firma sahen alle, dass ich auch selber etwas leisten muss. Hat die Mutter in der Frage der Nachfolgeregelung mitdiskutiert? Silvia: Nein. Ich schaue zu. So wie heute. Aber immerhin ging es um eines der eigenen Kinder. Magdalena: Mein Vater wusste als mein Chef von meiner Schwangerschaft, bevor es meine Mutter erfuhr. Silvia: Das werde ich euch nie vergessen (lacht). Christoph: Sie musste es mir sagen wegen der Dispositionen im Unternehmen. Ich schwieg, weil es meine Tochter so wollte. Magdalena: Es war ja noch in einem frühen Stadium. Silvia: Das vergesse ich euch nie (lacht). Markus: Auch bei uns war es so. Wir - mein Vater und ich - hatten in diesem Herbst kurzfristig entschieden, dass ich ins Unternehmen eintreten würde. Silvia: Ja, genau, davon habe ich auch nichts gewusst. Markus: Meine Mutter erfuhr es erst, als es bereits entschieden war. Silvia: (Lacht) Ihr macht, was ihr wollt. Nie Wirtschaft studieren! Haben Sie die Karrieren Ihrer Kinder geplant? Christoph: Nein. Sicherlich nicht. Mir schien aber immer wichtig, dass alle Kinder einen guten Leistungsausweis mitbringen würden. Gegen meinen Willen haben alle direkt ein Studium abgeschlossen. Ich wäre für eine Berufsausbildung - mindestens als Erstausbildung - gewesen. Magdalena: Als ich zu Hause ankündigte, dass ich Wirtschaft studieren würde, sagte mein Vater: "Wirtschaft musst du gar nie studieren. Das kannst du alles in der Praxis erlernen. Studiere etwas anderes!" Miriam: Ich hatte mich für Lebensmittelingenieur entschieden und brauchte seine Unterschrift, weil ich noch nicht volljährig war. Ich weiss noch genau, wie er reagierte, als ich das Dokument brachte, auf dem stand: Abteilung für Landwirtschaft. Mein Vater lachte laut und sagte: "Was! Du willst Bauer werden?" Christoph: Jawohl. Da hatte ich einen Moment lang grosse Freude. Weil Sie selber einst Bauer waren? Christoph: Natürlich auch. Magdalena: Wir sind alle genug eigenständige Leute, um selber zu entscheiden, was wir studieren oder machen wollen. Christoph: Vielleicht seid ihr ja beeinflusst worden. Magdalena: Er hat es nicht versucht. Markus: Das hätte auch nicht zur Art der Erziehung gepasst. Man wusste nie genau, ob das, was man eben gemacht hatte, gut war oder nicht. Bei den Zeugnissen hiess es nie: super, hier bist du wirklich gut. Höchstens: Hier hättest du auch noch ein wenig zulegen können. Ich hatte keinen Richtwert, auf den ich mich fixierte, der das einzig Richtige dargestellt hätte. Ich musste ihn mir selber aussuchen. Miriam: Natürlich existiert eine Art der Beeinflussung. Ich spreche von den vermittelten Werten, vom Lebensstil der Eltern. Diese Dinge spielen eine Rolle. Silvia: Wir haben Unternehmerfamilien und deren Kinder erlebt und gesehen, wie es nicht gut gehen kann. Christoph: Es waren Unternehmer, die ihre Kinder von der ersten Klasse an auf die Unternehmensführung ausrichteten. Das ist zunächst auch verständlich: Wenn der Vater etwas aufbaut oder gründet, dann ist der Wunsch stark, dass das Unternehmen durch die Familie weitergeführt werden soll. Doch die Kinder sind einem solchen Erwartungsdruck in der Regel nicht gewachsen und müssen zwangsläufig versagen. Ich hatte den Vorteil der börsenkotierten Firma. Ich wusste, die Firma gehört nicht mir allein. Nicht Abstammung ist das Wesentliche - die Fähigkeit und das Wollen zählen. Silvia: Wir wollten unsere Kinder auch nicht darauf trimmen, unbedingt ans Gymnasium zu gehen. Sie sollten sich ihren Anlagen gemäss