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01.08.1998
Niederschrift der Ausführungen einer Festteilnehmerin, 1. August 1998
von Nationalrat Dr. Christoph Blocher
Liebe Richterswilerinnen und Richterswiler,
Herr Gemeindepräsident, liebe Frauen und Männer.
Meine Damen und Herren, Sie sind heute Abend hierher gekommen zum Feiern des 707. Geburtstages unseres Landes. Was ist ein Geburtstag? Es ist ein Fest der Besinnung, der Dankbarkeit und der Freude. Wir feiern etwas, wofür wir eigentlich gar nichts können, nämlich die Geburtsstunde. Das ist ja schliesslich auch beim Menschen so. Wir können ja nichts dafür, dass wir geboren sind. Und trotzdem feiern wir immer wieder den Geburtstag. So ist es auch mit unserem Land. Wir können nichts dafür, dass es eine Geburtsstunde von diesem Land gibt und trotzdem dürfen wir diese feiern. Man muss ja nicht jene Sachen feiern, für die man etwas kann, sondern vor allem jene, für die man nichts kann. Diese können wir dankbar entgegen nehmen. Den 707. Geburtstag können auf dieser Welt nicht viele Länder feiern. Die Erfahrung zeigt, dass Länder, die lange bestehen, auch weniger schnell auseinander brechen und besser Schwierigkeiten lösen können. Deshalb können wir dankbar sein, dass wir bereits einen so hohen Geburtstag feiern dürfen. Länder entstehen nicht in einer Sekunde, bei Ländern kann man nicht sagen, da fängt es an, sondern ein Land durchläuft eine grosse geschichtliche Entwicklung. Zur Geburtsstunde hat unser Land den Zeitpunkt gewählt, als ein paar Männer in den ersten Augusttagen - so heisst es nach der Geschichtsforschung - zusammengekommen waren und ein Schwur, ein Gelöbnis, abgelegt hatten. Im Jahre 1291 hatten sie auf einen Brief geschworen - auf den Bundesbrief.
Der Bundesbrief
Man weiss, das war nicht der erste, es gibt noch ältere, aber dieser ist gut erhalten und der 1. August 1291 wurde zur Geburtsstunde erklärt. Tatsächlich wurden damals Werte festgelegt, meine Damen und Herren, welche sich durch die ganze Schweizer Geschichte hindurchziehen. Jene Männer konnten nicht lesen und schreiben. Das machten andere, möglicherweise die Klöster, in den Klöstern, da waren Priester oder Mönche, welche nicht anderes taten. Es war eine sinnvolle Aufgabenverteilung. Der erste Satz im Dokument: "Im Namen Gottes des Allmächtigen", steht nicht weil die Mönche es wahrscheinlich geschrieben haben, sondern darum, weil das ein so wichtiges Dokument war und man überzeugt war, dass das nicht allein verwirklicht werden konnte. Dieser Satz steht auch heute noch in der Bundesverfassung, und ich hoffe auch, dass er bleibt.
Keine fremde Herrschaft
Im Bundesbrief sind drei Säulen festgelegt, nämlich erstens: Sie sagten, in unserem Land - dannzumal noch wesentlich kleiner - dulden wir keine fremde Herrschaft.
Ruhe und Ordnung
Zweitens: Niemand in diesem Land soll straflos gegen Ruhe und Ordnung verstossen, weil man natürlich wusste, wer zusammenleben will, muss dafür sorgen, dass die Leute sich nicht gegenseitig totschlagen, dass die Leute einander nicht "plagen", dass die Leute einander nicht berauben, also niemand soll das dürfen.
Keine fremden Richter
Drittens: Nur eigene Richter soll dieses Land haben und man war sich bewusst, dass dies schnell gesagt ist. An Richter sind sehr hohe Anforderungen zu stellen, hatten sie geschrieben. Sie wussten, auch Richter sind nicht gefeit vor Parteilichkeit, vor Korruptionen, etc.
Sie wussten, wenn man das alles machen will, muss man mit aller Kraft dafür einstehen - sie schrieben dies auch gleich auf. Das könne notfalls auch den Tod bringen - für diejenigen, die dafür einstehen. Sie merken, weshalb sie am Anfang den Satz geschrieben hatten: " Im Namen Gottes des Allmächtigen". Das ist die Gründungsurkunde unseres Landes!
Bundesbrief ist aktuell
Sie werden sagen, 707 Jahre, das sei ja lange her. Jawohl es ist lange her, aber der Bundesbrief ist höchstaktuell. Der ist nämlich immer aktuell, wenn man die ganze Schweizer Geschichte durchgeht. Wir leben jetzt in einem Jahr, in welchem wir Jubiläen feiern und dabei dürfen wir auch zurückblicken auf unsere Geschichte. Wenn Sie diese Geschichte betrachten, dann merken Sie, immer dann, wenn in unserem Land gegen den Bundesbrief verstossen wurde - in unserem Land waren alles andere als Tugendhelden - ging es den Schweizern schlecht. Sie hatten immer wieder gemeint, es könne auch anders gehen. Vor allem die führende Schicht hatte gemeint, wir könnten es auch anders machen. Es kam immer schlecht heraus.
1848
Wir feiern jetzt 350 Jahre Westfälischer Frieden, "1648". 30 Jahre Krieg gab es damals in Europa. Ein fürchterlicher Krieg. Der 30 - jährige Krieg. Die Schweiz konnte sich da raushalten, weil sie streng neutral war. Nachher haben sie festgestellt, wir müssten auch für uns einen rechten Friedensvertrag haben. Der Basler Bürgermeister Wettstein hatte dies fertig gebracht. Er hatte für unser Land in Münster und Osnabrück ein Dokument ausgehandelt. Was im Bundesbrief 350 Jahre vorher festgelegt wurde, fand hier seinen neuen Grundsatz und zwar noch viel stärker, als zuvor. In diesem Friedensvertrag steht nämlich: "Es ist reichs- und weltkundig", - das ganze Reich soll es wissen, die ganze Welt soll es wissen - "dass die Eidgenossenschaft ein freier Staat ist, und neben Gott einzig von sich selbst abhängt". Mit diesem Vertrag kam er nach Hause. Seither hatte die Schweiz keinen Kaiser mehr über sich und ist reichsfrei. Das sind 350 Jahre Souveränität, Unabhängigkeit und Neutralität. Es tut mir leid, dass die offizielle Schweiz, der Bundesrat und das Parlament, nicht etwa diesen Geburtstag vergessen, sondern bewusst übergangen haben. Weshalb? Schämt man sich, dass wir einmal unabhängig geworden sind? Nur diktatorische Staaten pflegen die einzelnen Jubiläen so herauspflücken, wie es ihnen passt. Demokratische Staaten feiern eigentlich alle Jubiläen.
1798
Das Jahr 1798 wird gefeiert - 200 Jahr Helvetik. Sie können auch sagen, es sei 200 Jahre her, seit dem Untergang der alten Eidgenossenschaft oder 200 Jahre seit dem Einmarsch der Franzosen, aber gleichzeitig haben wir auch seit 200 Jahren keine fremde Truppen mehr in unserem Land. Betrachten wir dies wieder im Hinblick auf den Bundesbrief, liebe Frauen und Männer. Wie war es damals? Einzelne Kantone feiern dieses Jubiläum nicht. Sie haben keinen Grund, sie hatten Franzosen auf ihrem Gebiet und hatten Menschen verloren. Andere Kantone feiern es besonders stark, weil es für diese eine Befreiung war, Gleichheit des Bürgers. Soweit ist es gekommen, weil ein hochnäsiges, verkommenes Regime, ohne auf das Bedürfnis des Volkes zu achten, eigenmächtig und in dekadenter Art und Weise regiert hatte. So kam es, dass führende Familien sagten, wir bauen auf Frankreich; gewisse Kantone sagten, wir bauen auf Frankreich; viele Leute aus der Bevölkerung hatten den französischen Truppen zugejubelt. Diese schufen einen Staat - Helvetik - nach eigenem Gusto. Es dauerte aber nicht lange, da zogen die Franzosen wieder ab. Nach 5 Jahren sagten sie, mit diesen störrischen Schweizern könne man nichts machen, nicht einmal einen richtigen Staat schaffen. Die Helvetik ist zusammengebrochen und die Franzosen haben sich zurückgezogen, sie hatten eigentlich auch das Wichtigste gehabt, was sie wollten. Sie kamen nämlich nicht nur wegen der Gleichheit und wegen der Gerechtigkeit in die Schweiz. Schon damals hatte man ein schönes Deckmäntelchen gefunden! Sie sind vor allem dann gegangen, als sie den bernischen Goldschatz eingepackt und über die Grenze geführt hatten. Sie sehen, auch damals ging es schon ums Gold - das gäbe doch auch noch eine gute Sammelklage - nicht wahr. Bald wurde nicht mehr dieser französischen Truppe oder dem französischen Staat nachgejubelt. Die Schweiz hat vieles selbst probiert und hat schliesslich 50 Jahre später, nämlich 1848, den Mut aufgebracht, ohne sich von aussen beeinflussen zu lassen, aus eigener Kraft eine eigene Verfassung zu schaffen. Seither besteht der Schweizer Bundesstaat mit einer eigenen Verfassung.
1848
Meine Damen und Herren, die gesamte damalige europäische Grossmacht-Gesellschaft - Österreich-Ungarn, Frankreich etc. - alle spotteten über das Land, welches eine solche Verfassung erstellte. Einen Sonderfall haben die Schweizer, diese Spinner, gemacht, hier, in der Schweiz, einen Sonderfall! Es dauerte weit über 50 Jahre, bis alle anderen europäischen Mächte, erst in diesem Jahrhundert, auch zu einer liberalen, demokratischen Verfassung übergegangen sind. Leider war sind dort oft Krieg und Niederlagen vorausgegangen. Es kam gut heraus mit dieser Verfassung. Die Schweiz, damals arm, wurde zu einem der reichsten Ländern, obwohl sie schlechte Voraussetzungen hatte für die Wirtschaft. Der politisch neutrale, freiheitliche und demokratische Staat hatte Erfolg auszuweisen. Vor allem aber wurde er verschont von grossen Kriegen, weil er sich auf seine Staatssäulen und den Bundesbrief besonnen hatte. Wir dulden keine fremden Herrscher und wir müssen unsere Probleme allein lösen. Sie sehen, es geht wie ein roter Faden durch unsere Geschichte. Ausserhalb von diesen Jubiläen wäre in dieser Beziehung noch viel zu sagen. Wieviele Male haben führende Kreise in unserem Land, einmal zu Habsburg, einmal zu Frankreich, einmal zu Spanien gehalten. Jedesmal kam es falsch heraus. Das sollte uns eine Lehre sein. Es ist pubertär zu meinen, solche Staatssäulen, denen wir so viel zu verdanken haben, seien leichtsinnig abzustreifen.
