Testi

Indipendenza

11.06.2001

Armee XXI muss besser werden

Interview mit der Berner Zeitung vom 11. Juni 2001 Nach der knappen Niederlage fordert Auns-Präsident Christoph Blocher Korrekturen an der Armee XXI und droht mit Widerstand. Und Blocher kritisiert die Berner SVP, die die Basis nicht vertrete. Interview: Denis von Burg Herr Blocher, gemessen an der teuren und massiven Kampagne haben Sie eine Schlappe eingefahren. Christoph Blocher: Wir haben verloren, aber von einer Schlappe kann man nicht sprechen. Wir konnten am Anfang nicht davon ausgehen, dass wir überhaupt ein Chance haben werden. Sie müssen schon sehen: Wir mussten den getarnten Kern der Sache - nämlich die Gefährdung der Neutralität und die Annäherung an die Nato - sichtbar machen. Das ist uns erst spät gelungen. Immerhin haben wir den Bundesrat gezwungen, über diese Fragen zu sprechen. Eine Mehrheit hat Ihrem Nato-Argument aber keinen Glauben geschenkt... Blocher: ...oder sie vertraut dem Bundesrat und den Versprechen, die wir ihm abgetrotzt haben. Unter dem Druck unserer Kampagne erklärte er, seine Pläne würden die Neutralität nicht tangieren und hätten nichts mit einer Nato-Annäherung zu tun. Jetzt muss er zeigen, dass er das ernst meint. Und wie? Blocher: Der Bundesrat muss die Armeereform radikal überdenken und wirkliche Korrekturen vornehmen. Die Armee XXI darf keine Nato-Unterstellungsarmee sein. Sie darf nicht auf einen Einsatz in Europa ausgerichtet sein, sondern muss eine reine Verteidigungsarmee bleiben. Und sie muss ganz klar eine Milizarmee sein. Andernfalls wird die Armee XXI keine Chance haben. Wir werden sie mit dem Referendum bekämpfen. Die Armeekredite, die anderem als dem Schutz des eigenen Landes dienen, müssen gekürzt werden. Sie haben das Militärgesetz auch im Hinblick auf andere Ziele bekämpft... Blocher: ...nein, das stimmt nicht. Unsere Gegner haben behauptet, es gehe mir nur darum, den UNO-Beitritt zu bekämpfen. Ich habe gegen die neutralitätswidrige Tendenz im Militärgesetz gekämpft. Aber natürlich wird sich in der UNO-Abstimmung die Frage der Neutralität wieder stellen. Und ich glaube, dass wir dann grössere Chancen haben. Was macht Sie so optimistisch. Die Linke wird Sie nicht mehr unterstützen. Blocher: Das stimmt, aber dann braucht es ein Ständemehr. Schon diesmal hat die Mehrheit der Stände abgelehnt. Zudem werden uns Bürgerliche aus anderen Parteien unterstützen. Denn dann werden auch jene sehen, dass es um die Neutralität geht, die das jetzt noch nicht wahrhaben wollten. Dann müssen Sie aber auch Ihre eigene Partei besser zusammenhalten als diesmal. Blocher: Es wird intern sicher zu reden geben. Es ist unglaublich, dass im Kanton Graubünden 55 Prozent Nein stimmten. Diese werden von keiner Partei vertreten, nur weil unsere SVP Ja sagte. Und im Kanton Bern werden noch mehr SVP-Sympathisanten erkennen, dass die dortige SVP immer bloss mit den anderen Parteien zusammengeht. Das wird die Tendenz zur Abspaltung verstärken. Ich fördere dies zwar nicht, aber es gibt zu denken. Und es müsste auch den Bernern zu denk

11.06.2001

«Ich bin noch lange nicht erledigt»

