Articles

Économie

01.12.1998

Mit Selbstvertrauen an die Arbeit – wir haben keinen Grund zur Panik!

Veranstaltungsbericht eines Besuchers (Auftritt im Zentrum Oberwis, Seuzach) Wenn es gelingt, die potentiellen Kräfte von UnternehmerInnen, ArbeitnehmerInnen, PolitikerInnen und unseres Staates zugunsten eines attraktiven Wirtschafts-Standortes Schweiz zu bündeln, bleibt auch der Werk- und Arbeitsplatz Schweiz attraktiv: Vor rund 800 ZuhörerInnen machte der Zürcher Nationalrat und Unternehmer Christoph Blocher in einer auf Firmenschliessungen und Arbeitsplatz-Verluste sensibilisierten Region deutlich, unter welchen mentalen, wirtschaftlichen, bildungs- und steuerpolitischen Bedingungen er sich die Erhaltung der Arbeitsplätze vorstellt. Blocher ging sehr differenziert auf die beiden Problemfelder Arbeitslosigkeit und Rezession ein. Die Rezession befindet sich in der Endphase, sodass in ein bis zwei Jahren ein Aufschwung - und damit auch eine Verbesserung auf dem Arbeitsmarkt - einsetzt, tat er einleitend seine persönliche Meinung kund. Blocher zeigte an einem Beispiel auf, wie sich der Wirtschaftsauschwung im Kleinen vollzieht: "Der Unternehmer entwickelt eine Idee, setzt sie um und will damit Geld verdienen. Das ist sein einziges Ziel. Wenn er ein erfolgreiches Produkt herstellt, forciert er die Produktion, braucht Produktionsräume und Personal. Er sorgt in der Baubranche, in verschiedenen Dienstleistungssektoren, bei Zulieferfirmen und im eigenen Betrieb für zusätzliche Aufträge und Arbeitsplätze. Das heisst, der Unternehmer sorgt für einen Aufschwung, weil er mit seinen Produkten Geld verdienen kann - mit Idealismus hat das wenig zu tun." Das sei auch nicht verwerflich, weil Unternehmer und Manager höchsten Anforderungen und marktwirtschaftlichen Gesetzmässigkeiten ausgesetzt seien. Blocher zeigte aus eigener Erfahrung, nämlich in der Eigenschaft als Politiker und erfolgreicher Unternehmer, Einflussmöglichkeiten auf, wie der Arbeitsplatz und Wirtschaftsstandort Schweiz - nach der Verlegung von Billigarbeitsplätzen - attraktiv bleiben kann: "Um den Werkplatz zu fördern, muss sich der Schweizer Unternehmer auf Produkte und Dienstleistungen mit hoher Qualität und hohen Leistungsanforderungen ausrichten. Er soll sich auf Güter beschränken, die kapitalintensiv sind, um die freien Kapitalkosten gut ausnützen zu können. So lässt sich der Lohnkosten-Nachteil umgehen. Das heisse gleichzeitig: Alle Massenprodukte, die Billiglohnländer produzieren können, seien zu meiden. Anders und besser sein als die anderen, laute die Devise, rief Blocher ins Plenum. Deshalb seien Produkte und Dienstleistungen rasch zu erneuern. In diesem Zusammenhang seien aber auch die potentiellen Arbeitskräfte gefordert, machte Blocher deutlich und kam anhand eines Beispiels aus der eigenen Firma auf einen wesentlichen Punkt auf dem weiten Problemfeld Arbeitslosigkeit zu sprechen: Er habe im aargauischen Dottikon mit der Herstellung neuer Produkte begonnen. Diese Produkt hätten sich auf dem Markt als äusserst erfolgreich erwiesen, so dass die Erhöhung der Mitarbeiterzahl in der Produktion nötig gewesen sei. Man habe die Fachkräfte sofort gesucht und sei - obschon Leute aus der chemischen Industrie ohne Arbeit seien - nicht fündig geworden. Es habe sich herausgestellt, dass die Arbeitslosen nicht bereit gewesen seien, einen längeren Arbeitsweg in Kauf zu nehmen. Heute sei es so, dass nach Dottikon Mitarbeiter aus dem grenznahen Ausland anfahren würden. "Wenn es Arbeitslosen wohler ist, Arbeitslosengeld zu beziehen, statt zur Arbeit zu fahren, dann stimmt etwas nicht, meine Damen und Herren", rief Blocher und erntete grossen Applaus. "Was können und dürfen wir einem Arbeitslosen aber heute an Arbeitsweg und Tätigkeitsfeldern zumuten?" Die Antworten auf diese Fragen gelte es grundsätzlich zu prüfen. Damit kam der begnadete Rhetoriker auf die Staatsausgaben zu sprechen: "In den goldenen Jahren als die öffentlichen Kassen überquollen, glaubte man, der Staat könne alles und es sei alles möglich: Geldverteilen, Geldverschleudern, grosse Ausgaben, neue Steuern, höhere Lohnabzüge, Krankenkassenprämienerhöhungen: Das war Trumpf! Und die Folge ist der heutige schlechte Zustand!" Auch für Blocher steht nicht in Frage, ob man sozial Schwachen helfen soll oder nicht: "Aber wir alle wissen, wir müssen die soziale Marktwirtschaft und den Sozailstaat auf die Dauer sichern, indem wir die zur Verfügung stehenden Mittel auf die wirklich Bedürftigen konzentrieren." Er sei aber gegen das Weiterführen der Tradition, dass verschiedenste Interessengruppierungen "um das Bundeshaus herumschleichen und die hole Hand für sich machen!" Drinnen, im Parlament, hätten diese Gruppierungen, ihre VertreterInnen, die hier einen 10- dort einen 20- manchmal auch locker einen 40- oder 50-Millionen-Kredit verlangten. Weil sich immer weniger Politiker finden liessen, die den Mut aufbräch-ten, nein zu sagen, wachse der Schuldenberg kontinuierlich weiter an. Auf der anderen Seite hätten BürgerInnen und Unternehmen immer mehr an Steuerabzügen zu gewähren, während sich an der gegenwärtigen misslichen Wirtschaftssituation überhaupt nichts ändere. "So geht das nicht mehr weiter", donnerte Blocher hinter dem Rednerpult. Er kam im Verlauf seiner Rede auf weitere offene Wunden zu sprechen, die für Angst und Unsicherheit innerhalb der Gesellschaft sorgen. Eine zusätzliche öffnet sich aus der Sicht des Politikers innerhalb unseres Bildungssystems: "In Volksschule, Berufsbildung, Hochschule und Weiterbildung ist Nivellierung und Anpassung nach unten nicht zu dulden. Der Neigung, die Leistung in den Schulen zu verringern, ist im Interesse der Besetzung qualifizierter Arbeitsplätze entgegenzutreten." Blocher nahm auch kein Blatt vor den Mund, als er auf die Einflussmöglichkeiten breitester Bevölkerungsteile zu sprechen kam: "Die Dauer der rezessiven Phase wird aber zu einem nicht unbeträchtlichem Teil auch vom Verhalten der breiten Bevölkerung mitbestimmt. Das Sparvolumen ist in unserem Land gegenwärtig sehr hoch. Es wären im privaten Bereich genügend Konsum-Gelder vorhanden, um den Wirtschaftsaufschwung anzukurbeln. Blocher wies dabei auf die Einstellung in unserer Gesellschaft hin und machte zwischen den Zeilen deutlich, dass es gelingen muss, mit einer positiven Gesinnung im Leben zu stehen: "Erst wenn wir die Notwendigkeit erkannt haben, den Sinnverlust, die Orientierungslosigkeit Bindungsangst und Egoismus - auch im Hinblick auf die laufende Diskussiom um nachrichtenlose Vermögen und die Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg - in unseren eigenen Köpfen zu überwinden, kann es gelingen, mit neuem Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen zukunftsgerichtet an die Arbeit zu gehen", schloss Blocher.

