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18.10.2006
04.10.2006
Übernahme des Schweizerischen ZGB
Begrüssung von Bundesrat Christoph Blocher an der Eröffnung des Symposium anlässlich des 80-jährigen Inkrafttretens des türkischen Zivilgesetzbuches vom 4. Oktober 2006 an der Universität Ankara 04.10.2006, Ankara Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort. Anrede Schon früh in der Schule habe ich gelernt, dass die Türkei das Schweizerische Zivilgesetzbuch, das so genannte „ZGB“, übernommen hat. Ich habe das schnell und gerne gelernt, bevor ich wusste, was ein Zivilgesetzbuch überhaupt ist! Aber stolz waren wir Schüler auf jeden Fall, dass die mächtige Türkei von der kleinen Schweiz so etwas – wie uns schien - Wichtiges übernommen hatte. Es erfüllt mich auch heute mit Freude – sehr geehrter Herr Rektor, sehr geehrter Justizminister, Frau Dekanin, meine Damen und Herren – mit Ihnen den 80. Geburtstag der Übernahme des schweizerischen Zivilgesetzbuches an der Ankara-Universität feierlich begehen zu können. Als ich in den Vierzigerjahren des letzten Jahrhunderts den schweizerischen Bubenstolz spürte, wusste ich natürlich noch nicht, dass mir einmal diese hohe Ehre zufallen würde. Meinem türkischen Amtskollegen, Herrn Justizminister Cemil Cicek, danke ich für seine freundliche Einladung. Zuhanden der türkischen Regierung möchte ich Ihnen auch gleich die besten Grüsse und Glückwünsche des Schweizerischen Bundesrates übermitteln. In der Schweiz ist das Kollegium der 7 Bundesräte zugleich das „Staatsoberhaupt“. Über einen Premierminister oder Präsidenten verfügen wir nicht. Herr Rektor Professor Nusret Aras, ich danke Ihnen für das heute gewährte Gastrecht an der so wichtigen Ankara-Universität in der Geschichte der Türkischen Republik und auch Ihnen und Ihren geschätzten Kolleginnen und Kollegen, Frau Dekanin Lale Sirmen, gratuliere ich zur Initiative, in der Hauptstadt der Republik ein mehrtägiges Symposium durchzuführen. Dass eine solche Übernahme eines Gesetzbuches wie es die Türkei im Falle des schweizerischen Zivilgesetzbuches vollzogen hat, auch eine ganz andere Bedeutung haben kann, sehen Sie aus folgender kleiner Gegebenheit: Als ich als junger juristischer Mitarbeiter desjenigen Unternehmens, das ich dann später erwarb, einmal eine Anfrage eines türkischen Unternehmers für den Bau einer Fabrikanlage in der Türkei entgegennehmen musste, fragte ich den Gründungspräsidenten unserer Firma, ob wir diesen Auftrag in der fernen Türkei ausführen sollten, obwohl uns die Türkei doch etwas fremd sei. Andere Länder, andere Sitten würden dort gelten. Der Präsident antwortete kurz: „Die Türken sind rechte Leute, sie haben schliesslich das schweizerische Zivilgesetzbuch übernommen. Da werden sie auch gute Geschäftsleute sein!“ Darauf haben wir das Geschäft abgeschlossen und daraus entwickelte sich eine langjährige gute Geschäftsbeziehung, die von grossem gegenseitigem Vertrauen geprägt war, bis auf den heutigen Tag. Mittlerweile haben sich aus dieser geschäftlichen Bekanntschaft verschiedene Projekte in der ganzen Türkei entwickelt z.B. in Izmit, in Bursa und in Adapazari, um nur einige Beispiele zu nennen. Dieses Beispiel zeigt, dass sich hier nicht nur geschäftliche Beziehungen aufgetan, sondern auch langjährige menschliche Kontakte ergeben haben. So ist es kein Zufall, dass eine grössere Zahl namhafter schweizerischer Rechtsprofessoren, aus drei verschiedenen Universitätsstädten der Schweiz (Bern, Freiburg, Lausanne), als Mitwirkende angereist sind, u.a. mit Herrn Prof. Eugen Bucher einer meiner ehemaligen Professoren, was mich beeindruckt. Meine Landsleute sind der lebendige Beweis für die nach 1923 eingesetzten Fach-Kontakte, aber auch wiederum vor allem Ausdruck freundschaftlicher Verbindungen. Wenn wir die