Interview mit dem Blick vom 11. Juni 2001 Blocher trotzt: Unbeeindruckt von der Abstimmungsniederlage gibt der Kämpfer für Neutralität und Unabhängigkeit nicht auf. Er behauptet, sie sei auch bei einem Uno-Beitritt bedroht. Deshalb sei er jetzt erst recht gefordert, erklärt Christoph Blocher im BLICK-Interview. von Georges Wüthrich, Zürich Herr Blocher, was bedeutet diese Niederlage für Sie? Christoph Blocher: Ich verstehe Ihre Frage nicht. Sie haben verloren. Blocher: Natürlich, und das bedauere ich auch. Aber Ihre Gegner sagen Ihr politisches Ende voraus. Blocher: Wer meint, ich sei erledigt, der täuscht sich. Man hat mein politisches Ende schon manchmal angesagt. Nochmals: Was bedeutet der 10. Juni 2001 für Ihre politische Karriere? Blocher: Die geht weiter. Nur noch etwas intensiver. Jetzt muss ich wachsam sein wie ein "Chog", dass der Bundesrat alle Versprechen einhält, die er unter unserem Druck gemacht hat: neutral bleiben, Milizarmee aufrechterhalten, kein Nato-Anschluss. Der nächste Prüfstein ist die Armeereform XXI, beziehungs- weise die damit verbundene Totalrevision des Militärgesetzes. Wenn der Bundesrat und die Befürworter von heute die Versprechen nicht erfüllen, treten wir wieder an. Dann kommen wir bestimmt durch. Was heisst das für die künftigen Rüstungsprogramme? Blocher: Diese Kredite werden wir ganz genau durchleuchten und jeden Schabernack heftig bekämpfen. Welchen Schabernack? Blocher: Beispielsweise die Vorbereitung auf eine Kriegsführung im so genannten operativen Vorfeld von 300 Kilometer Radius. Ich will keine Schweizer Brigaden vor Genua. Das steckt nachweisbar in den Köpfen des VBS - und das muss Samuel Schmid wieder rausbringen. Und der Uno-Beitritt? Blocher: Ich trete nochmals voll gegen den Uno-Beitritt an, weil die Neutralität aufgegeben wird. Was sagen Sie zum Sieg des Bundesrates gegen Sie? Blocher: Ich habe die Militärvorlagen nicht zum Prestigeobjekt zwischen mir und dem Bundesrat gemacht - ganz im Gegensatz zum Bundesrat. Ich hätte ja nach dieser Rechnung 49 Prozent der Schweizer Bevölkerung hinter mir und der siebenköpfige Bundesrat nur 51 Prozent. Das wäre ja für den Bundesrat wahnsinnig.

