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Indépendance

01.04.1998

Strategischer Studienbericht zur Weiterentwicklung schweizerischer Sicherheitspolitik

Von Nationalrat Christoph Blocher, April 1998

01.04.1998

Cambiamento strategico

Rapporto strategico sulla politica di sicurezza del aprile 1998

01.03.1998

Rapport de la Commission d’étude pour les questions stratégiques

Mars 1998 Prise de position concernant le rapport de la Commission d'étude pour les questions stratégiques du Conseiller national Christoph Blocher C'est un fait incontesté: la politique de sécurité d'un pays doit constamment être adaptée aux nouveaux besoins, ce qui signifie qu'elle doit en priorité être axée sur les menaces potentielles changeantes. C'est pourquoi les efforts déployés actuellement pour réformer l'armée doivent être applaudis. Le rapport de la Commission Brunner ne constitue hélas pas une base utilisable pour apporter une réponse à la question de savoir de quelle politique de sécurité la Suisse aura besoin à l'avenir. Les principales raisons de mon rejet sont les suivantes: 1. Le rapport préconise des progrès qui datent d'hier. Le changement stratégique de 1989/90 n'a pas apporté le renouveau attendu, mais il causé un petit intermède de quelques années rempli de beaucoup d'idéalisme, d'espoirs de paix, d'institutions internationales proliférantes et d'un feu de paille de conférences, de chartes et de diplomatie collective. Les promesses ne se sont pas réalisées. En dépit de cette constatation, le rapport en est resté à cette situation. 2. Le monde retombe dans ses vieilles habitudes à savoir la diplomatie basée sur la menace et le recours à la force, les luttes pour le pouvoir, les alliances militaires et les interventions militaires. Le personnel est resté, la rhétorique n'a pas changé, mais la réalité prend une autre direction. 3. Le rapport de la Commission d'étude reste attaché aux idées du début des années 90 et se distingue par un activisme international déguisé en entreprise morale, par un rafistolage, une ingérence dans les affaires d'autrui, une obédience empressée et servile aux grandes et moyennes puissances et une volonté de rattachement. Cela n'apportera pas plus de sécurité à notre pays, bien au contraire. Cette politique comporte de gros risques pour notre liberté, indépendance et démocratie. A bien des égards, on semble également méconnaître l'horreur et l'atrocité de la guerre et vouloir commencer à jouer à la légère avec cette éventualité. 4. Le rapport se distance du principe de la neutralité permanente qui est une maxime suisse importante en matière de politique de sécurité. Les nouvelles chances d'une neutralité armée dans un nouveau rapport de forces sont en revanche ignorées. 5. Au lieu d'envisager le futur et de mettre en évidence un chemin viable pour la sécurité future de la Suisse, on ressort des oubliettes une idée dépassée et rejetée par le peuple, à savoir celle de troupes suisses armées à l'étranger. Pour des raisons de sécurité et de neutralité, il faut rejeter fermement cette revendication d'un "corps de solidarité suisse" - institution d'ailleurs encore plus douteuse que ne l'étaient les casques bleus rejetés comme on sait par le peuple - qui ne peut être réalisé que par une modification de la Constitution et de la loi. 6. La Commission se sert abusivement de ce rapport pour chercher à satisfaire des revendications politiques autres que celles dictées par les besoins de sécurité de notre pays; on cherche notamment une fois de plus à propager des postulats tout à fait étrangers à une politique de sécurité, tels que l'adhésion à l'UE, le Partenariat pour la paix, la coopération avec l'OTAN et d'un corps suisse de solidarité armé. Au cours des mois prochains, nous aurons l'occasion de montrer à quel point la voie indiquée par la Commission de la politique de sécurité est contestable et de préconiser des solutions plus adéquates. Je me permettrai de publier prochainement un rapport détaillé sur ce problème.

