«Silvia ist dagegen!»
Interview mit der „Schweizer Illustrierte“ vom 24. November 2008
Mit Max Fischer
Es ist düster an diesem Freitag. Dunkle Wolken ziehen auf, die orangen Lampen am Zürichsee warnen vor einem Sturm. Nur Christoph Blocher ist gutgelaunt. Er ist voll in seinem Element, «obwohl mich die Gegner krank reden wollen». Ein Termin jagt den andern. Am Abend wartet noch Sachseln, dort referiert er vor 400 Gästen bei der Gründung der siebten Ortspartei der SVP Obwalden. Fürs Interview mit der Schweizer Illustrierten nimmt er sich in seinem Büro in Männedorf ZH 45 Minuten Zeit. Plötzlich ein Anruf aufs Handy. Er sagt zu seiner Frau Silvia: «Ja, mach mir ein Sandwich, ich habe keine Zeit fürs Mittagessen. Aber schau, dass mehr Salami drin ist als Butter.» Weshalb tut sich der 68-Jährige das alles an? In fünfzig Jahren brachte er es vom Bauern zum Dr.iur., Manager und Besitzer der Ems-Chemie, Oberst, SVP-Parteiführer, zwei- bis dreifachem Milliardär und Bundesrat. Dort wird er am 12. Dezember 2007 abgewählt – nun will er es nochmals wissen.
Schweizer Illustrierte: Hinter Ihnen steht eine besonders starke Frau. Möchte Ihre Gattin Silvia unbedingt, dass Sie zum zweiten Mal Bundesrat werden?
Blocher: Sie hofft, dass es nicht soweit kommt. Nochmals möchte sie dies lieber nicht mitmachen. Aber sie ist eine starke Frau. Sie hat sich bis heute auch den unangenehmen Aufgaben unterzogen. Und mir über all die Jahre den Rücken frei gehalten, die Kinder gut erzogen, für Familie, Haus und Garten geschaut. Notfalls nimmt sie viel in Kauf. Nach Bern kommt sie kaum mehr.
Das heisst: Sie selber möchten gern wieder in den Bundesrat.
Nicht gern. Aber wenn es sein muss, so mach ich es.
Keine falsche Bescheidenheit.
«Falsch» sicher nicht. Die Herausforderungen in den nächsten Jahren sind gewaltig. Im Gegensatz dazu ist die Bundesratswahlvorbereitung eher ein Chasperlitheater.
Weshalb?
Politiker und Journalisten fragen nicht mehr, worum es geht? Was braucht die Schweiz? Was für ein Auftrag ist da? Welche Fähigkeiten muss ein Kandidat haben?
Und trotzdem wollen Sie in diesem Chasperlitheater der Hauptdarsteller sein…
… nein, aber ausbrechen. Schauen Sie, was steht uns in der Schweiz bevor? Die Weltfinanzkrise wird den Wirtschaftsgang jetzt rasch stark verschlechtern.
Kurz: Wir schlittern in eine Rezession.
Und das gibt Probleme. Arbeitslose, soziale Spannungen, Migrationsdruck, Asylsuchende und Gewalt. Auch Gewalt von aussen. Wir haben eine Armee, die nicht einsatzfähig ist, die man nicht mobilisieren kann und, und … In dieser Situation wurde die Sache an mich herangetragen. Du hast die grösste wirtschaftliche Erfahrung und hast ein weltweit tätiges Unternehmen aus der Krise geführt und erfolgreich aufgebaut. Du bist Regimentskommandant gewesen, hast Bundesratserfahrung, könntest also sofort loslegen, du bist jetzt in dieser Situation der best geeignete. Sag ja!
Da konnten Sie nicht widerstehen.
Wenn ich bei der aktuellen Ausgangslage nein sagte, müsste ich mir vorwerfen: Du bist ein bequemer, feiger Chaib.
Was meinen Sie genau mit Ausgangslage?
Die sehr schwierige Situation der Schweiz und der Welt. Die grösste Partei nicht im Bundesrat vertreten. Aber die Schweiz hat Chancen, gestärkt aus der Krise hervorzugehen, wenn wir keine Fehler machen.