letzten 80 Jahre betrachten, stossen wir auf Schlüsselorte mit besonderem Geschehen: So zum Beispiel * „Genf“ - dieser Name ist eng verbunden mit den Jungtürken, – rund 22 osmanische Oppositionszeitungen wurden dort gedruckt; * Der 1923 geschlossene Friedensvertrag von „Lausanne“ gilt noch heute als eigentliche Geburtsurkunde der Republik Türkei, und ist so zu sagen das türkische Pendant zu unserem Freiheitsbrief von 1291; * Mit den „Montreux-Verträgen“ von 1936 erreichte die Türkei die volle Souveränität über die Dardanellen, das Marmarameer und den Bosporus; * In „Zürich“ fand 1960 die Aushandlung der Zypern-Verträge statt; * 1988 war es „Davos“, das als Forum für die türkisch-griechische Annäherung und die so genannte „Davos Declaration“ Pate stand. * Auf dem „Bürgenstock“ hat im Jahre 2004 die letzte Runde der Zyperngespräche stattgefunden. Aber auch auf anderen Gebieten haben sich die Beziehungen zwischen der Schweiz und der Türkei in vielfältiger Art und Weise, geprägt von gegenseitigem Respekt und Wohlwollen, entwickelt. So zum Beispiel: * die Übernahme des “ZGB“ von 1926, deshalb sind wir jetzt hier! * die türkisch-schweizerischen Juristentage, die dank Ihnen seit Jahren in der Türkei oder der Schweiz durchgeführt werden; * die „türkische Migros“, deren Gründung nach dem Besuch von Gottfried Duttweiler, Vater der Migros, und schweizerisches Urgestein, im Jahre 1954 erfolgte; * die türkischen Studenten und Doktoranden in der Schweiz sowie ihre Dissertationen: die Schweiz wies bis etwa 1970 die höchste Pro-Kopf Zahl an türkischen Dissertationen in Europa auf; vor allem die Universitäten Genf, Lausanne, Freiburg und Neuchâtel waren beliebt. – Auch Frau Dekanin Lale Sirmen hat ein Jahr in der Schweiz, genauer an der Universität Zürich, verbracht. Das gigantische Unternehmen das Rechtswesen der Türkei, ja die ganze Gesellschaft, von Grund auf neu zu konstruieren, war 1926 ein historisch gesehen einzigartiges Grossexperiment, das unsere volle Bewunderung und Anerkennung verdient. Dass die Schweiz einen Mosaikstein dabei mit dem Schweizerischen Zivilgesetzbuch und dem Obligationenrecht hat beisteuern dürfen, erfüllt uns mit Stolz. Der Umstand, dass der erste türkische Justizminister, Mahmud Esad Bozkurt, in der Schweiz, genauer gesagt in Lausanne und Freiburg, studiert hat, hat die Übernahme des schweizerischen ZGB beschleunigt. Er äusserte sich zu dieser gigantischen Aufgabe damals folgendermassen: Quote: …„Man muss eine ganz neue türkische Justizorganisation mit neuem Rechtssystem, neuen Gesetzen und neuen Gerichten ins Leben rufen. Welchen Charakter könnte und würde diese Justizorganisation haben, der sich auch die Ausländer unterwerfen müssten? Die Antwort können wir mit einem Worte geben: <weltlich>…“ Professor Ernst Hirsch hat anlässlich des 50-jährigen Jubiläums des schweizerischen Juristenvereins diese Aussage in einem Artikel zitiert. Der Mut der Gründerväter der Türkei, allen voran von Kemal Atatürk, die Reste des osmanischen Reiches in eine moderne Republik umzuwandeln, ist auch heute noch beeindruckend. Herr Justizminister, Herr Rektor, Frau Dekanin, Meine Damen und Herren Wir freuen uns heute mit Ihnen, dass die „türkische Geburtsurkunde“ in Lausanne verhandelt wurde und dass Sie das „ZGB“ übernommen haben. Sie haben mit dem ZGB ein von einem Mann namens Eugen Huber in grosser Bescheidenheit geschriebenes Gesetzeswerk übernommen. Das erfüllt uns mit Stolz und Demut und ist ein starkes Band zwischen unseren Ländern. Ich wünsche Ihnen ein interessantes juristisches, aber auch ein menschen-verbindendes Forum. Ich würdige den Mut Ihrer Gründerväter, die in grosser Verantwortung den Fortschritt mit Bewährtem in eine lebensfähige und zukunftsgerichtete Synthese gossen. Ich danke Ihnen bestens für Ihr Engagement.
