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Indépendance

11.06.2001

Die Schweiz ist jetzt eindeutig weniger sicher

SVP-Nationalrat und Auns-Präsident Christoph Blocher will jetzt Rüstungskredite im Umfang von einer Milliarde streichen Interview mit dem Tages-Anzeiger vom 11. Juni 2001 Mit Christoph Blocher sprach Luciano Ferrari Herr Blocher, sind Sie sehr enttäuscht über das Abstimmungsergebnis? Christoph Blocher: Ich bedaure es. Aber es ist besser, als wir zu Beginn gedacht hatten. Ich habe nie an eine Annahme des Referendums gedacht, denn es ist fast nicht möglich, allein diesen Kampf zu führen. Bedeutet das Ergebnis jetzt für Sie, dass die Mehrheit der Schweizer und Schweizerinnen bereit ist, ihre Söhne und Töchter für fremde Kriegshändel zu opfern? Blocher: Ja, es kann dazu führen. Allerdings hat der Bundesrat gesagt, er werde an der Neutralität festhalten. Er hat es betont, je länger der Abstimmungskampf dauerte. Ebenso hat er den Nato-Anschluss bestritten und weiter versprach er an der Milizarmee festzuhalten. Bei der Ausbildungs-zusammenarbeit gehe es nicht um Kriegsübungen mit anderen Armeen, sondern um die Vereinfachung des heutigen Zustands. Wenn er sich daran hält, dann muss er jetzt die Armee-XXI-Doktrin völlig ändern. Tut er es nicht, wird das zu dem führen, was wir auf den Plakaten gezeigt haben. Der Bundesrat wird für die Armee XXI ein neues Militärgesetz vorlegen müssen. Hält er seine Versprechen nicht ein, ergreifen wir erneut das Referendum, und dann wird es für ihn heikel. Dennoch geht mit diesem Ja Ihrer Meinung nach die 200-jährige Friedenstradition der Schweiz zu Ende. Ist die Schweiz jetzt weniger sicher? Blocher: Eindeutig. Weil die Armee und der Bundesrat die Möglichkeit bekommen haben, mit anderen Armeen Kriegsübungen zu veranstalten. Auch wenn der Bundesrat gesagt hat, er mache es nicht: Das Gesetz ermöglicht dies nun. Wurde mit der heutigen Abstimmung letztlich auch die Armee XXI abgesegnet? Blocher: Nein, das gerade eben nicht. Und das ist das Grossartige an diesem knappen Ergebnis. Denn der Bundesrat hat das Wesentliche versprochen. Also muss er dies jetzt auch einhalten. Zudem hat der Gesamtbundesrat am Schluss etwas sehr Gewagtes getan: Vor zehn Tagen hat der Bundespräsident erklärt, es gehe bei dieser Abstimmung um die Frage "Blocher oder Bundesrat". Er hat gleichsam die Vertrauensfrage gestellt. Das macht man eigentlich nur in Notzeiten. Jetzt muss ihm sein Ergebnis von nur 51 Prozent zu denken geben. - Ich muss meine 49 Prozent mit niemandem teilen, er seine 51 Prozent durch sieben. (lacht) Sie können doch die Nein-Stimmen aus der Westschweiz nicht auf Ihr Konto buchen. Blocher: Es ist mir letztlich gleichgültig, auf welches Konto welche Stimmen gehen. Sie haben in diesem Abstimmungskampf auch gegen eine Professionalisierung und Aufrüstung der Schweizer Armee gekämpft. Ist das jetzt vom Tisch? Geben Sie sich geschlagen? Blocher: Sicher nicht. Wir werden die Rüstungskredite genau unter die Lupe nehmen. Dabei kann der Bundesrat die Milliarde Franken zur Umrüstung der Armee auf Nato-Standard schon jetzt streichen, denn er will sich der Nato ja nicht annähern. Dann wandelt sich die SVP ab heute zu einer armeekritischen Partei? Blocher: Ich kann nicht für die ganze SVP reden. Wir sind immer für eine Armee eingestanden, aber wir sind nie für Missbräuche gewesen und dafür, dass man mit der Armee im Ausland eine Grossmachtpolitik betreibt. Diese Tendenzen sind vorhanden, ob es der Bundesrat wahrhaben will oder nicht. Er wird auch nicht darum herumkommen, personelle Wechsel vorzunehmen im VBS. Wo genau? Blocher: Bei der Generalität. Aber die Generalität hat doch gewonnen. Blocher: Sie haben nur 51 Prozent gewonnen unter all den Versprechungen des Bundesrates. Hat diese Abstimmung die Voraussetzungen für einen Uno-Beitritt verbessert? Blocher: Im Gegenteil. Der hohe Nein-Stimmenanteil ist für uns ermutigend, und der Bundesrat hat das Ständemehr nicht erreicht. Dies aber wäre bei einem Uno-Entscheid ausschlaggebend. Wir haben aber die Uno nie zum Thema gemacht. Bei der Uno wird es definitiv um die Neutralität gehen, und der Bundesrat kann dann nicht mehr behaupten, er halte an der Neutralität fest, wenn er einen Vertrag unterschreibt, mit dem der Uno-Sicherheitsrat der Schweiz aussenpolitische Verpflichtungen auferlegen kann. Die Verletzung der Neutralität ist dann eindeutig. Nun hat die Auns zum ersten Mal ein Referendum ergriffen und ist dabei prompt gescheitert. Was bedeutet das für Ihre Bewegung? Blocher: Weitermachen, weiterkämpfen. Hat sich die Auns überschätzt? Blocher: Ich habe nie gesagt, die Auns sei eine Bewegung, die immer die Mehrheit auf ihrer Seite hat. Sie haben enorm viel Geld und persönliches Engagement in diesen Abstimmungskampf geworfen. Die Gegenseite hat sich eher zurückgehalten. Wieso glauben Sie, haben Sie trotzdem verloren? Blocher: Das war von Anfang an ein sehr harter Lauf. Wenn Sie allein gegen den gesamten Bundesrat, gegen die Parteien, die Wirtschaft, die Linke und dann auch noch praktisch die ganze Medienlandschaft antreten müssen… ...das war doch schon beim EWR so. Blocher: Es ist ja auch ein Zufallsmehr wie beim EWR herausgekommen. Nur lag dort das knappe Ergebnis auf unserer Seite und dort zählte auch das Ständemehr. Sie haben dem Bundesrat vorgehalten, "heimatmüde" und "auslandshörig" zu sein. Nehmen Sie das jetzt zurück, oder ist auch die Mehrheit des Volks "heimatmüde"? Blocher: Ich halte am Vorwurf an den Bundesrat fest, weil er die Neutralität und Unabhängigkeit nicht mehr ernst nimmt. Aber er hat dem Volk versprochen, dass er sie in Zukunft ernst nehmen wolle. Ich nehme an, dass ein Teil der Schweizer und Schweizerinnen ihm geglaubt hat. Sie haben gegen Ihren eigenen Bundesrat Samuel Schmid verloren, einen Mann mit "Prokuristencharme", wie Ihr Kollege Christoph Mörgeli sagt. Lässt Sie dies an Ihrer politischen Schlagkraft zweifeln? Blocher: Nein. Es ist ja nicht Samuel Schmid der gewonnen hat. Es sind der Bundesrat, die Regierungsparteien, die Classe politique, die Wirtschaftsverbände und die Medien. Es war wieder einmal die alte Front wie beim EWR. Wenn Sie da 50 Prozent auf Ihrer Seite haben, ist das sehr gut. Ist das Abstimmungsergebnis nicht auch eine späte Genugtuung für Alt-Bundesrat Adolf Ogi? Das Volk hat jetzt im Nachhinein seine Auslandeinsätze und die Annäherung an die Nato gutgeheissen. Blocher: (lacht) Nein. Das kann er nicht als Genugtuung verzeichnen. Er wird es sicher tun. Aber so hat er es sich bestimmt nicht vorgestellt. Alle Kreise, auch innerhalb der Partei, haben uns ursprünglich vorausgesagt, wir würden mit 30 Prozent aus der Abstimmung hervorgehen. So ist es nicht gekommen.