26.02.1998

Je einsamer wir sind, desto gefährlicher leben wir

Streitgespräch mit Nationalrat Andreas Gross in der Weltwoche vom 26. Februar 1998 Die Schweiz soll sich sicherheitspolitisch öffnen. Dies fordert die Kommission für strategische Fragen unter Edouard Brunner. SVP-Nationalrat Christoph Blocher sagt nein dazu, SP-Nationalrat Andreas Gross ist dafür. Interview: Martin Furrer und Martin A. Senn Herr Blocher, sagt Ihnen der Termin 26. Februar 2008 etwas? Christoph Blocher: (lacht) Dann wird meine zehnjährige Schweigepflicht, die mir als Mitglied der Brunner-Kommission auferlegt worden ist, abgelaufen sein. Andreas Gross: Die Schweigepflicht betrifft nur Interna. Über alle Themen des Brunner-Berichtes werden, ja müssen wir uns jederzeit äussern. Herr Blocher, Sie haben als einziger nein gesagt zu sämtlichen Empfehlungen der Kommission. Warum haben Sie überhaupt mitdiskutiert? Blocher: Man hat mich gebeten, mitzumachen, und ich habe meine Meinung eingebracht. Vielleicht haben Sie mitgemacht, weil Abwesende bekanntlich immer unrecht haben? In dieser Logik könnte man jedenfalls argumentieren, die Schweiz müsse endlich EU-Mitglied werden, auch wenn sie in Detailfragen mit der EU nicht einverstanden ist. Blocher: Die Brunner-Kommission diskutierte strategische Fragen. Durch die Teilnahme an der EU verliert der Bürger Rechte. Ich verliere keine Rechte, wenn ich an einer Studienkommissionssitzung teilnehme. Und warum haben Sie, Herr Gross, trotz Ihrer fundamentalkritischen Haltung zur schweizerischen Sicherheitspolitik in der Kommission mitgearbeitet? Gross: Unsere Sicherheit dürfen wir nicht den Militärs überlassen. Ich habe mitgemacht, weil Kommissionspräsident Edouard Brunner zu den welthaltigsten Menschen in Bundesbern gehört. Er hat einen enorm breiten Horizont. Zweitens finde ich die Idee von Verteidigungsminister Adolf Ogi, die unterschiedlichsten Leute an einen Tisch zu bringen, spannend; seit 1945 war es hierzulande in einem offiziellen Gremium nicht mehr möglich, derart kontrovers über sicherheitspolitische Fragen zu diskutieren. Ist Welthaltigkeit das Gegenteil von Christoph Blochers Grundhaltung? Gross: Nein, Herr Blocher gehört für mich auch zu den welthaltigsten Menschen dieses Landes - allerdings bloss ökonomisch. Neutralitätspolitisch fahren Sie, Herr Blocher, im Gegensatz zu Herrn Gross eine harte Linie. Kürzlich haben Sie sogar die Absicht des Bundesrates kritisiert, Atropinspritzen nach Israel zu liefern, weil das gegen die Neutralität verstosse. Blocher: Es gibt in der Neutralität keine harte oder weiche Linie. Die Frage ist, ob die Schweiz dauernd neutral sein will oder nicht. Heute ist für mich klar: Bundesrat und Parlament wollen innerlich die Neutralität aufheben. Sie getrauen sich zwar nicht, dies zu sagen, aber sie denken es. Von Aufhebung der Neutralität spricht doch im Ernst niemand. Man will sie nur flexibel handhaben. Blocher: Das ist Tarnung. Neutralität wird in führenden Kreisen nie geschätzt, denn sie schränkt den Handlungsspielraum einer Regierung ein. Ein Neutraler ist im Kriegsfall nicht beliebt, weil er zwar kein Feind, aber auch kein Verbündeter ist. Die Neutralität ist eben eine anspruchsvolle Staatsmaxime. Einspruch, Herr Blocher: Das Festhalten an der Neutralität glich in der Vergangenheit doch vielmehr dem krampfhaften Versuch, sich bei niemandem unbeliebt zu machen. Blocher: Ach was. Nichts ist heute einfacher, als sich zum Beispiel beim Irak-Konflikt auch als Staat auf die Seite der Amerikaner zu stellen. Ich habe die Spritzen-Geschenkaktion nicht kritisiert, weil ich gegen Israel bin, sondern weil ich für