Wer keinen Dreck am Stecken hat, muss keine Angst haben
Abzocker-Initiative:
Interview mit Thomas Wyss, Finanz und Wirtschaft vom 13. Februar 2010
Sie unterstützen nun die Minder-Initiative. Die Gegner sagen, damit werde die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz geschwächt.
Ein gesuchtes Argument. Gestern versicherte mir der Verwaltungsratspräsident einer grossen kotierten Gesellschaft, dass man mit der nun präsentierten Lösung gut leben könne. Die neuen Regelungen bringen eine gewisse Belastung zum Ausweisen von Bezügen für Verwaltungsrat und für Anträge an die Generalversammlung. Aber wer keinen Dreck am Stecken hat, muss keine Angst haben. Sie gibt den Unternehmen die nötige Flexibilität und verhindert krasse Missbräuche. Wenn man sieht, was die G7 von Staates wegen plant, tut die Schweiz gut daran, einen freiheitlichen Ansatz zu wählen.
Aber haben Sie nicht das Gefühl, dass mit der Jahreswahl die langfristige Optik verloren geht?
Wiederwahl ist der Normalfall. Aber. Man kann die Verwaltungsräte nicht für 3 Jahre wählen lassen, um sich dann Jahr für Jahr frei zu bedienen. Die Jahreswahl hat sich zudem in vielen Gesellschaften bewährt.
Aber ich kann doch nur über die Vergütung entscheiden, wenn ich weiss, welche Leistung er vollbracht hat und ob er diese Vergütung wert ist!
Über die einzelne Entlöhnung stimmt die GV – der Eigentümer – nicht ab, sondern über die Gesamtheit. Und sie wählt die Verwaltungsräte unter voller Kenntnisse der Bezüge. Sie wird in Extremfällen eingreifen.
Das ist ja alles gut und recht. Aber am Schluss wird an der GV nur noch über die Entlöhnung gestritten, und strategische Fragen werden vergessen.
In extremen und missbräuchlichen Fällen, vielleicht. Es dürfte für den Verwaltungsrat schwierig werden, Anträge zu stellen um – zum Beispiel nach einem Jahr mit 864 Mio. Verlust, 11 Milliarden Eigenkapitalvernichtung, 6 Milliarden Abschreibungen und einem um 61% tieferen Aktienkurs dem Verwaltungsrat die gleichen Vergütungen vom 10 Mio. – gleichviel wie im exzellenten Vorjahr – und pro Geschäftsleitungsmitglied 6 Mio. zuzugestehen, wie dies für 2008 bei der SWISS Re geschehen ist.
Wer definiert denn, was der richtige Betrag ist?
Wie in jedem Unternehmen der Eigentümer. Der Verwaltungsrat stellt den Antrag. Entscheidend ist der Grund. Wenn es dem Unternehmen nachhaltig gut geht, verdient der Unternehmer, aber er verliert, wenn es schlecht geht. Bei den Banken und Versicherungen verdienten die Manager in beiden Situationen viel. Wir brauchen eine echte Wirtschaftspolitik, die mehr ist als die Interessenvertretung von ein paar Managern.
Aber die Minder-Initiative ist doch klar gegen die Finanzindustrie gerichtet.
Sie ist gegen überhaupt niemanden gerichtet. Höchstens gegen Manager, die statt für das Unternehmen vom Unternehmen leben. Aber gegen diese muss es auch gerichtet sein. Es geht um die Aufsicht der Organe einer Gesellschaft durch die Eigentümer. Und es ist Aufgabe des Staates Regeln zu schaffen, damit das Privateigentum geschützt ist. Die einjährige Wahl, die Transparenz und wichtige Entscheide an der Generalversammlung gewährleisten dies. Aber ich hatte nie Mühe, zum Beispiel in der Ems Chemie die Gehälter des Verwaltungsrates offen zu legen und eine einjährige Wahlperiode einzuführen.
Sie übten mit 60% ja auch die Kontrolle aus.
Trotzdem. Wollen sie eine staatliche Regelung? Wenn uns der Staat – Politiker und Beamte – sagen wollen, wie hoch diese Summe sein darf, ist das Unsinn. Und darauf läuft es nun in Europa hinaus. Börsenkotierte Gesellschaften brauchen einfache, gangbare Lösungen, die die Führung nicht untergräbt aber Missbräuche verhindert. Das gewährleistet der Einigungsvorschlag.