28.11.1998

Entscheidend ist, was daraus gemacht wird

Interview mit der "Finanz und Wirtschaft" vom 28. November 1998 Interview: Peter Schuppli Herr Blocher, Sie stellen sich als Aufsichtsrat der Viag / Algroup zur Verfügung. Sie waren also im Bild, was zwischen diesen beiden Unternehmen "läuft"? Blocher: Ich hatte nur Kenntnis vom Wesentlichen. Über Details war ich nicht im Bild. Aber ich durfte gegenüber Dritten doch nicht darüber sprechen. Ich empfinde es als schlimm, wie die Informationen rundum durchsickerten. Aber das war nicht mein Problem. ...aber der Glaubwürdigkeit der involvierten Kreise waren diese Informationslecks nicht förderlich... Blocher: ...diese Lecks, waren nicht gut. In München waren so viele Leute, auch vom Staat, involviert, dass solche Inforrnationslecks fast nicht zu verhindern waren. Sie respektive Ems-Chemie zählen zu den grössten Alusuisse-Aktionären. Was ändert sich an Ihrer Position? Blocher: Meine Zusage, dem Aufsichtsrat beizutreten, bedeutet auch, dass EmsChemie das finanzielle Engagement beibehält. Es handelt sich nun aber neu um eine Beteiligung und nicht mehr bloss um eine Position im Wertschriftenportefeuille. Was ist der Unterschied? Blocher: Im Rahmen eines Portfolio-Managements werden Wertschriften wieder veräussert, wenn eine bestimmte Wertsteigerung erreicht ist - ich kann mich also jederzeit von einem solchen Engagement wieder trennen. In einer Beteiligung will ich auch industriell mitmachen. Für Ems-Chemie ist es nicht unbedeutend, dass der Chemieteil der Algroup, durch den Zusammenschluss noch wichtiger wird. Sehen Sie eine Interessenkollision zwischen der zur Ems-Gruppe gehörenden Ems-Dottikon und der Viag / Algroup-Tochter Lonza? Blocher: Dottikon und Lonza sind praktisch nirgends Konkurrenten. Wir sind Lieferanten und Kunden von Lonza, arbeiten in bestimmten Bereichen sogar zusammen. Weshalb gehen Sie zusammen mit Martin Ebner in den Viag / Algroup-Aufsichtsrat? Blocher: Wir tun das unabhängig voneinander. Ich vertrete mein Engagement, er seines. Bevor Sie Ihr den Aufsichtsrat zusagten, mussten Sie sich ein Bild machen. Wann wurden Sie über die Absichten von Algroup und Viag informiert? Blocher: Da musste man nicht speziell ins Bild gesetzt werden. Die Informationen sickerten ja durch alle Löcher. Selbstverständlich hat man als bedeutender Aktionär auch Ideen. Zudem werden mit der Gesellschaft Diskussionen geführt. Diskussionen welcher Art? Blocher: Sie mögen sich erinnern, dass Herr Marchionne schon 1997 gesagt hat, Algroup sei zu klein. Der Konzernumsatz müsse eine Grössenordnung von 15 Mrd. Fr. erreichen. Ein solches Wachstum kann man in vemünftiger Zeit allein nicht realisieren. Es stimmt, dass die Bereiche Aluminium und Verpackung zu klein waren. Viele Möglichkeiten zur Expansion gibt es nicht. Akquisitionen sind zu teuer, und aus eigener Kraft zu wachsen dauert zu lange - somit bleibt nur die Variante Merger. Die Initiative ging von Algroup aus, namentlich von Herrn Marchionne. Aus Sicht des Algroup-Aktionärs wäre ein Übernahmeangebot doch vorzuziehen gewesen. Der Zusammenschluss mit der ertragsschwächeren Viag bringt für ihn doch eine Gewinnverwässerung und eine noch breitere Diversifikation. Die Algroup-Führung aber beteuerte stets, die Ertragskraft zu stärken und den drei Konzernbereichen keinen vierten hinzuzufügen... Blocher: ...in einem Merger ist nicht immer alles lupenrein. Aber man muss das Wesentliche sehen: Die Zielsetzung von Herrn Marchionne ist, überall Klassenbester zu sein. Bereiche, die dieses Ziel nicht