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Économie

07.05.1999

Unsere vier Kinder sind auf der richtigen Spur

Interview mit CASH vom 7. Mai 1999 Christoph Blocher über seine Nachfolge bei der Ems-Chemie, seine Bücher schreibenden Geschwister und über die erste Pflicht der Politik, Nein zu sagen Christoph Blocher startet mit neuem Schub in die Spätphase seiner Karriere. CASH sprach mit ihm über seine Familie, die Nachfolge bei der Führung der Ems-Chemie, über seine Wirtschaftspolitik und über Antisemitismus. Interview: Markus Gisler, André Kienzle Herr Blocher, Sie werden nächstes Jahr sechzig Jahre alt. Wie lange bleiben Sie noch CEO der Ems-Chemie Holding? Christoph Blocher: Ich bin daran, über die Nachfolgeregelung nachzudenken. Was kommt dabei heraus? Blocher: Ich habe vier Kinder. Die Älteste, 29 Jahre alt, hatte ihr Ökonomiestudium vor vier Jahren abgeschlossen, arbeitete dann für die amerikanische Firma Johnson & Johnson und leitet heute das Marketing bei Rivella. Der Sohn, 28, schliesst demnächst seine Dissertation als ETH-Chemiker ab, verdient danach noch den Hauptmann ab und steigt dann ebenfalls in die Wirtschaft ein. Die jüngere Tochter, 24, steht vor dem Abschluss des ETH-Studiums, und die Jüngste, 22, studiert ebenfalls Ökonomie. Sie sehen: Unsere Kinder sind auf der richtigen Spur. Ob sie das Unternehmen auch führen können oder wollen, wird man in den nächsten zwei Jahren besser sehen. Wir spüren, Sie wollen Ihr Unternehmen in der Familie behalten. Blocher: Natürlich. Das geht wohl jedem Vater so. Erzwingen will ich nichts, aber wenn ich sehe, dass es geht, dann ja. Zumindest die Berufsrichtung meiner Kinder stimmt. Keines studiert Psychologie oder Altphilologie, keines sagt: "Nur ja nichts mit Wirtschaft zu tun haben!" Das wäre wohl ganz grässlich für Sie? Blocher: Gar nicht. Ich selber hätte sehr gerne gehabt, wenn ein Kind zum Beispiel Geschichte studiert hätte, aber dann könnte es nicht ins Unternehmen einsteigen. Jetzt ist alles möglich: alle vier Kinder oder nur eins oder zwei oder drei - oder gar keines. Nachfolgeregelungen sind ja vor allem auch Erbschaftsfragen. Blocher: Wenn ich heute sterben würde, müsste die Familie 180 Millionen Franken Erbschaftssteuern bezahlen. Das könnte sie gar nicht, ohne einen Teil des Unternehmens zu verkaufen. Deshalb muss ich eine klare Lösung finden. Wenn die Kinder alle nicht in Frage kommen - was sein kann - , dann lautet die Frage: Behält man die Mehrheit des Unternehmens in der Familie und ein Dritter führt es, oder müsste - was ich nicht möchte - das Unternehmen verkauft werden. Diese Themen diskutieren Sie auch mit Ihren Kindern. Was sagen sie dazu? Blocher: Wir haben keinerlei Hemmungen, über die Nachfolgefrage zu reden. Bis jetzt war der Tenor immer: Hör zu, Vater, wir sind selbst wer. So haben wir sie auch erzogen, nach Selbstverantwortungsprinzipien. Keines erhält ein Auto, bis es selber verdienen kann. Mein Sohn musste bis 27 darauf verzichten. Zahlen Sie ihm wenigstens die Ausbildung? Blocher: Seit er Halbtagsassistent ist, zahlt er alles selber. Nicht, dass ich geizig wäre, ich sagte meinen Kindern aber immer: Man muss das Leben selber gestalten, ich sorge für eure Ausbildung bis zum Abschluss, ohne Luxus, nachher steht ihr auf euren eigenen Beinen. Stolz und unabhängig von mir. Aber wenn Sie morgen unter das sprichwörtliche Tram kämen - was wir Ihnen natürlich nicht wünschen - was wäre dann? Blocher: Dafür ist gesorgt. Dann läuft die Ems-Chemie makellos ein bis zwei Jahre weiter. In dieser Zeit muss eine Lösung getroffen werden. Mein VR-Ausschuss muss dieses Szenario nur aus der Schublade herausziehen. Wir folgern daraus: Blocher bleibt auf absehbare Zeit CEO der Ems-Chemie. Blocher: Ja. Mir geht es gesundheitlich gut, und ich habe noch genügend Kraft. Aber in den nächsten paar Jahren muss die Nachfolge geregelt werden - doch Sie sehen ja, in der Familie reift es schon. Haben Ihre Kinder eigentlich die gleiche politische Sicht wie der Vater? Blocher: In den grundsätzlichen politischen Fragen haben wir keinerlei Differenzen. Wobei ich keinen Druck ausübe. Es gibt Fragen, in denen wir nicht übereinstimmen. Während des Studiums waren die beiden Älteren ziemlich grosszügig, was staatliche Ausgaben angeht. Seit sie verdienen, sind sie sehr auf meiner Linie. Auf jeden Fall sind alle vier gegen den EU-Beitritt, was mich freut. Ich habe keinerlei Probleme mit den Kindern, keines ist bei den Sozialdemokraten gelandet - bis jetzt (lacht). Wenn Sie weiterhin als Ems-Konzernchef amten, bleibt Ihnen wohl keine Zeit, um Ihre Memoiren zu schreiben. Blocher: Das ist auch gut so. Bald alle Ihre Geschwister haben ein Buch geschrieben - nur Sie nicht, obschon im Grunde nur Sie der Inhalt sind. Blocher: Kürzlich war ein grosser deutscher Verlag bei mir und bat mich, meine Memoiren zu schreiben. Ich sagte: "Hört mir bloss auf mit dem 'Chabis'." Bevor jemand