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27.06.2007

Mehr Disziplin könnte uns nur gut tun!

"Bundesrat Christoph Blocher ist ein profilierter Politiker, der niemanden kalt lässt. Seine Meinungen formuliert er klar und unmissverständlich. So auch zu den Belangen, die für die Polizei und die Sicherheit, aber auch für Eltern und Lehrer wichtig sind." 27.06.2007, protect-it, Anton Wagner Was denken Sie zu den 1.-Mai-Unruhen in Zürich? Die Presse hat erregt darüber geschrieben, Schuldige gesucht, die Polizei ins Visier genommen und die Hintergründe ausgeleuchtet. Natürlich darf es nicht vorkommen, dass eine Horde von Chaoten, ob es nun am 1. Mai oder zu einem anderen Zeitpunkt geschieht, derart Gewalt ausübt. Es liegt ein klarer Verstoss gegen die Rechtsordnung vor. Es muss analysiert werden, ob ein Fehler der Polizei vorliegt, das ist Sache der Kantone und der Stadt. Zusätzlich zur polizeiinternen Analyse haben wir seitens der Politik zu untersuchen, ob die rechtlichen Grundlagen angepasst werden müssen, damit solche Ausschreitungen verhindert werden können. Dabei geht es nicht nur um die Randalierer, sondern auch um die Verantwortung der Organisatoren. Ich meine, die Organisatoren sind auch dazu verpflichtet, vorausschauend mögliche Konflikte zu erkennen und in Zusammenarbeit mit den Ordnungsdiensten und der Polizei diese durch geeignete Massnahmen zu verhindern. Ist es nicht so, dass die Polizei in solchen Fällen nach dem Eingreifen abgestraft wird und sie deshalb ein starkes Auftreten möglichst vermeidet oder hinauszögert? Es gibt tatsächlich Polizisten, die resignieren, da sie interne Untersuchungen und Verfahren fürchten. Unsererseits analysieren wir diese Situation genau. Gerade jetzt sind wir daran, über die rechtlichen Einsatzmittel der Polizei nachzudenken, um die Gesetzeslage zu verbessern. Was mich jedoch betrübt, ist, dass in vielen Fällen die politisch Verantwortlichen nicht konsequent hinter der Polizei stehen und im Zweifelsfall die Polizei im Regen stehen lassen. Politiker müssen wieder klar hinter der Polizei stehen, auch wenn die Medien anderes wollen. Weiter entsteht Resignation unter den Polizisten auch deshalb, weil viele Verfahren gegen Straftäter zu lange dauern. Es nützt nichts, wenn man jemanden in Untersuchungshaft nimmt und ihn dann einfach wieder freilassen muss, weil alles so langsam geht und sich hängige Verfahren gegen die gleichen, gerade festgesetzten Personen hinziehen. Da ist es doch begreiflich, dass sich die Polizisten aufregen. Ich erwarte aber auch, dass die Verantwortlichen der Polizei signalisieren, welche Mittel sie benötigen, um Ihre Aufgabe zu erledigen, dann können die Gesetzgeber handeln. Besonders redet die Bevölkerung vom Rütli, vom WEF, vom 1. Mai und ähnlichen Anlässen. Dann werden nicht nur die Polizeien sondern auch deren vorgesetzte Behörden an den Pranger gestellt – ein Fest für die Presse! Ja, das ist schon so, nur lässt sich die Presse nicht beeinflussen, und das ist sicher gut so, denn in unserer Demokratie soll sich der Bürger selbst seine Meinung bilden. Das Spannungsfeld ist offensichtlich: Auf der einen Seite steht die bürgerliche Freiheit und auf der anderen Seite die Behörde, die eingreifen muss und für die Sicherheit der Bevölkerung zu sorgen hat. Dabei ist die Verhältnismässigkeit der Massnahmen zu beachten, das ist die Aufgabe der Polizei. Die Polizei schützt die Bürger vor Unsicherheit, Zerstörung, Gewalt und Pöbeleien. Sicher gibt es dann und wann auch bei der Polizei zu viel Eifer, so dass jemand sich schikaniert fühlt oder einzelne Polizisten zu hart vorgehen. Doch das sind Ausnahmen, welche die Presse gern lautstark aufgreift. Die Polizei ist eben nicht nur für die "normalen" Fälle da. Gerade in Ausnahmesituationen müssen wir uns auf unsere Polizei verlassen können, und gerade dann braucht die Polizei die Rückendeckung der Politik. Müsste man künftig die Armee aufbieten, wenn die Polizei die Sicherheit nicht gewähren kann? Das ist ein heikles Thema. Die Armee kann die Polizei nur dann unterstützen, wenn polizeiliche Aufgaben verstärkt werden müssen. Die Armee kommt nur subsidiär zum Einsatz. Selbst aber ist die Armee keine Polizei. Unsere Armee hat eine andere Aufgabe, sie hat in erster Linie das Land zu schützen gegen aussen. Sie leistet zudem Katastrophenhilfe und hilft punktuell mit bei der weltweiten Friedenssicherung. Soldaten müssen aber notfalls den Krieg gewinnen und töten können. Die Polizei hingegen hat zu sichern, zu verhindern und nicht zu töten. In speziellen Fällen kann die Armee auf Bitte einer zivilen Behörde Raumsicherungsaufgaben übernehmen, Zutrittskontrollen wahrnehmen sowie logistische Unterstützung bieten und so die Polizei verstärken. Soldaten sind aber keine Polizisten und können die Polizei nicht ersetzen. Wir sehen die Problematik auch am Beispiel des Botschaftsschutzes. Dies wäre eigentlich eine polizeiliche Aufgabe und nicht die von Soldaten, und hier wird es ja auch Anpassungen geben. Uns interessiert auch der Bereich des Asylwesens, wo die Polizei im Massnahmenvollzug aktiv ist. Sie haben das Asylwesen mit starken Vorgaben gestrafft. Wie sieht die heutige Migrationssituation aus? Die Massnahmen, die wir bereits vor dem Inkrafttreten des Asylgesetzes getroffen haben, zeigen erstaunliche Wirkungen. Da wirkt der Wille, konsequent zu sein, und die Sensibilisierung der Leute, die mit dem Asylwesen betraut sind. Und die Politik stärkt den Ausführenden den Rücken. Dies drückt sich in konkreten Zahlen aus. Im Jahr 2003, vor meinem Amtsantritt, hatten wir über 21’000 Asylsuchende, die in die Schweiz wollten, und jetzt sind es jährlich noch etwa 10’000! Aber dieser Weg muss nun von allen Verantwortlichen in diesem Bereich konsequent fortgesetzt werden. Doch auch unter diesen 10'000 sind heute die meisten keine Flüchtlinge. Wir hoffen, dass sich dies ab 2008, wen das neue Asylgesetz in Kraft tritt, verbessert. Sprechen sich verschärfte Massnahmen herum in den Herkunftsländern? Eindeutig. Aber auch die largen Entscheide! Da bestehen sehr gute Kommunikationsnetze, und gerade die Schlepper bringen die Leute natürlich lieber in Länder, wo es möglichst gute Bedingungen und möglichst wenig Schwierigkeiten gibt. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass die Schweiz nicht zu attraktiv ist. Natürlich informieren die, welche bereits hier sind, ihre Bekannten und Verwandten im Ursprungsland, sei es über Telefon oder Internet. Jede entgegenkommende Haltung unsererseits bringt sofort einen starken neuen Zustrom. Pikantes Beispiel: Ein Schweizer Gericht hat ein Urteil publiziert, wonach Dienstverweigerer und Deserteure aus Eritrea als Flüchtlinge anzuerkennen sind. Dieses Urteil hat sich sofort herumgesprochen. In den vorangehenden Jahren hatten wir 70 bis rund 240 Asylsuchende aus Eritrea pro Jahr, und nun sind es innerhalb des letzten Jahres 1200 geworden, natürlich grossmehrheitlich 25- bis 40-jährige Männer. Wie entstehen denn solche Entscheide? Es scheint doch ziemlich eigenartig, eine solche Politik zu betreiben. Ich habe dies natürlich nicht zu kommentieren, ich zeige nur die Folgen auf. Ein anderes Beispiel sind die so genannten subjektiven Nachfluchtgründe. Das heisst, wenn jemand mit einem abgelehnten Asylentscheid argumentieren kann, dass er wieder in Gefahr ist, kann er ein neues Gesuch stellen. Ein Grund für subjektive Nachfluchtgründe ist zum Beispiel, wenn jemand hier an einer Demonstration gegen sein eigenes Land teilnimmt und sich damit bei einer Rückkehr gefährden könnte, z. B. dadurch dass von ihm Fotos und Berichte in den Medien oder im Internet veröffentlicht werden. Aber jetzt kommt’s: Ganze Organisationen sind entstanden, die solche Demonstrationen extra veranstalten, gut dokumentieren und dann entsprechende Bilder ins Internet stellen, um solche Nachfluchtgründe bewusst zu schaffen. Das müssen wir abstellen. Wir müssen darauf achten, dass wir in diesem Sinne nicht attraktiver werden. Das geht nicht gegen die Flüchtlinge, die auf unsere Hilfe wirklich angewiesen sind, sondern gegen solche, die sich diesen Status ungerechtfertigt erschleichen wollen. Bald tritt das neue Asylgesetz komplett in Kraft – was wird dies bringen? Es wird unter anderem genau diese Attraktivitätsschwelle senken. Ein Teil davon ist bereits am 1. Januar 2007 in Kraft getreten, der wichtigere Teil folgt noch. Es braucht etwas Zeit, das dann zu analysieren, aber ich bin überzeugt, dass wir Missbräuche in Zukunft eher verhindern können – aber nicht ganz, das ist klar. Tatsächlich verfolgte Menschen erhalten auch weiterhin den Schutz der Schweiz. Wird die aktuelle Klimaveränderung den Migrationsdruck weiter verstärken? Es gibt Prognosen, dass Millionen von Afrikanern Europa überschwemmen werden. Umweltkatastrophen oder schlechte wirtschaftliche Perspektiven sind kein Asylgrund. Wir haben keine Asylsuchenden, die zu uns kommen, weil es bei ihnen zu Hause zu heiss ist, sondern viel mehr solche, die insgesamt in schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen leben. Man muss die Verhältnisse in diesen Herkunftsländern verbessern. Hier müssen wir endlich neue und wirksamere Massnahmen finden. Bisher haben wir Milliarden nach Afrika geschickt, und es hat wenig gebracht. Wir müssen investieren können, um die Volkswirtschaften weiterzubringen und somit die Lebensverhältnisse dort zu verbessern. Es geht wohl nur, wenn das wirtschaftliche Gefälle zu uns kleiner wird. Dies sieht man an Ländern, aus denen früher Migranten zu uns kamen und heute nicht mehr, weil dort die wirtschaftlichen Verhältnisse verbessert sind. Zum Beispiel die Länder aus dem ehemaligen Ostblock. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion hat sich die Wirtschaft in vielen dieser Länder verbessert, und damit ist der Migrationsdruck von dort praktisch verschwunden. Wird die aktuelle Klimaveränderung den Migrationsdruck weiter verstärken? Es gibt Prognosen, dass Millionen von Afrikanern Europa überschwemmen werden. Umweltkatastrophen oder schlechte wirtschaftliche Perspektiven sind kein Asylgrund. Wir haben keine Asylsuchenden, die zu uns kommen, weil es bei ihnen zu Hause zu heiss ist, sondern viel mehr solche, die insgesamt in schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen leben. Man muss die Verhältnisse in diesen Herkunftsländern verbessern. Hier müssen wir endlich neue und wirksamere Massnahmen finden. Bisher haben wir Milliarden nach Afrika geschickt, und es hat wenig gebracht. Wir müssen investieren können, um die Volkswirtschaften weiterzubringen und somit die Lebensverhältnisse dort zu verbessern. Es geht wohl nur, wenn das wirtschaftliche Gefälle zu uns kleiner wird. Dies sieht man an Ländern, aus denen früher Migranten zu uns kamen und heute nicht mehr, weil dort die wirtschaftlichen Verhältnisse verbessert sind. Zum Beispiel die Länder aus dem ehemaligen Ostblock. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion hat sich die Wirtschaft in vielen dieser Länder verbessert, und damit ist der Migrationsdruck von dort praktisch verschwunden. Können Sie in kurzen Worten sagen, welche Leute wir nicht wollen? Es ist relativ einfach und gesetzlich gegeben. Alle, die eine Arbeitsstelle haben und aus der so genannt „alten“ Europäischen Union kommen, dürfen ab dem 1. Juli 2007 frei einreisen. Für die neuen EU-Mitgliedsstaaten gibt es noch Übergangsbestimmungen. Für Menschen aus anderen Staaten werden Bewilligungen normalerweise nur für besonders qualifizierte Personen erteilt. Das ist mit der Personenfreizügigkeit halt so, Europa wird da klar bevorzugt. Dafür dürfen wir ja auch in Europa arbeiten. Dazu kommen jene, die in ihrer Heimat an Leib und Leben verfolgt und gefährdet sind, sei es wegen der Rasse, der Hautfarbe oder wegen der politischen Einstellung – also die Flüchtlinge. Auch ältere Leute, deren Lebensunterhalt gesichert ist, können ihren Lebensabend in der Schweiz verbringen, und natürlich auch jene, die mit Schweizern oder Schweizerinnen verheiratet sind, falls es sich nicht um Scheinehen handelt. Alle anderen können wir nicht aufnehmen. Als Grund gilt insbesondere nicht, dass es hier wirtschaftlich besser ist als in einem anderen Land. In der Schweiz leben heute rund 22 Prozent Ausländer ohne Schweizer Pass. Die Schweiz liegt nach Luxemburg und Liechtenstein an dritter Stelle in Europa, was den Ausländeranteil betrifft. Das ist eine Ausnahmesituation unter den Europäern, denn dies sind Leute, die hier arbeiten oder verheiratet sind und zum Wohl des Landes beitragen. Darüber hinaus aber können und wollen wir jedoch nicht gehen. Jetzt, wo die Wirtschaft gut läuft, haben wir einen grossen Zustrom aus EU-Ländern, vor allem aus Deutschland; es fragt sich nur, was geschieht, wenn die Wirtschaft einmal nicht mehr so heiss läuft. Stellen Sie sich vor: Das letzte 3-Monats-Kontingent für Daueraufenthalter aus