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Mandat de Conseiller Fédérale
16.01.2007
12.01.2007
Mit gespanntem Auge…
Referat von Bundesrat Christoph Blocher anlässlich der Einweihungsfeier des Bundesverwaltungsgerichts, am 12. Januar 2007, in Bern 12.01.2007, Bern Bern. An der Einweihungsfeier des Bundesverwaltungsgerichts würdigte Bundesrat Christoph Blocher die grosse Aufgabe, die dem neuen Gericht bevorstehe. Gute Gerichte seien ein wesentliches Element der für die Bürgerinnen und Bürger sowie für die Unternehmen notwendigen institutionellen Rahmenbedingungen. Unparteilichkeit, Bezug zum Leben, speditives Handeln seien für das Vertrauen von grosser Bedeutung. Herr Präsident des Bundesgerichts, Herr Präsident des Bundesverwaltungsgerichts, Herr Präsident des Bundesstrafgerichts, Sehr geehrte Richterinnen und Richter, Sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der parlamentarischen Kommissionen sowie der Kantone Bern und St. Gallen, Frau Regierungsrätin, Meine sehr verehrten Damen und Herren Vor genau 132 Jahren, am 12. Januar 1875, hat sich der damalige Bundesgerichtspräsident Blumer mit den folgenden Worten an die Mitglieder des neuen Bundesgerichts in Lausanne gewandt: "Das Schweizervolk blickt mit gespanntem Auge auf (Ihre) bevorstehenden Entscheidungen hin; es erwartet von (Ihnen), dass (Sie) in unbefangener und objektiver Weise Verfassung und Gesetze in ihrem wahren Sinne und Geiste handhaben und, unbeirrt durch politische, religiöse oder soziale Parteiungen, einfach Recht sprechen." Der 12. Januar 1875 galt der Einweihung des Bundesgerichts. Der 12. Januar 2007 gilt der Einweihung des Bundesverwaltungsgerichts. Es ist das erste eigenständige Verwaltungsgericht des Bundes mit einer umfassenden Zuständigkeit für verwaltungsrechtliche Streitigkeiten. Mit seinen rund 330 Mitarbeitenden ist das Bundesverwaltungsgericht das grösste Gericht auf Bundesebene. * Im Wesentlichen überprüft das Bundesverwaltungsgericht Verfügungen von Verwaltungsstellen des Bundes. Es tritt damit an die Stelle der bisherigen eidgenössischen Rekurskommissionen und Beschwerdedienste der Departemente. Das Bundesverwaltungsgericht schützt die Bürger vor der Willkür des Staates; * denn mit der Schaffung des Bundesverwaltungsgerichts erhalten die Bürger und Bürgerinnen das Recht, Rechtsstreitigkeiten mit der Verwaltung vor ein verwaltungsunabhängiges und unparteiisches Gericht zu tragen. * Das Bundesverwaltungsgericht ersetzt aber nicht nur die bisher zur Verwaltung gehörenden Rekurs- und Beschwerdeinstanzen, sondern soll auch das Bundesgericht entlasten. Als Vorinstanz des Bundesgerichts übernimmt das neue Gericht eine vollständige Rechts- und Sachverhaltsprüfung. Das Bundesgericht kann sich somit auf eine Prüfung der Rechtsfragen beschränken. * Und schliesslich entlastet das Bundesverwaltungsgericht auch den Bundesrat von Justizaufgaben. Der Bundesrat soll nur noch dort entscheiden, wo es um überwiegend politische Fragen geht. Die Justizreform Das Volk hat im März 2000 Ja gesagt zu einer grundlegenden Neugestaltung des schweizerischen Justizsystems. Das Ziel dieser Reform besteht darin, * den Rechtsschutz zu verbessern, * das Bundesgericht funktionsfähig zu erhalten * und die Grundlagen für ein einheitlicheres schweizerisches Prozessrecht zu schaffen. Totalrevision der Bundesrechtspflege Ein Teil der Justizreform, nämlich die Totalrevision der Bundesrechtspflege ist mit dem Inkrafttreten des Bundesgerichts- und des Verwaltungsgerichtsgesetzes auf den 1. Januar dieses Jahres abgeschlossen. Bereits vor zweieinhalb Jahren konnte in Bellinzona die Einweihung des Bundesstrafgerichts gefeiert werden. Seit Anfang dieses Jahres präsentiert sich auch das Bundesgericht in Lausanne in einem neuen Kleid. Durch die Integration des Eidgenössischen Versicherungsgerichts in Luzern hat es einen zusätzlichen