Fremde Richter heute
Wie ist es dann aktuell? Wissen Sie, fremde Herrscher können nicht nur mit Armeen kommen! Fremde Richter können nicht nur im Landesinnern eingesetzt werden, sondern sie können das Land auch von aussen richten. Sie können auch in Amerika sein. Man kann auch ein Land unterjochen und eine fremde Herrschaft erhalten, indem man ein Land zu erpressen beginnt. Letztes Jahr an der Geburtstagsfeier unseres Landes sagte mir jemand, ich sollte dieses Wort nicht verwenden. Bundesrat Delamuraz hatte anfangs letzten Jahres noch sagen müssen, das Wort "Erpressung" sei ein Missverständnis gewesen. Dabei war es ja wahr, ein wahres Missverständnis. Wir müssen dieser Sache in die Augen blicken. Heute schreiben es sogar die Journalisten in den Zeitungen und man kann es ungestraft gebrauchen, weil es so ist. Nur ist es spät, man hätte es schon zu Anfang erkennen müssen.
Was macht man bei Erpressungen? Ich bin internationaler Unternehmer. Glauben Sie nicht, dies seien die einzigen Erpressungen, welche die Unternehmer hätten. Das gehört ja heute zur Alltagsordnung: "Wenn du das nicht machst, wenn du da nichts zahlst, dann hast du den oder jenen Nachteil!" Für Erpressungen gibt es nur eine Antwort. Immer! Eine kurze. Es genügt schon, wenn man die erste Klasse besucht hat, um da reagieren zu können. Das Wort heisst: "Nein"!! Wer sich einmal erpressen lässt, wird wieder erpresst. Der Erpresser hört dann auf, wenn man bereit ist, den Nachteil, welchen er einem androht, zu ertragen. Es ist einfach, aber wir müssen danach handeln. Das hängt auch mit dem Bundesbrief zusammen. Ich hoffe, dass unsere Regierung die Kraft hat, diesem zu widerstehen. Wer Unrecht getan hat, soll dieses im Rahmen des Rechtes abgelten. Aber wir unterziehen uns nicht irgendwelchen moralischen Ansprüche, welche irgendwelche Kreise stellen. Dort geht es nämlich nicht etwa darum, der Moral gerecht zu werden, sondern es geht nur um etwas. Es ist auch ein kurzes Wort. Es genügt auch die erste Klasse. Es geht um nichts anderes, als um Geld. Um Geld geht es!
Recht vor Moral
Ich habe heute schon die dritte Augustrede. Heute morgen zum Beispiel in Egerkingen, sah ich beim Eingang - es hatte auch viele Leute - einen Priester in seiner Soutane stehen. Obwohl es ein grosses Zelt war, sah ich, dass er Freude hatte an meiner Rede. Anschliessend kam er zu mir nach vorne, worauf ich ihm sagte, dass es mich freue, dass die hohe Geistlichkeit auch hier sei. Darauf sagte er mir, er sei nicht die hohe, sondern die niedrige. Ich sagte ihm, für mich sei jede Geistlichkeit hoch. Ich bin Protestant, da gibt es keine Hierarchien. Er sagte, er habe an meiner Rede Freude gehabt, aber das mit der Moral hätte ich nicht sagen sollen. Ich sagte, das hätte ich gedacht, als ich ihn sah, darum hätte ich es dann auch gesagt. Ich habe ihm gesagt, Politiker müssen sich aufs Recht stützen und auf nichts anderes, denn wenn jeder sagen würde, vom Recht her ist es in der Ordnung, aber von der Moral nicht, dann wird es uferlos, denn jeder hat seine eigene Moral. Herr Bronfmann hat auch eine Moral, trotzdem darf er uns nicht erpressen, denn das Recht verbietet das. Der Dieb hat auch eine Moral, weil er gewisse Dinge will, aber er darf trotzdem nicht stehlen. Die Regierungsleute haben dem Recht zu folgen. Der Pfarrer hat darauf erwidert, es gibt eine göttliche Moral und das Recht hat sich dieser zu unterstellen. Ich habe ihm Recht gegeben und ihm gesagt, dass ich damit mit ihm einig sei, er dürfe und müsse dies auch sagen. Wenn aber der Politiker beginnt die göttliche Moral zu verkünden, dann hat jeder jeden Tag eine andere göttliche Moral. So viele Moralen kann Gott gar nicht haben!
Rechtsstaat
Dazu haben wir den Rechtsstaat, meine Damen und Herren. Speziell für einen Kleinstaat ist der Rechtsstaat besonders wichtig. Wir haben nichts anderes, worauf wir bauen können, als auf unser Recht. Wir dürfen und müssen uns darauf verlassen. Das gilt auch für die Politiker - in allen Bereichen. Es ist ganz wichtig, dass wir wieder erkennen, dass wir uns auf unser Recht abstützen müssen. Sie sehen, auch hier ist der Bundesbrief aktuell. Wir brauchen die von aussen zwangsweise aufgesetzten Richter nicht. Denen müssen wir widerstehen. Es ist Aufgabe der Regierungen, der Parlamente und der Parteien, für das Land, für das sie tätig sind, Partei zu ergreifen. Eine Regierung hat für ihr Land Partei zu nehmen, so wie eine Mutter Partei nimmt für ihre Kinder. Das wird im Ausland auch erwartet. Es versteht niemand, wenn eine Regierung im Ausland über angebliche Fehler vor 50 Jahren lamentiert. Das interessiert nicht, sie fragen sich im Gegenteil, wenn diese Regierung ihr eigenes Land nicht ernst nimmt, dann fehlt es entweder an der Regierung oder am Land. Pluspunkte können sie damit hingegen nicht holen. Das ist auch richtig so. Dafür braucht es Kraft.
Heuchelei
Wissen Sie, wenn gesagt wird, dieses Land habe vor 50 Jahren Fehler gemacht, so ist es selbstverständlich, dass wir Fehler gemacht haben. Auch wenn ich nicht einmal wüsste, welche Fehler gemacht wurden, wäre es für mich klar, dass Fehler gemacht wurden. Es sind zwar keine neuen Fehler aufgetaucht, welche ich nicht bereits wusste. Wie kann ein Land in einer solchen Verantwortung stehen und diese Verantwortung tragen, ohne Fehler zu machen? Das können nur Leute kritisieren, die noch nie Verantwortung zu tragen hatten und noch nie etwas machen mussten. Wenn ich mein eigenes Unternehmen ansehe, in welchem ich Verantwortung trage, und ich zurückschaue, so habe ich sehr viele Fehler gemacht. Die meisten davon haben die Wirtschaftsjournalisten gar nicht festgestellt. Aber wenn jemand käme und der Meinung wäre, ich müsste dafür etwas zahlen, weil ich Fehler gemacht hatte, würde ich ihn zum Teufel schicken. Das geht ihn nichts an! Die Verantwortung dafür habe ich selber getragen und das Resultat stimmt. So war es auch während dem 2. Weltkrieg. Das Land hatte eine Verantwortung und diese Generation eine wichtige Aufgabe, nämlich dafür zu sorgen, dass das Land nicht in den Krieg verwickelt wird und überleben kann. Dieser Auftrag wurde erfüllt und das ist die Hauptsache. Für all diese Moralisten ist es das Schönste im Leben, sich für etwas zu entschuldigen, welches von Anderen verursacht wurde. Da kann man sagen, selber ist man ein sehr guter Mensch und man entschuldigt sich - aber für die Fehler Anderer. Nein - Menschen die Verantwortung tragen, tun so etwas nicht. Das hat nichts mit Hochnäsigkeit zu tun, sondern im Gegenteil mit Bescheidenheit und dem Wissen, wer Verantwortung trägt für ein Land, ein Unternehmen, eine Familie, eine Gemeinschaft, der macht Fehler. Wesentlich ist letztendlich, ob das Möglichste getan wurde. Wir müssen uns von diesem Heuchlerischen - dieser hat etwas falsch gemacht, jener hätte es so machen können, etc. - lösen.
Das Heft selbst in die Hand nehmen
Meine Damen und Herren, die Schweiz hat in diesen 700 Jahren manchmal versagt. Das Schöne ist, dass sich die Schweiz immer wieder auffangen konnte. Wie oft haben die Regierungen versagt, die führenden Leute. Wie oft haben andere das Heft in die Hände genommen, als die Regierungen versagt haben. Wenn wir über Geschichte sprechen - und das ist dank diesen amerikanischen Kreisen wieder Mode geworden - sollten Sie dieses neu veröffentlichte Buch von Gautschi über General Guisan lesen. Lesen Sie den Abschnitt, als die Schweiz umschlossen war, der Bundesrat nicht mehr weiter wusste und zum Volk sprach. Als man nicht wusste, ob die Regierung sich anpassen wollte oder nicht, ob sie noch zusammenhalten oder nicht. Der General konnte eine ganze Nacht nicht schlafen und irrte im Wald umher und am Morgen, als er zurückkam, sagte er zum Stab: "die Regierung hat uns verlassen, ich kann die Rede nicht anders deuten". Da sagten seine Offiziere: "jetzt bauen wir direkt auf das Volk". Das hatte der General dann mit grossem Erfolg auch ausgeführt. Das ist typisch, irgendjemand nimmt die Sache in die Hand, hier war es der General, anderswo ein Anderer, dies steht schon im alten Dienstreglement. Wenn der Führer ausfällt und nicht mehr weiter weiss, macht sich derjenige zum Führer, der noch weiss, wo es durchgeht. Das ist eine demokratische Auffassung und darum freut es mich, dass heute so viele Leute erschienen sind, um den heutigen Geburtstag zu feiern. Man weiss ja nie, wann die Regierung einen Fehler macht, dann müssen wir hinstehen, so wie es der General machte. Dann kommt es gut heraus.
Arglist der Zeit
Meine Damen und Herren, im Bundesbrief steht, in "der Arglist der Zeit" sei er beschlossen worden. "Arglist der Zeit" haben wir immer wieder. Wie oft krachte die Eidgenossenschaft beinahe auseinander, denken Sie an das Stanser Verkommnis, als die Eidgenossen nicht mehr weiter wussten. Da hatte auch ein anderer die Zügel ergriffen, damals war es ein Einsiedler: Niklaus von der Flüe. Er sagte: "Machet den Zun nit zu wyt!" Gehen wir zurück zur Stelle, wo geschrieben steht: "Macht das, was ihr könnt und macht das recht!" Zur Zeit von Napoleon fiel die Schweiz beinahe auseinander. Sie konnte sich wieder auffangen - mit der Bundesverfassung. Im 1. Weltkrieg wollten gewisse Kreise auf diese Seite, die anderen auf die andere Seite. Die Schweiz brach beinahe auseinander. Auch da stand einer auf: Carl Spitteler, ein Dichter und Nobelpreisträger und sagte: "seid und bleibt neutral!" Er konnte damit das Land zusammengehalten. Während dem 2. Weltkrieg gab es Kreise, welche die Neutralität abschaffen wollten. Das neue Europa gehöre einer neuen Zukunft, sagten sie; Industrielle glaubten, wer da nicht mitmache, habe die Zeit vergessen. Man hat sich dann aber auf das im Jahre 1291 Festgelegte zurückbesonnen. Das war grossartig. Darum dürfen wir dankbar Geburtstag feiern.
"...und die fromme Seele ahnt...."