der EU betrug 3’750 Personen; die Plätze waren innerhalb von 41 Minuten von den Kantonen beansprucht! Hat aus Ihrer Sicht die Migration der letzten Jahre eine erhöhte Kriminalitätsquote gebracht? Genaue Statistiken liegen für die ganze Schweiz nicht vor, aber unsere Schätzungen zeigen rund 20 Prozent an Kriminellen unter den Asylsuchenden. Viele kriminelle Ausländer sind aber gar nicht Asylsuchende, sie reisen ganz normal ein, sei es mit einem Touristenvisum oder einfach für einen Kurzaufenthalt. Die Grenzen sind viel offener als früher, und die Globalisierung findet eben nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch bei der Kriminalität statt. Man kann aber auch sagen, dass die Schweizer in Sachen Sicherheit verwöhnt sind. Wir waren früher ein extrem sicheres Land, und man hat sich wohl an diese Sicherheit gewöhnt. In anderen Ländern sind die Menschen viel aufmerksamer, schauen besser auf ihr Portemonnaie, die Handtaschen und für ihr Hab und Gut. Auch bei uns wird man lernen müssen, vorsichtiger zu sein. Ich rede hier allerdings nur von der kleinen Kriminalität. Grosse Sorge bereitet mir dagegen die Gewaltbereitschaft, die deutlich zugenommen hat, insbesondere bei den hier anwesenden Ausländern und dabei mit Schwergewicht bei den Ausländern aus dem Balkan. Worauf führen Sie das zurück? Es gibt Gebiete, wo eine andere Einstellung gegenüber Gewalt herrscht, wo Streit und Familienfehden viel eher gewaltsam und mit Waffengebrauch ausgetragen werden als bei uns. Klar gibt es auch Schweizer, die in extremen Fällen zu Waffen greifen, nur kommt dies relativ selten vor. Wir dürfen nun aber nicht einfach die Faust im Sack machen, wir müssen hier mit grossen Anstrengungen die Integration vorantreiben, dass diese Leute umdenken lernen und die bestehenden Gesetze und Gepflogenheiten respektieren. Natürlich kann man dies nicht nur mit der Polizei und mit Repression machen, da sind viele Organisationen gefragt. Aber grundsätzlich muss man sehr streng sein mit solchen Leuten und Kriminalität nicht tolerieren. Wer sich nicht an unsere Regeln und Lebensformen halten will, muss wieder nach Hause gehen. Leider hat man bis heute viel zu oft einfach weggeschaut, insbesondere bei den aggressiven Jugendlichen in den Schulen. Wir müssen rasch und konsequent gegen gewalttätige Jugendliche vorgehen. Die Vereinheitlichung des Jugendstrafprozessrechts wird diesbezüglich manches vereinfachen. Aber auch die Lehrer müssen dazulernen. Wir müssen in den Schulen wieder konsequenter werden. Wie in der Erziehung braucht es vermehrt strengere Regeln und mehr Disziplin. Es darf aber auch nicht sein, dass in einer Klasse der Ausländeranteil extrem hoch ist, was wiederum die Spannungen unter den Schülern erhöht und der fremden Mentalität die Möglichkeit gibt, zu dominieren. Wer soll denn das in die Hand nehmen, bei Lehren und Eltern die Denkhaltung zu ändern? Es läuft ja im Moment kein Pestalozzi herum, der diese Ideale verkünden könnte. Es ist auch hier Aufgabe der Politik, auf allen Ebenen darüber zu reden und neue Werte und Inhalte zu fordern. Es ist schon gut, dass wieder darüber geschrieben wird. Für die Schulen bräuchte es einen neuen Kodex für das Lernen, das Verhalten und den Umgang miteinander. Und für die Erziehung braucht es neue, starke Ideale. Dabei müssen die vom Volk gewählten Politiker den Lehrern und Erziehungspersonen den Rücken stärken. Herr Bundesrat, besten Dank für dieses Gespräch.

27.06.2007

Genf und die EU – Chancen, Stärken, Gefahren

Referat von Bundesrat Christoph Blocher an der SVP Informationsveranstaltung vom 27. Juni 2007, in Genf 27.06.2007, Genf Genf. Anlässlich einer SVP-Informationsveranstaltung ging Bundesrat Blocher den wichtigsten Wert eines Staates ein: die Selbsbestimmung. Wäre in der Abstimmung von 1992 der EWR-Beitritt angenommen worden, hätte die Schweiz ihre Souveränität verloren. Die vergangenen 15 Jahre hätten gezeigt, dass die Schweiz sehr wohl ohne den EWR überleben könne. Insofern hätten sich die damaligen apokalyptischen Voraussagen als Fehlprognosen erwiesen. Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen. Sehr geehrte Damen und Herren 1. EWR 1992 – eine Schicksalsabstimmung Die wichtigste Abstimmung für die Schweiz war 1992: Die Frage, ob wir dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) beitreten wollen oder nicht. Der EWR war der Vorhof zum EU-Beitritt. Hätte die Schweiz ja gestimmt, wären wir heute Mitglied der EU. Wir hätten den wichtigsten Wert eines Staates verloren: Die Selbstbestimmung. Warum war die EWR-Abstimmung so entscheidend? Der EWR-Vertrag war ein Vertrag, bei dem wir dem Vertragspartner das Recht überlassen hätten, über uns zu bestimmen und die Schweiz hätte alles akzeptieren müssen. Der EWR gleicht einem Mietvertrag, worin weder die Höhe des Mietpreises, noch die Nebenkosten, noch die Benützung der gemeinsamen Waschküche, noch sonst ein Bereich festgeschrieben wäre. Niemand würde privat einen solchen Vertrag unterschreiben, oder würden Sie einen Vertrag unterschreiben, in dem der andere Vertragspartner neue Bedingungen diktieren und abändern könnte und sie müssten diese Änderungen kommentarlos schlucken? Der EWR war ein solcher Vertrag – er gleicht durchaus einem Kolonialvertrag. Glücklicherweise hat das Volk und 2/3 der Kantone 1992 die Gefahren des EWR erkannt und Nein gesagt. 2. Die Untergangspropheten sind kraftvoll widerlegt Trotz dieser Mängel: Sämtliche Parteien, Medien, Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften, Hochschulprofessoren waren für den EWR. Man machte der Bevölkerung Angst. Sie prophezeiten den wirtschaftlichen Niedergang der Schweiz. Der Niedergang Genfs insbesondere. „Ohne EWR kann die Schweiz nicht überleben“, tönte es beispielsweise aus Luzern. Wie die meisten Propheten wurde auch dieser Prophet durch die Zukunft widerlegt. Wenn die Schweiz Nein sage zum EWR, werde die Schweiz verarmen. Sie werde in wenigen Jahren die EU auf den Knien bitten, ihr beitreten zu dürfen, sagte ein ranghoher Staatssekretär. 