21.09.2006
Meinungs- und Sprachenvielfalt fördern die Verantwortung
Referat von Bundesrat Christoph Blocher an der Jubiläumsfeier 10 Jahre "La Quotidiana" vom 21. September 2006 in Flims 21.09.2006, Flims Flims. Bundesrat Christoph Blocher drückt in seinem Referat seine Freude über das 10-jährige Bestehen der ersten eigenständigen rätoromanischen Tageszeitung aus und tritt für die Meinungsäusserungsfreiheit, sowie die Presse- und Sprachenvielfalt ein. Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen. Geschätzte Damen und Herren Wohl niemand von den hier Anwesenden hätte vor 10 Jahren daran gedacht, dass ich heute zu Ihnen am 10-Jahres-Jubiläum der Quotidiana sprechen würde. - Aber so läuft das Leben! 1. Das Dreititelkonzept Aber etwas anderes habe ich schon vor zehn Jahren geglaubt – auch wenn verschiedene Bündner dies damals für ausgeschlossen hielten – nämlich, dass das "Bündner Tagblatt", das ich damals aus den Händen geben hatte, auch nach 10 Jahren noch existieren wird. Hätte ich nicht daran geglaubt, so hätte ich der Übertragung an das damalige Verlagshaus Gasser, der heutigen Südostschweiz Mediengruppe, wohl nie zugestimmt. Dass Sie heute mit dem neuen Klartext-Buch nicht nur das zehnjährige Funktionieren des Zweititelsystems "Bündner Tagblatt"/"Die Südostschweiz" feiern können, sondern auch noch das 10-jährige Bestehen der ersten eigenständigen rätoromanischen Tageszeitung, freut mich nicht nur politisch, sondern von Herzen. So hat dieser bevölkerungsmässig kleine, aber flächenmässig grösste Kanton Graubünden drei verschiedene Tageszeitungen. Das ist ein Angebot, dessen Wert man nicht hoch genug einschätzen kann. 2. Rettung des Bündner Tagblattes Als ich mich vor 20 Jahren entschloss, das damals bereits tot gesagte "Bündner Tagblatt" zu retten, herrschte in Graubünden nicht nur Freude. Die Linke befürchtete, ich wolle den ganzen Kanton bekehren und das "Bündner Tagblatt" als Plattform für mich allein beanspruchen. Als ob ich eine solche Plattform in Graubünden nötig gehabt hätte. Und der damalige Verlag Gasser sah darin eine ungerechtfertigte Konkurrenz durch einen Zeitungstitel, der aus wirtschaftlichen Gründen damals hätte sterben müssen. Unrecht hatte die damalige Bündner Zeitung eigentlich nicht. Doch das "Tagblatt" rettete ich allein deshalb, weil mir erstens dieser Kanton und zweitens die Meinungsvielfalt in diesem Kanton am Herzen lag und liegt. 3. Meinungsäusserungs- und Pressefreiheit Die Meinungsäusserungs- und die Pressefreiheit sind für das Zusammenleben von Menschen in einer Gesellschaft von grosser Bedeutung. Nur so kann sich jeder einzelne Mensch entsprechend seiner inneren Überzeugung entfalten. Meinungen zu unterbinden, indem beispielsweise den Medien von aussen oder von innen Fesseln angelegt werden, das darf es in einem liberalen Staat nicht geben. Dass allerdings Tatsachen in den Medien falsch, ungenau, verdreht oder unvollständig wieder gegeben werden, ist zwar ärgerlich, besonders wenn es aus Kalkül, aus Bosheit und mit Absicht geschieht. 4. Wider die Einheit Aber noch schlimmer wird es dann, wenn sich die Herrschenden und die Meinungsmacher, also die Politiker und Journalisten, auf eine einzige Meinung verständigen und jeden, der nur schon ein bisschen von dieser Doktrin abweicht, gleich auf den medialen Scheiterhaufen führen. Das ist auch dann verwerflich, wenn es in so genannt „guter Absicht“ geschieht. Denn was heisst gut? Soll das die Macht bestimmen? Leicht wird die einheitliche Darstellung der herrschenden Zustände zur Lüge, auf die sich alle geeinigt haben. Das beste Mittel gegen solche Verhältnisse liegt jedoch nicht bei staatlicher Einflussnahme, sondern in der Gewährleistung redaktioneller Vielfalt. Natürlich wäre es wünschenswert, wenn hinter den Redaktionen auch von einander unabhängige Verlage stünden. Nur ist das in Graubünden wirtschaftlich leider nicht möglich. Darum musste mit dem Dreititelkonzept – d.h. Unabhängigkeit der Redaktion und Gemeinsamkeit in Herstellung und Vertrieb – der zweitbeste Weg gewählt werden. 