eine konsequente Neutralitätspolitik eintrete. Es wäre in Ihren Augen also konsequenter, Spritzen auch nach Bagdad zu schicken? Blocher: Ja, das müsste man - und zwar ebenfalls gratis. Herr Gross, halten Sie die Atropinspritzen-Lieferung auch für einen Verstoss gegen die Neutralität? Gross: Ich teile die Meinung von Herrn Blocher, dass die Neutralität eine anspruchsvolle Sache ist. Neutralität muss man heute aber in einem solidarischeren Sinn verstehen, als dies während der Zeit des Kalten Krieges der Fall war. Was die Spritzen betrifft, sollten wir damit nicht nur die israelische Zivilbevölkerung beliefern, sondern auch die irakische. Bringt mehr Engagement für Dritte nicht die Gefahr mit sich, in eine Auseinandersetzung hineingezogen zu werden, Herr Gross? Gross: Wir sind schon lange ein Teil dieser Welt und ihrer Auseinandersetzungen. Der Bundesrat hat 1995 den Luft- und Landtransit für Nato-Truppen nach Bosnien gestattet. Wenn es heute darum gehen würde, den amerikanischen Alliierten für einen Einsatz im Irak den Überflug über die Schweiz zu gestatten, wäre ich nicht aus neutralistischen, sondern politischen Gründen dagegen. Ein Krieg gegen Saddam Hussein wäre eine einseitig amerikanische Mission. Sie sind für eine Öffnung des schweizerischen Luftraumes für internationale Interventionstruppen und damit für die Relativierung der Neutralität, falls sich die Uno hinter Amerika stellt. Gross: Ja, wenn die Uno als Weltgemeinschaft meint, ein Einsatz im Irak sei nötig, machte dies die Sache für die Schweiz aus neutralitätspolitischer Warte weniger problematisch. Blocher: Schauen Sie, Herr Gross: Wer als Kleinstaat die Neutralität aufgibt, wird leicht in eine kriegerische Auseinandersetzung hineingezogen. Zudem braucht es doch auf dieser Welt neutrale Staaten, die mit verfeindeten Parteien reden können. Würde die offizielle Schweiz die Politik des Irak mitverurteilen, fiele sie als Vermittlerin im Konfliktfall ausser Betracht. Gross: Friedrich Dürrenmatt hat einmal gesagt, die Schweiz müsste nur dann nicht in die Uno, wenn sie ihre Neutralität wirklich nützen würde. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Neutralität jedoch als Ruhekissen recht eigentlich missbraucht. Die Österreicher und Schweden hingegen begriffen ihre Neutralität als besondere Form der Zuwendung zur Welt. Bruno Kreisky und Olof Palme haben mit Neutralität immer auch Solidarität und Engagement verbunden. Ihre isolationistische Auslegung der Neutralität, Herr Blocher, wird für die Schweiz zunehmend zum Problem. Eine Erkenntnis der Brunner-Kommission lautet: Im Alleingang gibt es für die Schweiz keine Sicherheit mehr. Je einsamer wir sind, desto gefährlicher leben wir. Und Sie, Herr Blocher, wollen ausgerechnet heute das Rad der Geschichte zurückdrehen, indem Sie eine Neutralität postulieren, die im Reduitdenken gründet? Blocher: Im Gegenteil. Die Neutralität ist gerade bei künftigen Bedrohungen von besonderem Interesse. Ich erinnere an die Drohungen des Irak in den aktuellen Auseinandersetzungen. Das haben die Schweizer erkannt und darum für die Neutralität gestimmt. Gross: Herr Blocher, woher wissen Sie so genau, wie das Volk heute stimmen würde? Blocher: Bei der Abstimmung über den Uno-Beitritt 1986 ging es expressis verbis um die Neutralität. Das Volk hat sich klar für die Neutralität ausgesprochen. Gross: Das war vor über zehn Jahren. Heute ist die Situation schon ganz anders. Blocher: Ein Beitritt zur EU und ein Engagement bei den Uno-Blauhelmtruppen ist unvereinbar mit unserer Neutralität. Unsere Bürger wären die Leidtragenden, wenn wir die Neutralität aushöhlen