26.05.2001

Es geht um die Preisgabe der Neutralität

Interview mit dem Bündner Tagblatt vom 26. Mai 2001 Bei den Militärvorlagen gehe es nur vordergründig um Bewaffnung oder militärische Zusammenarbeit. Ziel sei die Annäherung und Unterstellung unter die Nato, und damit die Preisgabe der Neutralität, betont Nationalrat Christoph Blocher. Interview Claudio Willi Soldaten sind per Definition bewaffnet - warum sollen Schweizer Soldaten nicht zum Selbstschutz im Ausland bewaffnet sein dürfen? Christoph Blocher: Der Soldat ist immer bewaffnet und er ist eine Person, die geschult wird, Krieg zu führen. Krieg aber führt man nur zur Verteidigung der eigenen Freiheit und Unabhängigkeit. Wenn man als Soldat ins Ausland geht, wird man Partei, verstösst gegen unsere Neutralität. Deshalb haben Schweizer Soldaten im Ausland nichts verloren. Aber schon heute sind Schweizer Soldaten im Ausland, und zum Teil bewaffnet... Blocher: Warum muss man denn das Gesetz ändern, wenn sie zum Teil schon bewaffnet sind? Das zeigt doch nur: Es geht um eine Eskalation. Jetzt sollen auch die Schützenpanzer mit Geschützen bestückt werden. Schweizer Soldaten haben im Ausland nichts zu suchen, bewaffnet oder unbewaff-net, mit ganz wenigen Ausnahmen wie im Koreakrieg, wo beide Seiten es so wollten. Ist es denn richtig, dass nur andere Länder die militärischen Kastanien aus dem Feuer holen? Blocher: Die Schweiz soll humanitäre Hilfe leisten. Es nützt wenig, wenn auch noch Schweizer Solda-ten das Gleiche machen wie die anderen. Wer das Gebiet besetzt - bombardiert, wie die Nato - hat das Machtmonopol und muss Ordnung und Sicherheit gewährleisten. Die Mächte haben Verantwor-tung und tragen sie auch, weil es auch ihren Interessen entspricht. Die Schweiz soll also wieder einmal abseits stehen? Blocher: Ich will nicht, dass wir völlig abseits stehen, aber ich will, dass wir etwas machen, was die andern nicht machen. Die Schweiz soll humanitäre Hilfe leisten, und zwar unbewaffnet, unparteiisch und neutral, auf beiden Seiten - das ist die Stärke der Schweiz, so ist auch das Rote Kreuz entstan-den. Die SVP will ein humanitäres Korps schaffen, wie das Katastrophenhilfskorps, aber Bern ist dagegen. Das Motiv der beiden Militärvorlagen aber ist, die Schweiz auch im Ausland einzusetzen. Bern will in die internationalen Strukturen und Organisationen: Die ganze Armee wird auf Nato-Standard umgemodelt, damit man mit anderen Armeen zusammen auch Krieg führen kann. Das ist unakzeptabel. Stichwort militärische Zusammenarbeit: Die gibt es doch bereits heute, die Flugwaffe beispielsweise übt auf Sardinien, in Norwegen. Warum nicht? Blocher: Heute ist dies schon möglich, das zeigt, es brauchte gar keine neuen Gesetze. Aber heute üben wir im Ausland nur für unsere Bedürfnisse, damit wir besser ausgebildet sind, um unsere Freiheit und Unabhängigkeit zu verteidigen, wenn es notwendig sein sollte. Und streng verboten ist eine Ko-operation mit einer anderen Armee, um Krieg führen zu können, weil das gegen die Neutralität ver-stösst. Das soll jetzt neu geändert werden, Rahmenabkommen sollen ermöglichen, Ausbildung zu betreiben, mit dem Ziel, mit anderen Armeen im Ernstfall in den Krieg zu ziehen. Das ist ein massiver Durchbruch, das ist gefährlich und hat Konsequenzen. Der Kampf wird auch nicht mehr an der Gren-ze, sondern im operativen Vorgelände, also im Raum München bis ans Mittelmeer hinunter geplant. Wenn man sich vorstellte, was eine solche Verteidigung im Zweiten Weltkrieg gebracht hätte: Unser Land wäre überrannt worden, die Schweiz wäre Kampfplatz geworden, mit Tod, Elend und Verwüs-tung, und Soldatenfriedhöfe wären Realität geworden. Es geht nicht einfach um etwas mehr Bewaff-nung von Soldaten zum Selbstschutz, sondern um eine Unterstellung un- serer Armee unter die Nato. Aber die Schweizer Armee kann doch auch nicht allein auf sich gestellt bestehen? Blocher: Ich kann es gar nicht verstehen, dass man dies heute so sagt. Haben wir dies nicht über 200 Jahre machen können? Und es gab schon gefährlichere Zeiten als heute. Für künftige Konflikte kann die Schweizer Armee sich sehr wohl behaupten, und erst noch billiger. Die Schweiz aber hat die Er-fahrung gemacht, wenn man neutral ist, holt man die Konflikte nicht ins eigene Land. Fremde Händel soll die Armee deshalb auch künftig bleiben lassen. Aber technische Kooperation mit der Nato ist sinnvoll? Blocher: Kauf und Erneuerung von Waffen im Ausland verletzt unsere Neutralität nicht. Damit opfern wir auch nicht Soldaten für Kriegsspiele im Ausland. Das eine bedeutet Schutz, das andere ist für eine Offensivarmee im europäischen Raum gedacht. Das sind höchst verschiedene Motive. Wer das be-treibt, denen ist die Schweiz verleidet. Der EU-Beitritt ist nicht gelungen, jetzt wird der Weg über die Armee gesucht. Wir aber haben viel zu verlieren. Wäre Mitmachen statt Rosinenpicken nicht auch ein Solidaritätsbeitrag an eine Wertegemeinschaft? Blocher: Diese Musik hören wir nun schon seit zwanzig Jahren. Man müsse mitmachen, sonst sei man isoliert, heisst es. Das Volk glaubt das langsam aber sicher nicht mehr. Alle Staaten nehmen ihre Interessen wahr. Wer sich auf Illusionen stützt, täuscht sich, läuft in die Falle. Wäre eine offene Abstimmung über eine Zusammenarbeit mit der Nato ehrlicher? Blocher: Eindeutig. Jetzt soll es eine Annäherung an die Nato geben. Und später wird es heissen: Jetzt müssen wird doch in die Nato, da wir mit ihr schon eng zusammenarbeiten. Das ist der Zweck der Übung! Aber das ist hinterhältig. Da wird das Volk zum Narren gehalten. Aber es gibt immer mehr Leute, die merken, was hier abläuft. Kampflos geben wir die Neutralität nicht preis. Was gewinnt die Schweiz mit 2x Ja? Blocher: Da sehe ich keinen Nutzen, sondern nur Nachteile. Bei 2x Ja verliert die Schweiz sehr viel. Sie verliert ihre zweihundertjährige Friedenspolitik, die dazu geführt hat, trotz grosser internationaler Auseinandersetzungen der Schweiz Frieden, Freiheit und Unabhängigkeit zu erhalten. Kein Land in Europa hat eine solche Tradition. Wenn wir in den europäischen Raum gehen, verlieren wir an Sicherheit, verlieren an Freiheit und Selbstbestimmung, bei internationalen Konflikten sind wir nicht mehr neutral und werden auch nicht mehr als neutral angesehen. Die Preisgabe der Neutralität aber wäre ein grosser Verlust. Deshalb ist jetzt eine solche Weichenstellung hin zur Nato durch 2xNein dringend zu verhindern.