nicht hundert Jahre tot ist, lässt sich gar nicht beurteilen, ob ein Lebenswerk überhaupt von geschichtlichem Wert war. Wie beurteilen Sie diese literarische Vergangenheitsbewältigung Ihrer Geschwister? Blocher: Meine zehn Schwestern und Brüder sind sehr verschieden. Das neueste Buch von meiner ältesten Schwester (der Sozialarbeiterin Judith Giovannelli-Blocher, die Red.) fand ich interessant. Ich habe mein Elternhaus aber nicht so erlebt wie sie. Wie blicken Sie zurück auf Ihre Jugend? Blocher: Ich bin acht Jahre jünger - in der Jugend ein riesiger Unterschied. In meiner Erinnerung bin ich in einem sehr fröhlichen Elternhaus aufgewachsen. Weil wir so viele Kinder waren, gingen wir absolut frei von Überbetreuung durchs Leben. Als kleiner Junge wurde ich morgens vor die Türe gestellt und war mir selber überlassen. Wir trieben einen Haufen Schabernack. Ich konnte auch einen völlig unkonventionellen Lebensweg einschlagen, zuerst Bauer werden, dann studieren. Meine Schwester dagegen hatte ihr Leben lang das Gefühl, als Frau sei sie zu kurz gekommen. Sie sagt, der Vater hätte ein Mädchen nie studieren lassen. Dabei studierte eine Schwester Theologie und wurde Pfarrerin, eine andere machte die Mittelschule und wurde Lehrerin, eine absolvierte die A-Matur und wandte sich der Kunstgeschichte zu. Dieser Vater steigt aus allen Büchern als strenge, protestantisch-trockene Figur auf. Wie sehen Sie sich im Vergleich zu Ihrem Vater? Blocher: Mein Vater, ein Calvinist, war ein strenger Mann. Er war ein Freund von Karl Barth (dem Anführer des Kirchenkampfes gegen die Nationalsozialisten in Deutschland, die Red.). Die Theologie war ihm wichtig. Innerlich hat er wohl sein Leben lang darunter gelitten, dass er Pfarrer sein musste, denn er hatte sehr viele andere Interessen. Aber - und das finde ich das Grossartige an ihm - er hielt bis zum Schluss durch und blieb seiner Sache treu. Er hatte eine klare eigene Meinung, war ein geistig vielseitig orientierter Mensch, gross und hager. Er war nicht von leichter Natur, hatte oft an den Dingen zu beissen. Schon sein Vater war Pfarrer gewesen, seine Mutter eine deutsche Professorentochter. Gleichen Sie nun eher dem Vater oder der Mutter? Blocher: Meine Mutter stammt aus gesundem Säuliämter Boden, aus einer Bauern- und Ziegelbrennerfamilie, sie war klein und rundlich - ziemlich genau das Gegenteil vom Vater. Die einen Geschwister gleichen eher dem Vater, die anderen mehr der Mutter. Sie gleichen wohl eher der Mutter. Blocher: Ja, wie auch mein Bruder, der Pfarrer ist und der zu reden gibt. Meine älteste Schwester und der andere Bruder, der das Buch "Mein Bruder Christoph" geschrieben hat, gleichen mehr dem Vater. Ihre Geschwister scheinen permanent mit ihrer Jugend zu hadern. Sie auch? Blocher: Gar nicht. Für mich ist das Elternhaus abgeschlossen. Doch wenn ich das Buch meiner Schwester lese, kämpft sie mit ihren 68 Jahren noch immer damit, wie es denn gewesen wäre, wenn sie anders erzogen worden wäre. Haben die Geschwister Blocher noch Kontakt unter sich? Blocher: Solange die Mutter noch lebte, immer wieder. Jetzt beschränkt sich der Kontakt auf diejenigen, die ähnlich denken. Die anderen kennen mich eigentlich nur noch aus der Zeitung. Aber die Familie ist Ihnen wichtig. Blocher: Ja, nur habe ich jetzt meine eigene. Was bedeuten Ihnen Freunde? Blocher: Ich habe wenige Freunde, aber gute. Es sind Leute, die an meinem Leben teilnehmen und ich an ihrem, nicht solche, die nur um mich herumschwirren und mir gratulieren, wenn ich die Wahlen gewonnen habe. Meine Freunde halten auch zu mir, wenn ich in der Tinte sitze. Viele würden wahrscheinlich staunen, wenn sie deren Namen wüssten. Vertreten diese Freunde andere politische Haltungen? Blocher: Es sind keine Leute aus dem politischen Vordergrund. Sie würden politisch wohl ganz anders eingestuft als ich. Auch ich habe ganz andere politische Stärken, als allgemein behauptet wird. Welche denn? Blocher: Es heisst immer, dass ich gut reden könne -einer, der so redet, dass ihn das Volk versteht - , und ich könne auf die Pauke hauen. Wollen Sie etwa behaupten, dass dies nicht stimmt? Blocher: All das ist absolut belanglos. Meine Stärke ist, dass ich ein klares Konzept für die politische Arbeit habe. Also genau das Gegenteil von dem, was alle sagen: "Der hat ja nur Schlagwörter." Schlagwörter sind bei mir das Ende, nicht der Anfang. Am Anfang stehen Szenarien, Analysen und viele Diskussionen über die richtige Richtung, viele Selbstzweifel und Sorgen. Das klingt nach Arbeit in Ausschüssen. Blocher: Ich bin nicht so sehr für institutionalisierte Abläufe. Lieber im Freundeskreis zusammenhokken, diskutieren und überlegen. Ich habe aus Studienzeiten viele Freunde, die im Hintergrund an politischen Fragen herumdenken. Ergo gibt es so etwas wie einen geheimen Ausschuss in der SVP! Blocher: Aber nicht in festen Ausschüssen, sondern in abendfüllenden Gesprächen