Welche Fehler?
Es ist bitternötig, dass die Schweiz unabhängig bleibt und sich nicht in die EU einbinden lässt. Wir müssen die Angriffe gegen unseren Bankenplatz und gegen das Bankkundengeheimnis abwehren. Nicht über die Verhältnisse leben. Zur Selbständigkeit gehört auch ein Nein zur Personenfreizügigkeit mit Rumänien und Bulgarien.
Aber mit Ihrer Kandidatur lassen Sie einen guten Freund schamlos im Stich.
Was meinen Sie damit?
Ueli Maurer ist ein jahrzehntelanger Wegstreiter. Mit einem Verzicht könnten Sie ihm doch den Weg in den Bundesrat ebnen. Sind Freundschaften in der Spitzenpolitik nur Scheinfreundschaften?
Bundesratswahlen als Freundschaftsdienst! Da muss man sich nicht wundern, wenn es schwache Regierungen gibt. Ueli Maurer und ich haben jahrelang miteinander gewirkt. Die Aufgaben abgesprochen. Fraktionsmitglieder und insbesondere die Zürcher Partei sagen: Du musst gehen, du bist jetzt der Richtige, aber vielleicht wirst du nicht gewählt. Die einen finden: Und wenn das Parlament das nicht will, soll die SVP in der Opposition bleiben. Die andern – dazu gehöre auch ich – sind der Auffassung, dass wenn wir den Fähigsten nicht in den Bundesrat bringen, dann halt den anderen.
Die Krankheitsfälle von Samuel Schmid und Hans-Rudolf Merz zeigen deutlich: Der heutige Bundesrats-Job ist nichts für die Altherren-Garde.
Was soll diese Frage?
Beobachter meinen, dass Sie nicht mehr über die nötige Schlagkraft verfügen. Sind Sie noch fit für den Bundesratsjob, haben Sie noch den nötigen Biss?
Immer wenn man politisch mit einem Kontrahenten nicht mehr fertig wird, versucht man, ihn für krank zu erklären (lacht). Das ist ein alter Trick. Aber zum Leidwesen meiner Gegner bin ich kerngesund und habe mehr Schlagkraft als ihnen lieb ist.
Aber auch uns ist letzte Woche bei der Podiumsdiskussion zwischen Ihnen und dem ehemaligen deutschen Finanzminister Hans Eichel aufgefallen, …
… dass ich staatsmännischer geworden sei.
Teilweise formulierten Sie so verständnisvoll wie sonst nur Moritz Leuenberger.
Wenn ich mit einem deutschen Minister am Tisch hocke, gehe ich nicht so vor wie früher gegen Peter Bodenmann. Das hat aber nichts mit fehlender Kraft und Dynamik zu tun, sondern mit anderen Funktionen und Situationen. Früher höhnten die Journalisten, Blocher sei ein Rüpel – jetzt reklamieren die gleichen, Blocher hat zu wenig Saft. In Tat und Wahrheit war ich früher nicht so ein Polteri, für den mich viele hielten. Und heute bin ich nicht so abgeklärt, wie manche meinen.
Das sagen Sie.
Schauen Sie sich das Streitgespräch mit Eichel an unter www.blocher.ch.
In den Bundesrat sollen Sie vor allem, weil Sie Wirtschaftsprofi und Unternehmer sind. Wie wollen Sie die Krise angehen?
Nicht vom System der Eigenverantwortung und der freien Wirtschaft abweichen. Diese muss gefördert werden.
Aber gerade die Marktwirtschaft hat doch versagt. Die grösste Schweizer Bank UBS bettelt beim Staat um Hilfe.
Aber die staatliche Planwirtschaft ist kein Ersatz. Der Staat sorgt am besten für die Wohlfahrt, wenn er garantiert, dass viele selbständige Unternehmer dies tun. Das Funktionieren des Geldkreislaufes ist primäre Staatsaufgabe, darum haben wir eine Notenbank, eine Bankenaufsicht, ein Bankengesetz und viele Regulierungen. Dieser Finanzkreislauf funktioniert weltweit nicht mehr richtig. Das Vertrauen ist weg. Nun muss der Staat dafür sorgen, dass dieses wieder zurückkommt. Das heisst: Die Staaten in fast allen Ländern geben ihren Grossbanken faktisch eine Staatsgarantie.
