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Indépendance

04.04.1999

Humanitäre Hilfe muss man unbewaffnet leisten

Interview mit der "Sonntags-Zeitung" vom 4. April 1999 Interview: Niklaus Ramseyer Herr Blocher, seit die Nato Serbien bombardiert, vertreiben serbische Truppen Albaner zu Tausenden aus ihrer Heimat Kosovo. Wie soll die Schweiz helfen? Christoph Blocher: Kriegsflüchtlingen muss man helfen - seien es nun vertriebene Albaner oder Serben. Man muss sie in Lagern menschenwürdig unterbringen und betreuen, bis sie wieder in ihre Heimat zurückkehren können. Meinen Sie Lager hier oder in Albanien? Blocher: Grundsätzlich spielt das keine Rolle. Aber es ist natürlich besser, wenn die Flüchtlinge möglichst nahe ihrer Heimat - im Falle des Kosovo also in Mazedonien oder in Albanien - betreut werden können. Wer soll denn diese Betreuung machen? Blocher: Die Schweiz kann mit Fachleuten vom Katastrophenhilfekorps, aber auch aus der Armee, die ja Betreuungstruppen hat, beim Bau und beim Betrieb der Flüchtlingslager im Inland und auch im Ausland mithelfen. Im Norden Albaniens treiben aber Banditen ihr Unwesen. Darum fordert FDP-Chef Franz Steinegger jetzt den Schutz solcher Lager durch bewaffnete Schweizer Soldaten. Blocher: Das ist Unsinn. Humanitäre Hilfe muss man unbewaffnet leisten. Man darf Hilfe und Intervention nicht vermischen. Steinegger geht es zudem nicht um den Schutz der Flüchtlinge. Er will bewaffnete Truppen ins Ausland schicken, um den Weg für die Schweiz in die Nato zu ebnen. Das ist verfassungswidrig. Entweder können die Länder, in denen die Flüchtlingslager sind, diese schützen, oder dann muss man darauf verzichten. Und jene Flüchtlinge, die schon bei uns sind? Blocher: Wir müssen sie in Lagern betreuen, dürfen sie jedoch nicht integrieren. Ist der Krieg vorbei, müssen sie in ihre Heimat zurück. Heisst das, dass momentan keine Flüchtlinge mehr nach Ex-Jugoslawien zurückgeführt werden dürfen? Blocher: Generell kann man das nicht sagen. Kriegsflüchtlinge kann man nicht in Gebiete zurückschaffen, in denen Krieg herrscht, wie jetzt im Kosovo. Aber in Ex-Jugoslawien herrscht nicht überall Krieg. Was halten Sie denn von der Idee, Flüchtlinge bei ihren Bekannten und Verwandten unterzubringen, die schon bei uns sind? Blocher: Das ist unter einer Bedingung möglich: Es muss gewährleistet sein, dass sich die Leute in unserem Land nicht integrieren. Sie müssen von Anfang an wissen, dass sie wieder in ihre Heimat zurück müssen, wenn der Krieg vorbei ist. Was halten Sie von den Nato-Bombardierungen? Blocher: Das ist eine Katastrophe. Die Nato führt Krieg, wie wenn er ein Computerspiel wäre. So geht das nicht. Und ich bin sicher, dass Milosevic diesen Krieg gewinnen wird. Das ist das Schreckliche daran. Wieso wird er gewinnen? Blocher: Weil man einen Krieg nur führen kann, wenn man zuerst die Ziele der Operationen genau festgelegt hat, und dann auch bereit ist, mit Bodentruppen diese Ziele zu erreichen. Dazu ist die Nato offenbar nicht bereit. Sie hätte diesen Krieg darum nie führen dürfen. Welche Schlüsse ziehen Sie aus dem Geschehen im Kosovo für die Schweiz? Blocher: Wer jetzt noch nicht merkt, dass die Schweiz der Nato nie beitreten darf, ist blind. Nato heisst heute USA. Und ich hätte nie gedacht, dass sich die USA nach Vietnam erneut so naiv in einen Krieg verwickeln lassen. Es zeigt sich auch, wie wichtig die bewaffnete Neutralität für ein kleines Land wie die Schweiz ist.