und langen Telefonaten. So eine Albisgütli-Rede wird monatelang vorbereitet. Das Problem nicht institutioneller Abläufe heisst: Wer steuert sie? Blocher: Da kommt meine zweite Stärke: die Durchsetzung. Ich leiste jetzt seit 22 Jahren Knochenarbeit als Präsident der zürcherischen SVP. Ich sitze mit Fraktionen zusammen, streite, überzeuge, sage, wie man es machen sollte bis zum Befehl an die Ortssektionen runter: "Hängt mal die Plakate auf!" - Und wenn die Wahlen vorbei sind: "Jetzt hängt sie wieder ab." Ihre Devise lautet folglich: Wie in der Wirtschaft braucht es auch in der Politik einen Chef, und der sind Sie. Blocher: Ich bin es nicht allein, aber ich bin der Präsident, ich schaue dass ich einen Sekretär und Leute habe, die vorwärts machen, ich suche die richtigen Köpfe aus. Ich schaffe ein Klima, damit die Regierungsräte gewählt werden können, die fähig sind und nicht einfach nach dem Freundschafts- und Anciennitätsprinzip obenauf schwingen. Das ist meine Stärke. Nicht gut reden. Ich kann gar nicht gut reden. Sie führen die Partei wie Ihr Unternehmen. Beherrschen Sie sie auch wie Ihr Unternehmen? Blocher: Es gibt Leute, die sagen: Die SVP hat nur einen, den Blocher. Wer das sagt, hat keine Ahnung. Klar: Wenn einer vorne stark zieht, dann treten die anderen weniger in Erscheinung. Wir haben im Übrigen sehr gute Köpfe. Christoph Mörgeli hat mit seiner Vorrede vor dem Bundesrat am Ustertag in zehn Minuten alles in den Schatten gestellt. Der hat intellektuelle Substanz. Man sagt, er könnte Ihr Nachfolger sein. Blocher: Zum Beispiel. Dann Ruedi Ackeret, Ersatzbundesrichter und Präsident unserer Programmkommission - sein SVP-Programm stellt in der Substanz die Programme aller anderen Kantonalparteien in den Schatten. Und dann hat es halt auch Bauern und Gewerbler, die bringen ihre vernünftige Meinung ein und halten eine klare Linie durch. Es können nicht alle Chefnaturen sein, die vorne stehen, davon braucht es immer nur ein paar. Erhebt die SVP jetzt den Anspruch, die Wirtschaftspartei der Schweiz zu sein? Blocher: Ich stelle keinen solchen Anspruch. Mir wäre es am liebsten, wenn die SVP überflüssig würde, weil die anderen Parteien die richtige Politik vertreten, nämlich weniger Steuern, Abgaben, Gebühren, einen Staat, der dem Bürger weniger wegnimmt, in dem die Wirtschaft sich entwickeln kann, einen Staat mit weniger Gesetzen und Bürokratie. Parteien mit der Kraft, zu all den ungebührlichen Ansprüchen Nein zu sagen, die sich weigern, uns in den EU-Bürokratismus zu führen. Parteien, die sagen: Dieses drückende Asylproblem wird jetzt gelöst, statt nur immer zu begründen, warum man es nicht lösen könne. Wenn die anderen das endlich machen würden, wären wir ja überflüssig. Sind Sie primär Unternehmer oder Politiker? Blocher: Das Unternehmen muss vorgehen. Das entspricht meinem konservativen Wertbild. Der Mensch muss zuerst schauen, dass er für sich über die Runden kommt. Schafft er das, kann er auch für eine Familie sorgen. Schafft er etwas mehr, kann er als Unternehmer für ein Unternehmen sorgen, und wenn er noch Reserven hat, kann er daneben im Milizsystem für die Politik im Lande sorgen - dann ist es langsam fertig. Wenn ich im Unternehmen keine Ordnung mehr halten könnte, müsste ich aus der Politik aussteigen. Für viele Bürgerinnen und Bürger sind Sie der mächtigste Schweizer. Blocher: Ich empfinde dies nicht so, wobei ich zugebe, dass meine Unabhängigkeit als Unternehmer eine meiner Stärken ist. Ich darf immer sagen, was ich will, mir kann praktisch nichts passieren. Meine Kunden befinden sich vor allem im Ausland, die sagen nicht: Jetzt kaufen wir bei dem nichts mehr. Genau so funktioniert es aber in den CVP-Kantonen. Schert einer aus, werden ihm die Aufträge gestrichen. Ihre Gegner bezeichnen das nicht als Ihre Stärke, sondern als Schizophrenie. Der Politiker Blocher predigt den Alleingang gegen die EU, doch als Unternehmer ist er in Europa längstens integriert. Blocher: Das ist ein idiotisches Argument. Überlegen Sie mal: Ich habe doch nicht die geringste Mühe, in den USA 15 Prozent meines Umsatzes zu erzielen, ohne gleich zu fordern, die Schweiz müsse den Vereinigten Staaten beitreten. Ich bin überhaupt nicht für eine geschlossene, isolierte Schweiz - weder politisch, wirtschaftlich noch kulturell. Ich bin sehr froh, dass meine Kinder während der Schulzeit ihre Austauschjahre machten und in die Welt hinausgingen. Aber ich bin völlig dagegen, dass wir uns in ein Grossgebilde einbinden lassen, in dem wir unser Schicksal nicht mehr selber bestimmen können. Die Vereinigten Staaten von Amerika funktionieren einwandfrei. Warum sollte ein vereinigtes Europa als mächtiger Wirtschaftsblock nicht ebenso einwandfrei funktionieren? Blocher: Europa ist nicht gleich USA. Die Amerikaner haben nur eine Sprache und ziehen im Schnitt alle sechs Jahre um - die sind flexibel. Wenn im Silicon Valley Hochkonjunktur ist, ziehen sie