Das bringt viele Bürger in Rage. Wenn es toll läuft, garnieren die Banker Millionen-Löhne und -Boni. Und wenn es schlecht läuft, muss der Bürger, sprich Steuerzahler einspringen.
All dies ist verständlich. Bis jetzt musste der Steuerzahler aber nichts bezahlen. Und wenn es gut läuft, kann das Engagement des Bundes bei der UBS auch ein gutes Geschäft geben: Nur wer in schlechten Zeiten investiert, wird reich. Natürlich besteht ein Risiko. Und ganz wichtig: Diese Hilfsaktion macht der Bund nicht wegen den Banken – sondern zugunsten der Bürger. Liesse man die Grossbanken fallen, würde die Schweiz wirtschaftlich still stehen.
Hat der Staat andere Möglichkeiten, um die Bürger jetzt in der Krise zu stärken?
Via Nationalbanken gelangt jetzt viel Geld in den Kreislauf. Sie hat jetzt zudem deutlich die Zinsen gesenkt.
Was heisst das?
Banken und Unternehmen bekommen günstiger Geld, es soll mehr Kredite geben. Billiges und neues Geld gibt neue Investitionen. Die Hypothekarzinsen sinken. Das ist in der jetzigen Situation wichtig.
Genügt das?
Nein! Man sollte die Bürger und nicht den Staat stärken. Die SVP ist für eine sofortige Senkung der Mehrwertsteuer um mindestens ein Prozent. Das überschüssige Geld muss rasch an die Bürger verteilt werden, das erhöht die Kaufkraft und auch die Investitionen. Mehr noch: Die kalte Progression muss unbedingt schnell ausgeglichen werden und die Emmissionsabgabe endlich abgeschafft werden. Ein Unternehmer sagte mir kürzlich: Er habe eine 100-Millionen-Anleihe aufgenommen. In der Schweiz hätte er 700 000 Franken Abgabe zahlen müssen – da ging er nach London, dort kostete ihn das nichts. Dieses Geschäft fehlt uns.
Wir haben in der Schweiz keine Rohstoffe. Unser Gut heisst Bildung, Forschung …
…und gute zuverlässig Arbeit. Das Leben besteht nicht nur aus Geldanlegen. Geld ist Teil des Kreislaufes. Doch der Wert ist, was wir erarbeiten. Für hochwertige, hochqualitative Güter ist die Schweiz ein hervorragender Produktionsstandort. Wir haben gut ausgebildete Leute, zahlen im internationalen Vergleich wenig Steuern…
aber…
…wir müssen Sorge tragen. Zu unseren traditionellen Werten wie Fleiss, Gewissenhaftigkeit, Seriosität und Pünktlichkeit. Das hat die Schweiz stark gemacht. Und vor allem dürfen wir unsere Bürokratie nicht weiter aufblähen. Der durch politische Fehlkonstruktionen erhöhte Strompreis, Fantastenschulprojekte wie HarmoS, die teurere und schlechtere Schulen bringen, immer höhere CO2-Abgaben, Transportverteuerungen usw, verschlechtern unsere Chancen im internationalen Wettbewerb. Das sind alles typische Hochkonjunkturblüten. Ausdruck von Grössenwahn.
Und immer, wenn es wirtschaftlich wieder bergab geht…
…kommt man zurück zum Vernünftigen und Lebenswichtigen. Nur: In meiner 40-jährigen Tätigkeit als Industrieller habe ich noch nie einen derart rasanten und tiefen, weltweiten Einbruch erlebt wie jetzt. Nicht nur die Bankentitel sind ins Uferlose abgestürzt, auch die Industrietitel sind in gleichem Ausmass gesunken. Diese Kursbewegungen an der Börse sind Zeichen einer allgemeinen Rezession. Ein neuer Bundesrat muss hier an der Lösung mitwirken. Kein Schleck, wenn man es richtig macht.
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