würden. Die Neutralität flexibel handhaben heisst opportunistisch handeln. Das ist gefährlich: Neutralitätspolitik ist nur glaubwürdig, wenn sie konsequent angewendet wird. Gross: Ihr Problem ist, dass die Neutralität seit dreihundert Jahren flexibel gehandhabt wurde und die Schweiz sie im Zweiten Weltkrieg amoralisch angewandt hat und nachher nie dazu stand. Jetzt ist die Schweiz von der Vergangenheit eingeholt worden. Verheerend dabei ist, dass die Schweiz die Neutralität stets als Abwendung von der Welt verstand. Sicherheit lässt sich heute nur noch schaffen mit guten gegenseitigen Beziehungen. Ihr Neutralitätsverständnis, Herr Blocher, passt da ganz einfach nicht mehr in die heutige Welt. Blocher: Ganz im Gegenteil. Schauen Sie aus dem Fenster und analysieren Sie die aktuellen bewaffneten Konflikte. Sie haben den Begriff der amoralischen Neutralität verwendet, Herr Gross. Die Kritiker verwechseln Moral und Moralismus. Die Schriftsteller, die der Schweiz heute vorwerfen, sie habe während des Zweiten Weltkriegs grosse Fehler begangen, sind Leute, die nicht aus der Verantwortung argumentieren, sondern vom Standpunkt der blütenreinen Weste. Die verantwortlichen Politiker hatten während des Zweiten Weltkriegs den Auftrag, für die Schweiz den Frieden zu sichern und den Krieg zu vermeiden... Gross: ...das Überleben, nicht den Frieden! Blocher: Es ging nicht nur ums Überleben, es ging um mehr - um Freiheit, Unabhängigkeit und Demokratie. Und in dieser schwierigen Situation sind eben Fehler passiert, das ist nicht anders möglich. Die Schweiz hat ihre integrale Neutralität nur einmal aufgegeben, und zwar zur Zeit des Völkerbundes - mit gravierenden Konsequenzen. Wenn die Schweiz eine konsequente Neutralitätspolitik betreibt, wendet sie sich doch nicht von der Welt ab - im Gegenteil. Gross: Ich sehe das anders. Moderne Neutralität lässt sich künftig nur praktizieren, wenn Neutralität zusammen mit anderen neutralen Staaten in einem militärisch allianzfreien, aber politisch und zivil sehr engagierten Bündnis gelebt wird. Die Österreicher, Schweden, Finnen und Irländer sind für eine solche Diskussion zu haben, die Schweiz muss davon noch überzeugt werden. Ihr rein nationales Neutralitätsverständnis wird nicht überleben, Herr Blocher! Blocher: So einfach ist die Sache nicht, Herr Gross. Die von Ihnen erwähnten europäischen Neutralen sind Mitglieder der EU. Die EU aber fordert künftig von ihren Mitgliedstaaten eine gemeinsame Sicherheitspolitik. Das ist mit der Neutralität unvereinbar. Gross: Die EU muss dann erst recht eine differenzierte Position einnehmen, denn Österreicher, Schweden, Finnen und Irländer werden sich nicht in ein Nato-Korsett drängen lassen. Ich bleibe dabei: Eine modern verstandene Neutralität wäre kein Hindernis für einen EU-Beitritt , nur eine neutralistische Mentalität wäre es. Blocher: Wir werden sehen. Sicher ist, dass die Nato ohne Amerika eine ohnmächtige Organisation wäre. Die europäischen Armeen stecken alle in Krisen. Die neue Nato wird nicht mehr ein westeuropäisches Territorium verteidigen, sondern weltweit gemeinsame Interessen, und zwar unter Führung der Vereinigten Staaten. Die Partnerschaft für den Frieden ist der Versuch, Nato-Nichtmitglieder in dieses Bündnis einzubinden. Darum war ich strikte dagegen. Die Aussage, die Schweiz könne doch nicht einem Bündnis fernbleiben, das als Ziel den Frieden habe, ist naiv. Haben Mitglieder eines Militärbündnisses je erklärt, sie verfolgten andere Ziele als den Frieden? Herr Gross, sind Sie als Pazifist für die Nato-Partnerschaft und die Bewaffnung von Blaumützen? Gross: Eine heikle