nach Kalifornien, wenn es in Ohio gut läuft, zügeln sie dorthin. Aber dass die Deutschen wegen eines konjunkturellen Rückgangs nach Spanien umziehen - das können Sie vergessen. Das ist auch gar nicht nötig. Blocher: Es ist aber die ökonomische Idee: Wenn Europa eine Einheitswährung hat, unter der die Länder ihre Konjunkturen nicht mehr mit einer eigenen Geldpolitik steuern können, dann werden die Konjunkturunterschiede nur über den freien Personenverkehr ausgeglichen. Das funktioniert jedoch nicht. Der Europäer bleibt einfach in der Arbeitslosigkeit. Darum diese hohe Arbeitslosigkeit in Europa, das ist doch leicht zu begreifen. Die Europäer müssen nicht so mobil sein wie die Amerikaner, weil sie eine bessere Arbeitslosenversicherung haben. Wollen Sie etwa die ALV abbauen, um grössere Mobilität zu erzwingen? Blocher: Das ist politisch nicht durchsetzbar, auch wenn es Flexibilität erzeugen würde. Die Amerikaner haben es gemacht und die Fristen für den ALV-Bezug gekürzt. Doch ich sage nicht, was die EU tun oder lassen soll, sondern es geht mir um die Schweiz. Für die Schweiz wäre es falsch, in die EU zu gehen und der EU nützt es auch nichts, ausser dass dann noch ein weiteres Land EU-Beiträge bezahlt. Wird die SVP gegen die bilateralen Verträge das Referendum ergreifen? Blocher: Diese Frage ist im Herbst zu entscheiden. Ich halte die Verträge für schlecht. Die EU stellte sich auf den Standpunkt: Wenn die Schweiz künftig in die EU will, kann sie die Nachteile davon heute schon übernehmen. Und das hat man hier leichtfertig geschluckt. Ob man die Verträge deshalb aktiv bekämpfen soll, bleibt zu sehen. Denn die Frage ist ja, was denn die Konsequenz aus einem Volksnein zu den bilateralen Verträgen wäre. Ein Bundesrat würde deswegen in der Schweiz ja sicher nicht zurücktreten. Dann verhandeln einfach die Gleichen nochmals. Wenn sich Ihr jüngster Erfolgstrend in den Nationalratswahlen im Herbst fortsetzt, steht Bern ein Erdrutsch bevor. Blocher: Zuerst mal darf man diesen Wahlerfolg nicht überschätzen. Im Grunde genommen ist nichts passiert, ausser dass die SVP in fünf Kantonen einen Stimmenzuwachs erzielte. Das Ausmass ist wahrscheinlich einer glücklichen Konstellation zuzuschreiben. Vor allem der Kosovo-Krieg hat unsere Asylpolitik, das Festhalten an der Neutralität und unseren Kampf gegen den Einsatz bewaffneter Truppen im Ausland aktualisiert und gezeigt, dass unsere über Jahre verkündete Politik richtig ist. Einen gesamtschweizerischen Erdrutsch werden wir im Herbst deswegen aber nicht auslösen. Mein Ziel ist, die grösste Partei des Kantons Zürich zu bleiben, vielleicht gibt es ein Mandat mehr. Erzählen Sie uns einmal Konkretes aus Ihrem Wirtschaftsprogramm. Blocher: Ich setze mich massiv für eine bessere Ordnungspolitik ein. Wir müssen endlich aufhören mit dieser Flut von neuen Gesetzen und der zunehmenden Bürokratie. Im Baubereich ist das so, jetzt beginnt es im Bildungsbereich bei den Fachhochschulen. Es muss ein Ende haben mit der ständigen Erhöhung der Staatsquote über Steuern, Gebühren, Abgaben. Das leidige Krankenversicherungs-Gesetz muss man aufbrechen - weg von der obligatorischen Krankenversicherung. Doch stattdessen kommt die Mutterschaftsversicherung - wieder eine neue Zwangsversicherung. Ordnungspolitik heisst bei Ihnen offensichtlich Nein sagen. Blocher: Der renommierte liberale Ökonom August von Hayek sagte: "Die wichtigste Aufgabe in der Politik ist Nein zu sagen gegen die Begehrlichkeiten an den Staat." Heute wird jedoch eine mehr oder weniger sozialistische Politik betrieben, deren Grundsatz lautet: Mehr Geld wegnehmen und umverteilen. Das vernichtet unsere Arbeitsplätze. Würden Sie Abstriche am bestehenden staatlichen System verlangen? Blocher: Wir sind für Steuersenkungen, das wäre der Anfang. Weniger Einnahmen bedeutet auch weniger Ausgaben. Welche würden Sie zuerst streichen? Blocher: Zuerst würde ich mal das Volksvermögen richtig bewirtschaften. Die Nationalbank, der AHV-Fonds, die Suva - sie müssen mal nachzählen, wie viel Klotz da sinnlos herumliegt, da kann man fast nicht zusehen. Da wären bei einer intensiven Bewirtschaftung jährlich hunderte Millionen herauszuholen. Zweitens müsste der Staat eine Menge seiner ungenutzten Vermögen verkaufen und wäre mehr in die Miete zu ziehen. Was allein die SBB für Grundstücke besitzt - und überhaupt nicht bewirtschaftet. Welche weiteren konkreten Schritte schlagen Sie vor? Blocher: Zweitens sind die Ausgaben zu kürzen, zum Beispiel die Milliarde für das Asylwesen. Wohlgemerkt: Es geht dabei nicht um eine Geldkürzung für die Flüchtlinge, sondern für diesen Leerlauf in der Asylbürokratie, die sowieso 90 Prozent aller Asylanträge ablehnt. Dann bin ich für die Abschaffung des Obligatoriums zur Krankenversicherung. Das ist sehr wichtig. Gerade die schlechter Verdienenden würden zuerst an der Krankenversicherung sparen. Und gerade die geraten in Existenznot, wenn