entwickeln können. Magdalena: Vater sagte stets: "Niemand muss ins Unternehmen. Wenn keines der Kinder will, verkaufe ich das Unternehmen." Das Führungsprinzip weitergeben Arbeiten Sie und Ihr Vater heute oft zusammen, sodass Sie von ihm profitieren können? Christoph: Nein. Ich habe Magdalena eine Aufgabe, einen umfassenden Auftrag gegeben. Das ist auch ein wichtiges Führungsprinzip, das ich habe. Wie sehen diese Führungsprinzipien aus? Christoph: Es sind einfache. Zum Beispiel: "Den Chef fragt nie etwas!" Entweder man handelt und trägt die Verantwortung, weil man die Kompetenzen hat. Oder - wenn diese fehlen - legt man dem Chef das Problem und die Lösungsvarianten vor und sagt ihm, wie man entscheiden soll. Wird diesem Prinzip vom CEO bis zum Pförtner konsequent nachgelebt, resultiert eine unglaubliche Führungskapazität. Das gilt aber überall, wo Verantwortung wahrgenommen werden muss. Das haben die Kinder mitgekriegt, weil ich das auch in der Familie so handhabte. Wie haben Sie das vermittelt? Christoph: Ich habe zum Beispiel meiner Frau gesagt, dass sie mich nicht fragen müsse, was es zum Essen geben solle. Entweder machst du es. Oder du bist nicht kompetent, und dann stellst du einen Antrag (lacht). Silvia: (Lacht.) Christoph: Hinter diesen Dingen steckt mehr als ein System. Es ist Ausdruck einer Lebenshaltung. Sie (er schaut zu Magdalena) behandelt jetzt die Marketingkonzepte und -pläne, und ich lasse sie machen. Sie trägt dafür die Verantwortung. Das heisst: Die Mitarbeiter haben eine grosse Freiheit, aber das Risiko ist auch gross, dass Fehler geschehen. Fehler muss jeder Einzelne selber ausbügeln. Die Kunst ist lediglich, dass ich aus der Ferne schaue, dass allfällige Fehler sich nicht zu einer Katastrophe auswachsen. Sie werden nicht drei Monate nach Ihrem Austritt, der ja irgendwann stattfinden wird, zurückkehren? Christoph: Natürlich weiss man nie genau, wie man sich verhalten wird. Aber meine Meinung ist klar: Wenn man nicht dabei ist, sieht man erstens nicht jedes Fehlerchen und greift nicht dauernd ein. Zweitens hat der Betreffende gar keine andere Möglichkeit, als alleine durchzukommen. Entweder ist man dabei und trägt die Verantwortung. Oder eben nicht. Magdalena: Er müsste nichts tun, seine Anwesenheit würde genügen, um als Meinung interpretiert zu werden. Christoph: Man muss also rausgehen, wenn die Jungen übernehmen. Magdalena: Deshalb halten wir unsere Aufgabengebiete schon heute klar getrennt. Ich übernehme die Ein- und Dreijahresstrategien und die Marketingkonzepte. Christoph: Für mich ist das eine grosse Entlastung. Ich habe das seit 19 Jahren immer selbst gemacht. Magdalena: Niemand im Unternehmen hätte gedacht, dass er das würde abgeben können. Silvia: Stimmt. Die Leute sagen das alle. Magdalena: Da haben sie ihn alle völlig falsch eingeschätzt. Sie haben gedacht, er könnte nicht mehr leben, wenn er diese Planungen nicht mehr würde machen können. Silvia: Dabei ist er froh, dass er etwas weniger machen muss. (Zwei Tage nach dem Gespräch, als nachgeschobene Frage) Christoph Blocher, ist Frau Martullo-Blocher nun Ihre Nachfolgerin? Christoph Blocher: Diese Nachfolgeregelung ist nicht bestimmt. Sie hat im Falle einer breiten, echten Publikumsgesellschaft anders auszusehen als bei einer Going-private-Lösung. Frau Martullo ist heute Vizepräsidentin des Verwaltungsrates. Im Falle eines unerwarteten Wegfalls des Präsidenten des Verwaltungsrates müsste und könnte sie die Firma leiten.