Meine Damen und Herren, "Im Namen Gottes des Allmächtigen" steht im Bundesbrief. Sie werden anschliessend die Nationalhymne singen. In dieser Vaterlandshymne werden Sie singen: ".. und die fromme Seele ahnt, Gott im hehren Vaterland.." Auch das heisst, wir können viel tun, aber nicht alles selber. Vieles ist uns geschenkt und gegeben, darum können wir das auch feiern. "Hilf Dir selbst, so hilft Dir Gott!" - heisst eine alte Volksweisheit und das gilt auch für ein Land. Ich bin zuversichtlich für das Land, wenn wir uns auf die Säulen abstützen, auf denen wir in der Vergangenheit bestehen konnten. Das heisst nicht, dass wir uns nicht den neuen Zeiten anpassen sollen, selbstverständlich, das Land wird sich immer anpassen. Aber die Grundsäulen dürfen wir nicht aufgeben, dann geht es unserem Land und unserer Bevölkerung gut.
Glauben Sie nicht, wir müssten unbedingt in diese riesigen Staatengemeinschaften, Grösse sei gefragt. Das hält nicht! Grenzenlose Gebilde halten nicht, warum? Weil in diesen Gebilden alle verantwortlich sind, alle für alles und niemand für etwas, das kann nicht gut gehen. Nur was überblickbar ist und wo die politischen Verantwortungs-Bereiche zugeordnet werden, wo klar ist, wer für was zuständig ist, nur das hat Zukunft. Das gilt auch für die Unternehmen. Die Unternehmen, welche eine Grösse und Diversifizierung erhalten haben, die nicht mehr überblickbar ist, werden so nicht überleben können. Ein Teil der Restrukturierungen, die zur Zeit getätigt werden, sind darauf zurückzuführen. Darum sollten wir keine Dummheiten machen.
Zuversicht für die Zukunft
Meine Damen und Herren, ich bin zuversichtlich, auch wirtschaftlich. In einem Land, das sich auf die Säulen einer liberalen Verfassung stützt, das uns die Möglichkeit gibt, das Brot zu verdienen und uns nicht dauernd behindert, da haben wir Arbeit, da können wir leben, da können wir verdienen, da ist auch für das Alter gesorgt. Ein Land, welches nicht dauernd Experimenten nachläuft und meint, es müsse sich aufführen wie eine Grossmacht, das hat Zeit und Kraft, bei aller Weltoffenheit, welche die Schweiz immer hatte, die Eigenbestimmung der Zukunft nicht aus den Händen zu geben. Darum, meine Damen und Herren, wenn Sie diesen Weg beschreiten, auch wenn immer wieder viele an diesem Weg zweifeln, dann können wir das neue Lebensjahr gut antreten und nächstes Jahr den 708. Geburtstag feiern, in Freiheit, in gutem Wohlbefinden, ohne fremde Richter und ohne eine fremde Macht im eigenen Land zu dulden. Das ist der Sinn der Geburtstagsfeier. Ich wünsche dem Land und Ihnen ein gutes 708. Lebensjahr. Ich danke Ihnen.
12.07.1998
Artikel vom 21. Juli 1998
Entgegnung auf den Artikel in der NZZ Nr. 162 vom 16. Juli 1998, Seite 15 "Altbekannte Rezepte mit wissenschaftlicher Begleitmusik - Kritische Anmerkungen zu Christoph Blochers Strategiebericht"
In der NZZ vom 16. Juli 1998, Seite 15, kritisieren Thomas Bernauer und Stefan Brem vom auch für die NATO tätigen Zentrum für Internationale Studien (CIS) an der ETH meine Erkenntnis, dass das Festhalten an der dauernd bewaffneten Neutralität auch in Zukunft ein wichtiger Teil schweizerischer Sicherheitspolitik darstellt. Die beiden Autoren anerkennen, dass sich meine Analyse auf die neueste wissenschaftliche Literatur abstützt, bemängeln aber deren Einseitigkeit und werfen mir vor, dass ich "altbekannte und vorgefasste politische Positionen" vertrete und mich zu sehr vom "Realismus" statt vom "Institutionalismus" leiten lasse.
Institutionalismus: vom Wunschdenken geleitet
Tatsächlich lege ich im Gegensatz zu den erwähnten Hochschulpolitologen in meiner politischen und wirtschaftlichen Tätigkeit das Gewicht entschieden auf den Realismus. Der von Bernauer und Brem bewunderte neue "Institutionalismus" ist in meiner Arbeit von untergeordneter Bedeutung. Ich meine, gerade in der Sicherheitspolitik seien der Institutionalismus - eine besondere Form des Idealismus - und die Realitätsfremdheit ausgesprochen gefährlich. Wenn es um den Schutz vor Gewalt, um die Abwendung des Bösen und der menschlichen Unberechenbarkeit geht, so sind nicht idealistisches Wunschdenken oder lebensfremder Krisentourismus gefragt. Es ist bekannt, dass in den theoretischen Konstruktionen des Zentrums für Internationale Studien der ETH die Bedeutung der Neutralität ständig herabgespielt wird. Hier darf die Neutralität als an der geschichtlichen Wirklichkeit bewährtes und gewachsenes Element der Sicherheitspolitik keinen Platz haben, da sie der akademisch geschlossenen Welt multinationaler Kooperation und des ewigen Friedens widerspricht. Doch nützt es nichts, das Wort Krieg einfach durch das Wort Frieden, das Wort Macht einfach durch das Wort Institution zu ersetzen. Nur eines war in der Geschichte jederzeit beständiger als die Ankündigung des Endes aller Kriege: der Krieg selber! Weil die Konfliktforscher ihre Erkenntnisse lieber auf Wunschdenken als auf die Realität abstellen, schaffen sie sich ihre eigenen Konflikte: linksliberale oder sozialistische Idealisten, böse Realisten und nun auch noch Institutionalisten liegen sich in den Haaren. Die Wirklichkeit jedoch zieht an solchen akademischen Streitereien vorbei. Die Welt geht ihren eigenen Weg.
Das Bild der Realität
Entgegen aller institutionalistischer Theorie zerschlugen Indien und neuerdings Pakistan eine jahrzehntelange Ordnung der nuklearen Nichtverbreitung. Im Bürgerkrieg des ehemaligen Jugoslawien, gegenwärtig speziell im Kosovo, werden Dörfer zerschossen und Menschen umgebracht. Die Vertreter aller möglicher multinationaler Institutionen reisen und tagen ohne Erfolg. Bisher riefen sie: "Nie wieder Krieg!" Jetzt heisst es wesentlich kleinlauter: "Nie wieder Bosnien!" In aller Stille wappnen sich US-Verbündete auf die mögliche nächste Runde zum Schlag gegen Saddam Hussein, dessen Terrorkapazität biologischer und chemischer Waffen sie kaum etwas entgegenzusetzen haben. Bewaffnete Konflikte im Nahen Osten, im Kaukasus, in Zentralasien, in Nordafrika, südlich der Sahara und in Lateinamerika entziehen sich leider allen blauäugigen Schreibtisch-Konstruktionen friedensstiftender Einmischung.
Wirklichkeit der Theorie anpassen?
Die Hochschulpolitologen handeln richtig, wenn sie nach einer idealen Welt suchen. Ihre Theorien mögen im Streit der Praktiker gelegentlich klärend sein. Wenn sie aber Wunsch und Wirklichkeit verwechseln, wenn sie versuchen, die Wirklichkeit der Theorie anzupassen, wenn sie aus dem Gleichgewicht geraten, sobald man ihnen den Spiegel der eigenen Fachliteratur vorhält, dann sind sie auf dem Holzweg. Die Schweiz als neutraler Kleinstaat muss sich in der realen Welt zurechtfinden. Politologische Methoden und Ansichten kommen und gehen, die Menschen aber ändern sich nur an der Oberfläche. Gewalt im eigenen Land und Informationskrieg mit erpresserisch auftretenden Organisationen aus den USA sind die von unserer Verteidigungspolitik jetzt zu lösenden Probleme. Nicht Interventionismus im Sog anderer ist gefragt, sondern Anpassung an neue Bedrohungen.
Eindrückliche neutralitätspolitische Erfolgsbilanz
Die Gewährleistung der Sicherheit eines Landes ist eine äusserst anspruchsvolle Aufgabe. Sie wird besser erfüllt, wenn man sich an die Realitäten hält. Neben allen theoretischen Überlegungen ist eben auch die Erfahrung bisheriger Verteidigung eine wertvolle Hilfe. So wie der moderne Unternehmer nur Erfolg haben kann, wenn er sich auf die Lebenswirklichkeit und auf die Erfahrung abstützt, so werden wir in der Landesverteidigung erst recht nur Erfolg haben, wenn die Realität und die Lebenszusammenhänge richtig beurteilt werden. Die bewaffnete Neutralität hat zumindest den unbestrittenen Vorteil, dass die Schweiz dank ihr während nunmehr zweihundert Jahren vom Krieg verschont geblieben ist. Keine politologische oder soziologische Theorie kann auch nur im Entferntesten auf eine solche Erfolgsbilanz zurückblicken. Gerade in der auf uns zukommenden Zeit der Ungewissheit und der neuartigen Gefahren brauchen wir neben Weltoffenheit und Bewaffnung als Ausdruck von Selbstbehauptungswillen den Mut zur Selbstbeschränkung auf der weltpolitischen Bühne. Schweizerische Neutralität hat nicht nur Geschichte, sie hat Zukunft.
25.06.1998
Interview mit den Obersee-Nachrichten (ON) vom 25. Juni 1998
Am 1. Juli spricht in Rüti jener Politiker, der, obwohl er nicht Bundesrat ist, in unserem Land die grösste Macht hat: SVP-Nationalrat Christoph Blocher: Die ON sprachen mit dem Volkstribun.
Interview: Peter Müller
Sie sprechen am 1. Juli in Rüti. Worüber?
Christoph Blocher: "Kann sich die Schweiz behaupten?"
Dieser Tage wurden die bilateralen Verhandlungen mit der EU auf Basis Chefunterhändler abgeschlossen. Was bedeutet das für Sie? Kennen Sie die Inhalte?
Blocher: Bei solchen Verhandlungen muss man darauf achten, dass man nicht bei jedem Treffen von Delegationen glaubt, dass es sich um abgeschlossene Verhandlungen handelt. Die Schweiz hat seit ein paar Jahren den Fehler gemacht, dass sie alle paar Monate von neuen "Durchbrüchen" gesprochen hat. Die Unterhändler haben auch jetzt gewisse technische Details neu geregelt und in gewissen Fragen eine Einigung erzielt. Beim Transitverkehr und beim freien Personenverkehr ist alles offen, die Konsequenzen noch nicht absehbar. Bevor die Verhandlungen nicht auf politischer Ebene, d.h. auf Ministerebene klar sind, kann das Ergebnis nicht beurteilt werden. Wenn das Resultat für unser Land untragbar ist, müsste das Referendum ergriffen werden, denn wir haben keinen Grund, alles zu akzeptieren.