sie sich ein Bein brechen. Was macht Ihr Staat mit denen? Blocher: Ihrer nimmt sich die Fürsorge an. Heute existiert einfach für alle eine Zwangsversicherung mit einem sehr hohen Leistungsangebot. Der Grundsatz soll sein: mehr Selbstverantwortung. Würden Sie die Fürsorge stärken? Blocher: Fürsorge heisst: Der Staat sorgt für die Notfälle. Sozialstaat heisst hingegen: Der Staat sorgt für alle, egal ob es der individuelle Fall wirklich benötigt oder nicht. Und überall hängt daran eine Verwaltung, die man ebenfalls kürzen kann. Man kann sehr viele Dienstleistungen an die Wirtschaft auslagern. Dies alles sind ordoliberale Ansätze. Dafür haben Sie die SVP. Sie haben aber auch noch die Auns. Wir sehen in der Auns Ihre Abkapselungspartei. Blocher: Die Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (Auns) ist keine Partei, sondern eine Lobby für die Unabhängigkeits- und Selbstbestimmungsinteressen in unserem Land. Vor allem hat es in der Auns aber zahlreiche rechtsextreme Exponenten, die einen Schatten auf Ihren Ruf werfen. Blocher: Das stimmt nicht. Wir hatten zwei, drei solche Rechtsextreme, die haben wir ausgeschlossen. Natürlich hat es auch einige Anhänger der Schweizer Demokraten drin, mit denen uns die Unabhängigkeit und die Neutralität verbinden. Was ist für Sie eigentlich ein Rechtsextremer? Blocher: Jemand mit einem übersteigerten Nationalitätsbewusstsein, für den alle anderen Nationen nichts wert sind. Das gilt bei uns nicht. Aber wir sagen, dass wir die Souveränität in unserem Land nicht aufgeben. Ich verkehre mit meinen Nachbarn auf der Basis gegenseitiger Achtung, aber wir ziehen deshalb trotzdem nicht alle in ein und dasselbe Haus. Der Rechtsextreme jedoch sagt: Alle Nachbarn sind minderwertige Kerle, die man ausmerzen muss. Es geht uns nicht primär um diesen krankhaften Nationalismus gegen die Nachbarhäuser, sondern viel mehr um den Rassismus und den Antisemitismus im Innern des Hauses Schweiz. Blocher: Bis zu der Affäre mit dem World Jewish Congress (WJC) habe ich in der Schweiz keinen Antisemitismus festgestellt, mit Ausnahme von ein paar Spinnern. Auch in der Auns nicht. Nachher fingen leider auch in der Schweiz gewisse Leute an, einzelne Juden zu verunglimpfen und alles zu verallgemeinern - sie setzten den WJC mit den Juden gleich. Ich habe stets davor gewarnt. Ich habe stets gesagt, ich kritisiere den Jüdischen Weltkongress, und wenn ich den kritisiere, dann nicht, weil sie Juden sind. Kürzlich schrieb mir jemand, ich würde Ursula Koch nur kritisieren, weil sie jüdisch sei. Das ist doch dummer Mist. Ich kritisiere sie, weil sie eine sozialistische Politik betreibt, und zwar eine himmeltraurige. Im Übrigen bin ich für eine offene Diskussion. Man sollte offen über diese Probleme sprechen. Sie selber äusserten sich aber noch nie klar zum heiklen Thema Rassismus und Antisemitismus. Deshalb haftet Ihnen in den Augen vieler Schweizer, die in politischen Sachfragen mit Ihnen durchaus übereinstimmen könnten, ein Geruch des Rassismus und Antisemitismus an. Blocher: Wie kommen Sie auf die Idee, dass ich ein Antisemit sein könnte? Sagen Sie mir das mal! Weil ich klar Stellung bezogen habe gegen dieses erpresserische Manöver von Seiten des WJC, wird mir das unterschoben. Die Antisemitismus-Bedenken gegenüber Ihrer Adresse sind aber viel älter als die WJC-Debatte. Blocher: Das höre ich zum ersten Mal. Ich trat gegen die Erpressungen des WJC an. Wie viele sagten mir, wir tun es nicht, sonst gelten wir als Antisemiten. Da war bei mir der Zapfen ab. Wenn jeder nur seine reine Weste sucht, kann man mit dem Antisemitismus-Vorwurf jeden politisch mundtot machen - aber mich nicht! Deshalb nannte ich die Dinge beim Namen: Nicht weil, sondern obwohl sie Juden sind, trete ich gegen die erpresserischen Manöver an. Sie reagieren heftig. Wollen Sie kein Rassist und Antisemit sein? Blocher: Ich bin keiner und der Vorwurf ist verletzend. Und dennoch gab es bisher noch nie eine programmatische Rede von Christoph Blocher über Rassismus und Antisemitismus. Wann klären Sie diese uralte Frage endlich? Blocher: Rassismus und Antisemitismus sind nicht das Hauptproblem der Schweiz. Da tut man den Schweizern Unrecht. Wir glauben allerdings nach Treu und Glauben beobachten zu können, dass sowohl die Rassismus- als auch die Antisemitismus-Bedenken seit einer ganzen Dekade über Ihnen und der SVP schweben. Blocher: Das ist eine bösartige Unterstellung. Lesen Sie alle meine Reden, Vorträge und Interviews. Es sind ausschliesslich meine politischen Gegner, die den Antisemitismus-Vorwurf benützen, um mich mundtot zu machen. Sie merken, dass mich das trifft, denn ich bin auf keinen Fall ein Antisemit. Antisemitismus finde ich etwas Furchtbares. Ich weiss, wovon ich rede: Mein Vater war Mitglied der bekennenden Kirche von Karl Barth (siehe oben, die Red.). Erpressungen muss man jedoch grundsätzlich entgegentreten, auch wenn sie vom WJC kommen.

