Neues Ausländer- und Asylgesetz
Referat von Bundesrat Christoph Blocher vom 19. September 2006 in Biel/BE
19.09.2006, Biel
Biel. In seinem Referat zum neuen Ausländer- und Asylgesetz sprach Bundesrat Christoph Blocher über die Ziele der beiden Vorlagen. Während mit beiden Gesetzen Missbräuche verhindert werden sollten, solle mit dem Ausländergesetz auch die Integration gefördert und mit dem Asylgesetz die humanitäre Tradition der Schweiz gewahrt werden.
1. Einleitung
Es ist eine Tatsache, dass die Asyl- und Ausländerpolitik die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes stark beschäftigt.
Die Schweiz hat heute in Europa mit 21,8 Prozent einen der höchsten Ausländeranteile überhaupt. Im Grossen und Ganzen funktioniert das Zusammenleben der einheimischen und der ausländischen Bevölkerung.
Im Verlaufe der letzten Jahre haben sich jedoch Probleme gezeigt, die sowohl im Asyl- wie im Ausländerrecht zu lösen sind. Zudem haben sich die ausländerpolitischen Rahmenbedingungen mit der Einführung der Personenfreizügigkeit gegenüber den EU-Staaten grundsätzlich verändert.
2. Ziele des neuen Ausländergesetzes: Bessere Integration, weniger Missbrauch
Das neue Ausländergesetz ist notwendig, damit die Schweiz die erforderlichen Arbeitskräfte erhält, ohne dass Arbeitslosigkeit entsteht und ohne dass die Sozialwerke unverhältnismässig belastet werden.
Es gilt, die bestehenden Probleme, die unbestritten vorhanden sind, zu lösen:
* Die Integration bedeutender Teile der ausländischen Wohnbevölkerung ist ungenügend.
* Die Arbeitslosigkeit unter den Ausländerinnen und Ausländern ist mit 5.5 Prozent (Stand Juli 2006) deutlich höher als bei Schweizerinnen und Schweizern (2.4 %).
* Besonders problematisch ist die Arbeitslosigkeit bei ausländischen Jugendlichen. Bei den ausländischen Jugendlichen betrug die Erwerbslosenquote im Jahr 2005 16.7 % und war mehr als 2.5 Mal so hoch wie diejenige der Schweizer Jugendlichen.
* Die Straffälligkeit von Ausländern ist nach wie vor hoch. Gemäss der Polizeilichen Kriminalstatistik waren 52.8 % der Tatverdächtigen ausländische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger. Von diesen hatten 78.5 % Wohnsitz in der Schweiz.
* Ein weiteres Problem ist die hohe Anzahl der IV-Bezüger unter den ausländischen Personen. Gemäss Bundesamt für Sozialversicherungen gab es (Stand Januar 2006, ohne Zusatzrenten für Ehegatten und Kinder) total 290’000 Rentenbezügerinnen und Rentenbezüger, davon 101’000 ausländische Personen (rund 35 %).
* Im Weiteren fällt auf, dass die Sozialhilfestatistik des Jahres 2004 zeigt, dass 5.8 % der ausländischen Bevölkerung auf Sozialhilfe angewiesen ist. Bei den Schweizerinnen und Schweizern sind es 1.9 %.
Die Hauptgründe für diese Probleme sind:
* Schlecht qualifizierte ehemalige Saisonniers aufgrund der schweizerischen Rekrutierungspolitik v. a. in den 70er Jahren
* Schlecht integrierte ausländische Jugendliche mit schulischen Schwierigkeiten, insbesondere wegen mangelhafter Sprachkenntnisse
* Zu viele illegal anwesende Personen
Das neue Ausländergesetz bekämpft diese Probleme:
* Für Personen von ausserhalb der EU und der EFTA wird die Zulassung zum schweizerischen Arbeitsmarkt beschränkt und auf beruflich besonders qualifizierte Arbeitskräfte konzentriert. Stünde der schweizerische Arbeitsmarkt der ganzen Welt offen, wären hohe Arbeitslosigkeit und kaum verkraftbare Belastungen der Sozialwerke die Folgen.
* Die Integration von Ausländerinnen und Ausländern wird verbessert, zum Beispiel durch eine möglichst frühe Einschulung ausländischer Kinder.