5. Einzige Lösung: Meinungsvielfalt Die Pressevielfalt kann wesentlich dazu beitragen, dass die Wahrheit ans Tageslicht kommt oder dass wirklich beide Seiten einer Medaille gezeigt werden. Ich sage bewusst "kann", denn die gegenseitige "Kontrolle" funktioniert eher selten und in vielen wesentlichen Fragen herrscht trotz Vielfalt der Titel leider ein grosser Einheitsbrei vor. Hier wünschte ich mir eine viel grössere Vielfalt. Denn je mehr Meinungen vorhanden sind, desto mehr wird in der Öffentlichkeit ein Thema diskutiert. Fakten werden ausgebreitet, Argumente pro und contra werden genauestens unter die Lupe genommen und abgewogen. Damit Sie mich klar verstehen: Ich erwarte nicht, dass die Medien eine bestimmte Meinung übernehmen. Ich bedaure einzig, dass die Pressevielfalt, die wir in der Schweiz glücklicherweise haben, nicht auch zu einer Meinungsvielfalt führt. Was nützt uns die Pressefreiheit, wenn doch keine Konkurrenz der Meinungen stattfindet? In Graubünden ist die Situation glücklicherweise nicht so schlimm wie auf nationaler Ebene. Aber ich denke, auch in Graubünden, wo ja mit drei Tageszeitungen nach wie vor gute Voraussetzungen bestehen, könnte die Meinungsvielfalt noch grösser sein. 6. Zur Meinungsvielfalt gehört auch die Sprachenvielfalt Wer die Meinungsfreiheit bejaht, muss auch die Sprachenfreiheit bejahen. Das eine ist ohne das andere nicht möglich. Denn nur wenn sich jeder in der Sprache äussern kann, die er am besten beherrscht, ist er in seiner Meinungsäusserung wirklich frei. Dass die kleine Schweiz noch immer vier Landessprachen kennt, ist alles andere als selbstverständlich. Schauen wir nur die sprachliche Entwicklung Europas in den letzten 100 bis 200 Jahren an. Sprachlich wurde Europa in dieser Zeitspanne immer eintöniger. Praktisch überall, wo sprachliche Minderheiten lebten, waren sie einem Homogenisierungsdruck durch das so genannte Mehrheitsvolk ausgesetzt. Die meisten europäischen Regierungen empfanden die Mehrsprachigkeit lange Zeit als Störung der nationalen Harmonie. In der Schweiz konnte sich die kleinste Landessprache nicht zuletzt auch deshalb behaupten, weil ein solcher Druck zumindest nicht von offizieller Seite kam. Im Gegenteil: Die Viersprachigkeit und damit insbesondere auch das Rätoromanische wurde früh zum Wesensmerkmal der Schweiz, das man nicht einfach hergeben möchte. Letztlich war es der föderalistische Staatsaufbau, dank dem die Mehrsprachigkeit der Schweiz erhalten blieb. Wäre die Schweiz ein zentralistischer Einheitsstaat geworden, würden wir heute wohl nur noch Deutsch oder allenfalls Französisch als Landessprache kennen. 7. La Quotidiana Das Rätoromanische aber ist ein wichtiges Stück unserer Kultur, und dies hat zuletzt auch zur „La Quotidiana“ geführt. Sie hat sich in den letzten zehn Jahren zu einem nicht unbedeutenden Sprachrohr der Rumantschia entwickelt und will mit ihren verschiedenen Plattformen sowohl die Meinungs- als auch die Sprachenvielfalt leben! Aber: Das Rätoromanische muss sich im Alltag bewähren. Eine Tageszeitung, die spannende Themen aufgreift und für ein breites Meinungsspektrum sorgt, ist dafür am besten geeignet. So hoffe ich für die Rumantschia, dass "La Quotidiana" mit starken Themen einen Beitrag leisten kann, um diese Sprache nicht nur am Leben zu erhalten, sondern als Sprache der Meinungen überleben zu lassen!