23.04.1999

Volksvermögen für die AHV

Gold-Initiative: Christoph Blocher will Goldreserven nicht der Solidaritäts-Stiftung geben Interview mit der Aargauer Zeitung vom 23. April 1999 Das Nationalbankgold will er nicht in die Solidaritätsstiftung einzahlen. Christoph Blocher, Zürcher SVP-Nationalrat, will mit einer von der Delegiertenversammlung abzusegnenden Volksinitiative dafür sorgen, dass dieses "Volksvermögen" beim Volk bleibt und in den AHV-Fonds fliesst. Mit Ihrer Initiative wollen Sie das Nationalbank-Gold zugunsten der AHV sichern. Wollen Sie damit die AHV sanieren, oder ist die Idee aus der Opposition gegen die bundesrätliche Solidaritätsstiftung geboren? Blocher: Ich will das Volksvermögen, das in der Nationalbank liegt, wieder dem Volk zuführen. Man könnte dieses Geld dem Volk auch direkt verteilen. Dann würde jeder Schweizer und jede Schweizerin vom Briefträger 3000 Franken erhalten. Wir möchten das Geld aber in den AHV-Fonds legen. Damit ist die AHV besser gesichert, und die Lohnabhängigen müssen weniger Lohnabzüge hinnehmen oder weniger Mehrwertsteuern bezahlen. Demzufolge stimmt der Vorwurf nicht, Sie würden die Initiative aus Opposition zur Solidaritätsstiftung lancieren? Blocher: Wir sind nicht für die Solidaritätsstiftung. Sie ist Ausdruck einer erpressten Situation. So verschleudert man Volksvermögen in eine Einrichtung, durch die man jedes Jahr neu unter Druck gesetzt werden kann. Die SP will das Nationalbank-Gold je zur Hälfte für die AHV und für die Solidaritätsstiftung verwenden... Blocher: Unsere Idee muss offensichtlich gut sein, sonst würden wir jetzt nicht von der SP kopiert. Allerdings machen sie es nur halbbatzig. Weshalb nicht alles Geld in die AHV - hat der AHV-Fonds denn zuviel Geld? Bei der 11. AHV-Revision will der Bundesrat auf 500 Millionen für eine grosszügige Renten-Flexibilisierung verzichten. Eilen Sie jetzt mit diesen Gold-Millionen wie der Ritter in strahlender Rüstung der angeschlagenen Sozialministerin zu Hilfe? Blocher: Selbst mit der vom Bundesrat vorgeschlagenen 11. AHV-Revision hat der AHV-Fonds jetzt zuwenig Mittel, um die Renten auszuzahlen. Wir müssten diesen Fonds auch dann verstärken, wenn wir die AHV nicht revidieren würden. Je mehr Mittel wir aus den Goldreserven einlegen können, desto kleiner werden Lohnabzüge und Mehrwertsteuerprozente. Die AHV steht 1998 mit 1,4 Milliarden in der Kreide. Da reichen Ihre Goldmillionen zur Sanierung aber auch nicht aus? Blocher: Wir haben bei der Nationalbank zu hohe Goldreserven in der Höhe von über 20 Milliarden. Man könnte sogar noch weitere Milliarden, die nicht benötigt werden, in den AHV-Fonds legen. Wenn man aber diese 20 Milliarden klug anlegt, reicht das Geld aus, um den aktuellen Fehlbetrag von 1,4 Milliarden zu decken. Selbst wenn man diese 20 Milliarden in homöopathischen Dosen veräussert und den Erlös von 300 bis 400 Millionen in die AHV steckt? Blocher: Bei 20 Milliarden bleiben nicht nur 300 Millionen jährlich als Gewinn. Ein Blick auf die Renditen der letzten Jahre der Pensionskassen zeigt, dass daraus 1,5 bis 2 Milliarden jährlich resultieren könnten, wenn dieses Geld richtig angelegt ist. Das entspricht fast einem Lohnprozent. Wo und wie würden Sie die AHV sanieren, damit auch künftige Generationen ihren Rentenbatzen haben werden? Blocher: Wir müssen eine Wirtschaftspolitik betreiben, die zu einer hohen Beschäftigung in der Schweiz führen wird. Das heisst weniger Gesetze, Steuern, Abgaben und Gebühren. Dann wird die Schweiz sehr attraktiv, und sowohl Wirtschaft wie auch Bürger werden trotz tieferen Steuersätzen wieder mehr Steuern zahlen. Also nicht bei der AHV sparen... Blocher: Nein. Wir müssen die AHV, wie sie sich heute darstellt, konsolidieren. Wir dürfen sie aber nicht ausbauen, weil die Leute so etwas nicht bezahlen können. Ist nicht zu befürchten, dass neue Begehrlichkeiten geweckt werden, wenn plötzlich Jahr für Jahr Millionen auf dem Tisch liegen? Blocher: Natürlich; solche Begehrlichkeiten müssen jedoch strikte abgelehnt werden. Im Sozialversicherungsbereich sind gegenläufige Tendenzen auszumachen: Politiker fordern Einsparungen; faktisch werden die Leistungen aber in vielen Bereichen ausgebaut. Heizen Sie mit dieser Gold-Initiative letztere Tendenz nicht noch an? Blocher: Nein. Wenn man für die AHV kein Geld benötigen würde, müsste das überschüssige Nationalbankgold direkt an die Bürger verteilt werden. Das ist aber nicht der Fall. Wir müssen das grosse Loch im AHV-Fonds stopfen. Die Gefahr besteht hingegen tatsächlich dort, wo man Goldreserven bereits via Solidaritätsstiftung verteilt, bevor man sich darüber einig geworden ist, was man überhaupt damit machen soll. Nicht zuletzt deshalb hat man den amerikanischen Kreisen noch in derselben Nacht die Stiftungsidee in englischer Sprache mitgeteilt und so Begehrlichkeiten geweckt. Dagegen wehren wir uns. Das Volksvermögen gehört dem Volk. * * * Zur Sache: Die Volksinitiative der SVP "Die Schweizerische Nationalbank überträgt aus ihrem Bestand die für geld- und währungspolitische Zwecke nicht benötigten Währungsreserven, beziehungsweise deren Erträge auf den Ausgleichsfonds der Alters- und Hinterlassenenversicherung." Mit dieser Neuerung soll nach Ansicht der Schweizerischen Volkspartei (SVP) die Verfassung ergänzt werden. Dies einerseits, weil heute eine "erhebliche Kluft" zwischen festgeschriebener und tatsächlich gelebter Währungsordnung bestehe. Mit dem Bundesrat ist auch die SVP einig, dass die Goldbindung des Schweizer Frankens aufzuheben sei. Dadurch könnten 1300 Tonnen Gold neuen Verwendungszwecken zugeführt werden. Während der Bundesrat 500 dieser 1300 Tonnen in eine Solidaritätsstiftung investieren wollte, wurde auf Antrag der Zürcher SVP an einem Parteitag im Mai 1998 in Aarau beschlossen, dieses Geld der AHV zu erschliessen. An der Delegierten-Versammlung in Schwyz soll jetzt eine entsprechende Volksinitiative abgesegnet werden, nachdem die parlamentarischen Möglichkeiten ergebnislos ausgeschöpft wurden.