Frage. Und? Gross: Ja, ich war und bin fürs letztere. Übers erste lohnt es sich nicht mehr zu streiten. Ebenfalls einverstanden, Herr Blocher? Blocher: Keinesfalls. Aus diesem Grund habe ich ja auch 1994 die Blauhelm-Vorlage bekämpft. Warum? Blocher: Sie verstösst gegen die Neutralitätspolitik. Die Idee der Bewaffnung eigener Truppen im Ausland zum Selbstschutz ist romantisch: Es ist naiv zu meinen, in einem Land, in dem Krieg geführt wird, könne man Soldaten bloss zum Selbstschutz mit leichten Waffen ausrüsten. Wer mit der Waffe antritt, wird unweigerlich in die Auseinandersetzungen verwickelt werden. Gross: Ich war 1997 als Wahlbeobachter in Albanien. Tagsüber hat mich ein österreichischer Grenadier beschützt, abends musste ich in französischen Schützenpanzern dislozieren, und schlafen durfte ich auf einem italienischen Kriegsschiff. Tatsächlich hat dort die Manifestation militärischer Macht die bewaffneten albanischen Banden davon abgehalten, die Wahlen zu stören... Blocher: ...weil Ihre Schutztruppe mehr Macht und die besseren Waffen hatte als die albanischen Clans! Interessant, dass auch ein Pazifist diese Beobachtung macht. Gross: ...ja, das ist eine traurige Erfahrung. Leider lässt man die Albaner heute wieder allein. In dieser Situation käme engagierten neutralen Staaten eine wichtige Aufgabe zu; sie hätten dafür zu sorgen, dass es gar nicht erst zum Brand kommt im Haus - dies im Gegensatz zur Nato, die erst ausrückt, wenn es schon brennt. Diese Art der Prävention wäre viel billiger als ein militärisches Engagement. Vermehrtes aussenpolitisches Engagement der Schweiz führt zu stabileren Verhältnisse in der Welt und damit auch zu mehr innenpolitischer Sicherheit, Herr Blocher. Blocher: Welche Selbstüberschätzung! Die Politiker erklären uns immer wieder aufs Neue, warum die Schweiz ihre Unabhängigkeit aufgeben soll. Einerseits will man uns weismachen, die Schweiz sei militärisch nicht mehr bedroht. Anderseits sollen wir plötzlich nicht mehr in der Lage sein, uns militärisch allein zu verteidigen. Gegen Mehranstrengungen in der Diplomatie, gegen Kooperationen und Solidarität mit Leidenden habe ich nichts einzuwenden. Aber ich bin gegen Integration. Ein Kleinstaat, der integriert wird, wird eingebunden. Die Nato ist kein Klub von selbstlosen Staaten, die eine gerechte Weltordnung im Kopf haben, Herr Gross. Da sind auch Eigeninteressen mit im Spiel. Gross: Ich höre gerne, dass Herr Blocher nichts gegen internationale Kooperation hat. 1848 haben sich die Kantone ja auch in den Bundesstaat integriert, ohne ihre Souveränität zu verlieren... Blocher: ...Integration bedeutet aber auch, ein Stück eigene Souveränität preiszugeben... Gross: ...deshalb braucht es die europäische Integration, weil der Frieden heute von keinem Staat allein mehr gewährleistet werden kann. Herr Gross, Sie haben ja gestimmt zum Brunner-Bericht - ganz ohne Vorbehalte? Gross: Nein. Eigentlich sollten wir Strategien für die nächsten 25 Jahre entwickeln. Aber wir haben kaum gewagt, den Blick auch nur zehn Jahre nach vorne zu werfen. Herr Blocher, wie stark soll sich die Schweiz künftig international engagieren? Blocher: Auf jeden Fall nicht aufgrund utopischer Träume. Es lohnt sich, auf die bestehenden Stärken zu setzen, also den Ausbau des IKRK oder des zivilen Katastrophenhilfekorps. Herr Gross, welches sind Ihre Erkenntnisse nach einjähriger Kommissionsarbeit? Gross: Die Kommission blieb in ihren Schlussfolgerungen viel zu ängstlich. Doch wenn sich die Erkenntnis durchsetzt, dass ein politisch einsamer Staat wie die Schweiz ein unsicherer Staat ist, haben wir schon einiges bewirkt.