28.11.2002

Mit Herrn Schmid ist es einfacher

Interview mit "Facts" vom 28. November 2002 Christoph Blocher - Der SVP-Vorkämpfer klärt im Interview sein Verhältnis zu Samuel Schmid. Bilanz: Er ist ein guter Bundesrat, aber die SVP ist nur zu einem Viertel vertreten. von Hannes Britschgi Herr Blocher, ist Samuel Schmid nur "ein halber Bundesrat"? CHRISTOPH BLOCHER: Nein, Samuel Schmid ist ein guter Bundesrat, er ist kein halber Bundesrat; das hat niemand behauptet. Aber er ist ein halber SVP-Bundesrat. Eine politische Beleidigung? BLOCHER: Nein. Wir haben ihn damals als Bundesrat nicht vorgeschlagen, weil er in der Aussenpolitik nicht die SVP-Meinung vertritt. Gerade auch deshalb haben ihn FDP und CVP gewählt. Jetzt hat sich das auch mit der Asylinitiative gezeigt. Die SVP-Meinung ist damit nur zur Hälfte im Bundesrat vertreten. Und da wir eigentlich zwei Vertreter zugute hätten, nur zu einem Viertel. Samuel Schmid war ungehalten und hat über einen Parteiaustritt nachgedacht. Wie beurteilen Sie seine Reaktion? BLOCHER: Ich weiss nicht, ob er das getan hat. Er wurde von den Delegierten attackiert, weil die Parteibasis findet, dass er die Idee der Asylinitiative verraten habe. Eine solche Diskussion muss man führen dürfen. Und ein Bundesrat muss diese Kritik ertragen. Ist er ein "Verräter"? BLOCHER: Nein. Ich fand es einen Fehler, dass er in verschiedenen Medien den Eindruck erweckt hat, er sei auch persönlich gegen unsere Initiative. Er sagte mir aber, das sei nicht seine Absicht gewesen. Er habe nur den Standpunkt des Bundesrates darstellen wollen. Drei Stunden lang hat sich die SVP-Bundeshausfraktion mit Samuel Schmid ausgesprochen. Warum hat er die Vertrauensfrage gestellt? BLOCHER: Nicht er hat sie gestellt. Wir haben ihm nach wie vor das Vertrauen ausgesprochen. Früher waren es "Beziehungsprobleme" mit dem Berner SVP-Bundesrat Adolf Ogi, heute sind sie es mit Samuel Schmid, ebenfalls aus dem Kanton Bern, wie gehabt. Also ungefähr dieselbe Konstellation wie damals? BLOCHER: Nein, mit Herrn Schmid ist es viel einfacher. Das Verhältnis mit Bundesrat Ogi war viel schlechter? BLOCHER: Komplizierter. Ogi war viel empfindlicher, sehr persönlich bezogen. Im Übrigen ist die aktuelle Geschichte mit Samuel Schmid hochgespielt, insbesondere das Werk seines Informationschefs Oswald Sigg. Dieser Armeeabschaffer hat natürlich ein Interesse daran, die SVP ein wenig zu schwächen. So arbeitet er mit anderen Journalisten zusammen. Da muss ich kein Prophet sein, um das zu sehen. Unternehmen Sie etwas dagegen? BLOCHER: Das muss ein Bundesrat selber wissen. Ich nehme das Ganze auch nicht so furchtbar ernst. An der Delegiertenversammlung im aargauischen Lupfig haben Sie ausführlich die Oppositionsrolle der SVP thematisiert. Gehts vom halben SVP-Bundesrat zur ganzen SVP-Opposition? BLOCHER: Wir sind heute zu drei Viertel in die Opposition getrieben. Wenn man uns nicht in den Bundesrat reinlässt, dann haben wir gar keine andere Möglichkeit. Wenn ich all die Fehlleistungen - Steuererhöhungen, das Bundesdefizit, die Krankenkassenprämien, die ganze Aussenpolitik gegenüber der EU, Asylpolitik - betrachte, die gegen den Willen der SVP zu Stande gekommen sind, dann ist Opposition unsere höchste Pflicht. Ändern könnten wir dies höchstens mit zwei starken SVP-Bundesräten - nicht einfach mit zwei starken Bundesräten - in der Regierung. Wenn man das nicht will, dann sind wir zur Opposition verpflichtet.