* Berufs-, Stellen- und Kantonswechsel von Ausländerinnen und Ausländern werden vereinfacht, was den Zugang zur Erwerbstätigkeit erleichtert und viele bürokratische Hindernisse abbaut.
* Die Massnahmen gegen Missbräuche wie Schleppertätigkeit, Schwarzarbeit und Scheinehen werden verstärkt.
Freizügigkeitsabkommen und Ausländergesetz
Das Freizügigkeitsabkommen mit der EU und der EFTA regelt den Personenverkehr mit diesen Staaten umfassend; nach einer Übergangsfrist ist hier eine uneingeschränkte Rekrutierung von Arbeitskräften möglich.
Das neue Ausländergesetz gilt daher nur noch für Personen aus Staaten, mit denen kein Freizügigkeitsabkommen besteht.
Personen ausserhalb der EU/EFTA – also Staaten wie zum Beispiel den USA, Indien oder China – können im Rahmen von Kontingenten nur dann zugelassen werden, wenn:
* Sie beruflich besonders qualifiziert sind
* Der Bedarf nach ihrer Arbeitskraft gegeben ist
* Weder ein Schweizer noch ein EU/EFTA-Angehöriger dafür zu finden sind
* Und ihnen die orts- und berufsüblichen Lohn- und Arbeitsbedingungen gewährt werden.
Diese besonders qualifizierten ausländischen Personen erhalten eine verlängerbare Aufenthaltsbewilligung oder eine befristete Kurzaufenthaltsbewilligung. Jahresaufenthalter und neu auch Kurzaufenthalter können die Familie nachziehen. Auch der Ehepartner hat die Möglichkeit, in der Schweiz zu arbeiten.
Bei einer guten Integration kann die Niederlassungsbewilligung bereits nach fünf Jahren erteilt werden. Sie gewährt eine gute Rechtsstellung in der Schweiz, die mit dem Freizügigkeitsabkommen vergleichbar ist.
3. Asylgesetz
Ziel der Teilrevision des Asylgesetzes ist: Die humanitäre Tradition der Schweiz wahren – und Missbräuche verhindern.
Ende Juni 2006 befanden sich über 46’000 Personen im Asylbereich. Davon sind rund 25’000 Personen vorläufig aufgenommen. 9’300 Personen sind im Vollzug und müssen die Schweiz verlassen. Für über 6’300 von ihnen müssen zuerst Papiere beschafft werden.
Wo liegen heute die Probleme im Asylbereich?
* Eine Mehrheit der Asylsuchenden kann keine Gründe vorbringen, die zur Gewährung von Asyl führen. Im Jahr 2005 waren dies rund 86 Prozent.
* Eine Mehrheit der Asylsuchenden, im Jahre 2005 waren es 73.5 %, gibt keine amtlichen Identitätspapiere (Pass oder Identitätskarte) ab. Erhalten diese Personen einen negativen Asylentscheid und müssen die Schweiz verlassen, so können sie mangels gültiger Reisedokumente nicht in den Herkunftsstaat zurück gebracht werden. Sie erzwingen so den Aufenthalt in der Schweiz.
* Mit den heute bestehenden Zwangsmitteln ist es schwierig, ausreisepflichtige Asylsuchende zur Zusammenarbeit und zum Vorlegen von vollzugstauglichen Ausreisepapieren zu bewegen.
* Die Kantone beklagen sich immer wieder, dass Personen die Ausschaffungshaft in Kauf nehmen, weil sie wissen, dass sie nach spätestens 9 Monaten wieder frei gelassen werden müssen.
* Zahlreiche Asylsuchende nutzen die zur Verfügung stehenden Rechtsmittel auch in offensichtlich hoffnungslosen Fällen.
Wir brauchen das revidierte Asylgesetz, damit die bestehenden Probleme, vor allem im Vollzugsbereich, gelöst werden können.
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Verbesserungen sind bei denjenigen Personengruppen vorgesehen, die voraussichtlich für eine längere Zeit oder für immer in der Schweiz bleiben werden. Diese müssen besser integriert werden:
* Vorläufig aufgenommene Menschen sollen einen erleichterten Zugang zur Erwerbstätigkeit erhalten, ihre Familien nach drei Jahren nachziehen sowie von Integrationsmassnahmen profitieren können.