19.09.2006
Neues Ausländer- und Asylgesetz
Referat von Bundesrat Christoph Blocher vom 19. September 2006 in Biel/BE 19.09.2006, Biel Biel. In seinem Referat zum neuen Ausländer- und Asylgesetz sprach Bundesrat Christoph Blocher über die Ziele der beiden Vorlagen. Während mit beiden Gesetzen Missbräuche verhindert werden sollten, solle mit dem Ausländergesetz auch die Integration gefördert und mit dem Asylgesetz die humanitäre Tradition der Schweiz gewahrt werden. 1. Einleitung Es ist eine Tatsache, dass die Asyl- und Ausländerpolitik die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes stark beschäftigt. Die Schweiz hat heute in Europa mit 21,8 Prozent einen der höchsten Ausländeranteile überhaupt. Im Grossen und Ganzen funktioniert das Zusammenleben der einheimischen und der ausländischen Bevölkerung. Im Verlaufe der letzten Jahre haben sich jedoch Probleme gezeigt, die sowohl im Asyl- wie im Ausländerrecht zu lösen sind. Zudem haben sich die ausländerpolitischen Rahmenbedingungen mit der Einführung der Personenfreizügigkeit gegenüber den EU-Staaten grundsätzlich verändert. 2. Ziele des neuen Ausländergesetzes: Bessere Integration, weniger Missbrauch Das neue Ausländergesetz ist notwendig, damit die Schweiz die erforderlichen Arbeitskräfte erhält, ohne dass Arbeitslosigkeit entsteht und ohne dass die Sozialwerke unverhältnismässig belastet werden. Es gilt, die bestehenden Probleme, die unbestritten vorhanden sind, zu lösen: * Die Integration bedeutender Teile der ausländischen Wohnbevölkerung ist ungenügend. * Die Arbeitslosigkeit unter den Ausländerinnen und Ausländern ist mit 5.5 Prozent (Stand Juli 2006) deutlich höher als bei Schweizerinnen und Schweizern (2.4 %). * Besonders problematisch ist die Arbeitslosigkeit bei ausländischen Jugendlichen. Bei den ausländischen Jugendlichen betrug die Erwerbslosenquote im Jahr 2005 16.7 % und war mehr als 2.5 Mal so hoch wie diejenige der Schweizer Jugendlichen. * Die Straffälligkeit von Ausländern ist nach wie vor hoch. Gemäss der Polizeilichen Kriminalstatistik waren 52.8 % der Tatverdächtigen ausländische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger. Von diesen hatten 78.5 % Wohnsitz in der Schweiz. * Ein weiteres Problem ist die hohe Anzahl der IV-Bezüger unter den ausländischen Personen. Gemäss Bundesamt für Sozialversicherungen gab es (Stand Januar 2006, ohne Zusatzrenten für Ehegatten und Kinder) total 290'000 Rentenbezügerinnen und Rentenbezüger, davon 101'000 ausländische Personen (rund 35 %). * Im Weiteren fällt auf, dass die Sozialhilfestatistik des Jahres 2004 zeigt, dass 5.8 % der ausländischen Bevölkerung auf Sozialhilfe angewiesen ist. Bei den Schweizerinnen und Schweizern sind es 1.9 %. Die Hauptgründe für diese Probleme sind: * Schlecht qualifizierte ehemalige Saisonniers aufgrund der schweizerischen Rekrutierungspolitik v. a. in den 70er Jahren * Schlecht integrierte ausländische Jugendliche mit schulischen Schwierigkeiten, insbesondere wegen mangelhafter Sprachkenntnisse * Zu viele illegal anwesende Personen Das neue Ausländergesetz bekämpft diese Probleme: * Für Personen von ausserhalb der EU und der EFTA wird die Zulassung zum schweizerischen Arbeitsmarkt beschränkt und auf beruflich besonders qualifizierte Arbeitskräfte konzentriert. Stünde der schweizerische Arbeitsmarkt der ganzen Welt offen, wären hohe Arbeitslosigkeit und kaum verkraftbare Belastungen der Sozialwerke die Folgen. * Die Integration von Ausländerinnen und Ausländern wird verbessert, zum Beispiel durch eine möglichst frühe Einschulung ausländischer Kinder. * Berufs-, Stellen- und Kantonswechsel von Ausländerinnen und