11.06.2001

Die Schweiz ist jetzt eindeutig weniger sicher

SVP-Nationalrat und Auns-Präsident Christoph Blocher will jetzt Rüstungskredite im Umfang von einer Milliarde streichen Interview mit dem Tages-Anzeiger vom 11. Juni 2001 Mit Christoph Blocher sprach Luciano Ferrari Herr Blocher, sind Sie sehr enttäuscht über das Abstimmungsergebnis? Christoph Blocher: Ich bedaure es. Aber es ist besser, als wir zu Beginn gedacht hatten. Ich habe nie an eine Annahme des Referendums gedacht, denn es ist fast nicht möglich, allein diesen Kampf zu führen. Bedeutet das Ergebnis jetzt für Sie, dass die Mehrheit der Schweizer und Schweizerinnen bereit ist, ihre Söhne und Töchter für fremde Kriegshändel zu opfern? Blocher: Ja, es kann dazu führen. Allerdings hat der Bundesrat gesagt, er werde an der Neutralität festhalten. Er hat es betont, je länger der Abstimmungskampf dauerte. Ebenso hat er den Nato-Anschluss bestritten und weiter versprach er an der Milizarmee festzuhalten. Bei der Ausbildungs-zusammenarbeit gehe es nicht um Kriegsübungen mit anderen Armeen, sondern um die Vereinfachung des heutigen Zustands. Wenn er sich daran hält, dann muss er jetzt die Armee-XXI-Doktrin völlig ändern. Tut er es nicht, wird das zu dem führen, was wir auf den Plakaten gezeigt haben. Der Bundesrat wird für die Armee XXI ein neues Militärgesetz vorlegen müssen. Hält er seine Versprechen nicht ein, ergreifen wir erneut das Referendum, und dann wird es für ihn heikel. Dennoch geht mit diesem Ja Ihrer Meinung nach die 200-jährige Friedenstradition der Schweiz zu Ende. Ist die Schweiz jetzt weniger sicher? Blocher: Eindeutig. Weil die Armee und der Bundesrat die Möglichkeit bekommen haben, mit anderen Armeen Kriegsübungen zu veranstalten. Auch wenn der Bundesrat gesagt hat, er mache es nicht: Das Gesetz ermöglicht dies nun. Wurde mit der heutigen Abstimmung letztlich auch die Armee XXI abgesegnet? Blocher: Nein, das gerade eben nicht. Und das ist das Grossartige an diesem knappen Ergebnis. Denn der Bundesrat hat das Wesentliche versprochen. Also muss er dies jetzt auch einhalten. Zudem hat der Gesamtbundesrat am Schluss etwas sehr Gewagtes getan: Vor zehn Tagen hat der Bundespräsident erklärt, es gehe bei dieser Abstimmung um die Frage "Blocher oder Bundesrat". Er hat gleichsam die Vertrauensfrage gestellt. Das macht man eigentlich nur in Notzeiten. Jetzt muss ihm sein Ergebnis von nur 51 Prozent zu denken geben. - Ich muss meine 49 Prozent mit niemandem teilen, er seine 51 Prozent durch sieben. (lacht) Sie können doch die Nein-Stimmen aus der Westschweiz nicht auf Ihr Konto buchen. Blocher: Es ist mir letztlich gleichgültig, auf welches Konto welche Stimmen gehen. Sie haben in diesem Abstimmungskampf auch gegen eine Professionalisierung und Aufrüstung der Schweizer Armee gekämpft. Ist das jetzt vom Tisch? Geben Sie sich geschlagen? Blocher: Sicher nicht. Wir werden die Rüstungskredite genau unter die Lupe nehmen. Dabei kann der Bundesrat die Milliarde Franken zur Umrüstung der Armee auf Nato-Standard schon jetzt streichen, denn er will sich der Nato ja nicht annähern. Dann wandelt sich die SVP ab heute zu einer armeekritischen Partei? Blocher: Ich kann nicht für die ganze SVP reden. Wir sind immer für eine Armee eingestanden, aber wir sind nie für Missbräuche gewesen und dafür, dass man