15 Jahre sind vorbei. Wir stehen aufrecht. Die apokalyptischen Voraussagen über eine Schweiz ohne EWR haben sich als gigantische Fehlprognosen erwiesen. Die Schweiz hat ohne EWR mehr als überlebt. Sogar sehr gut überlebt! Die Schweiz konnte ihren Wohlstand gerade ausserhalb von EWR und EU behaupten. Die Schweiz ist gerade von EU-Bürgern zum bevorzugten Wohn- und Arbeitsplatz geworden. Offenbar sehnen sie sich nach der freien, neutralen und unabhängigen Schweiz. * Kürzlich hat eine Studie des World Economic Forum (WEF) ergeben: Die Schweiz ist das wettbewerbsfähigste Land der Welt. Dank EWR-Nein. * Jedes Jahr verlegen Hunderte Firmen ihren Sitz in die Schweiz. Weil oder obwohl wir nicht Mitglied der EU sind. Weil wir andere, bessere Bedingungen bieten können als unsere Nachbarstaaten. * Im März 2007 sind die Bewilligungen für Daueraufenthalter aus der EU innerhalb von 41 Minuten ausgebucht gewesen. Das waren alles EU-Bürgerinnen und Bürger, die im Nicht-EU-Land Schweiz arbeiten wollen. Nicht das EWR-Nein, sondern der spätere Beitritt zu Schengen und die Personenfreizügigkeit geben heute zu Sorgen Anlass. * Obschon die Schweizer Wirtschaft im letzten Jahr rund 50'000 neue Stellen geschaffen hat, ist nämlich die Zahl der Arbeitslosen praktisch gleich hoch geblieben. Durch die Personenfreizügigkeit sind diese Stellen problemlos besetzt worden. * Der Druck auf die Schweizer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hat namentlich in den Grenzgebieten massiv zugenommen. Das neue Grenzgängerstatut wirkt sich aus. So auch in Genf. 3. Warum Selbstbestimmung? Warum ist die Souveränität für einen Staat wie die Schweiz so wichtig? Nur der souveräne Staat kann seine Zukunft selbst bestimmen. Gibt man die Souveränität preis, bestimmen andere. Die Schweiz hat eine direkte Demokratie. Sie ist einzigartig. Was ist das Wesen der direkten Demokratie? Die Bürgerinnen und Bürger bestimmen auch in Sachfragen die Politik. In keinem Land der Welt haben die Bürgerinnen und Bürger so viel zu sagen wie in der Schweiz. Oder anders gesagt: In keinem Land der Welt haben die Politikerinnen und Politiker so wenig zu sagen wie in der Schweiz. Was zeichnet den Schweizer Sonderfall sonst noch aus? Die Neutralität. Sie ist historisch gewachsen. Unsere Neutralität ist nicht nur eine leblose juristische Definition. Die Neutralität atmet fünfhundert Jahre Geschichte. Was sich fünfhundert Jahre bewährt hat, kann so schlecht nicht sein. Für den Kleinstaat Schweiz ist die Neutralität die beste aussenpolitische Maxime. Neutralität heisst: Nicht einmischen, nicht Partei ergreifen, aber Hilfe anbieten für alle. 4. Föderalismus – die dritte Säule Neben der Neutralität und der direkten Demokratie ist der Föderalismus die dritte Säule unseres Staates. Man glaubt, dies sei nicht mehr zeitgemäss. Viele Politiker lieben die Grösse – die UNO, die EU, die OSZE, die WTO, die …… Was soll da ein Kanton? So würden die grossen Würfe verhindert, glauben die Kritiker des Föderalismus. Sie lieben grosse Gebilde, wo alle für alles verantwortlich sind, aber niemand für etwas. Ich muss Ihnen sagen: Ich glaube nicht an die grossen Würfe in der Politik. Ich glaube nicht an gigantische Gebilde – sei es in der Politik, der Wirtschaft oder sonst wo. 5. Was der Föderalismus für Genf bedeutet Für einen Kanton wie Genf ist der Föderalismus nicht bloss ein nettes Thema für eine Abendkonversation. Was wäre Genf ohne Föderalismus? Was die welsche Schweiz? Für Minderheiten jeglicher Art ist der Föderalismus eine existenzielle Frage. Die Mehrheit kann viel besser mit einem zentralistischen System leben. Was wäre beispielsweise, wenn die Deutschschweizer Mehrheit plötzlich auch in Schulfragen den Genfern Vorschriften machen könnte? Was wäre, wenn etwa Deutsch als obligatorische Schulsprache angeordnet würde? Im zentralistischen Frankreich wurde das so gehandhabt. Für die französischsprachigen Bewohner kein Problem, aber für die Elsässer oder Bretonen. Der Föderalismus nimmt Rücksicht auf die Minderheiten und erhält so die Vielfalt eines Landes. Die Schweiz lebt von dieser Vielfalt. Sie macht unser Land aus. Uniformität für die Schweiz ist keine Lösung. Uniformität bedeutet Armut. 6. Vergleichen macht klüger Sehen Sie, der Föderalismus bringt die Politik dorthin, wo die Menschen sind: In die Gemeinden, in die Kantone. Was Genf selber bestimmen kann, soll es selber bestimmen dürfen. Genau das will der Föderalismus. Wenn die Politik nahe bei den Menschen stattfindet, werden auch die Fehler sichtbar und die Verantwortung erkennbar. Der Föderalismus macht die Fehler der Politiker sichtbar. Man kann vergleichen. Man kann schauen, wie es andere machen. Die Genfer können schauen, wie es die Appenzeller machen. * Die Genfer werden feststellen, dass sie viel die höheren Krankenkassenprämien zahlen müssen als die Appenzeller. * Die Genfer werden feststellen, dass sie auch höhere Steuern und Abgaben leisten müssen als die Appenzeller. * Diese Vergleiche führen zu Fragen: Warum ist das so? Warum steht das kleine Appenzell so gut da? Warum muss der durchschnittliche Appenzeller so viel weniger Steuern, Abgaben und Prämien zahlen – und lebt deswegen nicht schlechter als ein Genfer? * Genf hat das niedrigste frei verfügbare Einkommen in der ganzen Schweiz (CS Studie, Juni 2006). In allen anderen Kantonen ist das frei verfügbare Einkommen höher. Warum ist das so? Diese Fragen führen zwangsläufig zur Schlussfrage: Wer trägt die Verantwortung für diese Entwicklung? Die Antwort darauf müssen Sie geben: An der Urne. Wählen Sie eine Partei, die das ändert – wenn Sie dies ändern wollen! 7. Herausforderung für Genf Wir müssen nicht absolut gesehen gut sein. Wir müssen nur besser sein als die anderen. Was heisst das für den Kanton Genf? Genf ist ein beliebter Standort für internationale Organisationen. Warum? Weil wir weltoffen sind, ohne uns deswegen institutionell einzubinden. Weil wir weltoffen sind, aber unsere Neutralität hochhalten und niemandem das Gespräche und den Kontakt verweigern. Genf ist ein wichtiger Finanzplatz. Warum? Weil wir die Diskretion leben. Weil wir das Bankkundengeheimnis hochhalten. Weil die Schweiz für Verlässlichkeit steht und genau das suchen Geldanleger. Genf ist attraktiv, weil es neben der landschaftlichen Schönheit nach wie vor ein sicheres Leben ermöglicht. Die Landschaft hat uns der liebe Gott geschenkt, für die Sicherheit müssen wir schon selber sorgen. Die Sicherheit ist ein nicht zu unterschätzender Standortfaktor. Darum sind wir gefordert, die schleichende Ausbreitung der Gewalt zu unterbinden. Genf ist nicht perfekt. Aber unser politisches System erlaubt den Vergleich, ermöglicht den Wettbewerb und bietet den Rahmen, sich zu verbessern. Sehen wir darin eine Chance. Lasst uns auf unsere Stärke setzen: Auf eine unabhängige, neutrale, föderalistische Schweiz.