Aber Sie haben sich zu Visionszeiten auch bedient.
Nein. Die Verwaltungsratsentschädigung wurde an der ersten Generalversammlung nach einem genauen Zielerreichungsmodell einstimmig beschlossen.
Die Börse stieg, aber die Leistung war nicht messbar.
Der Zweck dieser Anlagegesellschaft war den Anlagewert zu steigern. Dieser war genau messbar. In der Pharma Vision gab es bis 6% Wertsteigerung kein Verwaltungsratshonorar. Dann war die Stufenleiter definiert. Die Verwaltungsräte mussten zudem zusammen 51% des Aktienkapitals zeichnen.
Aber der Wert der Firma stieg durch die ganze Börsenentwicklung.
Das war auch der Sinn. Doch die Missbräuche in grossen Gesellschaften waren grösser als man denkt. Weil die Transparenz fehlte. Was da hinter den Kulissen heraus genommen wurde, geht auf keine Kuhhaut. Neu muss die konsolidierte Offenlegung aller Bezüge gelten. Man kann nicht mehr eine kleine Entschädigung von der Holding beziehen und sich gleichzeitig und unbemerkt von der amerikanischen Tochtergesellschaft anstellen lassen. Das geht nicht mehr.
Ein Bonus sollte auch auf null fallen können. Das ist doch die Fehlkonstruktion.
Natürlich. Sogar ein Malus wäre konsequent. Aber das wird nicht verlangt. Die Manager haben immer eine neue Begründung für die Boni. Die Optionen wurden eingeführt , um die langfristige Denkweise zu fördern. Gut so! Aber: Als die Titel einbrachen, wurde der Ausübungspreise nach unten angepasst oder der Ausübungszeitpunkt verschoben. Das ist nicht unternehmerisch. Bezahlt haben das Tausende von Eigentümer.
Das haben wir ja auch moniert.
Moniert schon. Nun muss das Aktienrecht dafür sorgen, dass gehandelt wird. Missbräuche schaffen böses Blut und ein wirtschaftsfeindliches Klima.
Unpopulär ist auch die Senkung des Umwandlungssatzes im BVG. Was sagen Sie Ihren Leuten?
Leider hat man es verpasst, die Sache einfach zu erklären: “Wenn Du 65 Jahre alt bist und 100’000 Franken einbezahlt hast, bekommst Du diese 100’000 Franken auch wieder. Du kannst es als Kapital herausnehmen und damit machen was Du willst. Du kannst es aber auch als Rente beziehen und dann werden diese 100’000 Franken durch die durchschnittliche Lebenserwartung aufgeteilt. Wenn die Leute durchschnittlich 75 Jahre alt werden, gibt es pro Jahr einen Zehnten. Wenn sie durchschnittlich 85 Jahre alt werden, gibt es nur einen Zwanzigstel. Das durchschnittliche Lebensalter ist gestiegen. Und deshalb muss man den Umwandlungssatz anpassen, sonst wird die Pensionskasse zerstört und die Jungen gehen leer aus!”
Wie stehen die Chancen der Vorlage?
Leider schlecht. Auch unsere Wähler werden den bundesrätlichen Vorschlag hoch verwerfen. Die meisten hören nicht. Sie haben genug. Und damit sind wir wieder beim Thema. Die Wut auf Banken, Versicherer, Manager, auf die Wertverluste, die die Leute erlitten haben, ist so gross, dass sie einfach aus Protest Nein sagen!
Aber der Aktionär übergibt dem Verwaltungsrat heute die notwendigen Kompetenzen.
Das soll so bleiben. Die Begrenzung uferloser Kompetenzen ist eine geringfügige Einschränkung. Neu soll nicht nur die Gesamtsumme der Verwaltungsratsvergütung sondern auch die der Geschäftsleitung bestimmt werden. Die Hauptmissbräuche finden tatsächlich auf Stufe Geschäftsleitung statt. Der Verwaltungsrat rechtfertigt stillschweigend seine hohe eigene Entschädigung oft mit der Höhe der Entschädigung der Geschäftsleitung, darum ist diese Schranke sinnvoll.