erreichen, werden einen anderen Eigentümer suchen müssen. Der von Ihnen praktizierten Fokussierungsstrategie bleiben Sie somit treu... Blocher: ...selbstverständlich. Aluminium, Verpackung und Chemie werden auf jeden Fall bleiben. Ist Ihnen wohl dabei, in einem Aufsichtsrat eines Unternehmens zu sitzen, das die schwächere Ertragskraft hat als Algroup allein? Blocher: Mich interessiert nicht, was die Vorgänger in der Viag taten oder unterliessen. Mich interessiert, was das neue Gebilde erreichen kann. Das sieht gut aus. Sonst würde ich nicht mitwirken. Handelt es sich nicht um eine unternehmerische Bankrotterklärung, wenn ein Konzernchef das Heil in der Fusion sucht, wenn er mit dem eigenen Unternehmen nicht mehr vorankommt? Blocher: Nein, nein. Herr Marchionne ist einer der gestaltenden Köpfe in dieser Sache. Und in der Algroup hat er gezeigt, was er kann. Aber ich gebe Ihnen recht: Das ist nicht das Ende, sondern der Anfang. Entscheidend ist, was daraus gemacht wird. Sie sind für schlanke Führungsstrukturen und kurze Entscheidungswege. Der Aufsichtsrat wird zwanzig Mitglieder, davon zehn Gewerkschaftsvertreter umfassen. Wie können Sie sich in einem solchen Gremium wohl fühlen? Blocher: Das wird sich weisen. Natürlich habe ich gewisse Hemmungen, in einem derart grossen Aufsichtsrat mitzuwirken. Aber alle sind sich im Klaren, dass mit der hinzugewonnenen Marktstärke etwas erzielt werden kann. Da ist noch viel Potential drin. Auch die Alusuisse-Betriebe werden dank des Zusammenschlusses aufblähen. Lässt sich aus Ihrer Präsenz im Aufsichtsrat der Viag / Algroup ableiten, dass Sie ausloten wollen, ob die Ems-Chemie-Gruppe auch hineinpassen würde? Blocher: Nein. Aber die Beteiligung wird zu einem wichtigen Teil der Ems-Chemie, deshalb engagiere ich mich auch im Aufsichtsrat. Im Moment ist Ihre Frage kein Thema für uns. Es besteht diesbezüglich auch keinerlei Absicht. Die Grossaktionäre der Viag wie der Algroup waren von den Unternehmen kontaktiert worden. Sie wussten also mehr als alle anderen Aktionäre. Wie steht es mit der Gleichbehandlung der Aktionäre? Blocher: Selbstverständlich durften wir, nachdem wir ins Bild gesetzt waren, mit dem Insider-Wissen keine Börsentransaktionen mehr vornehmen. Und wenn Sie verfolgt haben, was in den letzten zwei, drei Wochen alles in der Presse stand, kann man nicht sagen, die Aktionäre hätten nichts gewusst. Warum machten Sie sich nichtstark für ein Übernahmeangebot der Viag an die Alusuisse-Aktionäre? Blocher: Ich glaube nicht, dass Viag finanziell imstande gewesen wäre, die Algroup zu übernehmen. Der jetzt gewählte Weg ist doch viel besser, weil ein Zusammengehen zwischen "equals" die viel grösseren Gestaltungsmöglichkeiten offen lässt. …was erst noch zu beweisen ist... Blocher: ...aber das ist immer so. Ich bin ja weit davon entfernt zu sagen, die Sache ist gelaufen. Die Voraussetzungen jedoch sind hervorragend, Ich sehe nur, was man aus Viag / Algroup machen könnte. Ob das dann auch geschieht, werden wir sehen. Bemerkenswert finde ich auch, dass der Sinn dieser Fusion nicht im Bereich der Kosteneinsparungen liegt, sondern in der Marktstärke. Sie werden inskünftig im Aufsichtsrat eines Konzerns mit Sitz in einem EU-Land sitzen, Nähert sich Christoph Blocher ideologisch der EU... Blocher: ...hei, hei, auf keinen Fall. Ich verstehe die Frage nicht: Wir müssen doch nicht der EU beitreten, nur weil wir wirtschaftlich international zusammenarbeiten. Die nationalistischen Töne in einer sonntags erscheinenden Zeitung habe ich als ganz komisch empfunden.