mit der Armee im Ausland eine Grossmachtpolitik betreibt. Diese Tendenzen sind vorhanden, ob es der Bundesrat wahrhaben will oder nicht. Er wird auch nicht darum herumkommen, personelle Wechsel vorzunehmen im VBS. Wo genau? Blocher: Bei der Generalität. Aber die Generalität hat doch gewonnen. Blocher: Sie haben nur 51 Prozent gewonnen unter all den Versprechungen des Bundesrates. Hat diese Abstimmung die Voraussetzungen für einen Uno-Beitritt verbessert? Blocher: Im Gegenteil. Der hohe Nein-Stimmenanteil ist für uns ermutigend, und der Bundesrat hat das Ständemehr nicht erreicht. Dies aber wäre bei einem Uno-Entscheid ausschlaggebend. Wir haben aber die Uno nie zum Thema gemacht. Bei der Uno wird es definitiv um die Neutralität gehen, und der Bundesrat kann dann nicht mehr behaupten, er halte an der Neutralität fest, wenn er einen Vertrag unterschreibt, mit dem der Uno-Sicherheitsrat der Schweiz aussenpolitische Verpflichtungen auferlegen kann. Die Verletzung der Neutralität ist dann eindeutig. Nun hat die Auns zum ersten Mal ein Referendum ergriffen und ist dabei prompt gescheitert. Was bedeutet das für Ihre Bewegung? Blocher: Weitermachen, weiterkämpfen. Hat sich die Auns überschätzt? Blocher: Ich habe nie gesagt, die Auns sei eine Bewegung, die immer die Mehrheit auf ihrer Seite hat. Sie haben enorm viel Geld und persönliches Engagement in diesen Abstimmungskampf geworfen. Die Gegenseite hat sich eher zurückgehalten. Wieso glauben Sie, haben Sie trotzdem verloren? Blocher: Das war von Anfang an ein sehr harter Lauf. Wenn Sie allein gegen den gesamten Bundesrat, gegen die Parteien, die Wirtschaft, die Linke und dann auch noch praktisch die ganze Medienlandschaft antreten müssen… ...das war doch schon beim EWR so. Blocher: Es ist ja auch ein Zufallsmehr wie beim EWR herausgekommen. Nur lag dort das knappe Ergebnis auf unserer Seite und dort zählte auch das Ständemehr. Sie haben dem Bundesrat vorgehalten, "heimatmüde" und "auslandshörig" zu sein. Nehmen Sie das jetzt zurück, oder ist auch die Mehrheit des Volks "heimatmüde"? Blocher: Ich halte am Vorwurf an den Bundesrat fest, weil er die Neutralität und Unabhängigkeit nicht mehr ernst nimmt. Aber er hat dem Volk versprochen, dass er sie in Zukunft ernst nehmen wolle. Ich nehme an, dass ein Teil der Schweizer und Schweizerinnen ihm geglaubt hat. Sie haben gegen Ihren eigenen Bundesrat Samuel Schmid verloren, einen Mann mit "Prokuristencharme", wie Ihr Kollege Christoph Mörgeli sagt. Lässt Sie dies an Ihrer politischen Schlagkraft zweifeln? Blocher: Nein. Es ist ja nicht Samuel Schmid der gewonnen hat. Es sind der Bundesrat, die Regierungsparteien, die Classe politique, die Wirtschaftsverbände und die Medien. Es war wieder einmal die alte Front wie beim EWR. Wenn Sie da 50 Prozent auf Ihrer Seite haben, ist das sehr gut. Ist das Abstimmungsergebnis nicht auch eine späte Genugtuung für Alt-Bundesrat Adolf Ogi? Das Volk hat jetzt im Nachhinein seine Auslandeinsätze und die Annäherung an die Nato gutgeheissen. Blocher: (lacht) Nein. Das kann er nicht als Genugtuung verzeichnen. Er wird es sicher tun. Aber so hat er es sich bestimmt nicht vorgestellt. Alle Kreise, auch innerhalb der Partei, haben uns ursprünglich vorausgesagt, wir würden mit 30 Prozent aus der Abstimmung hervorgehen. So ist es nicht gekommen.

