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Mandat de Conseiller Fédérale
03.04.2004
03.04.2004
«Als Ems-Chef hatte ich es besser»
Christoph Blocher möchte die Bundesratssitzungen künftig öffentlich abhalten. Das Volk müsse wissen, was die Regierung denke, findet der SVP-Magistrat. Seine Motivation sei, etwas im Land zu verändern. 03.04.2004, Berner Zeitung (Karin Burkhalter) Herr Bundesrat Blocher, Sie sprechen immer von Ihrem Auftrag, den Sie erfüllen müssen. Sind Sie eigentlich gerne Bundesrat? Bundesrat Christoph Blocher: Ich möchte darauf keine Antwort geben, weil dies nicht ausschlaggebend ist. Es gibt Dinge, die mache ich gerne, andere belasten mich. Wieso zieren Sie sich? Ich bin nicht Bundesrat geworden, weil ich immer Bundesrat habe werden wollen. Und ich habe mir auch nie überlegt, ob ich dieses Amt gerne ausführe. Die Motivation für mich ist zu sehen, ob ich etwas erreichen kann. Als Ems-Chef hatte ich es sicher besser. Ich konnte machen, was ich richtig fand. Die Frage ist, ob es sich gelohnt hat, von meinem politischen Credo her Bundesrat zu werden. Heute muss ich sagen, der Entscheid, mich zur Verfügung zu stellen, war richtig. Spasseshalber haben Sie einmal gesagt, vier Legislaturen Bundesrat bleiben zu wollen. So lange müsste ich mindestens bleiben, bis sich meine Politik durchsetzt. Spass beiseite. Nein, ich habe schon vor, noch einige Jahre diese Aufgabe zu machen, sofern es die Gesundheit zulässt und mich das Parlament in vier Jahren wieder wählt. Ich gehe nicht davon aus, dass die SVP in den kommenden Jahren den Anspruch auf den zweiten Bundesratssitz wieder verliert. Es kann aber sein, dass das Oppositionssystem Aufwind bekommt. Diese Frage steht immer zur Diskussion. Und die darf man ruhig nüchtern angehen. Wie stehen Sie zu einem solchen System, würde Ihnen das liegen? Grosse Vorteile hätte dies schon. Politik und Verantwortlichkeiten wären klar. In der Schweiz aber ist die Opposition das Volk, insofern ist der Bundesrat auch eine Oppositionsregierung. Damit sind wir bisher eigentlich gut gefahren. Allerdings stösst das heutige System in Anbetracht der grossen Herausforderungen an seine Grenzen. In den letzten 50 Jahren hat man Probleme immer mit Geld gelöst. Jetzt fehlt das Geld, dem Volk geht es schlechter und der Wirtschaft auch. Mit einer Oppositionsregierung wäre es sicher einfacher, eine geradlinigere Politik zu betreiben. Sie werden im Bundesrat regelmässig überstimmt. Das ist doch ziemlich unbefriedigend. Regelmässig nicht, aber doch oft. Überrascht Sie das? Ich wusste von Anfang an, dass ich mir keine Illusionen machen muss. Sie plädieren für öffentliche Bundesratssitzungen. Wollen Sie damit der eigenen Klientel zeigen, dass Christoph Blocher der gleiche geblieben ist? Nein. Was gegen aussen gesagt wird, stört mich nicht. Es ist für das Vertrauen in die Politik wesentlich, zu wissen, was die Regierung denkt und macht. Es gibt natürlich Traktanden, die nicht öffentlich sein sollen. Zum Beispiel Personelles. Aber das dürfen nicht 90 Prozent der Geschäfte sein. Es gibt übrigens bereits kantonale Regierungsratssitzungen, die öffentlich sind. Da geht zwar praktisch niemand hin, das macht aber nichts. Wichtig ist, dass die Möglichkeit besteht. In Ihren ersten 100 Tagen sind Ihnen praktisch nur negative Dinge aufgefallen. Gibt es auch Sachen, die Sie positiv überraschten? Es hat keinen Sinn, Zeit mit Positivem zu versäumen. Deshalb interessieren mich nur die Aspekte, die zu