26.06.2007

Integration – eine Worthülse wird mit Inhalt gefüllt

Referat von Bundesrat Christoph Blocher an der 3. Tagung der Verantwortlichen der Jugenddienste bei den Kantonspolizeien, 26. Juni 2007, Freiburg 26.06.2007, Freiburg Freiburg. An der 3. Tagung der Verantwortlichen der Jugenddienste bei den Kantonspolizeien informierte Bundesrat Christoph Blocher über die Voraussetzungen für eine gelungene Integration, die Erkenntnisse aus dem Bericht des Bundesamtes für Migration über die Integration sowie die erste Analyse zur Frage der Jugendgewalt, die in Kürze vorgelegt werden solle. Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen. Meine Damen und Herren 1. Alle reden von der Integration Es gibt keine Debatte im Bereich der Ausländerpolitik, ohne dass nicht zwangsläufig der Begriff "Integration" auftaucht. Integration ist heute ein Modewort. Modewörter sind stets in aller Munde. Aber das Modewort ist beliebt, weil eben jeder etwas anderes darunter verstehen kann und etwas anderes hineinpackt. Doch machen wir es etwas grundsätzlicher: Das neue Ausländergesetz, welches im letzten Herbst mit grossem Mehr vom Stimmvolk angenommen worden ist, legt nun erstmals die Grundsätze der Integration wie folgt fest (Art. 4 AuG): Ziel der Integration ist das Zusammenleben der einheimischen und ausländischen Wohnbevölkerung auf der Grundlage der Werte der Bundesverfassung und gegenseitiger Achtung und Toleranz. Die Integration soll die Teilhabe am wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben ermöglichen. Die Integration setzt vor allem und zuerst den entsprechenden Willen der Ausländerinnen und Ausländer voraus, aber auch die Offenheit der schweizerischen Bevölkerung. Wichtigste Voraussetzung um dies alles zu erreichen ist: Ausländerinnen und Ausländer müssen sich mit den gesellschaftlichen Verhältnissen in der Schweiz auseinandersetzen und insbesondere eine Landessprache erlernen. Hier handelt es sich um allgemeine Grundsätze. 2. Migrationsbericht Nun, fragen wir, haben wir ein Migrationsproblem? Fehlt es an der Teilhabe am schweizerischen Leben durch die Ausländer? Ich habe deshalb vor anderthalb Jahren dem Bundesamt für Migration den Auftrag gegeben, genau diese Fragen zu prüfen und in einem Bericht zu beantworten. Diesen Bericht mit dem Titel "Probleme der Integration der Ausländerinnen und Ausländer in der Schweiz" hat der Bundesrat letzten Sommer zur Kenntnis genommen. Erste Feststellung: Die Integration in der Schweiz funktioniert im Grossen und Ganzen und gemessen am hohen Anteil der Ausländer an der Bevölkerung gut. Zweite Feststellung: Es gibt Probleme und Defizite. Dritte Feststellung: Solche Integrationsprobleme liegen dann vor, wenn Ausländerinnen und Ausländer in der Arbeit, in der Bildung, in der Sprache – hier ganz besonders – ein Defizit haben und damit keine gleiche gesellschaftliche und wirtschaftliche Ausgangslage haben. Vierte Feststellung: Integriert sind sie dann nicht, wenn sie signifikant von der vergleichbaren Schweizer Bevölkerung abweichen. 3. Gegenmassnahmen Hauptmassnahmen für die Integration sind prioritär, Bildung und Sprache bzw. Arbeit und Sprache zu verstärken. Bildung und Arbeit hängen eng mit dem Zusammenleben in der Gesellschaft und mit der Anwendung der Sprache zusammen. Hier ist anzusetzen. Als weiterer wichtiger Problembereich, der mit damit zusammenhängt, ist auch die öffentliche Sicherheit. Da erzähle ich Ihnen nichts Neues. Sie haben hautnah, sozusagen an der Front, mit Ausländern zu tun, die unsere alltäglichen Regeln und Gesetze nicht beachten, keine Landessprache sprechen und nicht für sich selbst sorgen. Und dies zum Teil auch, obwohl sie es könnten. Im Extremfall zeigt sich dies in der Jugendkriminalität. Vergewaltigungen junger Mädchen, massive Bedrohungen und Einschüchterungsversuche, chaotische Zustände in den Schulen – das sind alles keine Einzelerscheinungen. 4. Eine deutliche Sprache Um Probleme zu lösen, müssen sie offen ausgesprochen werden: "Sagen, wie es ist" lautet die Voraussetzung. Alles andere führt in eine Schein-Situation, die die Problemerkennung verunmöglicht und folglich auch keine Problemlösung erlaubt. Auf der Basis des Verschweigens, Vertuschens, Verdrängens und Verleugnens lässt sich kein Problem lösen. Aber: Wir neigen gerade in den Bereichen Ausländer, Erziehung, Gewaltanwendung, Mentalitätsunterschiede, Kriminalität usw. dazu, eine schwammige, politisch korrekte Sprache zu gebrauchen. Oft werden Sprechhülsen gebraucht, um die Sache nicht beim Namen zu nennen: Ein Beispiel: Wissen Sie, was eine "mobile ethnische Minderheit" (MEM) ist? Nun, es handelt sich hier um eine verklausulierte Formulierung, die in Polizeirapporten auftauchte, um das Wort Zigeuner zu vermeiden. Hier stehen wir unter der Fuchtel der politischen Korrektheit. Seit einiger Zeit gibt es auch eine ganz neue Bevölkerungsgruppe: Die "Menschen mit Migrationshintergrund" sind jetzt da. Dafür gibt es – wenn ich die Zeitungsberichte lese – fast keine Ausländer mehr. Ein deutscher Journalist hat den Begriff "Migrationshintergrund" kürzlich so definiert: "Korrektes Hilfswort zur Vermeidung der Angabe von Nationalität oder Herkunft einer Person oder einer Gruppe." Auch dieser Begriff dient der Verschleierung. Er meint Ausländer oder eingebürgerte Schweizer, die in der Mentalität Ausländer geblieben sind. 5. Was ist konkret zu tun? Wenn Integration auf den 3 Säulen ruht * Sprache * Schule und Arbeit * Regeln und Gesetze, dann ist hier anzusetzen. Das heisst: 1. Wer in die Schweiz kommt und hier leben will, muss die Sprache lernen. Das hat erste Priorität. 2. Die Erwachsenen sind zur Arbeit zu verpflichten. Das heisst sie haben ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen. So lernen sie aus eigenem Antrieb die Sprache und werden über die Arbeit in die Gemeinschaft integriert. 3. Die Grundwerte, wie sie in unserer Rechtsordnung festgelegt sind, müssen von allen respektiert werden. Das ist ja wohl der Bereich, der Sie am meisten interessiert. 