* Im Zusammenhang mit der Neuregelung der vorläufigen Aufnahme wird auch eine neue Härtefallregelung für den Asylbereich vorgesehen. So können die Kantone mit Zustimmung des Bundesamtes für Migration, unabhängig des Verfahrensstandes, einer gut integrierten Person eine Aufenthaltsbewilligung erteilen.
Neben diesen wichtigen Integrationsmassnahmen müssen wir Missbräuche gezielt bekämpfen:
* Denn zu viele Asylsuchende vernichten ihre Papiere, verschleiern ihre Identität und machen falsche Angaben, so dass ein geordnetes Asylverfahren schwer durchzuführen ist. Zu lange dauernde Asylverfahren, hohe Kosten und langer rechtswidriger Aufenthalt von abgewiesenen Asylsuchenden sind Folgen, die wir nicht länger verantworten können. Das neue Gesetz sieht deshalb vor, Asylsuchende, die keine Identitätspapiere abgeben, in einem beschleunigten Verfahren (Nichteintretensentscheid) abzuweisen, ausser sie können
* glaubhaft erklären, warum sie keine Papiere haben, oder
* wenn es offensichtlich Flüchtlinge sind, oder
* wenn zusätzliche Abklärungen notwendig sind.
Somit entfällt der Anreiz, vorhandene Ausweispapiere zu vernichten und nicht mit den Behörden zusammen zu arbeiten.
* Viele abgewiesene Personen, die das Land verlassen müssen, reisen nicht aus. Durch die Ausrichtung grosszügiger Sozialhilfe an Personen, welche sich trotz eines negativen Asylentscheides rechtswidrig in der Schweiz aufhalten, entstehen der Allgemeinheit hohe Kosten. Die Ausrichtung von Sozialhilfe gibt Asylsuchenden zudem einen Anreiz, illegal in die Schweiz einzureisen, sich illegal hier aufzuhalten und das Asylrecht zu missbrauchen. Deshalb soll – wie dies bereits seit über zwei Jahren mit guten Erfahrungen bei Nichteintretensentscheiden gemacht wird – auch bei abgewiesenen Asylsuchenden bei Bedarf nur eine Nothilfe ausgerichtet werden. Damit wird die humanitäre Tradition unseres Landes gewahrt, aber die Schweiz ist für den Missbrauch im Asylbereich weniger attraktiv.
* Den Kantonen soll ermöglicht werden, für renitente, illegal anwesende ausländische Personen die notwendigen Zwangsmassnahmen anzuwenden, z. B. die Verlängerung der Ausschaffungshaft von 9 auf 18 Monate und die Einführung der Durchsetzungshaft bis zu maximal 18 Monate. Allerdings setzt dies eine periodische Überprüfung durch den Richter voraus.
4. Schlusswort
Meine Damen und Herren, das neue Ausländer- und Asylgesetz wahren die humanitäre Tradition der Schweiz und verhindern Missbräuche.
Das neue Ausländergesetz ist notwendig, damit die Schweiz die erforderlichen Arbeitskräfte erhält, ohne dass Arbeitslosigkeit entsteht und die Sozialwerke in einer Art und Weise belastet werden, die wir nicht mehr verantworten können.
Mit dem neuen Asylgesetz wird durch gezielte Massnahmen gegen Missbräuche verfolgten Menschen Schutz garantiert.
Die Schweiz wird für illegale Einwanderer, Schlepper, Schwarzarbeiter und Kriminelle weniger attraktiv.
Mit diesen beiden Revisionen wird auch dem Willen des Volkes Rechnung getragen, eine Gesetzgebung zu schaffen, die der tatsächlichen Situation im Asyl- und Ausländerbereich Rechnung trägt und die wahren Probleme dieses Landes wirksam angeht.
Die humanitäre Tradition der Schweiz wollen und werden wir weiterhin wahren: Personen die auf den Schutz der Schweiz angewiesen sind, werden diesen nach wie vor vollumfänglich erhalten. Die im revidierten Asylgesetz vorgeschlagenen Neuerungen sind verfassungsmässig und völkerrechtskonform.
Meine Damen und Herren, nur wenn es uns gelingt, Missbräuche so weit wie möglich zu verhindern, werden wir auch in Zukunft auf die Unterstützung der Bevölkerung für tatsächlich Verfolgte zählen können.
Ich fordere Sie deshalb auf, am 24. September zweimal Ja zu stimmen; Ja zum neuen Ausländergesetz und Ja zum angepassten Asylgesetz.
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