26.05.2001

Es geht um die Preisgabe der Neutralität

Interview mit dem Bündner Tagblatt vom 26. Mai 2001 Bei den Militärvorlagen gehe es nur vordergründig um Bewaffnung oder militärische Zusammenarbeit. Ziel sei die Annäherung und Unterstellung unter die Nato, und damit die Preisgabe der Neutralität, betont Nationalrat Christoph Blocher. Interview Claudio Willi Soldaten sind per Definition bewaffnet - warum sollen Schweizer Soldaten nicht zum Selbstschutz im Ausland bewaffnet sein dürfen? Christoph Blocher: Der Soldat ist immer bewaffnet und er ist eine Person, die geschult wird, Krieg zu führen. Krieg aber führt man nur zur Verteidigung der eigenen Freiheit und Unabhängigkeit. Wenn man als Soldat ins Ausland geht, wird man Partei, verstösst gegen unsere Neutralität. Deshalb haben Schweizer Soldaten im Ausland nichts verloren. Aber schon heute sind Schweizer Soldaten im Ausland, und zum Teil bewaffnet... Blocher: Warum muss man denn das Gesetz ändern, wenn sie zum Teil schon bewaffnet sind? Das zeigt doch nur: Es geht um eine Eskalation. Jetzt sollen auch die Schützenpanzer mit Geschützen bestückt werden. Schweizer Soldaten haben im Ausland nichts zu suchen, bewaffnet oder unbewaff-net, mit ganz wenigen Ausnahmen wie im Koreakrieg, wo beide Seiten es so wollten. Ist es denn richtig, dass nur andere Länder die militärischen Kastanien aus dem Feuer holen? Blocher: Die Schweiz soll humanitäre Hilfe leisten. Es nützt wenig, wenn auch noch Schweizer Solda-ten das Gleiche machen wie die anderen. Wer das Gebiet besetzt - bombardiert, wie die Nato - hat das Machtmonopol und muss Ordnung und Sicherheit gewährleisten. Die Mächte haben Verantwor-tung und tragen sie auch, weil es auch ihren Interessen entspricht. Die Schweiz soll also wieder einmal abseits stehen? Blocher: Ich will nicht, dass wir völlig abseits stehen, aber ich will, dass wir etwas machen, was die andern nicht machen. Die Schweiz soll humanitäre Hilfe leisten, und zwar unbewaffnet, unparteiisch und neutral, auf beiden Seiten - das ist die Stärke der Schweiz, so ist auch das Rote Kreuz entstan-den. Die SVP will ein humanitäres Korps schaffen, wie das Katastrophenhilfskorps, aber Bern ist dagegen. Das Motiv der beiden Militärvorlagen aber ist, die Schweiz auch im Ausland einzusetzen. Bern will in die internationalen Strukturen und Organisationen: Die ganze Armee wird auf Nato-Standard umgemodelt, damit man mit anderen Armeen zusammen auch Krieg führen kann. Das ist unakzeptabel. Stichwort militärische Zusammenarbeit: Die gibt es doch bereits heute, die Flugwaffe beispielsweise übt auf Sardinien, in Norwegen. Warum nicht? Blocher: Heute ist dies schon möglich, das zeigt, es brauchte gar keine neuen Gesetze. Aber heute üben wir im Ausland nur für unsere Bedürfnisse, damit wir besser ausgebildet sind, um unsere Freiheit und Unabhängigkeit zu verteidigen, wenn es notwendig sein sollte. Und streng verboten ist eine Ko-operation mit einer anderen Armee, um Krieg führen zu können, weil das gegen die Neutralität ver-stösst. Das soll jetzt neu geändert werden, Rahmenabkommen sollen ermöglichen, Ausbildung zu betreiben, mit dem Ziel, mit anderen Armeen im Ernstfall in den Krieg zu ziehen. Das ist ein