10.04.1999

Unverantwortliche Äusserung

Interview mit der "Berner Zeitung" vom 10. April 1999 Jean-Pierre Roth glaubt, wir seien in 10 Jahren beim Euro dabei. Christoph Blocher hält das für Unsinn. Interview: Andy Bantel Herr Blocher, Nationalbank-Vize Jean-Pierre Roth sagte in einem BZ-Interview, die Schweiz werde in 10 Jahren beim Euro dabei sein. Christoph Blocher: Das ist eine absolut unverantwortliche Äusserung, selbst wenn er dies denkt, schliesslich ist er Nationalbankdirektor. Er muss doch wissen, dass jede Äusserung eines Vertreters der SNB Folgen für das Vertrauen in unsere Währung hat. Herr Roth glaubt, der Zinsvorteil der Schweiz werde in 10 Jahren verloren sein, wenn die Entwicklung der letzten Jahre so weitergeht. Blocher: Schauen Sie: Der Zinsbonus ist einmal gross und einmal klein. Er war im Jahr der EWR-Abstimmung praktisch null, sogar fast negativ. Damals meinte man im Ausland, die Schweiz werde dem EWR und damit auch der EU beitreten. Das änderte sich wieder. Heute ist der Bonus gross. So eigenständig kann die Nationalbank gar nicht mehr agieren. Die letzte Zinssenkung der EZB hat sie jedenfalls sofort kopiert. Blocher: Sobald die Nationalbank merkt, dass es eine inflationäre Entwicklung gibt, wird sie einen eigenständigeren Weg steuern. Der Vorteil des Schweizer Frankens liegt nicht darin, dass wir es immer anders machen müssen als die Europäische Zentralbank, sondern es machen können, wenn dies notwendig ist. Die Handlungsfreiheit ist entscheidend. Für Sie als Unternehmer wäre der Euro ein Vorteil. Blocher: Ich kann nicht stets auf meine momentanen persönlichen Vorteile schielen. Als Politiker denke ich volkswirtschaftlich. Eine eigenständige Währung ist für den Wohlstand unseres Landes massgebend.

04.04.1999

Humanitäre Hilfe muss man unbewaffnet leisten

Interview mit der "Sonntags-Zeitung" vom 4. April 1999 Interview: Niklaus Ramseyer Herr Blocher, seit die Nato Serbien bombardiert, vertreiben serbische Truppen Albaner zu Tausenden aus ihrer Heimat Kosovo. Wie soll die Schweiz helfen? Christoph Blocher: Kriegsflüchtlingen muss man helfen - seien es nun vertriebene Albaner oder Serben. Man muss sie in Lagern menschenwürdig unterbringen und betreuen, bis sie wieder in ihre Heimat zurückkehren können. Meinen Sie Lager hier oder in Albanien? Blocher: Grundsätzlich spielt das keine Rolle. Aber es ist natürlich besser, wenn die Flüchtlinge möglichst nahe ihrer Heimat - im Falle des Kosovo also in Mazedonien oder in Albanien - betreut werden können. Wer soll denn diese Betreuung machen? Blocher: Die Schweiz kann mit Fachleuten vom Katastrophenhilfekorps, aber auch aus der Armee, die ja Betreuungstruppen hat, beim Bau und beim Betrieb der Flüchtlingslager im Inland und auch im Ausland mithelfen. Im Norden Albaniens treiben aber Banditen ihr Unwesen. Darum fordert FDP-Chef Franz Steinegger jetzt den Schutz solcher Lager durch bewaffnete Schweizer Soldaten. Blocher: Das ist Unsinn. Humanitäre Hilfe muss man unbewaffnet leisten. Man darf Hilfe und Intervention nicht vermischen. Steinegger geht es zudem nicht um den Schutz der Flüchtlinge. Er will bewaffnete Truppen ins Ausland schicken, um den Weg für die Schweiz in die Nato zu ebnen. Das ist verfassungswidrig. Entweder können die Länder, in denen die Flüchtlingslager sind, diese schützen, oder dann muss man darauf verzichten. Und jene Flüchtlinge, die schon bei uns sind? Blocher: Wir müssen sie in Lagern betreuen, dürfen sie jedoch nicht integrieren. Ist der Krieg vorbei, müssen sie in ihre Heimat zurück. Heisst das, dass momentan keine Flüchtlinge mehr nach Ex-Jugoslawien zurückgeführt werden dürfen? Blocher: Generell kann man das nicht sagen. Kriegsflüchtlinge kann man nicht in Gebiete zurückschaffen, in denen Krieg herrscht, wie jetzt im Kosovo. Aber in Ex-Jugoslawien herrscht nicht überall Krieg. Was halten Sie denn von der Idee, Flüchtlinge bei ihren Bekannten und Verwandten unterzubringen, die schon bei uns sind? Blocher: Das ist unter einer Bedingung möglich: Es muss gewährleistet sein, dass sich die Leute in unserem Land nicht integrieren. Sie müssen von Anfang an wissen, dass sie wieder in ihre Heimat zurück müssen, wenn der Krieg vorbei ist. Was halten Sie von den Nato-Bombardierungen? Blocher: Das ist eine Katastrophe. Die Nato führt Krieg, wie wenn er ein Computerspiel wäre. So geht das nicht. Und ich bin sicher, dass Milosevic diesen Krieg gewinnen wird. Das ist das Schreckliche daran. Wieso wird er gewinnen? Blocher: Weil man einen Krieg nur führen kann, wenn man zuerst die Ziele der Operationen genau festgelegt hat, und dann auch bereit ist, mit Bodentruppen diese Ziele zu erreichen. Dazu ist die Nato offenbar nicht bereit. Sie hätte diesen Krieg darum nie führen dürfen. Welche Schlüsse ziehen Sie aus dem Geschehen im Kosovo für die Schweiz? Blocher: Wer jetzt noch nicht merkt, dass die Schweiz der Nato nie beitreten darf, ist blind. Nato heisst heute USA. Und ich hätte nie gedacht, dass sich die USA nach Vietnam erneut so naiv in einen Krieg verwickeln lassen. Es zeigt sich auch, wie wichtig die bewaffnete Neutralität für ein kleines Land wie die Schweiz ist.