15.01.1999

La politica del 21o secolo

Discorso del Albisgüetli del 15 gennaio 1999

01.01.1999

Unsere Politik im 21. Jahrhundert

Albisgüetli-Rede 1999

02.12.1998

Strategie stimmte von Anfang an nicht

Interview mit der Berner Zeitung vom 2. Dezember 1998 Christoph Blocher bleibt dabei: Der Bundesrat hat schlecht verhandelt, er hätte auf einem viel höheren Transitpreis bestehen müssen. Ob er das Referendum ergreift, will Blocher aber noch offen lassen. Interview: Urs Moser Haben Sie Bundesrat Moritz Leuenberger gratuliert? Christoph Blocher: Ich wüsste nicht wozu. Er hat kein gutes Abkommen ausgehandelt. Das war allerdings auch nicht zu erwarten. Wenn die Strategie von Anfang an nicht stimmt, ist es schwierig, am Schluss noch etwas herauszuholen. Was lief falsch? Blocher: Der erste Fehler wurde ganz am Anfang gemacht, als der Bundesrat seinen Willen zum EU-Beitritt bekundete. Beim Transitpreis hat man zu schnell nachgegeben. Glauben Sie wirklich, dass mehr herauszuholen gewesen wäre? Ganz bestimmt. Die EU hätte bei einem so tiefen Transitpreis ein Festhalten an der 28-Tonnen-Limite akzeptiert. Die Schweiz hat aber gleich beides preisgegeben, die Gewichtslimite und den Transitpreis von 600 Franken. So kommt der Güterverkehr nicht auf die Schiene. Werden Sie das Referendum ergreifen? Blocher: Das lässt sich noch nicht sagen. Dass das Verkehrsabkommen so schlecht herauskommt, war ja zu erwarten gewesen. Es kommt jetzt auf das Gesamtpaket an, vor allem auf das Dossier Personenverkehr. Das klingt immerhin versöhnlicher als auch schon. Früher haben Sie gesagt, ein Transitpreis unter 600 Franken sei inakzeptabel. Blocher: Das ist auch heute meine Auffassung. Ich gebe zu: Wenn die Linke und die Grünen ihre Position preisgeben und mit der Wirtschaft zusammen antreten, ist auf der Verkehrsseite wahrscheinlich nicht mehr viel zu machen. Aber noch einmal: Am Schluss ist das Gesamtpaket zu beurteilen und über ein Referendum zu entscheiden. Ich bin nicht bereit, zum vornherein das Versprechen abzugeben, ein schlechtes Ergebnis zu akzeptieren. Sie als EWR-Gegner haben den Bundesrat ja auf den Weg der bilateralen Verhandlungen verwiesen. Können Sie es sich überhaupt leisten, jetzt ein Abkommen zu blockieren? Blocher: Natürlich. Es gab auch Nachteile durch das EWR-Nein, aber die sind fast alle durch bilaterale Verträge ausgemerzt worden, die bereits in Kraft sind. Und die Swissair ist auch nicht zugrunde gegangen. Die Schweiz ist nicht auf einen schnellen Abschluss der Verhandlungen angewiesen. Bei den Hauptpunkten, die noch offen sind, Landverkehr und freier Personenverkehr, geht es um die Interessen der EU. Für die Schweiz sind diese Abkommen von untergeordneter Bedeutung.

24.09.1998

«Ich leide unter der offiziellen Schweiz»