Standort in der Innerschweiz erhalten. Mit dem Umzug des Bundesverwaltungsgerichts nach St. Gallen in rund vier Jahren wird dann das Gleichgewicht in der Gerichtslandschaft des Bundes hergestellt sein. Dadurch wird auch räumlich die nötige Distanz zur Regierung und zum Parlament in Bern geschaffen werden. Vereinheitlichung des Prozessrechtes Auf Kurs ist zudem die Vereinheitlichung des Straf- und Zivilprozessrechts: * Der Ständerat hat in der Wintersession 2006 den Entwurf zu einer Schweizerischen Strafprozessordnung verabschiedet. Ziel ist es, diese bis Ende Legislatur zu Ende zu beraten und auf 2010 in Kraft zu setzen. * Der Bundesrat hat im Juni letzten Jahres zudem die Botschaft zum Schweizerischen Zivilprozessrecht verabschiedet. Ziel ist, diese bis Ende Legislatur im Erstrat zu verabschieden, so dass diese ebenfalls 2010 in Kraft treten könnte. Grosse Aufgabe Geschätzte Gerichtsleitung, verehrte Richterinnen und Richter, liebe Mitarbeitende des neuen Gerichts, Ihnen steht eine grosse Aufgabe bevor. Sie tragen viel Verantwortung. * Es warten über 10'000 Fälle pro Jahr auf Sie. Ferner gilt es, über 30 verschiedene Rechtskulturen zusammenzuführen und effiziente Arbeitsabläufe zu schaffen. Sie sind aufgerufen, die bisherigen Gärten und Gärtchen hinter sich zu lassen und zum Erfolg des Ganzen Ihren Teil beizutragen. * Ein Gericht, das qualitativ hoch stehende Urteile fällt und Verfahren nicht verschleppt, geniesst bei den Bürgerinnen und Bürgern, in der Gesellschaft und in der Wirtschaft hohes Ansehen und Vertrauen. Sie sind dafür gewählt worden, ein solches Vertrauen zu gewährleisten. * Das Verwaltungsrecht stellt an die Lebenserfahrung der Verwaltungsrichterinnen und Verwaltungsrichter und ihre Fähigkeiten zur Erkennung und Würdigung praktischer Lebensverhältnisse sehr hohe Anforderungen. Ich wünsche Ihnen bei Ihrer Aufgabe den nötigen Sachverstand. * In etwa der Hälfte der Fälle entscheiden sie gar als einzige und letzte Gerichtsinstanz. Dies betrifft beispielsweise das Asylwesen. Hier ist die Verantwortung besonders gross, weil die Präjudizwirkung sehr wohl bedacht sein will. Vertrauen in die Gerichte erhöht die Verlässlichkeit der Rechts- und Geschäftsbeziehungen. Gute Gerichte sind ein wesentliches Element der für die Bürgerinnen und Bürger sowie für die Unternehmen notwendigen institutionellen Rahmenbedingungen. Unparteilichkeit, Bezug zum Leben, speditives Handeln sind für das Vertrauen von grosser Bedeutung. Verantwortung für die Gerichte heisst aber auch, demokratische Entscheide anzunehmen. Ein wichtiger Testfall für das Verhältnis der Gewalten wird beim Bundesverwaltungsgericht die Frage sein, wieweit es bei der Prüfung der Angemessenheit gehen wird. Die Angemessenheitsprüfung stellt eine schwierige Aufgabe, ja eine Gratwanderung dar. Nimmt das Bundesverwaltungsgericht diese Kompetenz allzu zurückhaltend wahr, muss es sich den Vorwurf der Rechtsverweigerung gefallen lassen. Interpretiert es hingegen seine Überprüfungsbefugnis zu weit, riskiert es, selber Politik zu betreiben. Viele Fragen sind heute noch offen. Die besorgten Bürger fragen: * Werden sich der Rechtsschutz und die Rahmenbedingungen für Private und auch für wirtschaftliche Unternehmen verbessern? * Funktioniert das Justizsystem auf Bundesebene effizienter? * Wird staatliches Handeln schwieriger werden? * Wird gar der Leviathan gefesselt? * Soll etwa gelten "Fiat Justitia - pereat mundus"? So kann ich Ihnen nur mit auf den Weg geben, was ebenfalls am 12. Januar - aber vor 132 Jahren - gesagt wurde: "Das Schweizervolk blickt mit gespanntem Auge auf (Ihre) bevorstehenden Entscheidungen hin; es erwartet von (Ihnen), dass (Sie) in unbefangener und objektiver Weise Verfassung und Gesetze in ihrem wahren Sinne und Geiste handhaben und, unbeirrt durch politische, religiöse oder soziale Parteiungen, einfach Recht sprechen."