Was halten Sie von den Stimmrechtsbeschränkungen?
Die Partei hat dafür plädiert, dass man diese Vinkulierungsbestimmungen aufhebt. Aber wir sind nicht durchgedrungen.
Aber das war nicht Bestandteil Ihrer Aktienrechtsreform.
Bestandteil schon. Aber sie hat keine Aufnahme gefunden. Jetzt hat man die Meldepflicht auf 3% gesenkt. Raiders werden dadurch nicht abgehalten, aber unter Umständen gute Investoren von einem Engagement. Das kann sehr kontraproduktiv sein.
Wo gibt es heute aus Sicht des Investors interessante Situationen?
Ich bin Unternehmer – nicht Finanzanlagenspezialist. Aber als Unternehmer muss man einsteigen, wenn es schlecht steht.
Wie zum Beispiel UBS?
Von Banken verstehe ich zu wenig. Aber ich hätte Vertrauen in Herrn Grübel an der Spitze. In gute Leute in einer schlechten Situation zu investieren, ist in der Regel nicht falsch.
Und wer in die Qualitäten von Christoph Blocher investieren will, kauft Ems Chemie?
Die Ems-Gruppe führt unsere älteste Tochter. Ich lasse die Finger davor. Wenn sie wollen, können mich die Kinder um Rat fragen. Sie sind tüchtige Unternehmer und besser ausgebildet als ich und machen es sehr gut.
Wo sehen Sie als erfolgreicher Geschäftsmann und Milliardär heute Möglichkeiten zum Geld verdienen?
Ich bin nicht der richtige Mann für die Antwort auf diese Frage. Geld zu verdienen, war nie mein Beweggrund. Aber wenn man die Sache wirtschaftlich gut macht, verdient man Geld. Ich bin in dem Sinn kein Anleger. Aber eines ist sicher: Chancen, etwas zu bewegen, hat man in schwierigen Situationen – falls man führen kann. Ich kaufte Ems, als es schlecht lief. Ich habe Firmen gekauft und erhielt – weil sie so schlimm standen – zum Teil noch Geld, damit ich sie “kaufte”. Aber ich musste sie führen. Und so entstand das Vermögen.
Einer Branche, der es ganz offensichtlich schlecht geht, ist die Medienbranche. Sind Sie bei der Basler Zeitung dabei?
Nein. Wenn ich so etwas machen würde, so nur zu 100%. Um erfolgreich zu sein, muss ich auf die Stärken setzen. Was ist meine Stärke? Ich habe Führungserfahrung und derzeit finanzielle Mittel. Wenn es Firmen gibt, die durch Führung zum Erfolg geführt werden können und in der Not sind, mache ich das. So habe ich mich an verschiedenen Firmen still beteiligt, die häufig von jungen Leuten gegründet wurden, die noch nie eine Wirtschaftskrise durchlebt haben. Ich will sie mit ihnen zum Erfolg führen, dann wieder abtreten.
Wie viele stille Beteiligungen haben Sie derzeit?
Sieben, alles Industrieunternehmen, mit einem Gesamtvolumen von rund 70 Mio. Fr.
Wollen Sie dieses Portefeuille ausbauen?
Zurzeit habe ich zu viele Anfragen. Aber ich darf mich nicht “überlupfe”. Am Anfang ist der Führungsaufwand sehr gross. Aber der Vorteil des Alters ist die grosse Erfahrung. Man sieht meist sehr schnell, woran es liegt. Schon die richtige Frage wirkt Wunder.
Was empfehlen Sie im Bereich der kotierten Gesellschaften?
Wenn es eine Firma gibt, deren Aktien ich noch nie empfohlen habe, ist es die im eigenen Umfeld. Wer auf Sicherheit gehen will, ist mit Ems gut bedient. Ein sicherer Wert, seriös geführt. Gute Rendite. Wollen sie hohe Rendite bei hohem Risiko, suchen Sie Gesellschaften, denen es schlecht geht und wo sie den personellen Turnaround spüren.
GF ist noch nicht so weit.