Über politisches Selbstwertgefühl und Minderwertigkeitskomplex Interview mit der Aargauer Zeitung vom 24. September 1998 Unter der offiziellen Politik leidet er; den Minderwertigkeitskomplex der Classe politique beklagt er, und die Grosszügigkeit einer souveränen Regierung vermisst er. Christoph Blocher, Unternehmer, Zürcher SVP-Nationalrat und Präsident der kantonalen Partei, bezeichnet die flexible Neutralität als "unehrliche Politik" und sagt "nein zu Unsinn". Interview: Peter Frey Schriftsteller Peter Bichsel definiert Leute, denen alte Ideen heilig und neue verdächtig sind, als Totaldemokraten. Sind Sie ein Totaldemokrat? Christoph Blocher: Ich habe keine Probleme mit neuen Ideen. Aber: Nicht alles, was neu ist, ist gut! Es ist auch kein Beweis dafür, dass Altes, nur weil es bis heute Bestand hatte, gut ist. Aber es ist immerhin ein Indiz dafür, sonst hätte man es tatsächlich über Bord geworfen. Ich habe in der Wirtschaft schon viele Unternehmen beobachtet, die nur deshalb untergegangen sind, weil sie einfach alles Neue mitgemacht haben. So wie es auch solche gibt, die zugrunde gehen, weil sie nie etwas geändert haben. Bundesrat Moritz Leuenberger warf Ihnen in der Arena-Sendung zur LSVA vor, Sie würden zu allem nein sagen. Ist Neinsagen Ihr politisches Programm? Blocher: Dieser Vorwurf ist nicht sehr originell. Nein zu Unsinn sagen und damit Fehlentwicklungen verhindern ist eine der wichtigsten politischen Aufgaben. Insofern ist es mein Programm. Aber ich sage immer ja zu etwas Gutem. Bei der LSVA sage ich nein, weil ich gegen höhere finanzielle Belastungen der Bürger bin. Die Leute haben immer weniger Geld zum Leben, weil der Staat immer mehr Steuern, Abgaben und Gebühren erhebt. Ich setze mich dafür ein, dass der einzelne Bürger möglichst viel seines sauer verdienten Geldes zur Verfügung hat. Ich sage ja zu Freiheiten der Bürger. Ist die Ablehnung das Aufputschmittel des politisch Erfolgreichen? Blocher: Wenn dem so wäre, würden alle Parlamentarier in diesem Haus nur nein sagen. Als Politiker weiss ich selber, dass Nicken am einfachsten ist; immer bejahend nicken zu dem, was die Verwaltung vorbetet. Dazu gehöre ich nicht; wenn etwas gut ist, ziehe ich mit, wenn etwas schlecht ist, kämpfe ich dagegen an. Sie haben erfolgreich den EWR-Vertrag bekämpft, Sie lehnen einen Uno-Beitritt ab, Sie waren gegen Schweizer Blauhelme angetreten, und das Engagement an der Partnerschaft für den Frieden kritisieren Sie auch. Ist es Ihnen in der Schweiz und in der schweizerischen Politik überhaupt noch wohl? Blocher: In der offiziellen Politik nicht. Ich vermisse die Grosszügigkeit einer souveränen Regierung. Heute ist alles von Kleinmut geprägt. Man hat immer Angst davor, selbständig etwas zu tun. Der Bundesrat entschuldigt sich dafür, dass die Schweiz vom Krieg verschont wurde, dass es uns besser geht, und will allen internationalen Vereinigungen beitreten. Insofern leide ich unter der offiziellen Schweiz. Es tut mir leid, wenn ich zu vielen Vorschlägen dieser Regierung nein sagen muss, nur weil ich für die Unabhängigkeit, die Selbständigkeit, das Selbstbestimmungsrecht oder die Wohlfahrt der Bevölkerung eintrete. Sind Sie ein politischer Masochist? Blocher: Warum? Ich habe Freude an unserem Land, ich liebe die Menschen und freue mich, dass die Befindlichkeit in der Bevölkerung noch stimmt. Eine der Auswirkungen der Nein-Parole zum EWR-Vertrag ist die derzeitige asylpolitische Situation, in der die Schweiz im Europa des Dubliner Abkommens eine Insel darstellt. Müsste die Schweiz nicht den Anschluss an Europa suchen, um solche Situationen zu vermeiden? Blocher: Mit dieser Argumentation versucht "Bern", die eigene Unfähigkeit zu kaschieren. Erstens spielt das Dubliner Abkommen noch nicht. Zweitens könnte der Bundesrat den derzeit ablaufenden asylpolitischen Unsinn so verhindern wie Italien oder die USA. Dort werden Fürsorgeleistungen nur anerkannten Flüchtlingen ausbezahlt. Viele Asylsuchende kommen deshalb in die Schweiz, weil unser Land zur illegalen Einwanderung direkt einlädt. Wenn das Dubliner Abkommen bewirkt, dass Leute, die in einem anderen europäischen Land abgewiesen wurden, sich auch bei uns als abgewiesen betrachten, habe ich nichts gegen eine Unterzeichnung. Statt den europäischen Bilateralismus zu suchen, empfahlen Sie auch schon eine eidgenössische Anlehnung an den amerikanischen