15.10.1998

Swisscom-Loch: UBS als Vorbild

Kurzinterview mit der "Weltwoche" vom 15. Oktober 1998 Interview: Dominik Flammer Gratulation, Herr Blocher, jetzt ist Ihre altbekannte Kritik an den Auslandengagements der Swisscom endlich in den Schlagzeilen. Ein bisschen spät, erst nach der Teilprivatisierung. Christoph Blocher: Mir wäre es auch lieber gewesen, der Milliardenabschreiber wäre schon früher zur Sprache gekommen. Aber bisher wollte niemand hören... ...selbst die neue Swisscom-Leitung nicht. Sie hält ohne Wenn und Aber an diesen Engagements fest. Blocher: Was die Swisscom-Leute heute machen, ist nicht entscheidend. Schlimm ist, dass der Bund über eine Milliarde in den Sand gesetzt hat. Ich will wissen, wieviel genau und wer dafür verantwortlich ist. Denn für diese Verluste müssen die Steuerzahler aufkommen. Wie so oft argumentieren Sie mit dem armen Steuerzahler. Das riecht nach politischem Kalkül der SVP? Blocher: Ihr Urteil erinnert mich an den Kreml! So wird Kritik niedergeschlagen. Haben Sie blaue Aktien gezeichnet? Blocher: Nein, ich kaufe keine Aktien einer Gesellschaft, bei welcher der Bund die Mehrheit hält. Warum sagen Sie nicht gleich, dass dies das Problem ist? Blocher: Der Abschreiber trifft die frühere PTT, nicht die Swisscom. Hätte die Milliarde nicht abgeschrieben werden müssen, wäre die Swisscom beim Börsengang um diesen Betrag mehr wert gewesen. Doch beim Bund gibt es Verantwortlichkeiten. Bei der UBS musste Herr Cabiallavetta nach dem Derivatedebakel den Hut nehmen. Wie ist es in der Politik? Sie vergleichen Postautos mit Bananen. Bei der UBS geht es um hochriskante Anlageinstrumente, bei der Swisscom sind es Beteiligungen. Blocher: Etwas Spekulativeres als eine Beteiligung einer PTT in Indien gibt es nun wirklich nicht, das weiss jeder Unternehmer. Da liegt ein Hedge Fund einer Bank näher. Haben Sie bereits vergessen, dass auch Ihre Ems-Chemie in Asien Rückschläge hinnehmen musste? Blocher: Einbussen im angestammten Gebiet sind normal. Aber meine Gesellschaften haben dort immer Geld verdient. Doch bei den Engagements der Swisscom in Indien oder in Malaysia waren die Verluste vorauszusehen.