massiver Durchbruch, das ist gefährlich und hat Konsequenzen. Der Kampf wird auch nicht mehr an der Gren-ze, sondern im operativen Vorgelände, also im Raum München bis ans Mittelmeer hinunter geplant. Wenn man sich vorstellte, was eine solche Verteidigung im Zweiten Weltkrieg gebracht hätte: Unser Land wäre überrannt worden, die Schweiz wäre Kampfplatz geworden, mit Tod, Elend und Verwüs-tung, und Soldatenfriedhöfe wären Realität geworden. Es geht nicht einfach um etwas mehr Bewaff-nung von Soldaten zum Selbstschutz, sondern um eine Unterstellung un- serer Armee unter die Nato. Aber die Schweizer Armee kann doch auch nicht allein auf sich gestellt bestehen? Blocher: Ich kann es gar nicht verstehen, dass man dies heute so sagt. Haben wir dies nicht über 200 Jahre machen können? Und es gab schon gefährlichere Zeiten als heute. Für künftige Konflikte kann die Schweizer Armee sich sehr wohl behaupten, und erst noch billiger. Die Schweiz aber hat die Er-fahrung gemacht, wenn man neutral ist, holt man die Konflikte nicht ins eigene Land. Fremde Händel soll die Armee deshalb auch künftig bleiben lassen. Aber technische Kooperation mit der Nato ist sinnvoll? Blocher: Kauf und Erneuerung von Waffen im Ausland verletzt unsere Neutralität nicht. Damit opfern wir auch nicht Soldaten für Kriegsspiele im Ausland. Das eine bedeutet Schutz, das andere ist für eine Offensivarmee im europäischen Raum gedacht. Das sind höchst verschiedene Motive. Wer das be-treibt, denen ist die Schweiz verleidet. Der EU-Beitritt ist nicht gelungen, jetzt wird der Weg über die Armee gesucht. Wir aber haben viel zu verlieren. Wäre Mitmachen statt Rosinenpicken nicht auch ein Solidaritätsbeitrag an eine Wertegemeinschaft? Blocher: Diese Musik hören wir nun schon seit zwanzig Jahren. Man müsse mitmachen, sonst sei man isoliert, heisst es. Das Volk glaubt das langsam aber sicher nicht mehr. Alle Staaten nehmen ihre Interessen wahr. Wer sich auf Illusionen stützt, täuscht sich, läuft in die Falle. Wäre eine offene Abstimmung über eine Zusammenarbeit mit der Nato ehrlicher? Blocher: Eindeutig. Jetzt soll es eine Annäherung an die Nato geben. Und später wird es heissen: Jetzt müssen wird doch in die Nato, da wir mit ihr schon eng zusammenarbeiten. Das ist der Zweck der Übung! Aber das ist hinterhältig. Da wird das Volk zum Narren gehalten. Aber es gibt immer mehr Leute, die merken, was hier abläuft. Kampflos geben wir die Neutralität nicht preis. Was gewinnt die Schweiz mit 2x Ja? Blocher: Da sehe ich keinen Nutzen, sondern nur Nachteile. Bei 2x Ja verliert die Schweiz sehr viel. Sie verliert ihre zweihundertjährige Friedenspolitik, die dazu geführt hat, trotz grosser internationaler Auseinandersetzungen der Schweiz Frieden, Freiheit und Unabhängigkeit zu erhalten. Kein Land in Europa hat eine solche Tradition. Wenn wir in den europäischen Raum gehen, verlieren wir an Sicherheit, verlieren an Freiheit und Selbstbestimmung, bei internationalen Konflikten sind wir nicht mehr neutral und werden auch nicht mehr als neutral angesehen. Die Preisgabe der Neutralität aber wäre ein grosser Verlust. Deshalb ist jetzt eine solche Weichenstellung hin zur Nato durch 2xNein dringend zu verhindern.