4. All dies muss verlangt und durchgesetzt werden. Andererseits müssen Sanktionen ergriffen werden! Zu den Bereichen Sprache, Bildung und Arbeit liegt der Entwurf eines umfassenden Massnahmenpaketes vor. Dieses wird im Sommer dem Bundesrat zugeleitet. Zu Regeln und Gesetzen: Warum gelingt es uns oft nicht, unseren Grundwerten Nachachtung zu verschaffen? Auch hier werden wir am 29.6.07 eine erste Analyse zur Frage der Jugendgewalt vorlegen. Vorerst nur so viel: Es scheint nicht in erster Linie ein Problem der Gesetze zu sein, sondern des Vollzugs. Die Verfahren dauern zu lange, die angeordneten Sanktionen greifen oft zu kurz und verfehlen deshalb ihre Wirkung. Die Koordination staatlicher Tätigkeiten ist mangelhaft. Die Folgen sind gravierend: Polizisten und andere Vollzugsleute sind frustriert, weil sie sehen, dass nichts passiert. Das lähmt die Arbeit. Resignation ist weit verbreitet. Tatsache ist auch, dass die Behörden zu wenig gut vernetzt sind; oft weiss die eine Behörde nicht, was die andere tut. Migrations-, Einbürgerungs-, Polizei-, Zivilstands- und Schulämter müssen besser zusammenarbeiten und gemeinsame Ziele verfolgen. Das sind punktuelle Bemerkungen. Nehmen Sie dann den "Bericht der Praktiker" zur Hand. 6. Jugendstrafgesetz Das neue Jugendstrafgesetz ist jetzt seit dem 1.1.2007 in Kraft. Es sieht eine breite Palette von Sanktionsmöglichkeiten vor, es können nun auch härtere Strafen verhängt werden (Freiheitsentzug bis zu vier Jahren: Art. 25 JStG; statt wie bisher Einschliessung bis zu einem Jahr: Art. 95 StGB alte Fassung). Dabei geht es nicht darum, um jeden Preis eine hohe Strafe zu fordern. Es müssen "massgeschneiderte", dem Täter angepasste Sanktionen verhängt werden. Die weiteren Entwicklungen in diesem Bereich sind genau zu beobachten. Sollte sich das neue Gesetz als unzureichend erweisen, sind möglichst rasch entsprechende Anpassungen vorzunehmen. 7. Bemerkungen zur Polizeiarbeit Sie brauchen einen klaren Auftrag. Sie sind nicht zu beneiden in Ihrer Arbeit. Ein Hauptproblem sehe ich darin, dass Sie keinen klaren politischen Auftrag erhalten. Je nach politischer Ausrichtung der Führung werden Sie in der Ausübung Ihrer Arbeit eher behindert als unterstützt. Was mir weiter auffällt, wenn wir die jüngsten Gewaltdelikte anschauen, ist ein immer ähnlich ablaufender Vorgang. Es stellt sich heraus, dass überdurchschnittlich viele Täter Ausländer bzw. frisch eingebürgert sind. Zweitens, zahlreiche Delinquenten stammen aus dem Balkan. Wenn die anfänglichen Vertuschungsversuche nicht funktionieren, setzt sich das übliche Heer von Sozialarbeitern, Pädagogen und Psychologen in Bewegung, das uns einredet, die wahren Opfer seien diese jungen Burschen, weil ihnen die Perspektive fehle, weil sie sich von der Schweizer Gesellschaft zurückgestossen fühlen. Wo Gewaltakte verübt werden und furchtbare Übergriffe geschehen, müssen wir nicht die Täter verständnisvoll zu entschuldigen versuchen. Wo Gesetze gebrochen werden, soll die Polizei und die Justiz eingreifen. Dazu braucht es aber eine Justiz, die in diesem Sinn arbeitet und die Kantonspolizeien in ihrer Arbeit unterstützt und am gleichen Strick zieht. Das sind wir nämlich den wirklichen Opfern und der Bevölkerung schuldig, die ein Recht auf ein sicheres Leben in der Schweiz haben.

24.06.2007

«Wo no i Freiheit gsunge wird…»

St. Moritz. In seiner Eröffnungsansprache am nordostschweizerischen Jodlerfest würdigte Bundesrat Christoph Blocher das Heimatgefühl, das aus den Volksliedern spreche. Während die Politik von Globalisierung schwärme, sehnten sich die Menschen nach Halt. 24.06.2007, St. Moritz Eröffnungsansprache von Bundesrat Christoph Blocher am nordostschweizerischen Jodlerfest in St. Moritz, 24. Juni 2007 Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen. Liebe Jodlerinnen und Jodler Liebe Alphornbläser und Fahnenschwinger Liebe Festgemeinde 1. Eine schöne Einladung Sie haben zum Fest geladen. Und wiederum sind Tausende dieser Einladung gefolgt, um sich am Jodelgesang und an der Schweizer Volkskultur zu freuen. Zum 26. Mal findet das Nordostschweizerische Jodlerfest statt, heuer in St. Moritz im Oberengadin. Zum 26. Mal sind Sie zusammen gekommen, um sich im freundschaftlichen Wettkampf zu messen und die unbeschwerte Geselligkeit zu geniessen. Schon vor 3 Jahren haben Sie mich als nordostschweizerischer Bundesrat zum 25. Nordost-schweizer Jodlerfest in Bülach eingeladen. Ich sagte zu: Bülach liegt ja schliesslich im Kanton Zürich, und ich bin ja schliesslich ein Zürcher. Dieses Mal fand ich wieder eine Begründung, um Ihrer freundlichen Einladung Folge zu leisten. Das 26. Nordostschweizerische liegt ja im Kt. Graubünden, einem Kanton also, dem ich durch meine frühere Tätigkeit als Unternehmer eng verbunden bin. Es gibt aber auch noch einen dritten Grund, warum ich hier bin. Das ist der Kurdirektor Hans-Peter Danuser. Wir waren nämlich beide vor 48 Jahren im Waadtland als Bauernknechte tätig. Zwei Deutschschweizer Knechte in der Romandie. Ihn führte der Weg nach St. Moritz, und er ist heute wohl der markanteste Kurdirektor in der Schweiz und ein begeisterter Alphornbläser. Mich führte der Weg auch nach Graubünden, d.h. nach Domat/Ems und schliesslich nach Bern. 2. Ein Abbild der schweizerischen Vielfalt Vor drei Jahren Bülach – heuer St. Moritz. Kann man sich zwei unterschiedlichere Orte vorstellen? Dort Bülach, eine Zürcher Stadt im Mittelland, früh industrialisiert, schnell gewachsen, ein Abbild der rasanten Entwicklung, die die Schweiz in den letzten hundert, hundertfünfzig Jahren gepräg hat. Und hier St. Moritz, mondäner Kur- und Touristenort, in einem Hochtal von seltener Naturschönheit gelegen, mit einer romanischsprachigen Bevölkerung. Allen Unterschieden zum Trotz oder gerade deswegen: Die beiden Orte sind sich verbunden: Sie sind in ihrer Verschiedenheit Ausdruck der Vielfalt, die unser Land prägt. Auch Sie, geschätzte Besucherinnen und Besucher stellen diese Vielfalt dar (in der Volkskultur). Sie besingen die Schweiz in verschiedenen Dialekten, Sprachen und Trachten. Die Fahnenschwinger werfen stolz ihre eigenen Kantonsfahnen in die Luft – und in all dem vereinen wir uns unter dem Schweizer Kreuz und im gemeinsamen Bekenntnis zu