korrigieren sind. Es gilt ja, Probleme zu lösen. Um Leute zu loben, bin ich viel zu gut bezahlt. Trotzdem, in meinem Departement habe ich lauter Leute, die gewillt sind, ihre Arbeit möglichst gut zu tätigen. Wir haben nicht zu viele Mitarbeiter, die nichts zu tun haben, sondern einen viel zu stark aufgeblasenen Verwaltungsapparat. Was möchten Sie an der Funktionsweise der Kollegialbehörde ändern? Der Bundesrat hat viel zu viele Dinge am Hals, um die er sich kümmern muss. Das ist der Grund, weshalb aus dem Parlament immer wieder Forderungen nach Regierungsreformen gekommen sind. Das halte ich aber bloss für eine Symptombekämpfung. Ich setze auf eine Verwaltungsreform, bei der die Verantwortlichkeiten nach unten delegiert und nicht nach oben geschoben werden. Das gäbe schon eine grosse Entlastung, obwohl ich den Bundesrat nicht entlasten will, damit er weniger arbeiten muss. Aber mit dem heutigen System wird der Bundesrat durch die Verwaltung getragen. Er kann sich mangels Zeit gar nicht mit den grundsätzlichen Fragen und Aufgaben dieses Staates auseinander setzen. Haben Sie Beispiele für unnötige Aufgaben? In meinem Departement stosse ich immer wieder auf Dinge, von denen ich gar nicht wusste, dass ich dafür zuständig bin. Ich bin zum Beispiel verantwortlich für eine Datenbank für Findeltiere. Nicht, dass dies keine gute Sache ist. Zu meinen Prioritäten gehört sie aber sicher nicht. Ich weiss, dass es nicht machbar ist, doch wir sollten mit dem Aufbau von Bundesaufgaben ganz von vorne beginnen können. Wir müssen endlich eine Verzichtsplanung in Angriff nehmen. Und Sie können sicher sein, ich werde einige Vorschläge in den Bundesrat hineintragen. Führen Sie selber in Brüssel die Schlussverhandlungen beim Dossier Schengen/Dublin? Möglich wäre es schon; ich glaube aber nicht, dass es dazu kommt. Ich bin der Meinung, dass man auf der obersten Ebene keine Verhandlungen führen darf. Das ist zu gefährlich. Man macht Abmachungen, die nicht mehr der Realität entsprechen. Diese Meinung habe ich übrigens auch als Nationalrat vertreten. Welche Bedeutung messen Sie Auslandkontakten zu? Ich wollte zuerst einmal die 100 Tage abwarten. Wenn es dringend notwendig geworden wäre, wäre ich selbstverständlich ins Ausland gereist. Nun habe ich vor, den deutschen Innenminister Otto Schily in den nächsten Wochen zu besuchen. Gleiches gilt für die Amtskollegen in den anderen Nachbarländern. Die Zusammenarbeit - gerade was den Sicherheitsbereich anbelangt - ist sehr eng, und ich messe ihr grosse Bedeutung zu. Sie sind gegen Schengen und Dublin. Fachleute sagen, beide Abkommen könnten aber sehr viele Probleme lösen, welche Ihr Departement betreffen. Meine persönliche Meinung interessiert nicht mehr seit der Bundesratsklausur von Mittwochabend. Die Sache ist beschlossen. Der Bundesrat will beitreten. Es ist zurzeit nun einmal so, dass die Politik über das Grenzenlose in Schwärmerei gerät. Für mich bleibt die Frage offen, ob ein Beitritt zu Schengen tatsächlich die erhoffte grössere Sicherheit für unser Land bringt. Das ist meine Stellungnahme, die ich als Mitglied einer Kollegialbehörde abgeben kann. Ihre Partei will das Volk über dieses Dossier abstimmen lassen. Wollen Sie das auch? Ich rede nicht mehr für eine Partei. Aber ich gehe davon aus, dass kein Bundesrat dagegen sein kann, dem Volk diese wichtige Frage vorzulegen. In einem allfälligen Kampf des Bundesrates gegen ein Referendum werde ich mich nicht engagieren, das ist ja klar.