17.11.2002

«Ein gutes Management hat keine Angst, wenn Ems Einsitz nimmt»

Über seine Rolle als Lonza-Grossaktionär, seine Nachfolge und die Konjunktur Interview mit der "SonntagsZeitung" vom 17. November 2002 von Andreas Kälin und Daniel Zulauf Herrliberg ZH - Die von Christoph Blocher kontrollierte Ems-Chemie hält direkt und indirekt über Put-Optionen 20,7 Prozent der Aktien von Lonza. Obwohl Ems nun der grösste Aktionär des Feinchemiekonzerns ist, hat Lonza-Präsident Sergio Marchionne im "Cash" erklärt, er sei "nicht überzeugt, dass es nötig ist, Christoph Blocher in den Verwaltungsrat aufzunehmen". Noch wichtiger als Lonza ist dem 62-jährigen Blocher die Regelung seiner Nachfolge: Bald entscheidet er über die Börsenzukunft seiner Ems-Chemie. Christoph Blocher, Sie wollen einen Sitz im Lonza-Verwaltungsrat. Lonza-Präsident Sergio Marchionne hat auf Ihr Ansinnen öffentlich ablehnend reagiert. Hat er Sie auch direkt kontaktiert? Christoph Blocher: Von einer feindlichen Reaktion ist mir von Lonza direkt nichts bekannt. Auf Herr Marchionnes Aussage trete ich nicht ein. Wir können nicht über die Medien kommunizieren. Ich habe mit dem Verwaltungsrat von Lonza einen Termin vereinbart, um über mein Anliegen zu sprechen. Aber eines ist klar, Ems kann nicht 500 bis 800 Millionen Franken gebunden haben, ohne im Verwaltungsrat vertreten zu sein. Andernfalls müssten wir die Beteiligung abbauen. Rechnen Sie jetzt damit, dass Lonza Ihnen den Verwaltungsratssitz verweigert? Blocher: Nein. Der Verwaltungsrat kann nichts dagegen haben, dass der grösste Aktionär im Verwaltungsrat vertreten ist. Ein gutes Management hat davor keine Angst. Dass Ems Einsitz nehmen will, ist auch kein Zeichen des Misstrauens. Beim Umfang unserer Beteiligung ist eine Kontrolle notwendig. Ob ich mich selber für diesen Verwaltungsrat zur Verfügung stelle, ist noch offen. Das Amt kann auch jemand anders übernehmen. Marchionne hält Ihnen vor, dass Sie wegen Ihrer Tochter Ems Dottikon in einen Interessenkonflikt geraten könnten. Blocher: Auch das höre ich zum ersten Mal. Ich war ja schon bis 2001 im Verwaltungsrat von Lonza, und die Frage allfälliger Interessenkonflikte wurde selbstverständlich damals schon geprüft. Gab oder gibt es Absichten, Ems mit Lonza zusammenzuspannen? Blocher: Alusuisse-Lonza fragte damals, ob man Ems nicht mit der Algroup fusionieren könne. Wir prüften das und sahen, es macht keinen Sinn. Heute besteht keine Absicht, Ems mit Lonza zusammenzulegen. Wollen Sie mit Ihrer Beteiligung auch verhindern, dass Lonza an einen ausländischen Konkurrenten geht? Blocher: Ich sähe es nicht gerne, wenn Lonza an einen ausländischen Konzern ginge. Das wäre für die schweizerische Chemie wohl eine Schwächung. Haben Sie in der Auktion des Lonza-Paketes von Martin Ebner mitgeboten? Blocher: Nein. Es war von Anfang an klar, dass die Aktien zu einem relativ hohen Preis den Besitzer wechseln würden. Warum