30.09.1998

Der Euro ist nur eine Währung

Interview mit der Südostschweiz vom 30. September 1998 Ems-Mehrheitsaktionär Christoph Blocher zu Asienkrise, Euro und Konjunktur Auch die Ems-Gruppe spürt die Asienkrise. Trotzdem rechnet Ems-Chef Christoph Blocher damit, den Betriebsgewinn auf dem Stande von 1997 halten zu können. Die "Südostschweiz" unterhielt sich mit Blocher über Asien, Euro und Konjunktur. Mit Christoph Blocher sprachen Hansruedi Berger und Sandro Compagno Herr Blocher, haben Sie letzte Nacht gut geschlafen? Blocher: Ja, vom Sonntag auf den Montag schlafe ich immer gut, denn da habe ich einen Ruhetag hinter mir. Kann man denn bei diesem Auf und Ab an den Börsen, bei der Krise in Asien ruhig bleiben? Blocher: Das Normale in der Wirtschaft ist das Anormale! Diese Ereignisse sind nicht unerwartet eingetroffen. Trotzdem gibt es viele Nächte, in denen ich nicht gut schlafen kann, weil ich Probleme wälze, deren Lösung ich im Moment nicht sehe. Die Ems-Gruppe - im speziellen die Ems-Inventa - exportiert aber doch einige Produkte in den asiatischen Raum. Werden Sie Ende Jahr die Asienkrise unter dem Strich spüren? Blocher: Eindeutig. Wir werden weniger Gewinn erzielen, als wir Anfang Jahr erwartet haben. Statt einer Gewinnsteigerung werden wir beim Betriebsgewinn wohl lediglich etwa auf Vorjahreshöhe abschliessen. Und auch dies ist nur möglich, weil unser Absatz in die USA und Europa zugenommen hat. Die Ems-Inventa - im Anlagebau fast nur in Asien tätig - ist besonders betroffen. Da sind die meisten Projekte sistiert worden. Zum Glück haben wir vor zwei Jahren die Ems-Inventa stark verkleinert und aus den freigestellten Arbeitnehmern die Ems-Syntech aufgebaut, die auf einem ganz anderen Gebiet tätig ist. Dann wird die Ems-Inventa früher oder später liquidiert und in die Ems-Syntech eingebracht? Blocher: Nein, das sind zwei verschiedene Firmen. Wir wollen mit der Ems-Inventa auf dem Markt bleiben. Das ist nicht das erste Mal, dass sie eine Durststrecke durchmachen muss. Sie warten also mit der Ems-Inventa auf den Aufschwung in Asien? Blocher: Ich rechne damit, dass Asien in eineinhalb Jahren wieder Fuss fasst. In Japan laufen jetzt sinnvolle wirtschaftspolitische Massnahmen an. Wenn die Konjunktur in Japan wieder anzieht, wird die ganze Region Südostasien davon profitieren. Auch China mit seiner tüchtigen und fleissigen Bevölkerung wird sich auffangen. Sie haben letztes Jahr ein Betriebsergebnis von 188 Millionen Franken erzielt, dieses Jahr soll es mindestens ebensogut werden. Wie viel werden die Ems-Angestellten nächstes Jahr mehr verdienen? Blocher: Das weiss ich noch nicht, wir legen das erst Ende Jahr fest. Wir arbeiten immer mehr nach dem Bonussystem und haben den Mitarbeitern Anfang Jahr gesagt, dass bei der Erreichung der Unternehmensziele ein bis eineinhalb Prozent Jahresbonus drin liegen. Die Ziele werden nicht in allen Bereichen erreicht. Die Teuerung ist zum Glück praktisch bei Null. Aufgrund des massiven Kostendruckes kann nicht mit allgemeinen Lohnerhöhungen gerechnet werden. Die Gewerkschaften verlangen, dass die Arbeitnehmer an den Produktivitäts-Steigerungen beteiligt werden. Sie fordern daher zwei bis drei Prozent Lohnerhöhung. Blocher: Die Gewerkschaften verlangen mehr, wenn sich der Gewinn in den Unternehmungen verbessert. Dann müsste aber auch das Gegenteil gelten, nämlich Lohnsenkungen bei schlechtem Geschäftsgang. Ich möchte betonen, dass wir die Löhne während der ganzen Rezessionszeit nicht gesenkt haben. Es ist nicht möglich, Löhne in schlechten Zeiten zu belassen und in guten Zeiten trotzdem zu erhöhen. Das wissen unsere Mitarbeiter. Sie laufen nicht einem theoretischen Modell hinterher. 