16.05.2001

Feind in Sicht

Milizarmee im Alleingang für vier Milliarden Franken Interview mit FACTS vom 16. Mai 2001 Zum ersten Mal präzisiert Christoph Blocher seine Vorstellungen zur Zukunft der Schweizer Armee. Oberst Blocher, wie sieht Ihre Armee aus? Christoph Blocher: Die Schweizer Armee ist für den Schutz unserer Freiheit und Unabhängigkeit da und nicht, um irgendwo im Grossraum Europa eingesetzt zu werden. Dafür braucht es eine Milizarmee, die bereit ist, wenn's losgeht, in relativ grosser Zahl aufgeboten zu werden. Eine Reservetruppe? Blocher: Richtig, genau das ist ja die Milizarmee: Wenn man sie nicht braucht, ist sie zu Hause. Wozu dient sie? Blocher: Das Bedrohungsbild der Zukunft ist diffus. Es reicht von der unorganisierten Bedrohung eines "stellvertretenden Bürgerkriegs" von ausländischen Gruppierungen über den Cyberspace War zur Bedrohung aus der Luft und am Boden. Diffus heisst, es braucht an vielen Orten viel Bewachungen, Überwachungen und Schutz. Ein Beispiel: Die Kurden, welche damals die türkische Botschaft besetz-ten, drohten, sie würden verschiedene andere Orte gleichzeitig besetzen; da ist die Polizei schnell überfordert. Dazu kommt der Cyberspace-Krieg, also Internet-Krieg, elektronischer Krieg und so wei-ter. Da brauchts einige wenige Einheiten mit Spezialisten. Dann brauchen wir einen Luftraumschutz für die wahrscheinlichsten Fälle und nicht für die allerverrücktesten. Wir waren ja nie geschützt gegen die allerschlimmste Bedrohung, wo alle Armeen der Welt auf uns losgehen. Das ist aber auch nicht wahrscheinlich. Das ergibt eine Armee, die auf die neuen Gefahren besser vorbereitet ist. Braucht es also keine Kampfpanzer und keine teuren Kampfjets mehr? Blocher: Ich gehe nicht ins Detail. Aber Sie haben Recht. Eine grosse Panzerarmee steht in unserem Gelände nicht im Vordergrund. Die Armee wird sicher weniger teuer als jene, die jetzt geplant ist. Bundesrat Samuel Schmid sagt, eine Armee à la Blocher komme "drei bis vier Mal teurer als die heu-tige Armee". Blocher: Das soll der mal beweisen. Das behauptet er einfach. Sie reden immer von der autonomen Widerstandsarmee. Wie sieht sie aus? Blocher: Wir sind vorbereitet, um im Ernstfall einem Aggressor Widerstand zu leisten. Das war immer die Spezialität der Schweiz. Wenn wir das glaubwürdig machen, schreckt das von vornherein ab. Abschreckung, die glaubhaft sein will, kostet immens viel Geld. Blocher: Weniger als das, was jetzt geplant ist, nämlich eine Angriffsarmee, um zusammen mit ande-ren Armeen einen Krieg weit ausserhalb unseres Landes zu führen. Das gibt eine unbezahlbare Armee. Wie teuer ist Ihre Armee? Blocher: Ich würde die Kosten bei 4 Milliarden beschränken. Geplant sind jetzt 4,3 Milliarden. Eine Milizarmee ohne Auslandkriegseinsätze ist kostengünstiger. Für die Wirtschaft wäre Ihre Armee viel teurer. Blocher: Auch für die Wirtschaft wird's billiger. Denn ein Milizsoldat bleibt zu Friedenszeiten zu Hause, der kostet uns nichts. Den Berufssoldaten hingegen kann man nicht einfach heimschicken, wenn es nichts zu tun gibt. Nun soll das Milizsystem zunehmend durch eine Berufsarmee ersetzt werden. Die ist erstens teuer und zweitens gefährlich. Es gibt nichts Gefährlicheres als Militärs, die nichts zu tun haben. Wie sieht ganz konkret Ihre Armeeplanung aus? Blocher: Ich würde Varianten verlangen für 4 Milliarden und darunter. Ohne Auslandengagement. Damit müssten die Armeeplaner auskommen. Mehrere Varianten und nicht nur eine, wie dies das VBS jetzt tut, indem es die Kriegführung mit anderen Armeen anstrebt. Was nach allen ökonomischen Grundsätzen billiger wäre. Blocher: Sie können überall kooperieren, nur nicht mit Armeen. Denn alle anderen Länder haben ihre eigenen Interessen und verteidigen die mit dem letzten Mittel, nämlich mit der Armee. Die neue Dokt-rin "Sicherheit durch Kooperation" baut auf die Hoffnung, die anderen würden uns helfen, und wir müssen den anderen auch helfen. Für Grossmächte ist das kein Problem. Für den Kleinstaat aber heisst das, wir werden dann auch in fremde Händel einbezogen. Wir sind nicht mehr neutral. Wenn wir im Zweiten Weltkrieg eine Armeedoktrin gehabt hätten, wie sie jetzt geplant wird, hätten wir vielleicht im Raum München Krieg geführt; stellen Sie sich das vor! Die Stärke auf eigenem Gelände ist nicht vorbei. Denken Sie an Vietnam, an Afghanistan, an Tschetschenien, wie die mit einfachsten Mitteln verbissen ihr eigenes Territorium verteidigt haben, und zwar gegen eine hoch technisierte Armee. Das sind Rebellen-Armeen. Blocher: Wenn Sie den Weltmassstab ansetzen, ist die