das? Blocher: Wenn Dritte für die Lonza-Aktien nicht den erhofften Preis zahlen, nehmen Ebners Gläubigerbanken die Titel selber in ihre Schatullen. Das ist wie bei einem Haus mit einer Hypothek von 800 000 Franken. Wird es zwangsversteigert und niemand bietet so viel, kauft es die Bank für 800 000 Franken. Sie nimmt lieber das Haus als Verluste auf den Guthaben. Dann glauben Sie, dass Ebners Gläubigerbanken das Lonza-Paket übernommen haben? Blocher: Ziemlich sicher. Die Banken haben die Aktien wahrscheinlich zu 85 Franken ersteigert. Dann wurde wohl der Kurs auf 89 Franken hochgehalten. Später folgte eine Kaufempfehlung für Lonza-Aktien. Die Banken können so die Titel weiterplatzieren. Wenn es sich so abgespielt hat, wäre das ein schlimmes Beispiel einer Interessenkollision bei den Banken. Blocher: Beweise gibt es nicht, aber Vermutungen. Die Banken lernen nichts. Sie sagen, wir haben eine Kreditabteilung, eine Abteilung für Kundenberatung, haben Analysten, eine separate Gruppe für Bookbuildings, alles getrennt. Aber in diesem Fall lässt sich erkennen, wie wunderbar alles ineinander läuft. Wie geht es weiter mit Ihrer Ems-Chemie, wo Sie Ihre Nachfolge regeln müssen? Blocher: Es geht darum, ob wir aus Ems-Chemie eine echte Publikumsgesellschaft machen wollen oder ob man die Firma von der Börse nehmen soll. Es ist ein schwieriger Entscheid, den ich bis Ende Jahr fällen muss. Wovon hängt er ab? Blocher: Klar, das Going Private liegt mir näher. Zudem ist bei einer privaten Firma die Steuersituation für die Erben besser. Ich konnte die Vermögenssteuer zahlen, ohne die Firma auszubluten. Dies muss auch bei meinen Erben so sein. Aber zuallererst muss die Weiterentwicklung der Firma gewährleistet sein. Heute brauchen wir die Börse zwar nicht. Aber in fünf oder zehn Jahren, wenn wir stark expandieren, könnte sich das ändern. Wollen Sie Ems-Chemie zusammenhalten, oder ist eine Aufsplittung denkbar? Blocher: Als Publikumsgesellschaft ist eine Aufteilung nicht sinnvoll. Als private Firma wäre es theoretisch denkbar. Man könnte diese einzelnen Teile separat wieder an die Börse bringen. Sie sehen, alles wird geprüft. "Die Wirtschaft braucht die Rezession als Selbstreinigungsprozess" Man könnte auch Teile mit Lonza zusammenlegen. Blocher: Heute sehe ich darin keinen Sinn. Aber als Unternehmer wie als Politiker halte ich mir gerne viele Varianten offen. Kommen Ihre Kinder in Frage, um Ihre Nachfolge in der Unternehmensleitung anzutreten? Blocher: Wir werden sehen. Meine älteste Tochter ist Vizepräsidentin des Ems-Verwaltungsrats. Sie war zuerst bei einer amerikanischen Chemiefirma, dann Verkaufschefin bei Rivella. Sie stand hinter der Kampagne "Welche Farbe hat ihr Durst?". Sie könnte Ems operativ führen. Und Ihre anderen Kinder? Blocher: Der zweite Sohn ist Chemiker und arbeitete zwei Jahre für McKinsey. Seit einem Monat ist er bei Ems als Leiter für besondere Projekte tätig. Er muss