14.02.1998

Ein EU-Beitritt wäre heute sogar noch schlimmer als vor fünf Jahren

Interview mit Teletext Fernsehen SF DRS vom 14. Februar 1998 Sie erachten den Kompromiss zwischen der EU und der Schweiz bezüglich des Transitverkehrs durch die Schweiz (320 Fr. pro Fahrt) als ungenügend. Wie würde ein Verhandlungsergebnis aussehen, das Sie akzeptieren könnten? Blocher: Es ist nicht möglich, sich auf einen Preis mit der EU zu einigen, da die Schweiz und die EU vollkommen unterschiedliche Ziele verfolgen. Der Bundesrat strebt einen Preis an, der die Lastwagen auf die Schiene bringt. Das Konzept der EU sieht anders aus: Die Güter auf die Strasse. Die Schweiz hat nachgegeben. Das Verhandlungsergebnis ist im Sinne der EU. Kann sich die Schweiz ein Scheitern der bilateralen Verhandlungen überhaupt leisten? Blocher: Wieso nicht? Internationale Verträge können immer scheitern, diese Möglichkeit besteht immer. In den meisten Fällen wird man sich allerdings einig. Wir haben Zeit, denn die bilateralen Verhandlungen berühren keine vitalen Interessen der Schweiz. Lediglich einzelnen Branchen würde ein Abkommen gewisse Vorteile bringen. Es ist tragisch, dass sich der Bundesrat selbst unter Druck setzt und immer wieder verkündet, wir brauchen dringend einen Abschluss. So wird das Verhandlungsergebnis zum Nachteil der Schweiz ausfallen. Wäre es dann für die Schweiz nicht besser, wenn sie EU-Mitglied wäre? So könnte sie Entscheidungen, die sie betreffen, in ihrem Sinne beeinflussen. Blocher: Wären wir in der EU, gäbe es zum Beispiel bezüglich Verkehr und freiem Personenverkehr keine Verhandlungen. Wir müssten die Vorgaben der EU einfach übernehmen. Oder denken Sie an die Mehrwertsteuer. Wenn die Schweiz der EU beiträte, würde die MwSt auf mindestens 15 Prozent erhöht. Das sind Vorgaben, zu denen wir nichts zu sagen hätten. Noch ein Beispiel: Wir müssen den Euro einführen, ob wir wollen oder nicht. Dadurch stiegen die Hypo-Zinsen in der Schweiz - und damit die Mietzinsen - um 30 Prozent! Ist die Teilnahme am europäischen Binnenmarkt für die Schweizer Wirtschaft langfristig nicht überlebenswichtig? Blocher: Die Schweiz nimmt heute vollumfänglich am Binnenmarkt teil. Wir verkaufen der EU nicht nur sehr viel, sondern sind auch deren Grosskunden, stehen wirtschaftlich aber besser da. Die Rahmenbedingungen sind in der Schweiz besser: Wir haben billiges Kapital. Das ist sehr wichtig, da uns punkto Automatisierung noch grosse Investitionen bevorstehen. Zudem ist bei uns die Ausbildung hervorragend. Bei einem EU-Beitritt würden wir diese Vorteile verlieren. Wir würden uns nach unten hin anpassen. Eine Umfrage hat jüngst gezeigt, dass sich die Einstellung der Bevölkerung der EU gegenüber gewandelt hat. Blocher: Ich vertraue nicht Umfragen, sondern dem Ergebnis an der Urne. Die Bürger lehnten einen UNO-Beitritt und den EWR ab, obwohl die Umfragen damals das Gegenteil voraussagten. Die Ergebnisse von Umfragen können durch entsprechende Fragestellungen beeinflusst werden. Ich bin überzeugt, dass ein EU-Beitritt an der Urne chancenlos wäre. Heutzutage braucht es Mut, öffentlich gegen den EU-Beitritt Stellung zu nehmen, weil dieser jetzt in Mode ist. Der Druck der Medien ist enorm, also antworten die Leute entsprechend. An der Urne müssen sie keine Rücksicht nehmen. Spüren Sie einen solchen Wandel in der Einstellung der Bevölkerung nicht? Blocher: Nein, im Gegenteil: Von vielen Leuten weiss ich, dass sie vor fünf Jahren für den EWR waren, heute aber dagegen stimmen würden. Vermutlich gibt es aber auch das Gegenteil. Hat sich denn die EU seit 1992, seit der EWR-Abstimmung gewandelt? Blocher: Ein EU-Beitritt wäre heute sogar noch schlimmer als vor fünf Jahren. In der Zwischenzeit wurde die Währungsunion beschlossen. Bei einem Beitritt würden wir heute