Ausländern werden vereinfacht, was den Zugang zur Erwerbstätigkeit erleichtert und viele bürokratische Hindernisse abbaut. * Die Massnahmen gegen Missbräuche wie Schleppertätigkeit, Schwarzarbeit und Scheinehen werden verstärkt. Freizügigkeitsabkommen und Ausländergesetz Das Freizügigkeitsabkommen mit der EU und der EFTA regelt den Personenverkehr mit diesen Staaten umfassend; nach einer Übergangsfrist ist hier eine uneingeschränkte Rekrutierung von Arbeitskräften möglich. Das neue Ausländergesetz gilt daher nur noch für Personen aus Staaten, mit denen kein Freizügigkeitsabkommen besteht. Personen ausserhalb der EU/EFTA - also Staaten wie zum Beispiel den USA, Indien oder China - können im Rahmen von Kontingenten nur dann zugelassen werden, wenn: * Sie beruflich besonders qualifiziert sind * Der Bedarf nach ihrer Arbeitskraft gegeben ist * Weder ein Schweizer noch ein EU/EFTA-Angehöriger dafür zu finden sind * Und ihnen die orts- und berufsüblichen Lohn- und Arbeitsbedingungen gewährt werden. Diese besonders qualifizierten ausländischen Personen erhalten eine verlängerbare Aufenthaltsbewilligung oder eine befristete Kurzaufenthaltsbewilligung. Jahresaufenthalter und neu auch Kurzaufenthalter können die Familie nachziehen. Auch der Ehepartner hat die Möglichkeit, in der Schweiz zu arbeiten. Bei einer guten Integration kann die Niederlassungsbewilligung bereits nach fünf Jahren erteilt werden. Sie gewährt eine gute Rechtsstellung in der Schweiz, die mit dem Freizügigkeitsabkommen vergleichbar ist. 3. Asylgesetz Ziel der Teilrevision des Asylgesetzes ist: Die humanitäre Tradition der Schweiz wahren – und Missbräuche verhindern. Ende Juni 2006 befanden sich über 46'000 Personen im Asylbereich. Davon sind rund 25'000 Personen vorläufig aufgenommen. 9'300 Personen sind im Vollzug und müssen die Schweiz verlassen. Für über 6'300 von ihnen müssen zuerst Papiere beschafft werden. Wo liegen heute die Probleme im Asylbereich? * Eine Mehrheit der Asylsuchenden kann keine Gründe vorbringen, die zur Gewährung von Asyl führen. Im Jahr 2005 waren dies rund 86 Prozent. * Eine Mehrheit der Asylsuchenden, im Jahre 2005 waren es 73.5 %, gibt keine amtlichen Identitätspapiere (Pass oder Identitätskarte) ab. Erhalten diese Personen einen negativen Asylentscheid und müssen die Schweiz verlassen, so können sie mangels gültiger Reisedokumente nicht in den Herkunftsstaat zurück gebracht werden. Sie erzwingen so den Aufenthalt in der Schweiz. * Mit den heute bestehenden Zwangsmitteln ist es schwierig, ausreisepflichtige Asylsuchende zur Zusammenarbeit und zum Vorlegen von vollzugstauglichen Ausreisepapieren zu bewegen. * Die Kantone beklagen sich immer wieder, dass Personen die Ausschaffungshaft in Kauf nehmen, weil sie wissen, dass sie nach spätestens 9 Monaten wieder frei gelassen werden müssen. * Zahlreiche Asylsuchende nutzen die zur Verfügung stehenden Rechtsmittel auch in offensichtlich hoffnungslosen Fällen. Wir brauchen das revidierte Asylgesetz, damit die bestehenden Probleme, vor allem im Vollzugsbereich, gelöst werden können. Zum Seitenanfang Zum Seitenanfang Verbesserungen sind bei denjenigen Personengruppen vorgesehen, die voraussichtlich für eine längere Zeit oder für immer in der Schweiz bleiben werden. Diese müssen besser integriert werden: * Vorläufig aufgenommene Menschen sollen einen erleichterten Zugang zur Erwerbstätigkeit erhalten, ihre Familien nach drei Jahren nachziehen sowie von Integrationsmassnahmen profitieren können. * Im Zusammenhang mit der Neuregelung der vorläufigen Aufnahme wird auch eine neue Härtefallregelung für den Asylbereich vorgesehen. So können die