sich jetzt bewähren. Gefällts ihm und gefällts mir auch, dann können wir zusammenschaffen. Die anderen zwei Kinder sind nicht im Unternehmen. Alle vier können auch nicht in der gleichen Firma tätig sein. In der Regel gibt so etwas nur Streit. Was ist heute wahrscheinlicher, die Variante, dass Sie aus Ems-Chemie eine echte Publikumsgesellschaft machen, oder ein Going Private? Blocher: Es steht immer noch 50 zu 50 Prozent. Bis Ende Dezember entscheide ich. Sie halten an Ems-Chemie 70 Prozent vom Kapital und 85 Prozent der Stimmen. Würden Sie, wenn Sie die Variante Publikumsgesellschaft wählen, die Mehrheit abgeben? Blocher: Wenn wir eine echte Publikumsgesellschaft werden wollen, müssen wir wohl eine Einheitsaktie einführen. Auch dann hätte ich das Stimmenmehr. Aber um den Aktienhandel liquider zu machen, müsste ich wohl auch die Mehrheit abgeben. Ihnen wird eine gute Nase für die Konjunkturentwicklung nachgesagt ... Blocher: Im Moment werde ich wohl etwas überschätzt. Wie wird sich die Wirtschaft in den nächsten Jahren entwickeln? Blocher: In Europa hat die Rezession erst angefangen, ich sehe es in der Autoindustrie. Amerika steckt schon seit 1998 im Tief, dort kommt bald die Wende. Aber die USA haben damals ja noch Wachstumsraten ausgewiesen. Blocher: Das sind gemachte Wachstumsraten gewesen. Ich glaube, beim Bruttoinlandprodukt werden Dienstleistungen ganz falsch bewertet. Auf solche Daten schaue ich weniger, ich bin am Markt und liebe einfache Parameter, zum Beispiel den Papier- oder Autoabsatz. Es gibt ein paar Indizien, die in den letzten dreissig Jahren immer zuverlässig waren. Vor kurzem prophezeiten Ökonomen noch, es werde künftig keine Zyklen wie früher mehr geben. Blocher: Hoch und Tiefs sind eine Notwendigkeit. Es gibt immer wieder Rezessionen und immer aus dem gleichen Grund. In einer Hochkonjunktur ist das Angebot zu klein. Dann investieren alle, und zwar zu viel. Dann dauert es Jahre, bis die Überkapazitäten bereinigt sind. Wie lange wird es denn dauern, bis Ems wieder investiert? Blocher: Ich habe nun vier Jahre wenig investiert. Immer wenn die Euphorie am grössten ist, muss man bremsen. Im Superjahr 1998 hat Ems einen Personal- und Investitionsstopp angeordnet. Jetzt fangen wir wieder an zu investieren. Dann sind wir parat, wenn es 2004, vielleicht auch erst 2005, aufwärts geht. Das ist wie bei den biblischen Zyklen, mit sieben mageren und sieben fetten Jahren. Zyklen als eherne Notwendigkeit? Blocher: Ja. In allen Hochkonjunkturjahren wird in den Firmen viel Mist gemacht. Der Mensch erträgt gute Jahre schlecht. Da tauchen auch die angenehmen Repräsentationsfiguren auf, die aussehen, als wenn sie den ganzen Tag am Mittelmeer lägen. Schlechte Manager, die in den Gigantismus hineininvestieren. Es wird bei den Bilanzen geschummelt. Jetzt in der Rezession wechselt man die unfähigen Manager aus. Die Wirtschaft braucht die Rezession als Selbstreinigungsprozess.