Schweizer Armee eine Rebellen-Armee. Inso-fern, als dass sie nur in ihrem Territorium den Krieg führt und die Schweiz verteidigt. Warum waren Sie dann nicht gegen den Kauf von Kampfpanzern und Kampfflugzeugen? Blocher: Also beim F/A-18, das wissen Sie ja, war ich einer der wenigen Bürgerlichen, die Nein stimm-ten. Das war ja die grosse Attraktion. Und bei den Panzern habe ich lange gerungen. Führende Mili-tärs haben damals dargelegt, es sei die letzte Panzerbeschaffung. Ich will hier die Frage offen lassen. Wir brauchen eine spezifische Armee für unsere Bedürfnisse. Nur läuft im Moment alles in die gegen-teilige Richtung: Unsere Armee wird umgemodelt auf Nato-Standard, und zwar bis zur letzten Anhän-gerkupplung. Das wird teurer, ich kenne das aus der Wirtschaft: Der globalisierende Grössenwahn wird auch in der Armee nicht billiger. Sich der Nato anschliessen, wie es die Nato-Partnerschaft will, ist zudem für unser Land gefährlich und verletzt die Neutralität. Ein Nato-Beitritt wäre doch eine Variante, und zwar erst noch eine billigere. Blocher: Nur unter der Voraussetzung, dass man der Nato die Verteidigung überlässt. Das wäre dann aber die Preisgabe der Schweiz. Belgien, etwa gleich gross wie die Schweiz, kommt als Nato-Land mit der Hälfte der Verteidigungskosten aus. Blocher: Jedes Land hat seine eigenen Regeln. Erstens ist Belgien in der EU, zweitens in der Nato, und drittens war Belgien nie ein neutrales Land und darum auch vom Krieg nicht verschont. Wenn man das in Kauf nehmen will, kann man das. Ich würde das nie machen. Die Mehrheit der Schweizer bis heute auch nicht, denn sie wissen, dass die Aufgabe der Neutralität ein Kriegsrisiko wäre. Eine autonome Landesverteidigung, wie sie Ihnen vorschwebt, bedingt realistischerweise ein Aufrüs-ten nach israelischem Muster. Blocher: Nur dann, wenn wir eine Bedrohungslage hätten wie Israel, das haben wir natürlich nicht. Israel ist von Staaten umgeben, die alle einen Anspruch auf das Land erheben. Das war bei uns nicht einmal im Zweiten Weltkrieg der Fall. Der Vergleich mit Israel ist deshalb an den Haaren herbeigezogen. Für eine autonome Landesverteidigung, das würde jeder israelische General bestätigen, bräuchten wir nicht 34 Kampfjets, sondern 300. Blocher: Sie gehen von falschen Voraussetzungen aus. Zuerst stellt sich doch die Frage: Welches ist die mögliche Bedrohungssituation? Nämlich? Blocher: Sicher nie die von Israel. Am wahrscheinlichsten ist für mich ein chaotischer Krieg. Mit diffusen, bürgerkriegsähnlichen Zuständen, die an vielen Orten losgehen. Werden die Jurassier einen Aufstand gegen die Berner anzetteln? Blocher: Nein, nein, ich habe nicht vom Bürgerkrieg, sondern vom stellvertretenden Bürgerkrieg gesprochen. Zum Beispiel Serben gegen Albaner in der Schweiz. Für solche möglichen Auseinanderset-zungen brauchen wir eine Milizarmee. Ist das nicht Sache der Polizei? Blocher: Zunächst sicher. Aber die reicht nicht. Wollte man dies nur mit der Polizei lösen, hätten wir einen Polizeiapparat, der in Friedenszeiten völlig überdimensioniert wäre. Schon nur eine Demonstra-tion für das Weltökonomieforum in Davos hat einen Grossteil der Polizeikräfte der Ostschweiz gebunden. Stellen Sie sich vor, wenn viele Bedrohungen an tausend Orten losgehen. Tausend Davos in der Schweiz: Das ist mit Verlaub doch ein sehr hypothetisches Szenarium. Blocher: Natürlich, weil es ja nicht tausend WEF gibt. Aber Auseinandersetzungen an tausend Orten gleichzeitig im Kriegsfall ist nicht sehr hypothetisch. Militär gegen Zivilisten einzusetzen, damit hatte die Schweiz schon beim Generalstreik von 1918 denkbar schlechte Erfahrungen gemacht. Blocher: Die Angst besteht immer, man setze das Militär gegen die eigenen Leute ein. Wenn ich vom stellvertretenden Krieg rede, sind das ausländische Gruppierungen, die in unserem Land gegeneinander Krieg führen. Das sind nicht Schweizer. Also nicht die Hooligans im Eisstadion von Lugano? Blocher: Nein, von denen rede ich jetzt nicht, denn da genügt die Polizei. Würden Sie die Armee lieber abschaffen als der Nato beitreten? Blocher: Nein. Das wäre ja, wie wenn man bei einem EU-Beitritt sagen würde, nun müssten wir die Schweiz aufheben. Dieser Meinung bin ich ja nicht. Und wenn die Bedrohungslage keine Armee mehr braucht? Blocher: Wenn die Bedrohungslage so wäre, dass wir keine Armee mehr brauchen, dann wäre ich nicht für eine Armee, aber leider ist sie so nicht. Wird sie nie sein? Blocher: Solange es Staaten und Menschen gibt, kann der Frömmste nicht im Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt. So ist es halt leider.