Sie haben immer wieder von einem Referendum wegen der Freizügigkeit im Personenverkehr gesprochen. Kommt dieses wirklich?
Blocher: Auch das muss heute offen gelassen werden. Tatsache ist, dass ein freier Personenverkehr, wie ihn die EU für ihre Mitglieder vorgesehen hat, nicht in Frage kommt. Die Kosten für unser Land wären immens, was soziale Probleme und eine hohe Arbeitslosigkeit mit sich bringen würde. Wir können diese Freizügigkeit weder heute noch in späteren Jahren akzeptieren, ohne uns grosse Nachteile einzuhandeln. Ich denke dabei vor allem an die enormen Kosten für die Arbeitslosenversicherung, die unsere Bevölkerung zu tragen hätte. Das hängt damit zusammen, dass in den verschiedenen Ländern die Arbeitslosenkassen andere Leistungen erbringen. In Österreich beispielsweise kann ein Arbeitsloser im Laufe von zwei Jahren während maximal 100 Tagen eine Arbeitslosenentschädigung beziehen. In der Schweiz dagegen 520 Tage. In einer Rezessionszeit würden die Leute aus dem Ausland in der Schweiz Arbeit suchen. Wenn sie diese nach ein paar Monaten verlieren, könnten sie mit einer längeren Bezugsdauer rechnen.
Verschiedene Umfragen bringen immer wieder das Ergebnis, Herr und Frau Schweizer möchten in die EU. Wie sähe Ihrer Meinung nach heute ein allfälliges Abstimmungsresultat aus?
Blocher: Ich bin überzeugt, dass die Schweizerinnen und Schweizer einen EU-Beitritt heute massiv ablehnen würden. Man muss berücksichtigen, dass solche Umfragen oberflächlich sind. Vor einer Volksabstimmung erfolgt zuerst einmal ein in die Tiefe greifender Abstimmungskampf. Dann werden den Leuten auch die negativen Seiten eines EU-Beitritts bewusst.
Und wie, wenn es "nur" um den EWR ginge?
Blocher: Auch der EWR hätte heute keine Chance. All die Schreckensszenarien, die von den EWR-Befürwortern noch 1992 vorgelegt wurden und der Schweiz praktisch den Untergang voraussagten, haben sich als völlig falsch erwiesen. Das weiss die Bevölkerung. Ich erhalte täglich zahlreiche Briefe von Leuten, die damals dem EWR zugestimmt haben und mir heute mitteilen, sie würden bei einem nächsten Mal ebenfalls dagegen stimmen. Dabei wäre bei einer EWR-Abstimmung mit den gleichen Problemen wie bei den bilateralen Verhandlungen beim Transitverkehr und beim Personenverkehr zu rechnen.
Als Verwaltungsratspräsident bei Netstal haben Sie sich für die Minderheitsaktionäre eingesetzt. Jetzt treten Sie zurück. Was wird mit der Firma passieren?
Blocher: Ich trete nicht freiwillig zurück. Der Hauptaktionär wird den Antrag stellen, mich abzuwählen. Dieses Vorhaben wird auch gelingen. Der Kampf hat sich insofern gelohnt, als der Hauptaktionär, welcher fast 90 % der Aktien besitzt, dem bisherigen Geschäftsleiter zugesichert hat, von der damals beabsichtigten massiven Einflussnahme abzusehen. Damit ist meines Erachtens eine gute Lösung für Netstal gefunden worden.
Sie vertreten eine Direktwahl des Bundesrates durch das Volk. Wird eine Ini- tiative lanciert?
Blocher: Diese Frage stellt sich heute noch nicht. Ich habe die Idee einmal in die leitenden Gremien der Schweizerischen Volkspartei hineingetragen und hoffe sehr, dass sie positiv aufgenommen wird. Wann und auf welchem Weg die Umsetzung erfolgt, ist noch offen.
Die SVP sorgt immer wieder für Schlagzeilen wegen Differenzen ihres Zürcher Flügels und Bundesrat Adolf Ogi. Vertritt er noch einen SVP-Kurs?
Blocher: Es ist die Aufgabe einer Partei, ihre Anliegen glaubwürdig, geradlinig und auch kompromisslos zu vertreten. Es ist unausweichlich, dass dies zu Differenzen mit Regierungsmitgliedern führt, namentlich mit solchen, welche in einer Mehrparteien-Regierung eingebunden sind, wie dies beim Bundesrat der Fall ist. Im Ganzen vertritt Bundesrat Adolf Ogi den SVP-Kurs, in aussenpolitischen Belangen allerdings ist er bedauerlicherweise davon abgewichen.
Das Thema Ausländer ist allgegenwärtig - die SVP hat die "Kosovo-Abstimmung" in Zürich gewonnen. Wie viele und welche Ausländer verträgt die Schweiz?
Blocher: Diese Frage ist falsch gestellt. Es ist eindeutig, dass unser Land zu viele illegale Einwanderer hat. Das hängt in erster Linie damit zusammen, dass die Schweiz viel zu attraktive Bedingungen bietet. Hier muss eingegriffen werden.
Mark Kuster, Präsident der Jungen SVP, verkauft Hanfprodukte. Was halten Sie davon, haben Sie ihn deswegen schon gerügt?
Blocher: Davon weiss ich nichts. Sofern dies nicht illegal ist, gibt es hier auch nichts zu rügen.
Die SVP will sich noch weiter ausbreiten, so auch im Wallis, wo Sie sich selbst engagieren. Was ist für die SVP in der Schweiz möglich?
Blocher: Ich freue mich natürlich, wenn an möglichst vielen Orten und in möglichst vielen Kantonen neue SVP-Ortssektionen gegründet werden, die einen klaren Kurs verfolgen, wie die SVP des Kantons Zürich dies schon seit Jahren tut. Das ist dringend notwendig, damit die anstehenden Probleme in unserem Lande gelöst werden können. Probleme, welche die übrigen Regierungsparteien leider zum Teil weder anpacken noch lösen.
Und was erwarten Sie von den nächsten Nationalrats- und Ständeratswahlen?
Blocher: Wir hoffen selbstverständlich bei den nächsten National- und Ständeratswahlen weitere Wähleranteile zu gewinnen, um unseren politischen Lösungen zum Durchbruch zu verhelfen.
29.05.1998
Mein Beitrag für den Tages Anzeiger vom 29. Mai 1998
Meine ausgewählte Karikatur zum Thema: Ein Schweizer Parlamentarier: Vor der Wahl und nach der Wahl ("Nebenspalter" vom 28. Oktober 1899)
Auch wenn sich die Geschichte nicht wiederholt, bietet sie uns zumindest Hinweise, welche Irrwege wir auf keinen Fall beschreiten dürfen. Das ist der Sinn des dreifachen Jubiläumsjahres 1998.
Souveränität und Neutralität als Zukunftswerte
Im Jahre 1648 erreichte die Schweiz in mühsamsten bilateralen Verhandlungen die Loslösung vom Deutschen Reich und damit die formelle schweizerische Souveränität und Unabhängigkeit. Vor 350 Jahren konnte alle Welt zur Kenntnis nehmen: "Es ist reichs- und weltkündig, dass die Eidgenossenschaft ein freier Stand ist, so neben Gott einzig von sich selbst abhängt." Dieser diplomatische Erfolg war nur möglich geworden, weil sich die Eidgenossenschaft im vorangegangenen Dreissigjährigen Krieg strikte Neutralität auferlegt hatte. Hätten sich damals nicht die Befürworter einer strikten Neutralität durchgesetzt, wäre die Schweiz zweifellos in die verheerende Kriegskatastrophe hineingezerrt worden und damit als selbständiger Staat untergegangen. Das offizielle Bern schweigt zu diesem Jubiläum. Schämt sich der Bundesrat etwa unserer Souveränität? Aber vielleicht können wir froh sein über das bundesrätliche Schweigen. Sonst müssten wir vielleicht noch erleben, dass sich unsere Regierung 350 Jahre nach Erringung der Unabhängigkeit gegenüber dem Ausland offiziell für die damalige Tat entschuldigen würde. Dabei steht fest: Wir brauchen in der Zukunft einen Staat, der seine Souveränität und Neutralität verteidigt, auch wenn beides bei den "besseren Kreisen" gerade einmal nicht hoch im Kurs steht.
Eine Zukunft ohne "Gnädige Herren"
Was gibt es denn 1798 zu feiern? Einen Einmarsch fremder Truppen? Den ruhmlosen Untergang der Alten Eidgenossenschaft von 1798? Ja. So kommt es heraus, wenn die notwendigen Reformen in Politik und Wirtschaft nicht aus eigener Kraft durchgesetzt werden, sondern von der Einmischung fremder Mächte erwartet werden. Die Ereignisse von 1798 waren die Quittung für die Herrschaft einer kleinen aristokratischen Oberschicht über die Masse der Untertanen; grosse Teile der Bevölkerung wurden von der Politik und von manchen Zweigen des Erwerbslebens ausgeschlossen. Die "Gnädigen Herren" vor 1798 waren dünkelhaft, borniert und selbstgefällig. Und heute? Die "Gnädigen Herren" sind im Anmarsch auf leisen Sohlen. Der Genfer Nationalrat Peter Tschopp beispielsweise - ein Freisinniger - will neuerdings das "Informationsmonopol" des Bundesrates durch ein Gesetz sicherstellen, um künftig zu verhindern, dass eine "einfache Privatperson" eine EU-kritische Broschüre in allen Haushaltungen senden darf. Nationalrat Franz Steinegger - der Präsident der Freisinnigen - findet es "unerträglich", wenn ich mir das Recht herausnehme, unsere Regierung und das Parlament zu kritisieren, weil sie sich immer öfters gegen den erklärten Volkswillen stellen. Figuren des Ancien Régime gibt es in der Schweizer Politik heute in zunehmendem Masse, auch wenn sie statt gepuderten Perücken nur Glatzen tragen. Die künftige Schweiz braucht keine "Gnädigen Herren".
Gegen die Rückkehr zum Feudalismus
Vor 200 Jahren wurde hierzulande das Prinzip der Gleichheit aller Staatsbürger und der persönlichen Freiheit verwirklicht. Die Herrschaft einiger weniger über viele wurde gebrochen. Der vor 200 Jahren überwundene Feudalismus - die Herrschaft weniger über viele - soll nun aber wieder auferstehen. "Auf in die EU, auf zur Rückkehr in feudalistische Zustände, Rückkehr zur Verminderung der Zahl der Entscheidungs-Träger und zur Einschränkung der Mitspracherechte des Volkes." - So die Devise der Regierung und des Parlamentes. Die Zukunft braucht aber das Gegenteil.
Verrat an den Ideen von 1848
Vor 150 Jahren hatte die Schweiz den Mut, im Europa der Monarchen den Sonderfall einer demokratischen Republik zu schaffen.