noch mehr Vorteile, nämlich unsere Währung, verlieren. Die Diskussionen um das Nazi-Gold und die Holocaust-Gelder haben das Bild der Schweiz beschädigt. Es ist heute jedermann klar, dass die Schweiz im Zweiten Weltkrieg auch Fehler gemacht hat. Ist das Bild des "Sonderfalles" noch länger aufrechtzuerhalten? Blocher: Wenn man in der Verantwortung steht, kann man keine reine Weste haben. Beim Arbeiten wird man auch schmutzig. Man macht Fehler. So war es auch im Zweiten Weltkrieg: Regierung und Armee ist es damals trotz grosser Schwierigkeiten und vieler Fehler gelungen, die Schweiz aus dem Konflikt herauszuhalten. Damit wurde - und das zählt! - eine grosse Aufgabe erfüllt. Der Rest ist nebensächlich. Die Schweiz hat also im Zweiten Weltkrieg auch Fehler gemacht? Blocher: Ja, aber darum geht es nicht. Niemand hat deswegen das Recht, die Schweiz wegen dieser Fehler zu erpressen und zu sagen, ihr müsst bezahlen! Heuchler und Moralisten sind Leute, die nie Verantwortung hatten. Es geht ihnen um die eigene reine Weste. Die Diskussion um den Zweiten Weltkrieg wird vor allem von solchen Leuten geführt. Wer gibt wem das Recht, uns wegen Fehler zu belangen, die eine andere Generation gegangen hat? Dies ist keine moralische, sondern eine juristische Frage. Wenn die Banken unrecht begangen haben, dann sollen sie auch bezahlen. Aber nicht der Rest der Bevölkerung. Sie haben eine Initiative zur Volkswahl des Bundesrates angekündigt. Ein vom Volk gewählter Bundesrat hätte eine stärkere Stellung gegenüber dem Parlament. Wünschen Sie einen starken Bundesrat? Blocher: Ja, das ist der Hauptgrund für meine Initiative. Die Grundlage der Republik eine funktionierende Gewaltentrennung, das ist schon seit Montesquieu so. Heute ist die Vermischung zwischen Parlament, Bundesrat und Verwaltung so widerlich, dass keiner seine eigene Verantwortung wahrnimmt. In den Kantonen funktioniert dies ja hervorragend. Und dort ist die Trennung besser oder zumindest weniger schlecht. Aber der Bundesrat hätte ja nach wie vor keinen grösseren Einfluss im Parlament, da in der Schweiz kein Fraktionszwang herrscht. Wir hätten einen starken Bundesrat ohne Macht. Blocher: Das ist nicht das Problem. In Regierungsbelangen wäre der Bundesrat dem Volk gegenüber verantwortlich. In der Gesetzgebung stellt er den Antrag ans Parlament. Klar verantwortlich für die Gesetze wäre dann das Parlament - auch dem Volk gegenüber. Heute nimmt der Bundesrat nicht auf das Volk, sondern auf sein Wahlgremium, das Parlament, Rücksicht. Er will ja wieder gewählt werden. Das ist fast unerträglich. Die Regierten sollen die Regierung wählen können. Wie sollen Ihrer Meinung nach die Bundesfinanzen wieder ins Lot gebracht werden? Blocher: Wir müssen die Steuern massiv senken. Kurzfristig würden die Einnahmen sinken. Aber der Antrieb für die Wirtschaft wäre immens, die Steuereinnahmen würden schnell wieder steigen, die Wirtschaft käme in Schwung. Ausserdem sind vor allem die Ausgaben zu drosseln. Diese Strategie wurde von Grossbritannien und den USA erfolgreich angewandt. Der wirtschaftliche Erfolg und die ausgeglichene Rechnung in den USA sind Resultate dieser Politik. Zum Schluss noch zwei kurze Fragen: Wenn die Schweiz EU-Mitglied wäre, würden Sie für das EU-Parlament kandidieren? Blocher: Nein, nicht für das Parlament in der heutigen Form. Wenn es mehr Kompetenzen hätte und ich dort die Interessen meines Landes verteidigen könnte, wäre es zu überlegen. Wer wäre der ideale Bundesratskandidat für Sie? Blocher: Die Köpfe ändern, die Politik bleibt die gleiche. Pascal Couchepin wird sowieso gewählt. Was soll ich mir da den Kopf zerbrechen? Er wollte ja schon immer Bundesrat werden. Deshalb hat er immer versucht, sich im Parlament beliebt zu machen. Also wird er - leider - gewählt werden.