Habe ich nicht geprüft. Bei Rieter vor einem Jahr vielleicht. Vielleicht bald Lonza. Bei kotierten Gesellschaften ohne starken Aktionär geht es immer länger, bis die Alarmglocke schlägt. Aber hören Sie auf diese Glocke.
Halten Sie einen Teil Ihres Vermögens in Gold?
Nein, ich bin durch und durch Unternehmer. Als grosses Problem der künftigen Wirtschaft sehe ich die staatliche Verschuldung. Das Problem ist noch gravierender als die hohen Managerlöhne. Und in dieser Unsicherheit ist es höchste Priorität dafür zu sorgen, dass die Grossbanken kein Landes-Problem mehr darstellen. Wird das too big – to fail Problem nicht gelöst, kann die Schweiz zu Grunde gehen.
Deshalb wollen Sie die Grossbanken aufbrechen.
Neu strukturieren mit einer Holding und voneinander unabhängigen selbständigen Gesellschaften. Bis jetzt gibt es keine bessere Lösung als die Holdinglösung, die mit dummen Argumenten unter den Tisch gewischt wird.
Eine andere Lösung wäre ein internationales Insolvenzrecht.
Das geht in die gleiche Richtung. Aber wir können nicht auf eine internationale Regelung warten. Die Schweiz muss vorangehen. Für die Schweiz ist diese Problemlösung überlebenswichtig.
In Sachen Bankkundengeheimnis torkelt die Schweiz scheinbar von einer Panne in die nächste. Wie konnte es soweit kommen?
Bundesrat Merz hat keine Strategie und lebt in den Tag hinein. Aber der Gesamtbundesrat lässt ihn auch in den Tag hinein leben. Wenn ich der Presse glauben kann, ist an der letzten Bundesratssitzung den anderen Bundesräten wohl der Kragen geplatzt und sie verlangten rasch eine Strategie. Das ist ein altes Problem des Bundesrates. Schon 2006, als die Rentenanstalt wankte, wurde das Problem „Too big – to fail“ erkannt. Es wurde nichts gemacht mit der Begründung, eine solche Firma könne nicht scheitern. Als Europa das Steuerthema lancierte, weigerte sich der Bundesrat eine Strategie zu entwerfen. Man liess Herrn Merz bewusst machen!
Aber für die SVP ist Merz doch ein Glücksfall. Der FDP laufen die Leute gerade wegen ihm davon.
Unsere politischen Gegner sind nicht die Freisinnigen. Es nützt nichts, wenn uns die Freisinnigen zulaufen. Die grünen und roten Politiker in vielen Parteien und die Führungslosigkeit ist das Problem. Das gilt es zu verhindern. Die Probleme, die sich stellen, lösen und dies nicht den Linken überlassen. Sie haben schlechte Motive, ein falsches Menschenbild und betreiben dekadente Politik. Es gilt die Arbeiter und Angestellten der Privatwirtschaft zu schützen, damit die Linken nicht die Wirtschaft zerstören. Die Überfremdungsangst ernst nehmen. Die Bürger haben kein Vertrauen in die sozialistische Politik, aber nur wenn wir Bürgerliche nicht versagen.
Dann wäre ja ein Schulterschluss zwischen SVP und FDP naheliegend. Der vorherige Parteipräsident Rolf Schweiger war offenbar nahe dran.
Darauf warten wir schon lange. Der Freisinn hat leider ein Basisproblem, das in den Siebziger Jahren entstand. Die Partei öffnete sich nach links, und heute kann die FDP machen, was sie will, sie macht es immer jemandem nicht recht. Das zerreisst die Partei. Und trotzdem: Wenn es darauf ankommt, steht die SVP zur FDP. Ohne die SVP wäre Herr Burkhalter nicht in der Regierung.
Sind Sie für 2011 für die SVP optimistisch?
Wenn heute Wahlen wären, würde die Partei massiv zulegen. 2011 ist aber noch zu weit weg für eine Prognose. Leiden wird die FDP. Aber das ist nicht unsere Zielsetzung – im Gegenteil. Wo Grünliberale und BDP auftreten, verliert nicht die SVP. Zur FDP: “Getrennt marschieren und vereint schlagen.”
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