Wirtschaftsraum. Würden Sie dies heute, nach den Sammelklagen gegen Banken und den präventiv angedrohten Klagen gegen die Swissair, auch noch empfehlen? Blocher: Nie an Stelle von bilateralen Verhandlungen. Solche gibt es immer, und sie wurden auch schon erfolgreich geführt. Zusätzlich zu dem damals mit dem Freihandelsabkommen eingeschlagenen guten Weg in Europa sollten wir auch etwas Ähnliches mit Amerika suchen. Davon würden beide Seiten profitieren. Bezieht die Schweiz in den USA nicht allein deshalb Prügel, ausgeteilt von gewissen Politikern, jüdischen Organisationen und vom offiziellen Staat, wie der Eizenstat-Bericht bewies, stillschweigend geduldet oder sogar geschürt, weil sie - im Gegensatz zu Frankreich oder Schweden - allein ist? Blocher: Das ist ebenfalls eine Ausrede des Bundesrates, weil er miserabel reagiert hat. Jene Kreise, welche die Schweiz erpresst haben, erkannten dies sofort und erhöhten Forderungen und Druck. Die Schweiz wurde ins Visier genommen, weil sie Geld hat, weil sie - das muss ich eingestehen - klein ist und weil der Bundesrat schlecht reagiert hat. Dabei hätte die Regierung nur eine klar ablehnende Haltung gegenüber solchen Forderungen einnehmen und alle Versuche von sich weisen sollen, der Schweiz irgendwelche Fehler vorzuhalten. Die Folgen dieser teilweise unhaltbaren Vorwürfe, sind Abschottung gewisser Kreise und in der Bevölkerung vermehrt kursierende widerliche Witze über Juden. Ist das nicht ein ungemütliches Klima? Blocher: Sicher, aber das hat sich der Jüdische Weltkongress selber eingebrockt. Ich selber habe bis dahin eigentlich keinen Antisemitismus in der Schweiz festgestellt. Sicher gab es einzelne Spinner, die dank dem Antirassismus-Gesetz jetzt sogar ein Gesicht und einen Namen erhalten. Eine Abneigung ist aber auch gegenüber den USA feststellbar: Zwar hat die Regierung diese Erpressung nicht direkt begünstigt, sie hat aber auch wenig dagegen unternommen. Wie empfinden Sie selber solche Entwicklungen, ist Ihnen nicht auch "gschmuech"? Blocher: Natürlich. Ich selber rede nie von den Juden als Rasse, sondern nenne diese erpresserischen Kreise immer direkt beim Namen. Es sind nicht die Juden schlechthin, es ist der Jüdische Weltkongress und es sind gewisse jüdische Kreise an der amerikanischen Ostküste. Anderseits betreiben diese Organisationen ein gefährliches Spiel, wenn sie uns erpressen und uns dann antisemitisches Verhalten vorwerfen, wenn wir uns wehren. Sie selber müssen auch dafür besorgt sein, dass sie mit ihren Handlungen keinen Antisemitismus schüren. Hinzu kommt, dass der israelische Botschafter in einem Interview in der "Neuen Zürcher Zeitung" bei seinem Amtswechsel in Bern erklärt hat, dass der Jüdische Weltkongress den Staat Israel in dieser Frage vertritt. Der Brief von Israels Premierminister Nethanyahu an WJC-Chef Bronfman, der jetzt für Aufregung sorgt, ist nichts Besonderes. Die Schweiz steht heute bildhaft zwischen einem Stuhl (Europa), auf den wir uns nicht setzen können, und einem Tisch (USA), von dem wir mit Schimpf und Schande gejagt werden. Ist es unser Schicksal, zähneknirschend und mit gebeugtem Haupt in der Ecke zu überleben? Blocher: Das mag man intellektuell so sehen, hängt aber mit einem Minderwertigkeits-Komplex zusammen. Wirtschaftlich steht die Schweiz hervorragend da und wird von den Ausländern dank der hohen Beschäftigung, dem hohen Pro-Kopf-Einkommen, dem Wohlstand und den demokratischen Freiheiten weltweit immer noch als Wunder bezeichnet. Tatsache ist aber, dass wir weder auf dem Stuhl der EU noch auf jenem der USA sitzen und selbständig sind. Dieses Rezept wurde schon bei der Gründung der Eidgenossenschaft vor 150 Jahren angewandt. Auch damals spottete die europäische Staatengemeinschaft über die Schweiz. Allein und aus eigener Kraft haben die Schweizer etwas gemacht, und es wurde gut. Heute feiern die Behörden 150 Jahre Bundesstaat und realisieren dies nicht. Nur die offizielle Schweiz lebt diesen Minderwertigkeitskomplex aus. Den Schweizern wird von oben eingetrichtert, sie seien alles "Tubel", und jeder Festredner singt an den Jubiläumsfeiern vor hinter Gittern abgeschirmtem Publikum das Lied vom EU-Beitritt. Das ist bedenklich. Das Volk hat genügend Selbstwertgefühl, die Classe politique allerdings nicht, deshalb will sie überall mitmachen. Nur wer kein Selbstvertrauen hat, scheut sich vor eigenen Wegen.