Dank eines freiheitlichen Wirtschaftssystems, dank eines schlanken Staates, der die Verantwortung des Einzelnen in den Mittelpunkt stellte, dank wagemutiger Unternehmer entwickelte sich die Schweiz zu einem der wohlhabendsten und gleichzeitig friedlichsten Länder der Welt. Ohne sich in fremde staatliche Interessen einbinden zu lassen, war sie stets weltoffen - globalisiert. Das globalisierte wirtschaftliche Denken prägte die Schweiz längst bevor es zum Schlagwort wurde. Handel mit aller Welt war die Devise der Glarner "Tüechler", der Aargauer Strohhütefabrikanten, der St. Galler Stickerei, der Winterthurer Maschinenbauer oder der Westschweizer Uhrenfabrikanten. Nicht die Einbindung in bürokratische Systeme, wo der Bürger machtlos wird, ist gefragt. Weltoffenheit ohne Einbindung, Kooperation statt Integration - das sei die Devise der Zukunft. Die Zukunft braucht den liberalen, auf Selbstverantwortung des Bürgers beruhenden, schlanken Staat.
Volkssouveränität ausbauen
Mit dem Jahr 1848 kam aber die Entwicklung der Eidgenossenschaft noch länst nicht zum Stillstand. In den folgenden Jahrzehnten erfolgte ein eindrücklicher Weiterausbau der Volksrechte und der direkten Demokratie. Bald schon musste das Schweizervolk nämlich merken, dass die von ihm gewählten Vertreter nur zu oft ganz andere Interessen vertreten, als es ihre Wähler erwarten. Locken die Kandidaten in Wahlzeiten mit unendlichen Versprechen, vergessen sie diese bereits am Abend der gesicherten Wahl. Also erkämpft sich das Volk seit den 1860er Jahren schrittweise wesentliche Mitbestimmungsrechte auch bei Sachvorlagen. Wie aber steht es um das Mitbestimmungsrecht des Schweizervolkes bei der Zusammensetzung seiner Regierung? Zu den vornehmsten Grundsätzen jeder echten Volkssouveränität gehört das Prinzip, dass sich das Volk seine Regierung wählt. Nur durch ein Zufallsmehr von 10 gegen 9 Stimmen ist 1848 die Revisionskommission der Bundesverfassung mit der Begründung, die Schulbildung des Volkes sei dafür noch zu gering, abgewichen. Seither hat sich aber in allen Kantonen zur allgemeinen Zufriedenheit die Volkswahl der Kantonsregierungen durchgesetzt. Verkommene, unglaubwürdige Ränkespiele wie sie heute bei jeder Bundesratswahl zur Tagesordnung gehören, würden bei einer Volkswahl der Regierung unmöglich. Und wie oft hat sich der Bundesrat in den vergangenen Jahren über demokratisch zustande gekommene Volksentscheide hinweggesetzt. Heute hat auch die Kumpanei zwischen Bundesräten und Medien geradezu unappetitliche Züge angenommen. Erst bei der Möglichkeit einer Wahl oder Abwahl durch den Souverän wüsste unsere Regierung wieder, wem sie in all ihrem Tun letztlich verantwortlich ist. Wir brauchen einen Staat, in dem die Volkssouveränität durch die Möglichkeit einer Regierungswahl durch das Volk konsequent verwirklicht ist.
Eigentum stärkt den freiheitlichen Staat
Oft genug werden bei den gegenwärtigen Jubiläumsfeiern unsere Freiheits- und Grundrechte bejubelt. Leider stellt sich kaum jemand ernsthaft die Frage, was seither mit ihnen geschehen ist, etwa mit dem Schutz des persönlichen Eigentums. Dabei ist die Möglichkeit des Erwerbs von Eigentum die Voraussetzung für eine freiheitliche Lebensweise. Doch was wir heute erleben, ist nichts anderes als einen staatlich inszenierten Raubzug auf das Eigentum. Vertreterinnen und Vertreter des arbeitenden Mittelstandes werden heute mit saftigen obligatorischen Lohnabzügen eingedeckt. Die Zahlenden erhalten diese entgegen den Versprechungen keineswegs im vollen Umfang als AHV, IV, Pensionskasse usw. zurück. Es wird umverteilt. Auf das Jahreseinkommen sind ständig steigende Steuern, auf das Ersparte Vermögens-Steuern, auf dem Lohn Einkommenssteuern zu bezahlen. Wer etwas kauft, hat Mehrwertsteuern abzuliefern. Der Hausbesitzer versteuert sein Haus nicht nur als Vermögen, sondern zusätzlich als sogenannter Eigenmietwert. Das Verschenken der Ersparnisse an Verwandte wird steuerlich bestraft; nicht besser soll es nach dem Willen vieler Politiker denen ergehen, die etwas anlegen und später einen Gewinn auf dem Ersparten erzielen. Neuerdings wird die Erkenntnis verkündet, die älteren Menschen, die durch Sparen vorgesorgt haben, hätten eigentlich die von ihnen mitgetragene AHV gar nicht nötig. Wer stirbt und etwas hinterlässt, zahlt Steuern. In nichts sind sich die Politiker so schnell einig, wie im Raubzug auf das Eigentum des Bürgers: Steuererhöhungen, Lohnabzüge, neue Mehrwertsteuerprozente etc. Das ist die weit verbreitete Konsenspolitik. Ähnlich verwahrlost präsentiert sich heute der Umgang mit dem Gesamteigentum des Volkes, mit dem Volksvermögen. Es herrscht eine geradezu liederliche Ausgabenmentalität, die einer Verschleuderung des Volksvermögens gleichkommt. Regierung und Politiker gründen unter dem
grossmäuligen Wort "Solidarität" eine Stiftung und verkünden aller Welt eine grosszügige Geldverteilung - selbstverständlich aus Volksvermögen, das ihnen nicht gehört. Wir brauchen einen Staat, der das Eigentum der Bürgerinnen und Bürger nicht ausplündert, sondern schützt. Wir brauchen wieder einen Staat, der Tüchtigkeit, Eigeninitiative und Risikobereitschaft belohnt statt bestraft.
Dies ist die grosse soziale Forderung der künftigen Schweiz. Für die moderne Schweiz gilt es, den Bürger vor der Raffgier der Politiker zu schützen.
27.05.1998
Rede an einer Veranstaltung des Bund der Steuerzahler vom 27. Mai 1998 in Zürich
"Liebe Steuerzahlerinnen und Steuerzahler", das wäre etwa die Anrede eines Politikers, der demnächst gewählt werden will, denn vor den Wahlen sind alles "liebe Steuerzahlerinnen und Steuerzahler"; nach den Wahlen merkt man dann, dass die Steuerzahler so begehrt sind, weil bei ihnen am meisten zu holen ist.
Sie haben mir die Frage gestellt: "Wieviel Steuern braucht der Staat?". Da Sie meine politische Tätigkeit kennen, wird es Sie nicht wundern, wenn ich sage: "Auf jedenfall weniger als heute". Aber glauben Sie nicht, ich mache es mir so einfach und sage: ''Steuern zahlen ist nichts Schönes, also trete ich dafür ein, dass wir weniger bezahlen müssen''. Das Thema geht wesentlich tiefer.
Verschleuderung des Volksvermögens
Zuerst zur Ausgangslage: Wenn Sie täglich Zeitungen lesen, wenn Sie Politiker, den Bundesrat, Regierungen hören, dann hat man das Gefühl, dieser Staat werde langsam ausgehungert. Wenn man den Aeusserungen glauben darf, wird von morgens bis abends gespart. Wie oft höre ich im Parlament vom Bundesrat: "Die Zitrone ist ausgepresst!" Bei genauem Hinsehen (als Mitglied des Nationalrates bin ich natürlich näher am Geschehen als Sie) stellt man fest, das der Mensch, der diese Zitrone ausgepresst hat, gelähmt sein muss!
Für jemanden, der wie ich gleichzeitig in der Wirtschaft tätig ist, ist es unglaublich zu sehen, wie leichtsinnig das Geld im Staate ausgegeben wird. Ausserdem ist es nicht wahr, dass dieser Staat immer weniger Geld bekommt. Im Gegenteil: Er bekommt dauernd mehr!
Betrachten wir die letzten 40 Jahre, so stiegen die Einnahmen in galoppierendem Tempo (ich rede nur von den Einnahmen, nicht von den Ausgaben): 1960 haben Bund, Kanton und Gemeinden gesamthaft 5,8 Milliarden Franken eingenommen. 1980, 20 Jahre später, waren es bereits 35,8 Milliarden Franken. Für diesen Sprung brauchte man 20 Jahre, 1992 aber sprechen wir bereits von 70 Milliarden Franken.
Sie sehen also, es geht rasant bergauf! Der Bund allein nahm im Jahre 1960 2,8 Milliarden Franken ein, im Jahre 1980 - also 20 Jahre später - 14,5 Milliarden Franken. 1992 waren es bereits 30 Milliarden Franken und 1998 schliesslich 40 Milliarden Franken. Sie sehen also: Nach sechsjähriger Rezession bekommt der Staat noch 10 Milliarden Franken pro Jahr mehr Geld vom Bürger. Dies beweist, dass Sie das Märchen vom ausgehungerten Staat vergessen können.
Grundsätzlich dagegen, aber im konkreten Fall dafür
Praktisch bei allen bürgerlichen Parteien heisst es: "Wir sind grundsätzlich gegen Steuererhöhungen. In den nächsten Jahren soll es grundsätzlich keine höheren Steuern geben". Das hören Sie überall. Die Sozialdemokraten sind grundsätzlich für mehr Steuern, die Bürgerlichen grundsätzlich dagegen. Leider kommt dies für den Steuerzahler aufs gleiche heraus. Die Sozialdemokraten haben kein besseres Rezept, als uns das Geld wegzunehmen. Die Bürgerlichen merken, dass sie gegen diesen Raubzug, gegen diese Enteignung an sich antreten müssten, also sind sie "grundsätzlich" dagegen. Bei jeder konkreten Steuererhöhung fehlt ihnen dann aber die Kraft, dagegen zu sein. Damit wird die "grundsätzliche" Ablehnung von mehr Steuern zur höflichsten Form der Steuererhöhung im Einzelfall. Beachten Sie nur die Steuer-Erhöhungen, die der Bund bzw. der Bundesrat, also eine sogenannt bürgerliche Regierung vorsieht - und zwar nicht auf Druck der Sozialdemokraten oder einer anderen Partei.
25 % mehr Bundessteuern in den nächsten 5 Jahren
Für die kommenden Jahre stehen Steuererhöhungen von ungefähr 12 Milliarden Franken an. Man plant also bei den Steuern und Abgaben eine Erhöhung von über 25 %, ohne dass Sie dies im einzelnen realisieren: Mehrwertsteuererhöhung von heute 6,5 % auf neu 7,5 %, wobei 17 % dieser - angeblich wegen der Überalterung der Bevölkerung notwendigen - Erhöhung stillschweigend in der allgemeinen Bundeskasse verschwinden.