13.05.2001

«Sie wurden in eine Heimatlosigkeit getrieben»

Christoph Blocher über sein Heimatverständnis, Landsgemeinden und die Waffe zu Hause Interview mit der SonntagsZeitung vom 13. Mai 2001 Interview: Christoph Lauener Herr Blocher, was haben bewaffnete Schweizer Soldaten im Ausland mit unserem "Obligatorischen" zu tun? Christoph Blocher: Wieso? An der Schützen-Landsgemeinde gestern wurde allen Ernstes behauptet, das neue Militärgesetz führe zur "Demontage der Schützentradition". Blocher: Die Schweizer Armee hat Freiheit und Unabhängigkeit des Landes auf dem Boden der Neutralität zu verteidigen. Sie ist heute eine Milizarmee. Der Bürger ist auch Soldat. Symbolisiert wird dies dadurch, dass jeder Soldat seine Waffe zu Hause hat. Und das soll bei Annahme des Militärgesetzes vorbei sein? Blocher: Bei den beiden Vorlagen am 10. Juni steht der Auslandeinsatz im Mittelpunkt. Die Bewaffnungs- und Ausbildungsvorlagen sollen es der Schweizer Armee ermöglichen, Kriege zu üben, um mit anderen Armeen Kriege zu führen. Alles ist auf Nato-Unterstellung, auf Nato-Anschluss ausgelegt. Da hat die Schweizer Milizarmee nur noch wenig Platz. Darum setzen sich die Berufsmilitärs aus dem Verteidigungsdepartement so verbissen für diese Vorlage ein. Der Bundesrat will aber eine Milizarmee, also bleibt das Gewehr im Schrank. Blocher: Vor jeder Abstimmung wird die Sache beschönigt. Blocher sagt dies, der Bundesrat das Gegenteil: Bald weiss niemand mehr, worum es am 10. Juni eigentlich geht. Blocher: Es gibt zwei Meinungen. Bundesrat Ogi war wenigstens noch ehrlich, während heute verwedelt wird. Sie sind es doch, der ein Riesentheater um den 10. Juni macht. Es geht doch nicht um Sein oder Nichtsein der Schweiz. Blocher: Nicht um Sein oder Nichtsein. Es geht darum, ob unsere Generäle mit anderen Armeen den Krieg üben sollen, um diesen im europäischen Grossraum im Kriegsfall auch führen zu können. Das ist das Sicherheitsrisiko und der Verstoss gegen die Neutralität. Sie behaupten, bewaffnete Schweizer Soldaten setzten sich "unkalkulierbaren Risiken" aus und illust-rieren das mit Friedhofskreuzen. Blocher: Ja, damit werden wir in fremde Händel gezogen und müssen früher oder später unsere Söhne opfern. Das ist überrissene, Angst machende Polemik. Die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte zeigen, dass die allermeisten Auslandsoldaten bei Unfällen ums Leben kamen. Blocher: Sie haben die Argumentation des VBS gut übernommen... ...das sind Fakten, denen Ihre Totenkreuze nicht standhalten. Blocher: Wenn die meisten Soldaten bei Unfällen umkommen, warum brauchen sie dann Waffen? Soldaten sind für den Krieg ausgebildet. Der Auslandeinsatz steht ja grundsätzlich nicht zur Diskussion. Also muss man die Leute bewaffnen, sonst sind sie eine Belastung für die anderen Soldaten. Blocher: Humanitäre Hilfe leisten humanitäre Organisationen wirkungsvoller und kostengünstiger als für den Krieg ausgebildete Soldaten. Wer schiesst, schafft sich Feinde, wird Partei. Darum haben Schweizer Soldaten im Ausland nichts zu suchen. Darum verbietet unser Land bis heute Armeeeinsätze im Ausland und auch freiwillige Söldnerdienste. Das stimmt so nicht. Gerade die Landsgemeinde Sarnen, welche die SVP jüngst belebte, schickte Söldner in fremde Händel. Blocher: Und deshalb wollen Sie das jetzt auch wieder einführen? Nein. Aber Sie sagen nur das, was Ihnen ins Konzept passt. Blocher: Der Gedanke, sich unter freiem Himmel zu treffen, zu diskutieren und abzustimmen, gefällt