03.04.2004
«Um zu loben, bin ich zu gut bezahlt»
Bundesrat Christoph Blocher sieht sich nach 100 Tagen im Amt in seinen Meinungen bestätigt. Darum kämpft er auch in der Regierung für weniger Staat im Staat. 03.04.2004, Neue Luzerner Zeitung (Jürg auf der Maur) Sie sind seit rund 100 Tagen im Bundesrat. Wurden Sie öfter überstimmt, als Sie erwarteten? Christoph Blocher: Ich stelle jedenfalls fest, dass es kein Klima persönlicher Aversion oder Obstruktion gegen mich gibt. Man sagt nicht, alles, was von Blocher kommt, wird abgelehnt. Es wird diskutiert und ich hatte mit mehr Geschäften Erfolg als ich vor meiner Wahl eigentlich erwartete. Über einzelne Bundesräte rede ich nicht. Wenn ich ein Anliegen habe, dann diskutiere ich das direkt mit den Betreffenden. Das ist ja der Vorteil, wenn man im Bundesrat ist. Was konnten Sie im Bundesrat bewirken? Darüber rede ich nicht. Es ist ja auch vertraulich und geheim. Es ist nicht so wichtig, wenn es heisst, der Blocher wurde überstimmt oder hat verloren. Sie suchen den Konflikt und die Provokation. Beispielsweise als Sie beantragten, dem Tourismus nur noch einen Franken zur Verfügung zu stellen. Ich mache nichts zum Spiel. Der Tourismuskredit ist ein gutes Beispiel. Seit Jahren zahlt der Bund Millionen. Ich bin der Meinung, dass das nichts bringt, sondern sogar eher schädlich ist. Mit meinem Antrag wollte ich einen Denkanstoss machen. Null Franken konnte ich nicht vorschlagen, weil der Tourismus gesetzlich Anspruch auf Bundesmittel hat. Hätte ich Null Franken beantragt, hätte man mir vorgeworfen, dass die Idee gar nicht legal sei. Was haben Sie nun erreicht? Ich wollte, dass man die ganze Wirtschaftsförderung einmal von der anderen Seite her betrachtet. Man musste im Bundesrat über den Sinn und den Unsinn einer solcher Förderung reden. Mir war klar, dass ich keine Mehrheit hinter mich bringe. Ich wollte den Bundesrat herausfordern. Das ist sinnvoll und hat eine viel grössere Wirkung, als man meint. Wenn man schon das Falsche macht, dann ist es immer noch besser, wenn man es mit einem schlechten statt mit gutem Gewissen macht. Die NZZ schreibt, die SVP oder die Auns hätten einen grossen Einfluss auf ihre Arbeit. Ich schreibe die wichtigen Anträge selber, vor allem dann, wenn es um grössere Weichenstellungen geht. Andere Geschäfte delegiere ich ins Amt. Weder die Partei noch die Auns haben Einfluss. Sie zeichnen ein tristes Bild der Schweiz. Ist das Schwarzmalerei? Ich wurde im Dezember in den Bundesrat gewählt als Politiker mit klaren Grundhaltungen und Positionen. Ich habe damals gesagt, dass ich mich nach bestem Wissen und Gewissen einsetzen und in den Bundesrat einbringen will. Ich war schon damals der Ansicht, dass es dringend Korrekturen braucht. Was heisst das konkret? Nur einige Stichworte: Es gibt grosse Fehlentwicklungen, etwa die Schuldenwirtschaft, die grossen Defizite des Bundes und der öffentlichen Hand oder die abnehmende Sicherheit für die Bevölkerung. Sie fordern öffentliche Bundesratssitzungen. Was tun sie dafür? Ich werde diese Idee sicher nicht in den Bundesrat tragen. Ich gehe auch nicht davon aus, dass die Anregung im Parlament aufgenommen wird. Sie hat nämlich keine Chance. Trotzdem fordern Sie das? Nach drei Monaten im Bundesrat muss ich einfach feststellen, dass die Bürger über den eigenen Staat und die Regierungstätigkeit schlecht und falsch informiert sind. Weshalb? Das hat weniger mit den Medien als vielmehr damit zu tun, dass die Regierungstätigkeit geheim ist. Daraus resultiert eine selektive Geheimhaltung. Es gibt doch Geschäfte, die der Bundesrat geheim besprechen können muss? Schon, aber das sind sicher nicht 90 Prozent der Geschäfte. Wollen Sie tatsächlich Bundesratssitzungen live am TV? Weshalb nicht? Es wäre wohl einfach so, dass nach zwei, drei Sendungen niemand mehr zuschauen würde. Aber das ist auch nicht die Frage. Es ist wichtiger, dass man eine Bundesratssitzung verfolgen darf, als dass man die Gelegenheit denn auch wirklich wahrnimmt. Gibt es auch positive Überraschungen, die Sie als Bundesrat erlebten? Ich habe keine Zeit, mich mit dem Positiven zu beschäftigen. Ich bin als Bundesrat gewählt worden, um Probleme zu lösen. Um Leute zu loben, bin ich zu gut bezahlt. Nur soviel: Die Leute in der Bundesverwaltung arbeiten gut. Sie sind bereit, das Beste zu machen. Das heisst aber nicht, dass ich nicht trotzdem der Meinung bin, dass der Staat und damit auch die Verwaltung schlanker werden müssen. Die SP kritisiert Sie als