04.04.1999

Gli aiuti umanitari devono avvenire senza armi

«Sonntags-Zeitung» del 4 aprile 1999 Intervista: Niklaus Ramseyer Signor Blocher, da quando la Nato bombarda la Serbia, le truppe serbe cacciano migliaia di Albanesi dalla loro patria, il Kosovo. Cosa può fare la Svizzera per aiutare il popolo kosovaro?   Christoph Blocher: I profughi di guerra devono essere aiutati - siano essi Albanesi cacciati dalla loro terra o Serbi. Essi vanno accolti in appositi campi e assistiti fino a quando non sono in grado di tornare nella loro patria.   Pensa a campi di raccolta in Svizzera o in Albania?   Blocher: In linea di massima non ha importanza. Penso comunque che sia meglio se i profughi vengano assistiti il più vicino possibile al loro Paese - nel caso del Kosovo in Macedonia o in Albania.   Chi è che deve occuparsi dell'assistenza?   Blocher: Grazie agli specialisti del Corpo svizzero di aiuto in caso di catastrofe, ma anche dell'esercito, che dispone di apposite truppe, la Svizzera può contribuire a costruire e a gestire campi profughi sia all'interno del Paese, sia all'estero.   Nel Nord dell'Albania imperversano i banditi. Per questa ragione il capo del Partito radicale-democratico, Franz Steinegger, chiede l'impiego di soldati svizzeri armati a protezione di tali campi.   Blocher: Si tratta di un'assurdità. Gli aiuti umanitari devono avvenire senza armi. Non si devono confondere gli aiuti con gli interventi. Steinegger non è poi tanto interessato alla protezione dei profughi. Egli vuole inviare truppe armate all'estero per spianare alla Svizzera la via di un'adesione alla Nato. Questo è contro la Costituzione. Se i Paesi in cui vengono allestiti tali campi non sono in grado di proteggere i profughi, si deve rinunciare agli interventi.   E i profughi che sono già arrivati nel nostro Paese?   Blocher: Dobbiamo assisterli nei centri, ma non dobbiamo integrarli. Una volta terminata la guerra devono tornare nel loro Paese.   Significa che momentaneamente i profughi non possono essere rimpatriati nell'ex Iugoslavia?   Blocher: Non si può generalizzare. I profughi di guerra non possono essere rimpatriati in regioni in cui imperversa la guerra come ora nel Kosovo. Ma non tutta l'ex Iugoslavia si trova in guerra.   Cosa pensa dell'idea di far accogliere i profughi da parenti e conoscenti che vivono già nel nostro Paese?   Blocher: Ciò è possibile a una condizione: si deve garantire che queste persone non si integrino nel nostro Paese. Devono sapere sin dall'inizio che una volta terminata la guerra dovranno tornare nella loro patria.   Cosa pensa dei bombardamenti della Nato.   Blocher: È una catastrofe. La Nato fa la guerra come se si trovasse di fronte a un videogame. Così non va. Ma la cosa più spaventosa è che sono certo che Milosevic vincerà questa guerra.   Perché vincerà?   Blocher: Perché si può fare un guerra solo se prima si stabiliscono esattamente gli obiettivi delle operazioni e se si è disposti a raggiungere tali obiettivi anche tramite l'impiego di truppe terrestri. E visto che la Nato non sembra voler considerare quest'ultima opzione, non avrebbe mai dovuto iniziare la guerra.   Quali conclusioni trae per la Svizzera da quanto sta accadendo nel Kosovo?   Blocher: Chi, alla luce di questi fatti, non si rende ancora conto che la Svizzera non deve aderire alla Nato è cieco. Nato significa Stati Uniti. Non avrei mai pensato che dopo il Vietnam gli Stati Uniti si lasciassero nuovamente coinvolgere così ingenuamente in una guerra. Ciò dimostra anche quanto sia importante la neutralità armata per un piccolo Paese come la Svizzera.