80 Prozent aller Güter produziert die Ems-Gruppe in der Schweiz, und Sie geben sich für die Zukunft optimistisch. So schlecht kann also der Standort Schweiz nicht sein. Trotzdem überlegen Sie sich seit mehreren Wochen, eine Investition von 60 Millionen Franken in den USA statt in der Schweiz zu tätigen. Ist der Entscheid mittlerweile gefallen? Blocher: Nein, es läuft erst der Antrag meiner Mitarbeiter in diese Richtung. Die Schweiz ist eigentlich kein schlechter Standort. Wir produzieren 80 Prozent in der Schweiz, obwohl wir 90 Prozent unserer Güter in alle Erdteile exportieren. Wir können mit unserer Konkurrenz mithalten, haben jedoch jetzt ein grosses Problem: Die Politik wird die Transport- und Energiekosten in den nächsten Jahren dermassen verteuern, dass der Produktionsstandort Domat/Ems für ein bestimmtes Produkt international nicht mehr konkurrenzfähig sein wird. Aus Kostengründen müssten wir also die Produkte für den amerikanischen Markt auch dort produzieren. Dies tut mir leid, es müsste nicht sein. Einer der wichtigsten Standortfaktoren sind die Arbeitskräfte. Sie haben vor einiger Zeit an einem Referat vor dem Bündner Gewerbeverband in Lenzerheide gesagt, dass auf dem US-amerikanischen Arbeitsmarkt nur Handlanger oder Professoren zu finden seien, nicht aber ausgebildete Berufsleute. Blocher: Das kann man noch pointierter ausdrücken: Entweder ist einer Nobelpreisträger oder Hilfsarbeiter, dazwischen gibt es nichts. Und das ist in der Schweiz anders und bis jetzt ein grosser Vorteil. Überwiegt dies nicht zugunsten des Standortes Schweiz? Blocher: Beim obengenannten Produkt leider nicht. Es geht hier um eine automatisierte Produktionsanlage, die wir auch in den Vereinigten Staaten erstellen können. In der Rechnung sind die zwei Faktoren Transport- und Energiekosten in der Schweiz derart überwiegend, dass es wahrscheinlich nicht anders geht. Sie haben vorher gesagt, Ems exportiere 90 Prozent seiner Produktion. 60 Prozent davon gehen nach Europa. Am 1. Januar 1999 kommt der Euro. Welche Auswirkungen wird die europäische Einheitswährung auf Ems haben? Blocher: Für uns ist der Euro einfach eine zusätzliche Währung. Soviel ich weiss, haben wir etwa zwölf Währungen in unseren Computerprogrammen. Wenn einer in Gulden kauft, zahlt er mit Gulden. Wenn einer in Dollar kauft, zahlt er mit Dollar. Wir haben gelernt, damit zu arbeiten. Jetzt haben wir halt noch eine Währung mehr. Professor Walter Wittmann sagt, dass der Euro eine weiche Währung werde. Das hätte unmittelbare Auswirkungen auf die Exportwirtschaft. Blocher: Ich glaube nicht, dass der Euro anfänglich eine schwache Währung wird. Aber er wird längerfristig eher eine schwache Währung. Denn die Haushaltdisziplin in den beteiligten Ländern wird abnehmen, wenn der Euro einmal fest eingeführt ist und sie keine Angst haben müssen, dass man sie wieder aus dem System hinauskippt. Dann wird der Euro verwässern, und ich rechne auch damit, dass er keine sehr starke Währung wird. Aber das ist ja nichts Neues. Denken Sie an den Dollar! Als die Wechselkurse für den Dollar freigegeben wurden, ist er über Nacht von 4.30 Franken auf 3.80 Franken gefallen. Heute steht er bei ungefähr 1.40 Franken. Natürlich habe ich als Exporteur recht gelitten unter dem starken Franken in den letzten Jahren. Aber wenn ich heute sehe, was wir alles gemacht haben dank eines starken Frankens - die Vollbeschäftigung in der Schweiz, der wir uns heute wieder nähern, ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen. Die Schweizer Wirtschaft ist sehr konkurrenzfähig. Der Euro ist keine Katastrophe - auch für den Export nicht. Also für die Zukunft sieht es rosig aus. Man hat sieben magere Jahre gehabt. Kommen jetzt die sieben fetten - oder noch sechs fette Jahre? Blocher: Ein Unternehmer hat mir einmal