16.05.2001

Feind in Sicht

Milizarmee im Alleingang für vier Milliarden Franken Interview mit FACTS vom 16. Mai 2001 Zum ersten Mal präzisiert Christoph Blocher seine Vorstellungen zur Zukunft der Schweizer Armee. Oberst Blocher, wie sieht Ihre Armee aus? Christoph Blocher: Die Schweizer Armee ist für den Schutz unserer Freiheit und Unabhängigkeit da und nicht, um irgendwo im Grossraum Europa eingesetzt zu werden. Dafür braucht es eine Milizarmee, die bereit ist, wenn's losgeht, in relativ grosser Zahl aufgeboten zu werden. Eine Reservetruppe? Blocher: Richtig, genau das ist ja die Milizarmee: Wenn man sie nicht braucht, ist sie zu Hause. Wozu dient sie? Blocher: Das Bedrohungsbild der Zukunft ist diffus. Es reicht von der unorganisierten Bedrohung eines "stellvertretenden Bürgerkriegs" von ausländischen Gruppierungen über den Cyberspace War zur Bedrohung aus der Luft und am Boden. Diffus heisst, es braucht an vielen Orten viel Bewachungen, Überwachungen und Schutz. Ein Beispiel: Die Kurden, welche damals die türkische Botschaft besetz-ten, drohten, sie würden verschiedene andere Orte gleichzeitig besetzen; da ist die Polizei schnell überfordert. Dazu kommt der Cyberspace-Krieg, also Internet-Krieg, elektronischer Krieg und so wei-ter. Da brauchts einige wenige Einheiten mit Spezialisten. Dann brauchen wir einen Luftraumschutz für die wahrscheinlichsten Fälle und nicht für die allerverrücktesten. Wir waren ja nie geschützt gegen die allerschlimmste Bedrohung, wo alle Armeen der Welt auf uns losgehen. Das ist aber auch nicht wahrscheinlich. Das ergibt eine Armee, die auf die neuen Gefahren besser vorbereitet ist. Braucht es also keine Kampfpanzer und keine teuren Kampfjets mehr? Blocher: Ich gehe nicht ins Detail. Aber Sie haben Recht. Eine grosse Panzerarmee steht in unserem Gelände nicht im Vordergrund. Die Armee wird sicher weniger teuer als jene, die jetzt geplant ist. Bundesrat Samuel Schmid sagt, eine Armee à la Blocher komme "drei bis vier Mal teurer als die heu-tige Armee". Blocher: Das soll der mal beweisen. Das behauptet er einfach. Sie reden immer von der autonomen Widerstandsarmee. Wie sieht sie aus? Blocher: Wir sind vorbereitet, um im Ernstfall einem Aggressor Widerstand zu leisten. Das war immer die Spezialität der Schweiz. Wenn wir das glaubwürdig machen, schreckt das von vornherein ab. Abschreckung, die glaubhaft sein will, kostet immens viel Geld. Blocher: Weniger als das, was jetzt geplant ist, nämlich eine Angriffsarmee, um zusammen mit ande-ren Armeen einen Krieg weit ausserhalb unseres Landes zu führen. Das gibt eine unbezahlbare Armee. Wie teuer ist Ihre Armee? Blocher: Ich würde die Kosten bei 4 Milliarden beschränken. Geplant sind jetzt 4,3 Milliarden. Eine Milizarmee ohne Auslandkriegseinsätze ist kostengünstiger. Für die Wirtschaft wäre Ihre Armee viel teurer. Blocher: Auch für die Wirtschaft wird's billiger. Denn ein Milizsoldat bleibt zu Friedenszeiten zu Hause, der kostet uns nichts. Den Berufssoldaten hingegen kann man nicht einfach heimschicken, wenn es nichts zu tun gibt. Nun soll das Milizsystem zunehmend durch eine Berufsarmee ersetzt werden. Die ist erstens teuer und zweitens gefährlich. Es gibt nichts Gefährlicheres als Militärs, die nichts zu tun haben. Wie sieht ganz konkret Ihre Armeeplanung aus? Blocher: Ich würde Varianten verlangen für 4 Milliarden und darunter. Ohne Auslandengagement. Damit müssten die Armeeplaner auskommen. Mehrere Varianten und nicht nur eine, wie dies das VBS jetzt tut, indem es die Kriegführung mit anderen Armeen anstrebt. Was nach allen ökonomischen Grundsätzen billiger wäre. Blocher: Sie können überall kooperieren, nur nicht mit Armeen. Denn alle anderen Länder haben ihre eigenen Interessen und verteidigen die mit dem letzten Mittel, nämlich mit der Armee. Die neue Dokt-rin "Sicherheit durch Kooperation" baut auf die Hoffnung, die anderen würden uns helfen, und wir müssen den anderen auch helfen. Für Grossmächte ist das kein Problem. Für den Kleinstaat aber heisst das, wir werden dann auch in fremde Händel einbezogen. Wir sind