mir. Es fällt auf: Sie beschwören die Landsgemeinde, zitieren die "fremden Händel" aus dem Stanser Ver-kommnis, Niklaus von der Flüe mit "Zieht den Zaun nicht zu weit" - das ist kein Zufall. Blocher: Das sind Allgemeingültigkeiten, die gerade für den 10. Juni hochaktuell sind. Auch Symbole haben für jedes Land ihre Gültigkeit. Und die bei Globalisierung, Tempo und Internet auf fruchtbaren Boden fallen? Blocher: Die Menschen besinnen sich zurück aufs Überschaubare. Sie wurden in den letzten Jahren in eine Heimatlosigkeit getrieben. Sie haben keine guten Erfahrungen gemacht. Wenn Sie nur die Wirtschaft betrachten: Zwei Drittel der fusionierten Grossgebilde waren nicht erfolgreich. Die Leute sagen sich wieder: Wir schauen besser wieder für uns, zu unserer nächsten Umgebung. Gehen Ihnen am Ende noch die Heimatmüden, Ihre Lieblingsgegner, aus? Blocher: Vielleicht, mich würde es freuen. Wer in den letzten Jahren sagte, die Schweiz sei ein Sonderfall, der wurde fast gesteinigt. Dabei will ich nicht werten: Die Schweiz ist ein Sonderfall, aber jeder andere Staat ist es auch. Selbst gewichtige Teile der Linken haben jetzt Überfremdungsängste im Volk ausgemacht und wollen sich derer annehmen. Auch da geht's letztlich um Heimat. Blocher: Auch CVP und FDP tun das. Es wird sich zeigen, ob diese endlich die Sorge der Bevölkerung ernst nehmen, oder ob dies nur eine Schlaumeierei aus wahltaktischen Gründen ist. Vielleicht ist es der Anfang eines Wettbewerbs um die Besetzung des neo-modernen Begriffs "Heimat". Blocher: Das ist möglich. Aber wenn dieser Wettbewerb zu gross wird, sehen Sie mich plötzlich auf der anderen Seite, denn jede gute Sache kann man übertreiben. Die eigene Heimat liebt man, die des anderen hat man zu respektieren. Wird in Übersteigerung dieser Respekt versagt, wird es gefährlich. "Heimat ist nicht einfach, sondern ist das, was wir uns erschaffen": Das ist ein Motto des Expo-Projekts des Espace Mittelland. Was sagen Sie dazu? Blocher: Zu intellektuell. Und wohl auch falsch. Und wenn man die Heimat nicht erschaffen hat? Hat man dann keine? Heimat ist weit gehend auch gegeben. Ein Kind hat seine Umgebung nicht geschaf-fen und doch ist diese seine Heimat. Aber irgendwann ist die Nabelschau zu Ende. Auch Sie als Unternehmer schätzen Leute mit Auslanderfahrung. Noch einmal: Warum sollen Schweizer Soldaten nicht auch davon profitieren? Blocher: Sie können in Sport, Kultur, Wirtschaft - überall zusammenarbeiten. In der Armee nicht, da geht es um Krieg. Das tun wir ja schon. Blocher: Unter ganz strengen Richtlinien, ja. Aber es darf nicht so weit kommen, dass die Schweiz mit anderen Armeen den Kampf übt, faktisch mit der Nato. Was ist so schlimm daran? Blocher: Das bringt im Konfliktfall den Krieg in die Schweiz. Man übt miteinander den Krieg, um ihn im Ernstfall auch führen zu können. Das ist das Risiko und die Abkehr von der Neutralität. Bundesrat Samuel Schmid sagt wörtlich, es geht um die Zusammenarbeit mit anderen Armeen auch im Verteidi-gungsfall. Nehmen wir an, in zwei Monaten wird ein Schweizer Soldat umgebracht, und er hätte sich wehren können, wenn das Volk Ja gesagt hätte zur Bewaffnungsvorlage. Das hätte Ihre Kampagne verhindert. Blocher: Bei zweimal Ja ist die Gefahr viel, viel grösser. Wer Soldaten in Kriegsgebiete schickt, trägt dafür die Verantwortung. Aber wofür soll ich denn nicht schuld sein? Neuerdings auch noch am Nie-dergang der Swissair?

12.05.2001

«Ist unsere Armee nur für den Krieg da?»