1% MWST entsprechen etwa 2,2 Milliarden Franken im Jahr. Das sind riesige Summen, welche man dem Kreislauf entzieht. Die Schwerverkehrsabgabe, über die Sie im September abstimmen, führt - wenn sie das Maximum erreicht hat - zu Transportkostenerhöhungen von ungefähr 1,8 bis 2 Milliarden Franken pro Jahr. Und wenn Sie glauben, das treffe nur die Lastwägeler, dann täuschen Sie sich. Das trifft alle, die in der Schweiz etwas transportieren. Das erhöht die Transportkosten in jedem Haushalt und verteuert die Produkte, die hier produziert und an den Bestimmungsort geführt werden. Es handelt sich um eine Steuer. Jetzt wird argumentiert: "Leistungs-abhängige Schwerverkehrsabgaben - das steht doch in der Bundesverfassung". Wer dort liest, sieht, dass man die heutige Schwerverkehrsabgabe zur Finanzierung der Strassenkosten - und nur dafür - durch leistungsabhängige Abgaben ersetzt. Dafür wäre aber lediglich etwa 1/5 notwendig. Die Schwerverkehrsabgaben ziehen dem Bürger 2 Milliarden Franken (immer pro Jahr) aus dem Sack. Allein das beschlossene Mehrwertsteuerprozent und die allenfalls - was ich nicht hoffe - in Kraft tretende Schwerverkehrsabgabe macht 4 Milliarden Franken aus.
Sie haben sicher alle gelesen, dass sich alle Partner am runden Tisch bezüglich Sanierung der Bundesfinanzen geeinigt haben. Jetzt werde gespart.
Wenn Sie jemanden auf der Strasse fragen (ich habe das Exempel gemacht), ob er wisse, was man beschlossen habe, dann bekommen Sie die Antwort: "Ja, jetzt wird gespart". Diesen Eindruck hat man vermittelt. Stillgeschwiegen wird, was an diesem runden Tisch zu später Nachtstunde ebenfalls vereinbart wurde: 2,5 Milliarden Franken neue Steuern und Abgaben wurden vereinbart. Man tut dies einerseits bei der Arbeitslosenversicherung durch ein drittes Lohnprozent, also weitere 2,5 Milliarden. Sie sehen: 1 % MWST - bereits beschlossen, die LSVA und ein drittes Lohnprozent - bereits 6,5 Milliarden muss der Bürger mehr bezahlen. 6,5 Milliarden Franken werden dem privaten Kreislauf entzogen!
Aber die rasante Fahrt geht weiter:
Der Bundesrat sieht vor, die MWST bis zum Jahre 2010 zugunsten der Sozialwerke um weitere 2,5 % zu erhöhen; mindestens weitere 5 Milliarden Franken, womit wir bei 11 Milliarden Franken angelangt sind!
Die NEAT-Vorlage will die MWST zugunsten der NEAT um weitere 0,2 % erhöhen. Sie werden sagen: "Wegen 0,2 % muss man wirklich kein Theater machen". Ich sage Ihnen einfach, dass das 400 Mio. Franken sind!
Der Erwerbsausfalltopf, den die Unternehmen für die Soldaten füllten, soll für die Mutterschaftsversicherung "umgepolt" werden, nachdem man schon 2,5 Milliarden Franken in die IV überwiesen hat. Die weitere Finanzierung mit 0,2 Lohnprozenten macht wiederum 400 Mio. Franken aus!
Ich muss keine weiteren Ausführungen machen. Es geht wie gesagt um weitere 12 Milliarden Franken pro Jahr, die dem Bürger entzogen werden. Das sind nicht irgendwelche Forderungen von irgendwem, sondern das ist der Konsens, auf den sich das Parlament einigen wird. Wenn niemand das Referendum ergreift, ist dies beschlossene Sache. In Wahrheit entsprechen die 12 Milliarden Franken einer Bundessteuererhöhung von mehr als 25 %! Das realisiert niemand, oder niemand will es sehen.
Hohe Staatsquote führt zu Arbeitslosigkeit und Armut
Was haben dermassen erhöhte Steuern denn eigentlich für Folgen? In einem Land, in dem die Staatsquote zu hoch ist - das heisst, dem Bürger viel Geld für den Staat abgezogen wird - entstehen Arbeitslosigkeit und Armut, die Wirtschaft ist nicht mehr konkurrenzfähig. Das ist die bittere Warheit, die dahintersteht, und deshalb wird es ernst. Es geht nicht nur darum, ob wir mehr Steuern zahlen oder nicht, sondern um die einschneidenden volkswirtschaftlichen Folgen. Eine zu hohe Belastung mit staatlichen Abgaben, Gebühren und Steuern führt zu einer schlechten Wirtschaftssituation und zur Arbeitslosigkeit! Im Extremfall kennen wir das von den zusammengebrochenen Oststaaten, aber auch von anderen. Andererseits gibt es eine ganze Reihe von Staaten, die den Kreislauf durchschaut und Remedur geschafft haben.
Dem Bürger wieder mehr Geld lassen
Die kontinental-europäischen Staaten laufen alle in die falsche Richtung, auch die Schweiz! Frühzeitig gemerkt haben es hingegen die angelsächsischen Staaten, allen voran Amerika. Vielleicht erinnern Sie sich noch, dass sich Amerika zur Zeit von Präsident Reagen in jeder Beziehung in himmeltrauriger Verfassung befand, die durch ein wahnsinniges Defizit und grosse Arbeitslosigkeit manifestiert wurde. Ein Staat mit hoher Kriminalität, in dem Sie kaum die Untergrundbahn benutzen konnten, in dem obdachlose Leute auf den Strassen schliefen, die Armut in den Städten omnipräsent und beelendend war, ein Staat, der zu wenig Geld hatte. Riesige Defizite, schlechte Wirtschaft, hohe Arbeitslosigkeit prägten das Land. Präsident Reagen hat als erstes die Steuern gesenkt und zwar nicht um 1 %. Er hat den Höchststeuersatz praktisch halbiert, nämlich von über 50 % auf 28 %. Alle sagten, der ist verrückt. Er hingegen sagte: "Ich muss dafür sorgen, dass die Leute wieder Geld bekommen, damit sie investieren, etwas machen, kaufen, konsumieren, sparen". Erst anschliessend hat Reagan die Ausgaben beschnitten. Der Bevölkerung machte er klar, dass das Defizit in der Staatskasse dadurch im nächsten und übernächsten Jahr noch grösser sein werde, die Situation sich aber danach verbessern würde. Leute, die arbeiten, etwas leisten wollen, die wieder anfangen zu investieren, können auch Steuern bezahlen, die - selbst bei tieferem Ansatz - zum Abbau des Defizits führen. Er versprach, die Arbeitslosigkeit werde sinken.
Schauen Sie sich Amerika heute an. Es liegt mir fern, Amerika zu verherrlichen, aber der ökonomische Sachverstand, der hinter dieser Entwicklung steht, ist beeindruckend. Als Filmschauspieler wurde Reagan in ökonomischen Belangen offensichtlich hervorragend beraten. Das heutige Amerika hat - damals unvorstellbar - kein Staatsdefizit mehr. Und das nicht durch Steuererhöhungen sondern durch Steuersenkungen. Clinton hat den Höchststeuersatz zwar wieder ein wenig angehoben, aber lediglich auf etwas über 30 %. Das ist immer noch wesentlich weniger als bei uns. Amerika hat jetzt eine der tiefsten Arbeitslosigkeitsraten der letzten Jahren und eine Hochkonjunkturdauer von rund 8 Jahren.
Ein ähnliches Rezept verfolgen Neuseeland und England, wo die Radikalkur durch Frau M. Thatcher durchgeführt wurde. Solche Prozesse können nicht von Politikern eingeleitet werden, die jeden Tag gerühmt sein wollen. Es braucht Leute, die bereit sind, den Kopf hinzuhalten. Frau Thatcher brach die Macht der Gewerkschaften, weil sie davon überzeugt war, das Land könne nur durch die Senkung von Steuern, Abgaben und Gebühren sozial in Ordnung gebracht werden. Hohe Steuern, Abgaben und Gebühren sind unsozial. Sie schaffen Arbeitslosigkeit und Armut.
England hat jetzt einen Labour-Premierminister, das wäre bei uns ein Sozialdemokrat. Dieser setzt die Politik von Frau Thatcher voll und ganz um, legt in der Konsequenz gar noch einen "Zacken" zu. Er hat beispielsweise die Fürsorgeunterstützung für ledige Mütter gestrichen. Ein anderer Premierminister wäre wahrscheinlich politisch ins Abseits gestellt worden. Blair hat diese Kürzung nicht vorgenommen, weil er etwas gegen ledige Mütter hat, sondern weil er davon überzeugt ist, den eingeschlagenen Weg weiterverfolgen zu müssen. Und es ist kein Zufall, dass sich die Beschäftigungs-Situation in England durch die Umsetzung dieser Politik wesentlich verbessert hat. Und bei uns? Hier bastelt man an einer Mutterschaftsversicherung herum.
Solche Prozesse dauern jahrelang. Die Tragik dabei ist - und das ist in der Politik ja häufig so - dass diejenigen, welche etwas Gutes einführen und umsetzen, die Früchte nicht mehr ernten können. Richtig politisieren heisst eben nicht, von morgens bis abends einen Glorienschein herumzutragen, sondern meistens das Gegenteil. Stärke zeigt jemand, der sich gegen Widerstände durchsetzt und auf "Glorie" verzichten kann.
Die Wiederwahl Clintons in Amerika war die Folge der guten Wirtschaftslage. Diese ist allerdings nicht sein Verdienst, sondern derjenige seiner Vorgänger Reagen, Bush usw. Er kann nun ernten, was die andern gesät haben. In Neuseeland wurde der Premierminister, der diese Reform durchführte, abgewählt. In England profitiert Blair davon, dass die harte Arbeit bereits gemacht war.
Zurück zur Tugend
Kommen wir zurück zur Schweiz. Bis in die 60er Jahre galt die Devise: ein schlanker Staat, Eigeninitiative und Selbstverantwortung. Erst in den 70er Jahren, den guten Jahren, vergass man diese Tugenden und wurde zum Sozialstaat, zum Umverteilungs-Staat. Ganz gross in Mode ist heute das Wort Solidarität. Das Motto "Jeder sorgt für den anderen, aber niemand für sich selbst" hat zu einer Misere geführt. In der Rangliste der schlanken Staaten, die wir einst angeführt haben, wurden wir inzwischen von den USA, Japan, England - und schon gar nicht zu reden von den kommenden asiatischen Staaten - überholt. Der Abstand zu den Europäischen Staaten wird immer kleiner, und man wundert sich über die hohe Arbeitslosigkeit der letzten Jahre.
Sie sehen: Es geht mir nicht nur allein darum, dass der Steuerzahler weniger zahlen muss, sondern um ein volkswirtschaftliches Anliegen. Einem Staat kann es nicht gut gehen, wenn man dem Einzelnen so viel wegnimmt. Politiker zeigen dauernd auf das Defizit. Sie behaupten, man nehme zu wenig ein. Sie haben gehört, wieviel mehr die Politik uns weggenommen hat oder wegnehmen wird. Da die Ausgaben gleichzeitig unverhältnismässig zunahmen, wurde das Defizit aber noch grösser. Man kommt nicht umhin, dies als Misswirtschaft zu bezeichnen. Der Staat aber gibt selbstverständlich nicht zu, dass er Misswirtschaft betreibt.