31.12.2006
Alles grundsätzlich überprüfen
Justizminister Christoph Blocher will die Bundesverwaltung radikal umbauen 31.12.2006, Christoph Lauener Der Bundesrat überprüft die Struktur der Departemente; div. Mitglieder haben ihre Ideen bereits kundgetan (das erläutern wir in einem sep. Text). Was sind Ihre Visionen für die künftige Gestalt der Bundesverwaltung? Man soll sich nicht mit einzelnen Retouchen aufhalten. Es mag in Ordnung sein, ein Bildungsdepartement zu schaffen, wie es breit gefordert wird. Aber das allein genügt nicht, denn jede Umorganisation schafft eine neue. Entweder man überprüft alles grundsätzlich, oder man lässt es bleiben. Welche Ideen also werden Sie einbringen? Richtig wäre auch ein Sozialdepartement zu prüfen. AHV, IV, Krankenkassen, Bundesamt für Gesundheit, die Fürsorge - soweit der Bund dafür zuständig ist - die Migration, die ja heutzutage auch und vor allem eine soziale Aufgabe geworden ist, eventuell die Arbeitslosenversicherung. Wozu das? Die sozialen Einrichtungen und ihr Angebot überschneiden sich heute teilweise. Das liesse sich vermeiden. Zudem wäre man zu einer Gesamtsicht gezwungen: Die Betreuung von Flüchtlingen zum Beispiel zahlt heute das EJPD, dabei ist es eine Sozialleistung. Andere Reformvorschläge? Zu prüfen wäre auch ein Departement, das für die rechtliche Aufsicht zuständig wäre: Bankenkommission, Versicherungsaufsicht, Revisionsaufsichten, das Bundesamt für Justiz, Beschwerdedienste soweit sie in der Bundesverwaltung bleiben. Es muss das Prinzip gelten: Gleichgelagerte Funktionen und Aufgaben gehören in dieselben Departemente. Damit sind die Verantwortlichkeiten klar, man vermeidet Überschneidungen und man spart Kosten. Verkehr und Medien passen nicht unbedingt zusammen. Die sind heute beide im UVEK. Der Medienbereich würde besser in ein neues Bildungsdepartement als ins Verkehrsdepartement passen; der Verkehr ist für sich allein schon umfangreich genug. Bei der Bildung unterzubringen wäre ausserdem die Kultur. Was halten Sie von einem Sicherheitsdepartement, wie es Ihrem Parteikollegen Schmid vorschwebt? Man müsste auch das prüfen, wenngleich es Probleme gibt: Armee und Polizei in einem Departement sind problematisch. Darum haben die kantonalen Polizeicorps und die Linke Bedenken – und ich auch. Und das Aussendepartement? Gleich? Kleiner? An ein anderes koppeln? Man muss sich ernsthaft fragen, ob nichte ein Aussendepartement zu einem Servicedienst für alle Auslandtätigkeiten der einzelnen Departemente ausgebaut werden und gleichzeitig das Schwergewicht auf der Koordination liegen müsste. Sie würden also die Verwaltung völlig umgekrempeln. Es würde wohl keiner der sieben Bundesräte sein Departement wieder erkennen. Deshalb müsste man vorne beginnen, was am besten nach einer Gesamterneuerungswahl möglich wäre, also 2008: Jeder gibt sein Departement ab, dann werden sie neu formiert, und die Bundesräte übernehmen der Anciennität nach ihr neues Departement. Die Zahl der Departemente müssen wir nicht ändern. Das ist wohl trotzdem zu radikal für das Kollegium. Das kann sein. Es ist aber auch Unterstützung zu erkennen. Wichtig ist, dass wir jetzt entweder grundsätzlich über die Bücher gehen, oder diese Diskussionen begraben; sie schürt nur den Zwist und die Buschkämpfe in der Verwaltung. Die heutige Gestalt der Departemente ist zum Teil historisch gewachsen; so haben die Sozialwerke oder der Verkehr heute wesentlich mehr Gewicht. Dann gab es auch opportunistische Zuteilungen wie das Zuteilen des Sports zum VBS, zugunsten von Adolf Ogi. Es ist Zeit, das Ganze anzuschauen. Moritz Leuenberger steht vor einer heiklen Aufgabe Moritz Leuenberger hat vom Gesamtbundesrat den Auftrag erhalten, zu prüfen, ob