Kantone mit Zustimmung des Bundesamtes für Migration, unabhängig des Verfahrensstandes, einer gut integrierten Person eine Aufenthaltsbewilligung erteilen. Neben diesen wichtigen Integrationsmassnahmen müssen wir Missbräuche gezielt bekämpfen: * Denn zu viele Asylsuchende vernichten ihre Papiere, verschleiern ihre Identität und machen falsche Angaben, so dass ein geordnetes Asylverfahren schwer durchzuführen ist. Zu lange dauernde Asylverfahren, hohe Kosten und langer rechtswidriger Aufenthalt von abgewiesenen Asylsuchenden sind Folgen, die wir nicht länger verantworten können. Das neue Gesetz sieht deshalb vor, Asylsuchende, die keine Identitätspapiere abgeben, in einem beschleunigten Verfahren (Nichteintretensentscheid) abzuweisen, ausser sie können * glaubhaft erklären, warum sie keine Papiere haben, oder * wenn es offensichtlich Flüchtlinge sind, oder * wenn zusätzliche Abklärungen notwendig sind. Somit entfällt der Anreiz, vorhandene Ausweispapiere zu vernichten und nicht mit den Behörden zusammen zu arbeiten. * Viele abgewiesene Personen, die das Land verlassen müssen, reisen nicht aus. Durch die Ausrichtung grosszügiger Sozialhilfe an Personen, welche sich trotz eines negativen Asylentscheides rechtswidrig in der Schweiz aufhalten, entstehen der Allgemeinheit hohe Kosten. Die Ausrichtung von Sozialhilfe gibt Asylsuchenden zudem einen Anreiz, illegal in die Schweiz einzureisen, sich illegal hier aufzuhalten und das Asylrecht zu missbrauchen. Deshalb soll – wie dies bereits seit über zwei Jahren mit guten Erfahrungen bei Nichteintretensentscheiden gemacht wird – auch bei abgewiesenen Asylsuchenden bei Bedarf nur eine Nothilfe ausgerichtet werden. Damit wird die humanitäre Tradition unseres Landes gewahrt, aber die Schweiz ist für den Missbrauch im Asylbereich weniger attraktiv. * Den Kantonen soll ermöglicht werden, für renitente, illegal anwesende ausländische Personen die notwendigen Zwangsmassnahmen anzuwenden, z. B. die Verlängerung der Ausschaffungshaft von 9 auf 18 Monate und die Einführung der Durchsetzungshaft bis zu maximal 18 Monate. Allerdings setzt dies eine periodische Überprüfung durch den Richter voraus. 4. Schlusswort Meine Damen und Herren, das neue Ausländer- und Asylgesetz wahren die humanitäre Tradition der Schweiz und verhindern Missbräuche. Das neue Ausländergesetz ist notwendig, damit die Schweiz die erforderlichen Arbeitskräfte erhält, ohne dass Arbeitslosigkeit entsteht und die Sozialwerke in einer Art und Weise belastet werden, die wir nicht mehr verantworten können. Mit dem neuen Asylgesetz wird durch gezielte Massnahmen gegen Missbräuche verfolgten Menschen Schutz garantiert. Die Schweiz wird für illegale Einwanderer, Schlepper, Schwarzarbeiter und Kriminelle weniger attraktiv. Mit diesen beiden Revisionen wird auch dem Willen des Volkes Rechnung getragen, eine Gesetzgebung zu schaffen, die der tatsächlichen Situation im Asyl- und Ausländerbereich Rechnung trägt und die wahren Probleme dieses Landes wirksam angeht. Die humanitäre Tradition der Schweiz wollen und werden wir weiterhin wahren: Personen die auf den Schutz der Schweiz angewiesen sind, werden diesen nach wie vor vollumfänglich erhalten. Die im revidierten Asylgesetz vorgeschlagenen Neuerungen sind verfassungsmässig und völkerrechtskonform. Meine Damen und Herren, nur wenn es uns gelingt, Missbräuche so weit wie möglich zu verhindern, werden wir auch in Zukunft auf die Unterstützung der Bevölkerung für tatsächlich Verfolgte zählen können. Ich fordere Sie deshalb auf, am 24. September zweimal Ja zu stimmen; Ja zum neuen Ausländergesetz und Ja zum angepassten Asylgesetz.
15.09.2006