Der Staat gibt zuviel aus und darum enteignet er den Bürger
Wir geben viel zuviel Geld aus. Wo geben wir zuviel aus? Wir haben heute abend über die NEAT gesprochen. Wenn Sie im Privatbereich eine NEAT bauen müssten, würden Sie doch den Bedarf abklären. Die Autos müssen auf den Zug statt auf die Strasse - gut, das leuchtet mir ein. Was kostet das Projekt, was kostet der Unterhalt, wie hoch sind die Betriebskosten? Wieviel Autofahrer werden von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, wie hoch ist der Fahrpreis? Kann das rentabel sein? Sollten Sie dabei den Eindruck erhalten, der Bedarf sei gar nicht vorhanden oder das Angebot zu teuer, würden Sie selbstverständlich von einem Bau absehen. Politiker denken anders. Sie sagen: "Es braucht eine NEAT, weil wir wollen, dass die Autos auf den Zug umsteigen". Niemand fragt: "Wollt ihr auf den Zug, seid ihr bereit, zu bezahlen"? Dann lässt man eine Studie machen, weil das so in Mode ist. Klugerweise beauftragt der Bundesrat damit ein ausländisches Büro: Coopers & Lybrand in England. Dies hatte zwar den Nachteil, dass die Studie in englischer Sprache abgefasst wurde, aber den Vorteil einer neutralen Beurteilung, da die Engländer aufgrund ihrer geographischen Lage kein Interesse an der NEAT haben. Coopers & Lybrand kamen zur Erkenntnis, dass die jetzigen Kapazitäten - selbst wenn man den Lastwagenverkehr auf die Schiene bringt - bis ins Jahre 2020 ausreichen. Nachher müsste man ausbauen. Dann haben wir ja mindestens bis ins Jahr 2020 Zeit.
In einem Szenario heisst es, wir brauchen sie früher. Wenn sich der Verkehr verzehn- oder verfünfzehnfacht (was eigentlich nicht anzunehmen ist), dann könnte man sogar zwei bauen. Jetzt sagt man im Bundeshaus: "Beim aktuellen Defizit in der Bundeskasse wird die NEAT nicht gebaut, bevor sie finanziert ist". Trotzdem bewilligt man jedes Jahr Kredite in der Grössenordnung von 800, 900 Mio. Franken für sogenannte Probebohrungen. Sehen Sie sich doch einmal in Sedrun im Kanton Graubünden um. Die NEAT wird unter dem Deckmantel "Probebohrungen" gebaut.
Betrachten wir die Zwangsabgaben bei der Krankenkasse. Der Grundgedanke war, arme Leute zu unterstützen. Aber viele andere kommen in den Genuss. Alle, die in der Steuererklärung ein niedriges Einkommen ausweisen. Das ist bei weitem nicht dasselbe! Meine drei studierenden Kinder, auf deren Steuererklärung logischerweise 0 Einkommen und 0 Vermögen steht, erhalten Zuschüsse. Zuschüsse, auf die man nicht einfach verzichten kann. Man muss schriftlich mitteilen, dass man von diesen Zuschüssen nicht Gebrauch machen will. Man hat den Brief zu frankieren und zum Briefkasten zu bringen. Sie müssen sich also nicht dafür wehren, dass Sie Geld bekommen, sondern sich zur Wehr setzen, dass Sie keines bekommen. Das ist schwachsinnig. In diesem Bereich geht es für den Staat nicht um einen kleinen Betrag, sondern immerhin um 500 Mio. Franken! Ich habe bei der Zürcher Regierung reklamiert, das sei wohl nicht der Zweck der Uebung. Antwort: "Es sei unsozial, wenn die Leute sich melden müssten, um das Geld zu erhalten". Sie sehen, wie weit wir in Sachen Eigenverantwortung gekommen sind. Der, welcher vom Staat kein Geld will, muss sich melden.
Das sind nur kleine Beispiele, die Spitze des Eisberges. Sie können sich vorstellen, wie es unter der Wasseroberfläche aussieht, wie sorglos der Staat mit dem Geld umgeht. Dabei handelt es sich um Leute, die im täglichen Leben nicht mit Milliarden umgehen, nie eine Investition tätigen müssen, die über die Grösse einer Kaffeemaschine hinausgeht. Aber sie haben keinen Respekt vor Millionen und Milliarden! Wie oft höre ich: "Ja, wegen ein paar ''Milliöönli". Zu einem Kommissionsmitglied sagte ich: "Für Sie gibt es scheinbar nur noch "Milliöönli", für mich sind das Millionen. Weder bei Ausgaben noch bei Steuergeldern gibt es die Niedlichkeitsform". Selbst in einem gut gehenden Unternehmen stellt man sich stets die Frage: "Können wir uns diese Investition von einer halben Mio. Franken leisten oder nicht"?
Bessere Bewirtschaftung des Volksvermögens
Auch am Beispiel der SUVA, die mit Beiträgen finanziert wird, sehen Sie, wie der Bund Geld ausgibt. Der Präsident, Herr Steinegger, ist bürgerlich. Schauen Sie einmal, zu wieviel Prozent er die Gelder anlegen liess. Oder das Beispiel des AHV-Fonds, der lediglich 3,5 - 4 % Rendite aufweist. Hätte man dieses Geld bei einer normalen schweizerischen Pensionskasse angelegt, hätte man in den letzten Jahren 1 - 2 % MWST-Prozent für die AHV sparen können!
Nehmen Sie die Pensionskasse für die Mitarbeiter eines Unternehmens. Diese ist - im Gegensatz zum Bund - in Sachen Anlagemöglichkeiten sehr eingeengt. Der Bund könnte sich mittels eines entsprechenden Gesetzes die volle Freiheit verschaffen. Als private Pensionskasse aber darf man beispielsweise nur 30 % in Schweizer Aktien investieren. Die Pensionskasse meiner Unternehmen hat das Geld in den letzten vier Jahren so angelegt, wie man das macht, wenn man mit der notwendigen Sorgfalt arbeitet. Nichts besonderes hat man gemacht, nur das ordentliche. Die Früchte sind nicht ausgeblieben: Letzte Woche konnte unsere Pensionskasse folgende Verwendung der Anlagegewinne beschliessen:
- Erhöhung des Deckungskapitals pro aktive Versicherte um 10 %, was einer Rentenerhöhung von 10 % für die heute noch bei EMS tätigen Mitarbeiter entspricht.
- Reduktion der Arbeitnehmer-Beiträge während mindestens 4 Jahren um 25 %, was für die Mitarbeiter einer Lohnaufbesserung von durchschnittlich 1,5 % gleichkommt und einer Reduktion der Arbeitgeberbeiträge im gleichen Ausmass entspricht.
- Jeder Rentner erhält ab dem 1. Juli 1998 eine Rentenerhöhung von 15 % und zusätzlich eine einmalige Sommerzulage von Fr. 1'000.--.
Vielleicht müssen die Arbeitnehmer- und Arbeitgeber-Beiträge später wieder erhöht werden, sicher aber nicht in den nächsten vier Jahren.
Mit den 20 Milliarden, die im AHV-Fonds liegen, hätte man die gleiche Rendite erzielen können. Ich habe Herrn Villiger vorgeschlagen, das Vermögen des AHV-Fonds in sechs gleiche Teile zu splitten und diese bei sechs Banken zu platzieren. Die Bevölkerung wird darüber informiert, welche Banken den Zuschlag bekommen. Am Jahresende wird veröffentlicht, wie die Rendite der einzelnen Banken aussieht. Die zwei mit der besten Rendite erhalten auch die Anteile der zwei schlechtesten zur Anlage in den kommenden Jahren. Die Resultate wären sicher erfreulich gewesen. So arbeiten wir auch im Privatbereich. Jedes Jahr vergleichen wir, welche Bank uns am besten beraten, das Geld am besten angelegt hat.
Sie sollten die Beamtenversicherungskasse des Bundes sehen. Als Privatmann müsste ich für eine solche Misswirtschaft ins Gefängnis. Seit zehn Jahren wurde die Rechnung wegen Unstimmigkeiten nicht mehr abgenommen. Die Verantwortlichen wissen nicht, wem was zusteht, wer was einbezahlt hat, vermutlich ist das Deckungskapital falsch. Mit Sicherheit könnte man dies allerdings nur sagen, wenn man genau wüsste, wem was gehört und zusteht.
Die Eidgenössische Finanzkontrolle hat festgehalten, dass man die Rechnung ein weiteres Mal nicht abnehmen kann, weil sie falsch ist. Ein Mitglied der Kasse hat sich zu Wort gemeldet: "Ich weiss nicht, ob das Deckungskapital stimmt. Da ich in einem Jahr pensioniert werde, habe ich nachgefragt, wie hoch mein Guthaben ist. Bei mir fehlten drei Beitragsjahre. Wenn das bei allen so ist, ist das Deckungskapital sicher um 10 % zu klein, oder aber auf jeden Fall kleiner als man meint".
Ich führe diese Beispiele nicht auf, um mich lustig zu machen, sondern um darzulegen, dass wir keine Ordnung haben - weder bei den Ausgaben, noch bei den Geldanlagen.
Nationalbankreserven gehören den Bürgern
Auch ich glaube, dass die Reserven der Nationalbank zu hoch sind. Allerdings kann man eigentlich nicht sagen, wie hoch diese sein müssen. Die Amerikaner sagen: "Ein Dollar ist ein Dollar und unsere Volkswirtschaft ist die Reserve". Ich gehe aber davon aus, dass die schweizerische Nationalbank Reserven braucht. Die Experten-Kommission schätzt vorsichtig, die heutigen Reserven seien um 20 Milliarden Franken zu hoch. Diese 20 Milliarden Franken sind dem zu geben, dem sie gehören. Die Politiker fragen sich nicht, wem dieses Geld gehört, sondern wie sie es verteilen sollen. 7 Milliarden davon wollen sie in eine Solidaritätsstiftung einschiessen. Mit diesem Betrag - so meldet man über den Äther nach Amerika - sind selbstverständlich auch die Holocaustopfer abzugelten. Sie sollten sehen, was die internationalen Zeitungen aus dieser Meldung gemacht haben. Die beste Interpretation kam aus Honolulu und titelte "Die Schweiz verschenkt 7 Milliarden Raubgold".
Es mag ja gut und recht sein, Geld zu verschenken. Doch kann es nicht Aufgabe der Politiker sein, Geld zu verschenken, das ihnen nicht gehört! Das hat nichts mit Solidarität zu tun. Das Geld muss dem Eigentümer zurückgegeben werden - dem Volk. Zu diesem Zweck habe ich verschiedene Vorschläge gemacht:
- Man könnte jedem Schweizer per Briefträger ca. Fr. 3'000.- (20 Milliarden geteilt durch 7 Millionen) überbringen lassen - Sie lachen! Weil wir es nicht gewohnt sind, Geld zurück zu erhalten, das der Staat für uns verwaltet. Dabei wäre das naheliegend. Zugegebenermassen könnte es bei der Erstellung des Verteilschlüssels Schwierigkeiten geben. Ausserdem würde es zu einer Konjunkturüberhitzung führen, wenn dieses Geld gleichzeitig gesamthaft ausgegeben würde.