Streitgespräch mit Nationalrat Gerold Bührer im "Landboten" vom 12. Mai 2001 Christoph Blocher wünscht sich beim Militärgesetz ein Stoppsignal des Volkes, damit unsere Armee nicht für Kriegseinsätze im Ausland eingesetzt werden kann. Für den neuen FDP-Chef Gerold Bührer ist neben der Verteidigung auch "Sicherheit durch Kooperation" ein Pfeiler unserer Sicherheitspolitik. Interview: Andreas Widmer (Redaktion) und Walter Bührer Was steht am 10. Juni auf dem Spiel? Christoph Blocher: Die beiden Vorlagen sollen die Rechtsgrundlage für die Armee XXI werden, damit man die Schweizer Armee für Kriegseinsätze in Europa vorbereiten kann. Unsere Armee ist aber da zum Schutz von Land, Volk und Freiheit. Unser Bundesrat und unsere Generäle müssen durch zwei-mal Nein gezwungen werden, sich streng an die Schweiz zu halten und keine Kriegsspiele im Ausland zu betreiben. Gerold Bührer: Es geht darum, dass wir bei Militäreinsätzen im Ausland, die jetzt schon zulässig sind, eine Bewaffnung zum Selbstschutz auf Verbandsebene einführen können - bei Einzelpersonen war das auch schon bisher gesetzlich möglich. Auch bei der Ausbildungszusammenarbeit steht nichts grundlegend Neues zur Debatte: Dort geht es um eine Vereinfachung der Verfahren. Ist es Schweizer Soldaten im Ausland nicht zuzubilligen, sich im Notfall wie alle andern mit der persönlichen Waffe zu wehren? Blocher: Diejenigen, die heute in Kosovo sind, haben schon einen Bestand an persönlichen Waffen. Die Frage ist, ob wir Kampfverbände in Gebiete schicken sollen, wo Krieg herrscht. Wir haben über-haupt keine Soldaten - ob bewaffnet oder unbewaffnet - in ausländische Konfliktgebiete zu schicken! Wer schiesst, wird immer Partei. Entweder führt man den Kampf oder man macht humanitäre Hilfe; es gibt keinen fliessenden Übergang "Selbstschutz". Soldaten im Ausland gefährden neutrale humanitäre Hilfe. Bührer: Mit Kampfverbänden hat das ganz und gar nichts zu tun - sonst wäre ich auf der Seite von Herrn Blocher. Es geht um Friedenserhaltung und Stabilität. Friedenserzwingende Einsätze sind aus-drücklich ausgeschlossen. Die Truppen, welche wir jetzt in Kosovo haben, sind im rückwärtigen Raum als Zubringer für Treibstoff, für den Brückenbau usw. eingesetzt, für Pionierarbeiten. Herr Bührer, könnte die Schweiz mit nicht militärischen Mitteln für das gleiche Geld nicht mehr ausrichten? Bührer: Das ist falsch gefragt - es braucht beides. Nehmen wir die Balkan-Krise. Dank dem Einsatz militärischer Kräfte konnte dort eine Stabilisierung erreicht werden. Erst sie erlaubte dann die Entfal-tung der zivilen Unterstützung. 19 Nato- und 20 Nicht-Natoländer (darunter alle Neutralen) sorgen dort für eine gewisse Ordnung. Damit haben sie auch bewirkt, dass wir keine Asylantenströme in die Schweiz mehr haben. Sollen die anderen die militärischen Kastanien für uns aus dem Feuer holen? Blocher: Alle Staaten setzen sich für ihre Interessen ein - für nichts anderes. Ich kritisiere das nicht, das ist auch ihre Aufgabe. Die Kriegsflüchtlinge in Kosovo, die in unser Land strömten, sind durch ein sinnloses Bombardement in unser Land getrieben worden. Man hat nicht einmal Flüchtlingslager an der Grenze in Mazedonien errichtet - das war damals mein Vorschlag für eine Aktion mit dem Katastrophenhilfe-Korps. Ein neutrales Land, wie wir es sind, kann humanitäre Hilfe leisten, die alle anderen nicht leisten können, weil sie Machtinteressen haben und immer Partei sind. Bührer: Herr Blocher hat ein kurzes Gedächtnis. Wir hatten den massiven Flüchtlingszustrom schon in der Bosnien-Krise, vor den Nato-Bombardements. Wenn die Staatengemeinschaft dort unten nicht für Ruhe gesorgt hätte, wäre unsere Belastung an der Asylfront noch viel grösser geworden. Im Absatz 1 des neuen Gesetzesartikels heisst es klipp und klar, dass nur Einsätze im Rahmen der geltenden Aussen- und Sicherheitspolitik zulässig sind. Auch die neue Bundesverfassung legt uns ausdrücklich auf die Neutralitätspolitik fest. Es ist falsch, immer wieder einen Gegensatz zur Neutralität herbeizure-den. Wir nehmen nur an Aktionen teil, die durch Uno- oder OSZE-Beschlüsse völkerrechtlich abgedeckt sind. Herr Blocher, sind für Sie junge Leute, welche sich zum Rest der Welt solidarisch verhalten und sich aktiv für den Frieden einsetzen möchten, idealistische Spinner? Was raten Sie ihnen? Blocher: Wie kommen Sie auf eine so blöde Frage? Wer sich für Frieden engagieren will, der kann vieles tun... Wir fragten Sie nach friedenserhaltenden Engagements. Was heisst das? Blocher: Überall redet man von Friedensarmeen, auch jetzt in der Abstimmungs-Propaganda. Es gibt aber keine einzige Friedensarmee auf der Welt - mit Ausnahme der Heilsarmee. Armeen werden für den Krieg ausgebildet! Wieso sollen wir als neutrales Land Soldaten in einen kriegerischen Einsatz schicken? Das gibt Probleme mit der Neutralität, ob freiwillig oder nicht. Auch freiwillige Söldner sind verboten. Das Motiv des Militärgeset-zes ist eine Öffnung der Armee, eine Internationalisierung unserer Armee; das führt zu Kriegsrisiken für unser Land und zur Abkehr von der Neutralität. Herr Bührer, geht es um Söldnerei auf einer neuen Basis? Bührer: Diese Unterstellung ist ungeheuerlich. Das hat mit Söldnertum hinten und vorne nichts zu tun! Wir haben zu Recht verboten, dass sich Schweizer Bürger in Konflikte zwischen Staaten einspannen lassen. Wir sollten aber vor unserer Haustür einen Beitrag mit völkerrechtlich abgedeckten Mandaten leisten, wie wir es schon bisher taten. Ist die Swisscoy in Kosovo Partei? Blocher: Sobald sie in eine bewaffnete Auseinandersetzung verwickelt wird, ja. Auch in Bürgerkriegen werden sie Partei. Auf dem Balkan sind wir heute für die Serben Partei, denn für sie ist Kosovo besetztes Gebiet. Wir müssten das Elend auf beiden Seiten bekämpfen können. Bührer: Herr Blocher kämpft beim Thema Kampf und bewaffnete Auseinandersetzungen