und wie die Departemente neu zusammengesetzt werden sollen. Die Sache ist delikat: Es geht nicht nur um mehr Effizienz und weniger Kosten; es geht auch um Macht und Prestige. Verschiedene Mitglieder der Landesregierung sind deshalb vorgeprellt und haben ihre Ideen öffentlich gemacht. Innenminister Pascal Couchpin plädiert für eine grosse Rochade: Er schlägt vor, das Sozialwesen von seinem Departement zu Volkswirtschaftsministerin Doris Leuthard zu verschieben und dafür die ganze Bildung zu übernehmen. Leuthard selber möchte die Bildung bei sich zusammenlegen. Militärminister Samuel Schmid wünscht sich seit längerem ein Sicherheitsdepartement, in dem Armee, Grenzschutz und Polizei vereinigt sind. Schmids Parteifreund Christoph Blocher hat aber Bedenken - und wird radikale Vorschläge einbringen. So schwebt ihm vor, das Aussenministerium zur "Servicestelle" für die anderen Departemente zu degradieren (siehe Interview oben). Ende Januar soll Moritz Leuenberger den Bundesrat über das weitere Vorgehen informieren.
30.12.2006
Das Volk frisst heute nicht mehr alles
Blocher kämpft gegen neue Steuern, will Ausländer zu Sprachkursen verdonnern und verlangt Einblicke in die Sündenregister der Jugend. Er ist ganz der Alte geblieben. 30.12.2006, Neue Luzerner Zeitung, Jürg auf der Maur Letztes Jahr zogen sie auf dem Gurten Bilanz, jetzt auf dem Uetliberg. Sind das nächste Mal der Pilatus oder die Rigi am Zug? Eine sehr gute Idee! Die Orte würden sich bestens eignen, Bilanz zu ziehen. Im Dezember 2007 wird diese Pressekonferenz ganz besonders interessant sein, weil dann ja auch die Wahlen vorbei sind. Werden Sie noch Bundesrat sein? Ich gehe jedenfalls davon aus. Dann betreiben Sie und die SVP Panik auf Vorrat, wenn sie befürchten, man wolle Sie nicht mehr wählen? Wenn die Linke - das heisst die SP und die Grünen - es seit einem Jahr als oberstes Wahlziel bezeichnet, dass der Blocher aus der Regierung müsse, dann hat man das ernst zu nehmen. Das hat es in der Schweizer Konkordanz bisher ja noch nie gegeben. Dass eine grosse Regierungspartei jemanden nicht mehr wählen will, nur weil einem die Politik des betreffenden Bundesrates nicht gefällt. Genau das machen ja SP und Grüne. Sie werfen mir ja nicht vor, ich würde meine Aufgabe nicht erledigen oder mein Departement schlecht führen. Blocher ist die Personifizierung der neuen Politik - vor allem im Asyl- und Ausländerbereich. Darum muss er weg. Auch die vereinigte Linke kann Sie nicht abwählen. CVP-Präsident Christoph Darbellay erklärt, die CVP werde Blocher nicht wählen. Das sagte er, bevor er CVP-Präsident wurde. Jetzt tönt es anders. Warten wir ab. Es geht um eine politische Ausrichtung. Die SVP hat klar Stellung bezogen und ein Bekenntnis zur Konkordanz abgegeben. Die SVP wird alle wählen, die von den Regierungsparteien vorgeschlagen werden. Sie fordert aber Gegenrecht, sonst wird sie in die Opposition gehen. Für sie sind Sprachkenntnisse zur Integration. Diese müssen zwingend verlangt werden. Wie soll das geschehen? Mein Departement ist daran, erste Ideen zu entwickeln. Und? Wer in die Schweiz kommt, irgendeine Aufenthaltsbewilligung erhält und hier bleiben darf, soll sich zwingend um seine Sprachkenntnisse kümmern müssen. Sonst wird seine Aufenthaltsgenehmigung nicht verlängert. Das ist aber noch nicht ausgegoren. Bei den Flüchtlingen ist dieses Vorgehen nicht möglich, bei allen anderen Ausländern aber schon. Wer eine Aufenthaltsbewilligung will, soll die Landessprache reden und verstehen. Dann brauchen Sie Heerscharen von neuen Sprachlehrern? Und? Das ist ja auch kein Problem. Die Sprachkurse sollen von den Ausländern bezahlt werden. Die dürfen den Staat direkt nichts kosten. Das geht? Bei