gesagt, der biblische Zyklus gelte noch immer: Es gebe die sieben mageren Jahre und die sieben fetten Monate (lacht). Im Ernst: Im Grunde genommen glaube ich, dass wir vor einer guten Situation stehen. Konjunkturzyklen dauern nie nur ein paar Monate. Und wenn Sie zurückblicken, ist es tatsächlich so, dass sich die Konjunktur immer in etwa denselben Zyklen bewegt hat. Wir hatten sehr gute Jahre ungefähr von 1968 bis 1974. Dann erfolgte ein Konjunktureinbruch. Dieser zog sich bis 1982 hin. Dann hatten wir von ungefähr 1983 bis 1990 Hochkonjunktur - und danach wieder sieben Jahre Baisse. Es ist wirklich interessant, es sind immer ein paar Jahre. Darauf muss man sich einstellen. Ich denke, dass wir keine schlechte Situation haben. Man muss aufpassen, dass man innerhalb der Zyklen nicht überreagiert. Man sollte in schlechten Zeiten investieren und in den guten Zeiten zurückhaltend sein - dann wird es immer gut. Richtet man den Blick nach Europa, so fällt auf, dass die Wachstumsraten in der Schweiz vergleichsweise gering sind. Andere Volkswirtschaften, die sich in etwa auf dem gleichen Level wie die Schweiz bewegen, wachsen stärker. Hat das mit dem Abseitsstehen der Schweiz von Europa zu tun? Blocher: Also zuerst muss man klarstellen: Wachstum ist etwas, das man anstrebt, aber Wachstum um jeden Preis ist ganz verwerflich. Es gibt nichts Einfacheres, als in einer Volkswirtschaft Wachstum zu erzeugen. Das wurde zum Teil gemacht Ende der achtziger Jahre mit faulen Krediten. Sie können einfach Kredite geben, dann wächst die Wirtschaft. Das sieht man auch im Fernen Osten. Die haben das auch gemacht, enorme Kredite gegeben und nachher ist alles zusammengebrochen. Das ist künstliches Wachstum. Ein Teil des hohen Wachstums in der Schweiz bis Ende der achtziger Jahre ist darauf zurückzuführen. Darum mussten die Banken 50 Milliarden Franken an faulen Krediten abschreiben. Wenn dieses Geld nicht in die Wirtschaft geflossen wäre, hätte viel Blödsinn und falsches Wachstum verhindert werden können. Und dann darf eines nicht vergessen werden: Der Export wuchs in der Schweiz auch in den letzten Jahren stark. Das fehlende Wachstum kann also nichts mit dem Abseitsstehen von Europa zu tun haben. Schlecht lief es dafür im Bau-, im Immobiliensektor; wir haben in der Schweiz eine Immobilienkrise. Die hängt zum Teil mit der Aufblähung in den achtziger Jahren zusammen. Die meisten faulen Kredite sind ja auf Investitionen in Immobilien zurückzuführen. Und auf der anderen Seite müssen Sie sehen: Das riesige Bauvolumen, das die Schweiz bewältigte, das ist vorbei. * * * Blocher zu sieben Zeitgenossen Die «Südostschweiz» bat Christoph Blocher zu kurzen Statements über sieben Zeitgenossen, welche in den letzten Wochen und Monaten in den Schlagzeilen waren. Bill Gates: Cleverer Unternehmer. Ist heute fast alleine auf seinem Gebiet. Andrea Hämmerle: Ich halte nicht viel von seiner Politik. Diese ist vor allem von Neid geprägt - das ist keine gute Grundlage. DJ Bobo: Der habe mit mir zusammen die beste Internet-Seite, habe ich in einer Illustrierten gelesen. Monica Lewinsky: Ein gutes Beispiel dafür, wie schnell man heute berühmt werden kann und wie wenig es dafür braucht. Moritz Leuenberger: Mit ihm habe ich studiert. Er war damals während der Studentenzeit ein ganz scharfer Sozialist. Heute hat er seine Gesinnung der eigenen Karriere angepasst und ist deshalb nicht mehr gefährlich. Anita Weyermann: Gute Sportlerin. Hatte im Frühjahr viel Pech, hat sich aber zurückgekämpft, das verdient Respekt. Serge Gaillard: Er ist Ökonom bei den Gewerkschaften und kann darum nicht mehr rein ökonomisch argumentieren. Er muss Gewerkschaftsinteressen wahren und sie ökonomisch untermauern. Das ist schade, er wäre sonst kein Dummer.