unserem Land mit seinen vielfältigen Traditionen und Ausprägungen. Wenn es in einem Lied heisst: "Ich chume i mys Dörfli hei", dann denkt zwar jeder von uns an sein eigenes Dorf, die Gefühle aber, die wir dabei empfinden, sind bei allen gleich: Das starke, schöne Gefühl der Geborgenheit, der Verwurzelung, der Vertrautheit, des Daheimseins. Des Heimatgefühls eben. Dieses Heimatgefühl mag bei uns Schweizern besonders ausgeprägt sein. Während der Söldnerzeit sprach man vom Heimweh der Söldner als vom "Mal Suisse". Ja, ob wir von St. Moritz oder von Bülach oder eben sonst einem Ort sind – wir alle sind verbunden durch unsere gemeinsame Heimat, die Schweiz. Ich glaube, solche Zusammenkünfte wie dieses Jodlerfest werden immer wichtiger: Je mehr die hohe Politik von der Globalisierung schwärmt, je mehr uns das Heil in nicht fassbaren und nicht überschaubaren Organisationen versprochen wird, umso mehr sehnen sich die Menschen nach Halt, nach Tradition und Heimat – denn dort ist der Ort des Vertrauten und des Überschaubaren, des im wahrsten Sinne des Wortes Begreifbaren. Was wären wir ohne all die Vereine (ohne die vielen freiwilligen Helferinnen und Helfer) ohne die Volksfeste wie dieses heute? Was wären wir ohne Sängerinnen, Sänger, Jodlerinnen und Jodler, Alphornbläser und Fahnenschwinger? Arm wären wir! Wir wären Menschen in einer leeren, einsamen, grauen, eintönigen Welt. 3. Wo no i Freiheit gsunge wird Es gibt eine schöne Textzeile in einem Lied von Hans Täschler (aus "Sängertreu"). Sie lautet: "Wo no i Freiheit gsunge wird, da isch es glücklichs Land". Wer einmal ein Jodlerfest besucht hat und am Abend durch die verschiedenen Beizen marschiert ist, weiss, was Hans Täschler gemeint hat. Es wird zusammen gefeiert, zusammen gesungen, frei von der Leber – es gibt keine friedlicheren Feste als Jodlerfeste. Frei, frisch und fröhlich singen kann aber nur, wer unbeschwert ist, frei und offen seinen Gedanken und seinen Gefühlen freien Lauf lassen kann. "Wo no i Freiheit gsunge wird, da isch es glücklichs Land" – tragen wir Sorge zur Freiheit. Sie ist ein Geschenk unserer Vorfahren, aber wir müssen dieses Geschenk bewahren und auch verteidigen. Wir sind verantwortlich für diese Freiheit – jeder an seinem Platz, mit seinen Mitteln. Wo nötig müssen wir uns aber auch gemeinsam für unsere Freiheit wehren. Wie es im gleichen Lied "Sängertreu" von Hans Täschler heisst: "Wenn’s aber gilt, de stönd mer i, die Junge näb de Alte, und sind mer au a Zahl nur chli, in Treu wird zäme ghalte." Geniessen Sie die verbleibenden Stunden. Freuen Sie sich am Engadin, an den Alpen, an den Bergen, der Natur und tragen Sie weiterhin Sorge zu unserem Brauchtum. Damit wir auch in Zukunft in Freiheit feiern können.

23.06.2007

Das darf man nicht dramatisieren

"Bundesrat Blocher sieht in den zahlreichen Übernahmen von Schweizer Firmen kein Problem. Mit der Zürcher Kantonalbank geht er scharf ins Gericht, will sie aber nicht privatisieren." 23.06.2007, Tagesanzeiger, Anetta Bundi und Stefan Eiselin Ein Schweizer Industrieflaggschiff nach dem anderen gerät ins Fadenkreuz ausländischer Investoren. Stört Sie das? Nein, das darf man nicht dramatisieren. Finanzinvestoren übernehmen meistens unterbewertete Firmen. Es kann sein, dass diese oft schlecht geführt sind. Sie sind überzeugt, aus dem Unternehmen mehr machen zu können. Das muss weder für die Firma noch für die Angestellten ein Nachteil sein. Bei Oerlikon zum Beispiel kam das frühere Management kaum vorwärts. Unter der neuen Führung sind deutliche Fortschritte erkennbar, was hoffentlich dauerhaft ist. Missmanagement mag ein Grund für Übernahmen sein. Die neuen Investoren haben doch aber auch einfach unendlich viel Geld? In Russland und anderen aufstrebenden Ländern gibt es in der Tat viele Finanzgesellschaften, die durch Privatisierungen rasch unglaublich reich geworden sind und nun im Westen nach Anlagemöglichkeiten Ausschau halten. Diese Investoren können zweifellos auch hoch bewertete, teure Betriebe erwerben. Die Firmen gehören dann zwar zum Beispiel einem Russen, sind aber hier ansässig und müssen sich an unser Recht halten. Ich kann daran nichts Schlechtes erkennen. Schweizer Unternehmen wie Nestlé, Roche, Novartis, Swisscom oder Sulzer machen ja das Gleiche. Die Banken investieren ebenfalls weltweit. Bei den in der Schweiz laufenden Übernahmen ist oft nicht klar, welche Ziele die Investoren haben – ausser Kasse zu machen. Finanzinvestoren sind natürlich an einem möglichst hohen Wert der Firma und damit an einem hohen Gewinn interessiert. Raider wollen dies in kürzester Zeit, was in guten Börsenjahren oft zu leicht gelingt. Da sie den Gewinn aber nur realisieren können, wenn sie die Firma gut führen, darf man nicht den Teufel an die Wand malen. Problematisch wird es erst, wenn sie ein Unternehmen einzig erwerben, um sich die Konkurrenz vom Leib zu halten – und nach dem Kauf die Firma zerstückeln und Arbeitsplätze vernichten. Problemantisch ist auch, wenn sie sich nicht an die gesetzlichen Meldepflichten halten, was anscheinend vorkam. Wie zum Beispiel bei Sulzer. Das ist inakzeptabel. Es braucht nun aber nicht strengere Gesetze, sondern die Durchsetzung der bestehenden; die Börse, die Bankenkommission und das Finanzdepartement müssen fehlbare Akteure zur Rechenschaft ziehen. Die Investoren, die in die Schweiz kommen, weigern sich häufig, langfristig Verantwortung zu übernehmen. Enttäuscht? Das ist selbstverständlich nicht ideal. Es käme mir deshalb aber nie in den Sinn, die Gesetze zu verschärfen. Das würde bloss zu neuen Ungerechtigkeiten und Problemen führen. Der Markt wird das abstrafen. Sie haben in den Neunzigerjahren zweimal auch sehr kurzfristig angelegte Geschäfte gemacht. Ich war nie ein Investor, der eine Firma bloss erwirbt, um sie ein paar Monate später Gewinn bringend zu veräussern. Als Ems-Chemie-Chef sind Sie aber sowohl bei der Alusuisse als auch bei der Atisholz eingestiegen. Beide Unternehmen haben Sie nach kurzer Zeit wieder abgestossen. Atisholz habe ich gekauft, weil besorgte Leute mit diesem Wunsch an mich herangetreten sind. Sie befürchteten, dass die Firma