Flüchtlingen wird der Staat zahlen müssen. Wenn ein betroffener Flüchtling jedoch nicht an einem Sprachkurs teilnimmt, soll die Sozialhilfe gekürzt werden können. Obligatorische Sprachkurse sind das eine. Sie prüfen aber auch die Einbürgerung auf Probe. Die Leichtfertigkeit der Einbürgerung ist näher anzusehen. Wir stellen fest, dass wir in der Schweiz die Bedingungen zur Einbürgerung oft missachten. Das hat man gerade wieder bei den Vorfällen in Seebach gesehen. Jetzt kommt die Polizei und sagt, sie habe sich immer gewundert, dass diese Burschen eingebürgert worden seien. Das heisst? Das zeigt, dass entweder eingebürgert wird, ohne dass man weiss, was die Polizei weiss. Oder man bürgert ein, obwohl man weiss, dass die Polizei Vorbehalte hat. Beides geht nicht. Was ist Ihre Lösung? Wir brauchen eine bessere Einsicht in die Polizeiakten und -dossiers. Das prüfen wir jetzt. Wir brauchen klarere Regeln zur Einbürgerung und wir brauchen einfachere Regeln, um jemandem das Bürgerrecht wieder entziehen zu können. Besser ist jedoch die genaue Prüfung vor der Einbürgerung, also bei der Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung oder bei Erteilung einer Niederlassungsbewilligung. Konkret? In die Anzeigen- und Vorstrafenregister der Einbürgerungswilligen muss zwingend Einsicht genommen werden. Auch Einsicht zum Beispiel in Schulakten müsste möglich sein. Vor allem bei Jugendlichen stellt sich zusätzlich das Problem, dass nur Verurteilungen zu einem Freiheitsentzug oder zu einer Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung im Strafregister eingetragen werden. Haben Sie sich konkrete Termine gesetzt? Zur Zeit läuft die Diskussion im Departement. Bis im Frühling sollte man aber wissen, ob und wie unsere Ideen realisiert werden können. Dann legen wir einen Bericht vor. Noch gibt es zwei Knackpunkte: Die Frage der Doppelbürgerschaft und wie wir die Einbürgerungen sicherer gestalten können. Mit Ihrer Bilanz-Pressekonferenz haben Sie Wahlkampf für Ihre Partei betrieben. In den 90er Jahren waren SP und Grüne für Fehlentwicklungen verantwortlich, seit 2003 gehe es aufwärts im Land, sagten Sie. So habe ich das nicht gesagt. Es wäre falsch, die Schuld an den Fehlentwicklungen in den Neunzigerjahren der Linken alleine in die Schuhe zu schieben. Erstens waren die Grünen noch nicht so stark wie heute und zweitens konnte die SP ja nicht alleine regieren. Also? Es war ein gesamtgesellschaftliches Phänomen, das zu diesen Fehlentwicklungen führte. Der Fall der Berliner Mauer, der Zusammenbruch des Kommunismus, die Vorstellung, jetzt herrsche ewiger Friede führte zu einer Euphorie und einer gewissen Sorglosigkeit in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik. Sie verleitete dazu, Geld zu verschleudern, Steuern zu erhöhen oder das Heil in EU und Nato zu sehen. Gutschweizerische Werte wie Eigenständigkeit, Neutralität oder Fleiss galten nichts mehr. Das hat mit der Doppelvertretung der SVP im Bundesrat 2003 geändert? Die SVP war jene Partei, die am stärksten Gegensteuer gab. Darum wurde sie von der kleinsten Regierungspartei zur stärksten Partei im Land. Seit 2003 hat es beim Bund keine Steuererhöhungen mehr gegeben. Das ist so. Seit langem sind in dieser Legislatur erstmals die Steuern nicht mehr erhöht oder neue geschaffen worden. Die 0,8 Prozent zusätzliche Mehrwertsteuerprozente, die zur Finanzierung der AHV erhoben werden sollten - eine Vorlage der früheren Regierung - sind ja vom Volk abgelehnt worden. Man sieht, die Zeiten haben sich geändert. Das Volk frisst heute nicht mehr alles. Für die kommende Legislatur zeichnen sich neue Steuern ab. AHV und IV brauchen Finanzspritzen. Das ist zu hinterfragen. Ich kann nicht für alle Ewigkeit