gegen ein Phantom, das am 10. Juni nicht zur Diskussion steht. Dann geht es nur um den Selbstschutz. Wenn ein Schweizer Detachement ein Brennstofflager beschützt und irgendwelche Kriminelle den Most filzen wollen, soll es sich auch wehren können! Zur zweiten Vorlage: Herr Blocher, unsere Armee arbeitet bei der militärischen Ausbildung schon heu-te mit dem Ausland zusammen. Könnte ein Nein sie nicht hindern, weiter mitzuhalten? Blocher: Wir haben schon heute Rechtsgrundlagen, um auch im Ausland Soldaten ausbilden zu kön-nen - aber nur zu Gunsten unserer Armee, nicht um mit anderen Armeen kooperieren zu können! Das Militärgesetz soll nun so geändert werden, dass eine gemeinsame Ausbildung mit anderen Armeen möglich wird, um mit diesen gemeinsam Krieg zu führen, vor allem mit der Nato. Unsere Armee soll damit Nato-unterstellungsfähig gemacht werden. Beabsichtigt ist eine Annäherung, um letztlich den Krieg in Europa gemeinsam führen zu können. Bundesrat Schmid sagt: Im Verteidigungsfall müssten wir mit anderen Armeen kooperieren können. Schon zu Guisans Zeiten hätten wir nach einem Angriff auf die Schweiz, der die Neutralität hinfällig macht, mit anderen kooperieren dürfen. Blocher: Wer Aggressor sein wird, weiss man nicht im Voraus, darum hat man keine mit der Nato interoperable Armee zu schaffen! Das heisst die Schweiz aufgeben. Es geht um den Fall, dass die Schweiz angegriffen würde. Soll sie dann kooperieren dürfen und auch darauf vorbereitet sein? Blocher: Wir verteidigen die Schweiz glaubwürdig auf den Grundlage der Neutralität und haben nun 150 Jahre ohne Krieg hinter uns. Die Armee auf neutraler Grundlage, um sie im Ernstfall möglichst nie zu brauchen, ist die Devise und soll sie auch bleiben. Bedeutet die Ausbildungszusammenarbeit eine schleichende Annäherung an die Nato? Bührer: Es gibt im VBS Leute, welche entsprechende Visionen formuliert haben. Das ist aber unwe-sentlich: Massgebend ist, was wir als Gesetzgeber dem Volk vorlegen und nicht, was einzelne Gene-räle geschrieben haben! Was ist neu? Den Austausch in der militärischen Ausbildung haben wir seit Jahrzehnten. Unsere Luftwaffe hat schon gegen 50 Trainingseinsätze im Ausland hinter sich, dasselbe gilt für die Panzertruppen, weil unsere Waffenplätze für sie zu klein sind. Wir vereinfachen bloss das Verfahren. Bis jetzt waren die Ausbildungsvereinbarungen Bundesratsbeschlüsse; neu sollen sie in der Kompetenz des VBS liegen. Zweitens soll der Gesamtbundesrat Rahmenvereinbarungen ab-schliessen können, innerhalb deren das Departement Verträge mit anderen Ländern aushandeln kann. Alles andere ist freie Interpretation von Herrn Blocher! Blocher: Das Auslandengagement steht im Mittelpunkt für die neue Armee! Ohne den neuen Ausbildungsartikel könnten wir nicht mit anderen Armeen kooperieren. Darum müssen wir Nein sagen. Die-se Vereinbarungen müssen Sache des Gesamtbundesrates bleiben, damit unsere Generalität nicht anfängt, mit anderen Armeen etwas zu machen, was unserer Verteidigung schadet. In der Armee XXI soll von der Sprache bis zur letzten Anhängerkupplung alles auch in die Nato passen. Das macht man doch nicht, wenn man unser Territorium verteidigen will. Bührer: Unsere Waffensysteme sind schon heute weit gehend Nato-kompatibel - aus dem simplen Grund, weil wir die meisten in Nato-Ländern kaufen. Blocher: Unsere Armee muss unser Land und sein Gelände kennen. Seit dem Zweiten Weltkrieg haben kleine Länder Kriege gewonnen, die sie auf ihrem eigenen Territorium geführt haben - denken Sie an Vietnam, Afghanistan oder Tschetschenien. Für gewisse Ausbildungen haben wir zu wenig Platz - Luftwaffe, Panzer. Blocher: Gegen Bezahlung wird uns das Ausland gerne weiterhin solche Ausbildungen ermöglichen. Ist eine Armee, die nicht von einer Zusammenarbeit profitieren kann, nicht auch teurer? Blocher: Es wird teurer, wenn wir mit den anderen zusammengehen. Führungsmässig, mit der ganzen elektronischen Vernetzung, und auch die Manöver sind dann unbezahlbar. Wenn wir die Armee auf die wahrscheinlichsten und möglichsten Bedrohungen ausrichten, braucht sie weniger Geld. Bührer: Rüstungsbeschaffungen für eine "selbstständige" Armee werden natürlich teurer - auch bezüglich Materialreserven. Autarkie bedeutet Mehrkosten! Herr Blocher, müsste man bei der militärischen Ausbildungszusammenarbeit hinter den bisherigen Zustand zurückgehen, wenn die zweite Vorlage abgelehnt wird? Blocher: Das nicht. Aber die Kooperation mit fremden Armeen ist zu stoppen. Ihr Schlusswort? Blocher: Hinter den Militärvorlagen steht eine fragwürdige internationalistische Betriebsamkeit, die meint, wir müssten unsere Verteidigungsaufgabe nicht mehr selber lösen. Die Neutralität darf nicht preisgegeben werden. Die Schweiz als kleines Land hat auf dem Boden der Neutralität ihre besonderen Dienste anzubieten. Es ist entscheidend, dass es noch ein Land gibt, das auf Parteinahme ver-zichtet und neutral bleibt. Es geht am 10. Juni um die Neutralität. Die Schweizer haben bei einem Ja viel zu verlieren: Verlust an Sicherheit und Aushöhlung der Neutralität. Bührer: Es geht am 10. Juni um ein Engagement unseres Landes für die Stabilität in unserem strategischen Umfeld und zu Gunsten von humanitären Aufgaben, die ohne ein sicheres Umfeld gar nicht möglich sind. Solche persönlichen Einsätze sind immer mit Risiken verbunden - das bestreite ich nicht. Ich verurteile aber, dass die Gegenseite mit Friedhof-Inseraten glauben macht, wenn man zu den Militärvorlagen Ja sage, müssten später viele Särge aus dem Ausland nach Hause geflogen werden. Das ist irreführend und geschmacklos! Ich stehe auf dem Boden unseres Milizsystems, unserer Neutralität und Bündnisfreiheit. Unser Friedensbeitrag im hinteren Glied (und nicht in einem friedens-erzwingenden Kampfgebiet) ist damit vereinbar. Er hilft, den Ruf unseres Landes hochzuhalten, und steht in unserem ureigensten Interesse.