durch einen Käufer sonst ausgehöhlt und kaputt gemacht worden wäre. Als ich bemerkte, dass die Produkte der Atisholz nicht zur Ems-Chemie passten, suchte ich für die Firma einen neuen industriellen Investor, was auch gelang. Und bei der Alusuisse-Lonza? Die Ems-Chemie Holding interessierte vor allem der Chemieteil – die Lonza. Da der Aluminiumteil seit Jahren von der Chemiesparte lebte und allein keine Zukunft hatte, entschloss man sich, die beiden Teile Alusuisse und Lonza zu trennen, um beiden die weitere Entwicklung zu ermöglichen. Alusuisse hatte allein keine Chance, darum musste sie mit einer anderen Firma, der kanadischen Alcan, zusammengehen. Lonza ist seither ein blühendes Unternehmen. Das sind Investitionen, die industriell Sinn ergeben. Bei der jetztigen Übernahmewelle mischt auffallend oft die Zürcher Kantonalbank mit. Passt das denn zu einer Staatsbank? Dass die Zürcher Kantonalbank mithilft, die Meldepflichten zu umgehen, wie dies im Fall Sulzer anscheinend passiert ist, ist inakzeptabel. Die ZKB hat inzwischen aber die Konsequenzen gezogen und das oberste Management ausgewechselt. Welche Lehren müssen sonst noch aus dem Fall gezogen werden? Von meinem Credo her stehe ich grundsätzlich dafür ein, die Kantonalbanken zu privatisieren. Schliesslich sind sie im freien Markt tätig. In Bezug auf die Zürcher Kantonalbank bin ich aber vorsichtig. Wenn man sie privatisiert, droht die Gefahr, dass sie rasch von einer Grossbank übernommen wird, die am Kreditgeschäft mit dem Gewerbe kein grosses Interesse hat. Dann wären wir wieder soweit wie vor 100 Jahren: Die Kantonalbanken wurden seinerzeit ja gegründet, um Handwerkern und kleineren Betrieben Kredite zu ermöglichen. Und wie steht es mit der Staatsgarantie? Diese sollte man im Sinne der Gleichbehandlung aller Banken abschaffen. Aber machen wir uns nichts vor: Wenn der Kanton Eigentümer bleibt und der Bank etwas passiert, wird der Staat – als Eigentümer – faktisch trotz allem haften müssen. Das ist bei den Grossbanken nicht anders –­ und selbst wenn es eine grosse Versicherungsgesellschaft "lupfen" würde, würde der Staat die Versicherten wohl kaum einfach im Stich lassen. Sie kämpfen seit Jahren gegen die Verfilzung von Politik und Wirtschaft. Sind diese beiden Bereiche immer noch zu fest verbandelt? Es ist auf jeden Fall besser geworden. Viele Firmen haben gemerkt, dass ihnen die "Sauhäfeli-Saudeckeli-Strategie" nichts bringt. Die CS hat zwar nach wie vor einen Beirat, in dem auch Politiker sitzen. Er wurde aber verkleinert. Und UBS-Chef Marcel Ospel sitzt meines Wissens bewusst in keinem anderen Verwaltungsrat. Dass jemand ein Mandat erhält, nur weil er das richtige Parteibuch hat, kommt immer weniger vor. Peter Spuhler ist bei der UBS denn auch nicht als Politiker, sondern als Industrieller gefragt. Beim Bund hat sich auch einiges getan: Den Gremien seiner Unternehmen dürfen keine Parlamentarier mehr angehören. Wollen Sie diese Betriebe privatisieren? Wir sollten alle Unternehmen des Bundes, die im Wettbewerb stehen, privatisieren. Bei der Swisscom erachte ich diesen Schritt nach wie vor für besonders dringlich. Sie braucht mehr Freiheit. Es kann doch nicht sein, dass der Bundesrat nebenbei unternehmerische Entscheide fällen muss. Da ist mir immer etwas «gschmuuch». Die Post ist zu privatisieren, sobald das Monopol vollständig fällt. Bei den SBB macht dieser Schritt indes keinen Sinn. Man kann nicht drei Eisenbahnlinien in Konkurrenz zwischen Zürich und Bern betreiben. Wo ein Monopol nötig ist oder nicht verhindert werden kann, ist mir ein staatliches lieber als ein privates. Staatliche Monopole unterstehen wenigstens der demokratischen Kontrolle. Sie haben mehrfach die Abschaffung des Wirtschaftsdepartements gefordert. Was stört Sie daran? Staatliche Wirtschaftspolitik neigt dazu, Geld zu verteilen und unnötigerweise in den Markt einzugreifen. Beides lähmt die Selbstverantwortung und die unternehmerische Initiative. Die im Rahmen der Wohnbauförderung, Regionalpolitik, Tourismusfinanzierung oder Exportförderung fliessenden Gelder werden von den Unternehmen natürlich nicht verschmäht. Jeder holt das Geld dort, wo er es bekommen kann. Das ist normal. Was dem einzelnen Unternehmen nützt, ist aber wirtschaftspolitisch noch nicht richtig. Ein Wirtschaftsdepartment zur Geldverteilung und Intervention in die freie Marktwirtschaft ist schädlich. Gefordert ist die Wirtschaftspolitik dort, wo es um den Abbau von Zöllen und anderen Handelshemmnissen geht. Darum kümmerte sich früher das Bundesamt für Aussenwirtschaft (BAWI). Wenn Sie den Zollabbau unterstützen, weshalb haben Sie vor einem Jahr den einen Freihandelsvertrag mit den USA bekämpft?  Der Verhandlungsspielraum war viel zu klein –­ nicht nur bei der Landwirtschaft. Im Patentrecht zeigten sich die Amerikaner zum Beispiel ebenfalls sehr unnachgiebig. Wir hätten voll zum amerikanischen System übergehen müssen. Da wir im europäischen System eingebunden sind, waren solche Zugeständnisse nicht möglich. Also hofft die Wirtschaft vergeblich auf einen neuen Anlauf? Keineswegs. Ein Freihandelsabkommen mit den USA wäre zweifellos wünschenswert. Ich habe ja schon vor zehn Jahren angeregt, mit den Amerikanern einen derartigen Vertrag abzuschliessen. Nun müssen wir aber warten, bis die amerikanischen Wahlen vorbei sind. Die USA können uns im Moment aus innenpolitischen Gründen keine Zugeständnisse machen. Nach den Wahlen ist der Verhandlungsspielraum wohl grösser. Das Thema wird uns in der nächsten Legislatur sicher beschäftigen. Dann werden wohl auch die Departemente neu verteilt. Was reizt Sie am meisten? Es geht nicht um meine eigenen Wünsche, sondern um eine wirksamere und homogenere Zusammensetzung der einzelnen Verwaltungseinheiten des Bundes. Alles, was mit den Infrastrukturen oder den Sozialversicherungen zu tun hat, ist sicher dornenreich und wichtig. Im Justiz- und Polizeidepartement, wo ich jetzt bin, könnte ich ebenfalls relevante Vorlagen fördern – beispielsweise die Modernisierung des Urheberechts, des Aktienrechts oder des Patentgesetzes. Das sichert und stärkt den Wirtschaftsstandortes Schweiz.