23.08.1998

Die vierte Erpressung wird folgen

Christoph Blocher über Globallösung und Diktaturen Interview mit der SonntagsZeitung vom 23. August 1998 Christoph Blocher bleibt hart: An der Globallösung, so der SVP- Politiker, sollten sich keine "seriösen" Firmen beteiligen. Interview: Niklaus Ramseyer Herr Blocher, die Nationalbank leistet keinen Beitrag an die Globallösung, welche die Schweizer Grossbanken mit Sammelklägern aus den USA ausgehandelt haben. Was sagen Sie dazu? Christoph Blocher: Das war der einzig mögliche und richtige Entscheid. Es war schon ein Fehler, dass die Nationalbank 100 Millionen in den Holocaust-Fonds einzahlte. Die Nationalbank hat mit dem Washingtoner Abkommen von 1946 alle ihre Fehler und Unsorgfältigkeiten während des Zweiten Weltkriegs abgegolten. Firmen wie Novartis hingegen wollen sich an der Globallösung beteiligen. Blocher: Auch das finde ich falsch. An diesem Deal sollte sich keine seriöse Firma beteiligen. Und wenn eine Firma von der Notlage der Juden in Hitler-Deutschland profitiert oder Zwangsarbeiter ausgebeutet hatte? Blocher: Auch dann kann eine Firma sich nicht einfach mit einem Beitrag an die Globallösung freikaufen. In einem Rechtsstaat muss festgestellt werden, wem ein solches Unternehmen Unrecht getan hat und dann müssen diese Opfer entschädigt werden - im Rahmen des Rechts. Ihr Konzern macht in den USA rund 150 Millionen Jahresumsatz. Hätten Sie im Boykottfall darauf verzichten können? Blocher: Natürlich wäre dies auch für uns sehr schmerzhaft. Aber wenn es gegen meine Firma erpresserische Sammelklagen gäbe, würde ich mir einen Rückzug aus dem Produktionsstandort USA überlegen - ich bin darauf vorbereitet. Machen Sie denn bei juristischen Streitigkeiten nie eine Kosten-Nutz-Rechnung und sind zu einem Vergleich bereit? Blocher: Einen Vergleich zu machen ist nichts Ehrenrühriges. Auf erpresserische Forderungen eingehen darf man hingegen nie. In jedem Land der Welt - ausser in den USA - würde die Art und Weise, wie dieser Deal von den amerikanischen Kreisen erzwungen wurde, als Erpressung bezeichnet. Die Schweizer Grossbanken haben Fehler gemacht und müssen darum jetzt bezahlen. Blocher: Ich bin auch der Meinung, dass vollumfänglich wieder gutmachen muss, wer Unrecht begangen hat. Genau darum geht es doch bei der Globallösung, die den Sammelklägern zugute kommt. Blocher: Eben nicht. Ich habe nämlich die unterschiedlichsten Begründungen gehört für diese Milliardenzahlung. Herr Gut von der CS-Bank sagte etwa, es sei ein Geschenk. Firmen haben jedoch keine Geschenke zu verteilen, das ist in dieser Grössenordnung auch gar nicht erlaubt. Dann habe ich gehört, das sei eben der Preis, um sich den Zugang zum US-Markt zu sichern. Dass unter zivilisierten Ländern gegenseitig ein Zutrittspreis zum Markt entrichtet werden müsste, wäre mir allerdings sehr neu. Also überhaupt kein Grund für diese Globallösung? Blocher: Moment. Eine dritte Begründung hat mir halbwegs eingeleuchtet. Sie heisst: Die Banken haben Unrecht getan jetzt müssen sie Genugtuung leisten. Genugtuung leistet man in einem Rechtsstaat nur jenen, denen Unrecht geschehen ist und nicht einem zufälligen Erpresser, der herausgefunden hat, dass man Fehler gemacht hat und mit Boykotten droht. Ihre Kritik an den Banken erstaunt immer wieder. Könnte es sein, dass Sie einfach immer noch verärgert sind wegen Ihres Streites mit der damaligen SBG, die Sie aus dem Verwaltungsrat geworfen hat? Blocher: (lacht) Wo denken Sie denn hin. Ich bin nicht gegen Banken, aber gegen Erpressungen. Seit Herbst 1996 weise ich auf die Gefahren der Erpressung hin. Vor dem nächsten Holocaust-Fonds warnte ich, weil ich sah, die nächste Erpressung wird folgen. Es war die Solidaritätsstiftung. Da verliess ich den Nationalratssaal und sagte, der Bundesrat habe den Kopf verloren. Und jetzt ist dieser Deal von New York die dritte Erpressung. Die vierte wird folgen. Soll die Bergier-Kommission weiterarbeiten? Blocher: Ja. Aber sie soll sich auf das Problem der nachrichtenlosen Vermögen beschränken. Diese Kommission ist jedoch problematisch, weil nur diktatorische Staaten ihre Geschichte von Staates wegen aufarbeiten lassen. In freiheitlichen Staaten sollte das dem freien Schaffen der Historiker überlassen bleiben. Auch wenn diese Historiker die Archive Ihrer EMS-CHEMIE durchforschen möchten? Blocher: (lacht) Sie sind in unseren Archiven ja schon lange drin. Unsere Firma wurde 1939 gegründet und hatte damals noch eine staatliche Beteiligung. Solche historische Forschung ist interessant und wichtig. Wie beurteilen Sie das Verhalten des Bundesrates in Zusammenhang mit der Globallösung? Blocher: Er hat sich im letzten Jahr sehr standhaft verhalten. Da muss ich ihn rühmen.