- Wir könnten mit den 20 Milliarden Franken eine AG gründen, das Geld anlegen und allen Bürgerinnen und Bürger Aktien geben. Diese Aktien kann man behalten oder verkaufen.
- Da diese Reserven der Nationalbank durch die Bevölkerung erarbeitet wurden, wäre es die gerechteste Lösung, diesen Ueberschuss in den AHV-Fonds einzubringen. Die AHV könnte dadurch für einen gewissen Zeitraum gesichert werden, was allerdings nicht von der Verpflichtung entbindet, den Fonds besser zu bewirtschaften als dies bisher der Fall war und die Kasse zu sanieren. Die junge Generation würde ebenfalls profitieren, weil die MWST nicht erhöht werden müsste.
Was ist zu tun?
Sie sehen, Politiker, Regierungen nehmen Geld aus allen Kassen. Jetzt denken Sie bestimmt, dann soll er uns doch sagen, was man machen soll. Was ist zu tun? Auf keinen Fall dürfen wir ja sagen zu höheren und neuen Steuern. Die SVP hat letztes Jahr jede Steuererhöhung konsequent abgelehnt, ob es nun um den Steuerfuss des Kantons Zürich, die Mehrwertsteuer oder die Erbschaftssteuer im Kanton Zürich ging. Aus diesem Grund lehnt die SVP-Fraktion auch die Schwerverkehrsabgabe ab. Im Kanton Zürich war uns leider mit der Abschaffung der Erbschaftssteuer kein Erfolg beschieden. Ich bin froh, dass der Bund der Steuerzahler die Initiative ergriffen hat und Druck macht.
Damit will ich sagen, dass es dringend notwendig ist, sich gegen jegliche Erhöhung von Steuern, Gebühren und Abgaben zur Wehr zu setzen und in Kauf zu nehmen, dass das Defizit noch grösser wird. Der Präsident des Bundes der Steuerzahler hat zu Recht erwähnt, dass die Ausgaben in den Jahren, in denen wir dem Staat höhere Einnahmen überlassen haben, unverhältnismässig schnell gestiegen sind. In den 70er Jahren hat das Schweizervolk zwei Steuererhöhungen verworfen. Als Resultat wurden die Ausgaben drastisch reduziert.
Aufgabe des Bundes der Steuerzahler
Aus diesem Grund ist es wichtig, dass Sie Ihre Organisation vergrössern und referendumsfähig werden! Der Trend läuft heute da hin, dass alle Verbände, die referendumsfähig sind (Privatpersonen sind das nicht), sich vorgängig einigen. Das hat man am Beispiel der Arbeitslosenversicherungsrevision erlebt, als man die Lohnabzüge um 1 % erhöhte und die Leistungen massiv ausbaute. Da fürchtete man ein Referenum und hat dafür gesorgt, dass sich die Arbeitgeber und Arbeitnehmer einigten. Die Arbeitgeber sagten: "Es ist gut, wenn wir eine Arbeitslosenkasse haben, dann ist es einfacher, die Leute zu entlassen". Die Arbeitnehmer stimmten in der Ueberzeugung zu, breiteste Unterstützung zu haben. Die Rechnung zahlt der Bürger und Steuerzahler.
Wenn es der Bund der Steuerzahler schafft, bei angekündigten Steuererhöhungen in einem Monat 50'000 Unterschriften zu sammeln, bekommt er das notwendige Gewicht in Bern. Die Politiker fürchten sich vor Referenden. Man muss es nicht einmal ergreifen, allein schon die Tatsache, dass die Möglichkeit besteht, ist äusserst beunruhigend für die Politik.
Natürlich müssen auch weitere Ausgaben - beispielsweise die NEAT - abgelehnt werden. Ein EU-Beitritt würde uns 5 bis 7 Milliarden Franken pro Jahr kosten. Das heisst, wir würden 1/8 bis 1/7 sämtlicher Steuerausgaben direkt nach Brüssel abliefern. Von den indirekten Kosten rede ich gar nicht. Wenn Sie sich nur überlegen, dass die Vorstellungen bezüglich des freien Personenverkehrs darauf hinauslaufen, hinsichtlich des Bezuges von Sozialleistungen alle gleichzustellen. Selbst wenn jemand nur wenige Monate in der Schweiz tätig ist, soll er während fünf Jahren sämtliche Sozialleistungen ausschöpfen dürfen. Das würde zu einem gefährlichen Gefälle führen. In Österreich zum Beispiel ist die maximale Bezugsdauer von Arbeitslosengeldern auf 100 Tage in zwei Jahren limitiert, in der Schweiz werden für 520 Tage Leistungen ausbezahlt. Das wird zu einem regen "Sozial-Tourismus" führen, der mit hohen zusätzlichen Kosten verbunden ist!
Unsere Partei hat schon letztes Jahr ein Papier vorgelegt, in welchem wir aufzeigten, welche Ausgabenreduktionen möglich wären. Seit neustem erhebt man Steuern für einen bestimmten Zweck und sagt dann, es sind ja nur wenige davon betroffen - bei der Kapitalgewinnsteuer die Reichsten, bei den Schwerverkehrsabgaben das Lastwagengewerbe. Inzwischen sollte es jedem Konsumenten einleuchten, dass die LSVA den Endpreis des Produktes massgeblich erhöhen wird.
Noch gefährlicher ist es, bei Steuererhöhungen Aussagen wie: "Wenn das Schweizervolk dieser Vorlage nicht zustimmt, ist die AHV in Gefahr" zu machen. Als man Herrn Bundesrat Villiger kürzlich sagte, er ginge als Minister der Steuererhöhungen in die Geschichte ein, antwortete er, die Steuern würden ja gar nicht erhöht, sondern lediglich Mehreinnahmen zugunsten der Sozialwerke erhoben. Merken sie etwas? Man gibt sich plötzlich zweckgebunden, damit man das Geld anderweitig brauchen kann.
Selbstverantwortung als Grundlage
Ich bin der Meinung, dass die Wohlfahrt der Bevölkerung nur gesichert werden kann, wenn das Verantwortungsgefühl, die Selbstverantwortung des Einzelnen wieder in den Mittelpunkt gestellt wird. Diejenigen, die für sich und ihre Familien sorgen, dürfen nicht bestraft, sondern müssen belohnt werden. Und wir müssen die Fürsorge-Unterstützungen wieder auf die wirklich Hilfsbedürftigen reduzieren. Wenn wir diesem Giesskannen-Verteilsystem Abhilfe schaffen, bin ich an sich sehr zuversichtlich.
Eine der wichtigsten Hürden ist die Volksabstimmung! Unsere Vorfahren haben gut daran getan, die Steuern in die Verfassung zu integrieren. Wenn es um die Erhöhung der Mehrwertsteuer geht, bestehen in Bern riesige Hemmungen. Man versucht dann, die Konsequenzen mit Aussagen wie: "Der Kaffee wird dann nur um 4 Rappen teurer" oder bei der Schwerverkehrsabgabe: "Der Joghurt wird dadurch nur um 1 Rappen teurer" abzuschwächen. Ich glaube, Herr Dr. Schlüer hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass 1 Rappen lediglich die Zusatzkosten für den Transport von der Molkerei zum Laden beinhalte. Zuvor aber müssen ja schon die Milch und - wenn es sich um Fruchtjoghurt handelt - auch die Früchte hergeführt werden, weil normalerweise weder Kühe noch Fruchtbäume direkt in der Molkerei stehen. Man spricht also stets bewusst nur vom letzten Glied in der Kette und verschweigt die andern. Die wirtschaftlichen Zusammenhänge werden vernachlässigt. Je weniger die Leute im Alltag damit zu tun haben, desto weniger verstehen sie dies, und das ist höchst gefährlich.
Auch bei den AHV-Beiträgen besteht die Gefahr, dass man sie über Steuerabgaben erhebt. Bereits heisst es, diejenigen, die mit 65 Jahren noch Ersparnisse besitzen, sind ja gar nicht auf die AHV angewiesen. Also kürzen oder streichen wir ihnen die AHV-Rente. Wenn das Schule macht, bekommt - wie bei einer Versicherung eigentlich üblich - nicht mehr derjenige die Leistung, der sie finanziert hat, sondern der, der mit 65 nichts hat. Derjenige, der spart und vorsorgt, wird also nicht belohnt, sondern bestraft. Ganz so extrem drückt man es natürlich nicht aus. Man sagt lediglich, die Bessergestellten brauchen weniger.
Bei der Kapitalgewinnsteuer heisst es, das trifft die ganz Reichen, die an der Börse Kapitalgewinne erzielen. Überlegen Sie, wen es wirklich trifft. Professionelle Anleger bezahlen heute schon Kapitalgewinnsteuern wie juristische Personen. Sozialversicherungswerke hingegen werden nicht belastet, weil sie ja keine Steuern zahlen. Es trifft also den, der nicht professionell anlegt, sondern ein paar Wertschriften kauft und verkauft, also den Mittelstand.
Dann gibt es noch solche, die reich geworden sind. Ich gehöre zum Beispiel zu diesen. Trotzdem wäre ich von der Kapitalgewinnsteuer nicht betroffen, weil ich noch nie einen Kapitalgewinn erzielt habe. Ich bin reich, weil meine Unternehmen an Wert zugenommen haben. Dafür bezahlt man heute sehr hohe Vermögenssteuern.
Je weniger die Steuerzahler zahlen, desto weniger können die Politiker ausgeben. Zahlen wir mehr, wird mehr ausgegeben. Gibt man viel aus und verteilt viel, lähmt man die Eigeninitiative und Selbstverantwortung. Ich bin zum Beispiel davon überzeugt, dass man das Schweizervolk von einem guten Konzept bei der Arbeitslosenkasse überzeugen könnte, wenn sich dadurch beispielsweise die Lohnabzüge um 1 % reduzieren liessen. Vor einiger Zeit habe ich vorgeschlagen, bei beginnender Arbeitslosigkeit eine Karenzfrist von vier Wochen einzuführen. Es sollte nach menschlichem Ermessen zumutbar sein, während einer Erwerbstätigkeit für vier Wochen vorzusorgen. Allein diese Massnahme würde schon zu Einsparungen von rund 2 Milliarden Franken führen. Auch die Bezugsdauer könnte gekürzt, die Zumutbarkeit ausgedehnt werden. Dann liessen sich die Beiträge bestimmt reduzieren. Sonst würde ja niemand eine Leistungskürzung in Kauf nehmen. Aber das sind bereits Detailprobleme.
Sagen Sie also Nein zu mehr Steuern. Nein heisst nämlich in diesem Fall Ja zu einem guten, gesunden, wirtschaftlich starken Staat mit wenigen Arbeitslosen, in dem die Armut nicht überhand nimmt. Das ist das politische Programm für die kommenden Jahre, und ich hoffe, dass der Bund der Steuerzahler diese Stossrichtung mit allen ihm zur Verfügung stehenden Kräften unterstützt.