einen Bundesrat, der die meisten Vorlagen konsequent abweist. Es ist ein ganz grosses Verdienst, wenn der Bundesrat bei vielen Sachen Nein sagt. Wenn die SP das gemeint hat, würde mich die Kritik freuen. Wenn es mir gelingt, dass der Staat Dinge nicht mehr tut, die er nicht machen muss, dann wäre das ein Kompliment für mich. Ich bezweifle aber, dass mein Erfolg so gross ist. Wir haben jedenfalls noch sehr viel zu tun. Was möchten Sie im Bundesrat ändern? Ich kritisiere das Kollegium nicht. Es ist einfach eine Tatsache, dass der Bundesrat zu viele Geschäfte auf seinem Pult hat. Ihre Folgerung? Es braucht dringend eine umfassende Verwaltungsreform. Es ist nötig, dass die Verantwortlichkeiten klar geregelt werden. Am meisten fällt mir auf, wie unklar und schwammig mit dem zentralen Führungsbegriff und der Verantwortung umgegangen wird. Von weit oben bis weit unten sind zwar umfassende Kompetenzen gegeben, aber ohne klare Verantwortlichkeiten. Wir leisten uns eine zu grosse Staatsverwaltung, die ein System am Leben erhält und keine Zeit und Kraft mehr übrig lässt, das System zu ändern. Heute braucht es eine Verwaltung, um die Verwaltung zu betreiben. Das geht nicht. Sie haben Vertreterinnen der Kantone zu ihrer Medienkonferenz eingeladen, die dringend Massnahmen im Vollzug des Asylbereichs fordern. Stützen Sie diese Forderungen? Ich wurde in den ersten Tagen meiner Amtszeit als Justizdirektor von den Kantonen immer wieder aufgefordert, etwas zu unternehmen. Bisher hat man die Vollzugsprobleme schöngeredet oder die Hilferufe der Kantone gar nicht erhört. Wir haben diese Rufe geprüft und feststellen müssen, dass der Vollzug tatsächlich eines der grössten Probleme ist. Wir kommen mit Lösungen. Das heisst, Sie sind für längere Haftdauer bei Asylbewerbern, die beispielsweise ihre Papiere nicht vorlegen oder für den Bau von Ausführungszentren? Wir prüfen die Forderungen. Aber ich bin noch nicht so weit, dass ich sie konkret vorschlagen kann. Sicher ist einfach, dass grosse Probleme bestehen, wenn 90 Prozent der Bewerber eigentlich gar keine Flüchtlinge sind oder wenn lediglich 14 Prozent ihre Identität preisgeben oder über Papiere verfügen. Wir haben gesetzgeberischen Handlungsbedarf. Insofern stehe ich den Forderungen, wie sie die St. Galler Justizdirektorin Karin Keller-Sutter gestellt hat, offen gegenüber.
03.04.2004
«Ich wurde nicht gewählt, um zu rühmen»
03.04.2004, Blick (Christian Dorer) Herr Bundesrat, haben Sie in Ihren ersten 100 Tagen gar nichts Gutes festgestellt? Ich wurde nicht gewählt, um zu rühmen. Ich muss herausfinden, wo die Probleme liegen. Wenn Sie unbedingt was Positives hören wollen: Die Schweiz ist immer noch sicherer als andere Länder. Und es geht uns wirtschaflicht besser als etwa Kambodscha. Ihre Rede war reine Schwarzmalerei. Wir haben 130 Milliarden Franken Schulden, die Wirtschaft wächst nicht mehr, die Leute haben - zu Recht - Angst um ihre Stelle, man nimmt den Leuten immer mehr weg. Man vermisst den konstruktiven Ansatz. Ist es denn nicht konstruktiv, wenn man die Probleme benennt? Wenn man sie nicht zuerst anerkennt, kann man sie nicht lösen. Die SP kritisiert Sie als Ablehnungs-Bundesrat. Danke für das Kompliment! Die SP will eine schlechte Politik, dies gilt es zu verhindern. Wenn wir weitermachen wie bisher, geht's den Schweizerinnen und Schweizern schlechter. Im Bundesrat werden Sie oft überstimmt. Ein Frust? Es gibt solche Dinge, wo ich unterlag, und es gibt andere. Zum Beispiel? Darüber darf ich nicht sprechen. Das ist vertraulich und geheim. In der «Schengen»-Frage jedenfalls war der Bundesrat gegen Sie. Auch das muss offen bleiben. Aber jedermann wusste, dass der Bundesrat «Schengen» will. Warum Sind Sie dann dagegen angetreten? Damit Ihre Anhänger befriedigt sind? Ich darf Ihnen nicht sagen, was ich im Bundesrat warum gemacht habe, tut mir Leid. Wie ernst nehmen Sie die Kollegialität? In Ihrer Rede haben Sie ausführlich auf die Nachteile hingewiesen. Nur ein Propagandist verschweigt die Nachteile. Ich habe immer Vor- und Nachteile von Vorlagen aufgezeigt. Das ist eine Frage von Glaubwürdigkeit. «Schengen» ist in Ihrem Departement. Werden Sie es vertreten? Es ist wie immer im Bundesrat: Gleich drei Bundesräte sind zuständig. Wenn ich die Meinung des Gesamtbundesrates vertreten muss, dann tue ich das. Sie ziehen also auch in den Abstimmungskampf für «Schengen» und gegen die SVP? Ich werde auf jeden Fall nicht gegen den bundesrätlichen Beschluss antreten.
02.04.2004