versprechen, dass es keine neuen Steuern gibt. Ihre persönliche Meinung? Der Bundesrat hat für die IV Mehreinnahmen beschlossen. Ob das Parlament folgt, muss sich zeigen. Der Bundesrat ist der Meinung, es müsse für die IV-Sanierung eine Steuererhöhung oder mehr Lohnprozente geben. Die SVP ist anderer Meinung. Moritz Leuenberger kündigt an, als Linker Ja zur Erhöhung des AHV-Alters zu sagen, wenn die Bürgerlichen Ja zur Finanzierung sagen. Machen Sie einen Schritt auf ihn zu? Um eine Erhöhung des Rentenalters wird man ja kaum herumkommen. Die Frage ist wann. Mit zusätzliche Steuereinnahmen? Wenn man dem Volk die Frage unterbreiten würde, ob es lieber das Rentenalter erhöht oder höhere Mehrwertsteuern bezahlt, glaube ich, dass es sich für ein höheres Rentenalter, nicht aber für mehr Fiskalabgaben ausspricht. Man kann den Leuten nicht immer mehr wegnehmen. Das heisst konkret? Am Schluss besteht wohl die Gefahr, dass beides gemacht wird. Dass man also das AHV-Alter erhöht, gleichzeitig aber noch mehr Geld einfordert. Das zeigt, dass wir seit 2003 zwar auf dem richtigen Weg sind, aber noch bei weitem nicht alles zum besten steht. Insofern sind die Wahlen 2007 sehr wichtig. Hier entscheidet sich, auf welche Seite das Pendel schlägt. Nämlich? Den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern stellt sich im Wahljahr die Frage, ob sie die seit 2004 erfolgte Wiederbelebung der erfolgreichen schweizerischen Werte gutheissen oder zur realitätsfremden Politik der Neunzigerjahre zurückkehren möchten. Die Linke wird den Steuerwettbewerb zum Hauptthema machen. Sie haben noch immer kein Problem damit? Nein, im Gegenteil. Die Kunst der kommenden Jahre wird sein, mit möglichst tiefen Steuern möglichst viel Einkommen zu schaffen. Für die Linke ist das ein Widerspruch. Die Realität belegt die Richtigkeit dieser Regel immer von neuem: Sei es in Zug, in Schwyz, in Nid- und Obwalden, aber auch in Schaffhausen. Sobald die Steuern gesenkt werden, entstehen neue Arbeitsplätze und letztlich wird mehr Steuersubstrat generiert. Sie sehen keine Grenzen nach unten? Weiter als auf Null wird man nicht gehen können. Und im Ernst? Das wird man sehen, wenn die Rechnung nicht mehr aufgeht. Es gibt ja die Idee, Unternehmen sollten von den Steuern befreit werden. Solche Modelle existieren. Was den Linken der Steuerwettbewerb ist der Rechten die Neutralität. Sie wird ebenfalls zum Wahlkampfthema. Für ein kleines Land wie die Schweiz ist sie extrem wichtig. Auch in Zeiten des Terrorismus ist sie bedeutungsvoll. Terroristen stehen innerhalb der globalen Spannungsfelder. Die Schweiz tut gut daran, sich aus den globalen Konflikten herauszuhalten. Sie sagen, die Neutralität gelte heute wieder mehr als 1990. Genügt Ihnen das, oder soll sie in der Verfassung stärker verankert werden? Die Diskussion ist alt. Die Neutralität wird in der Verfassung verlangt! Die Frage ist, ob sie enger und konkreter umschrieben werden soll. Was ist Ihre Meinung? Ich bin dagegen, die Neutralität in der Verfassung enger zu definieren. Je genauer sie umschrieben wird, desto grösser ist die Gefahr, dass der konkrete Fall dann nicht definiert ist. Die SVP und die Auns wollen eine Neutralitäts-Volksinitiative vorlegen. Aus verständlichen Gründen, denn heute bezeichnen sich viele als neutral, nur um das Gegenteil tun zu können. Trotzdem: Ich bin dagegen, die Neutralität in der Verfassung näher zu umschreiben. Der Auns und der SVP geht es um die Disziplinierung von Aussenministerin Micheline Calmy-Rey. Das darf man nicht allzu personenbezogen betrachten. Heute ist Frau Calmy-Rey Aussenministerin. Bis der Verfassungsartikel greifen würde, ist sie vielleicht schon nicht mehr im Bundesrat.
13.12.2006