«…als wenn es Sozialleistungen wären!»
Zur Landwirtschaft in der Schweiz
“die grüne” vom 25. Januar 2001
Von Colette Lanz
Christoph Blocher, als Pfarrerssohn geboren, wollte bereits als Bub Bauer werden. Die beiden landwirtschaftlichen Lehrjahre absolvierte er bei einem Bauern in Ossingen, im Kanton Zürich, und besuchte die landwirtschaftliche Schule “Weinland” in Winterthur-Wülflingen. “Ich habe es immer sehr bedauert, dass ich nicht habe Bauer werden können”, betont er noch heute.
Der Direktor der landwirtschaftlichen Schule riet ihm, Landwirtschaft zu studieren. “Nach einem Monat Landwirtschaftstudium stellte ich fest, dass es nochmals dasselbe war, wie an der landwirtschaftlichen Schule.” Da sich in der Landwirtschaft vieles um rechtliche Fragen dreht, dachte Christoph Blocher, dass es wohl gescheiter sei, Jura zu studieren. Nach dem Studium stellte Blocher fest, dass er von Wirtschaft nichts verstand, darum ging der junge Jurist halbtags in der Wirtschaft arbeiten, halbtags schrieb er seine Doktorarbeit. “So bin ich in den Rechtsdienst der damaligen Emser Werke AG eingetreten – heute ist das Ems-Chemie. Schliesslich bin ich dort hängen geblieben und Unternehmer geworden.” Das Thema der Dissertation hiess: “Die Funktion der Landwirtschaftszone und ihre Vereinbarkeit mit der Schweizerischen Eigentumsgarantie”.
Plötzlich waren da zwei riesige Bauernhöfe
Nachdem Christoph Blocher Anfang der 80er-Jahre die Ems-Chemie übernommen hatte – “als es sehr schlecht ging und niemand sonst die Firma haben wollte” – wurde er plötzlich Besitzer zweier riesiger Bauernhöfe, die zum Unternehmen gehörten. “Zuerst habe ich nicht bauern können, weil ich keinen Hof hatte. Und nachher hatte ich zwei Höfe und konnte nicht bauern, weil ich bereits Industrieller war”, meint Blocher lachend. Unterdessen hat Blocher die beiden Landwirtschaftsbetriebe im bündnerischen Domat/Ems aufgegeben und das Land in einen Golfplatz verwandelt, damit die Freifläche um die Fabrik herum erhalten blieb. Damit verstummten auch die Vorwürfe, er als reicher Unternehmer produziere landwirtschaftliche Produkte, die auf dem Absatzmarkt noch subventioniert würden.
Flächenbeiträge statt Direktzahlungen
Als Mitglied der Schweizerischen Volkspartei hat der Politiker Blocher oft mit Landwirten zu tun: “Ich unterstütze die Landwirtschaftspolitik im Interesse des Landes, aber ich bin sehr besorgt wie es zurzeit läuft.” Blocher hat natürlich so seine Ideen, wie eine moderne Landwirtschaft aussehen soll: “Im Interesse des Landes können wir auf eine Landwirtschaft nicht verzichten. Darum kann man sie der freien Marktwirtschaft auch nicht völlig aussetzen. Überall, wo das funktioniert, muss die freie Marktwirtschaft gelten, aber in der Landwirtschaft funktioniert das nicht. ” Es gebe kein einziges Land das so etwas mache, nicht einmal Amerika. Aber der Bauer soll als freier Unternehmer wirken können, soweit nur möglich – also mit möglichst wenigen Vorschriften. “Und darum trete ich seit Jahren dafür ein, dass der Bauer auf die Fläche, die er hat, einen Beitrag erhält. In den schwierigen Gebieten, in den Bergregionen, mehr, und in den einfacheren Gebieten, also im Mittelland, etwas weniger. Dafür muss er das Land bewirtschaften. Das ist die einzige Verpflichtung, die er hat.” Die Produkte könne der Landwirt anschliessend verkaufen, wie er möchte. “Dort muss man schauen, dass der freie Markt spielt!” Das sei heute nicht der Fall, denn im Lebensmittelbereich gebe es mit Coop und Migros praktisch eine Monopolsituation. “Mit diesen Flächenbeiträgen könnte man fast alle Gesetze, die es in der Landwirtschaft gibt, aufheben: das landwirtschaftliche Bodenrecht, das Erbrecht, die detaillierten Bestimmungen, alles – der Bauer wäre ein freier Mann. Ich bin überzeugt, das wäre etwas für die Bauern, für die Zukunft, für das Land und für den Staat erst noch billiger.”
Die heutigen Direktzahlungen gingen zwar in dieser Richtung – aber mit viel zu viele Auflagen. “Da muss einer die Wiese erst im Juli mähen, sonst bekommt er weniger. Er muss das Vieh herauslassen, an so und soviel Tagen, im Winter und im Sommer. Zudem – und das ist sehr verhängnisvoll – sind diese Beiträge an das Einkommen gebunden. Das sieht aus, als wenn die Direktzahlungen Sozialleistungen wären! Wir müssen den Bauern nicht Geld geben, weil sie arm sind oder zu wenig verdienen, sondern wir müssen ihnen Geld geben, weil sie für die Allgemeinheit eine Leistung erbringen. Sonst wird der Bauer wie ein Staatsangestellter mit dem orangen Übergewand. Ich sehe viele junge Landwirte, die nicht mehr bauern wollen, das sei ihnen zu reguliert. Haben sie so Unrecht?”
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