nicht mehr neutral. Wenn wir im Zweiten Weltkrieg eine Armeedoktrin gehabt hätten, wie sie jetzt geplant wird, hätten wir vielleicht im Raum München Krieg geführt; stellen Sie sich das vor! Die Stärke auf eigenem Gelände ist nicht vorbei. Denken Sie an Vietnam, an Afghanistan, an Tschetschenien, wie die mit einfachsten Mitteln verbissen ihr eigenes Territorium verteidigt haben, und zwar gegen eine hoch technisierte Armee. Das sind Rebellen-Armeen. Blocher: Wenn Sie den Weltmassstab ansetzen, ist die Schweizer Armee eine Rebellen-Armee. Inso-fern, als dass sie nur in ihrem Territorium den Krieg führt und die Schweiz verteidigt. Warum waren Sie dann nicht gegen den Kauf von Kampfpanzern und Kampfflugzeugen? Blocher: Also beim F/A-18, das wissen Sie ja, war ich einer der wenigen Bürgerlichen, die Nein stimm-ten. Das war ja die grosse Attraktion. Und bei den Panzern habe ich lange gerungen. Führende Mili-tärs haben damals dargelegt, es sei die letzte Panzerbeschaffung. Ich will hier die Frage offen lassen. Wir brauchen eine spezifische Armee für unsere Bedürfnisse. Nur läuft im Moment alles in die gegen-teilige Richtung: Unsere Armee wird umgemodelt auf Nato-Standard, und zwar bis zur letzten Anhän-gerkupplung. Das wird teurer, ich kenne das aus der Wirtschaft: Der globalisierende Grössenwahn wird auch in der Armee nicht billiger. Sich der Nato anschliessen, wie es die Nato-Partnerschaft will, ist zudem für unser Land gefährlich und verletzt die Neutralität. Ein Nato-Beitritt wäre doch eine Variante, und zwar erst noch eine billigere. Blocher: Nur unter der Voraussetzung, dass man der Nato die Verteidigung überlässt. Das wäre dann aber die Preisgabe der Schweiz. Belgien, etwa gleich gross wie die Schweiz, kommt als Nato-Land mit der Hälfte der Verteidigungskosten aus. Blocher: Jedes Land hat seine eigenen Regeln. Erstens ist Belgien in der EU, zweitens in der Nato, und drittens war Belgien nie ein neutrales Land und darum auch vom Krieg nicht verschont. Wenn man das in Kauf nehmen will, kann man das. Ich würde das nie machen. Die Mehrheit der Schweizer bis heute auch nicht, denn sie wissen, dass die Aufgabe der Neutralität ein Kriegsrisiko wäre. Eine autonome Landesverteidigung, wie sie Ihnen vorschwebt, bedingt realistischerweise ein Aufrüs-ten nach israelischem Muster. Blocher: Nur dann, wenn wir eine Bedrohungslage hätten wie Israel, das haben wir natürlich nicht. Israel ist von Staaten umgeben, die alle einen Anspruch auf das Land erheben. Das war bei uns nicht einmal im Zweiten Weltkrieg der Fall. Der Vergleich mit Israel ist deshalb an den Haaren herbeigezogen. Für eine autonome Landesverteidigung, das würde jeder israelische General bestätigen, bräuchten wir nicht 34 Kampfjets, sondern 300. Blocher: Sie gehen von falschen Voraussetzungen aus. Zuerst stellt sich doch die Frage: Welches ist die mögliche Bedrohungssituation? Nämlich? Blocher: Sicher nie die von Israel. Am wahrscheinlichsten ist für mich ein chaotischer Krieg. Mit diffusen, bürgerkriegsähnlichen Zuständen, die an vielen Orten losgehen. Werden die Jurassier einen Aufstand gegen die Berner anzetteln? Blocher: Nein, nein, ich habe nicht vom Bürgerkrieg, sondern vom stellvertretenden Bürgerkrieg gesprochen. Zum Beispiel Serben gegen Albaner in der Schweiz. Für solche möglichen Auseinanderset-zungen brauchen wir eine Milizarmee. Ist das nicht Sache der Polizei? Blocher: Zunächst sicher. Aber die reicht nicht. Wollte man dies nur mit der Polizei lösen, hätten wir einen Polizeiapparat, der in Friedenszeiten völlig überdimensioniert wäre. Schon nur eine Demonstra-tion für das Weltökonomieforum in Davos hat einen Grossteil der Polizeikräfte der Ostschweiz gebunden. Stellen Sie sich vor, wenn viele Bedrohungen an tausend Orten losgehen. Tausend Davos in der Schweiz: Das ist mit Verlaub doch ein sehr hypothetisches Szenarium. Blocher: Natürlich, weil es ja nicht tausend WEF gibt. Aber Auseinandersetzungen an tausend Orten gleichzeitig im Kriegsfall ist nicht sehr hypothetisch. Militär gegen Zivilisten einzusetzen, damit hatte die Schweiz schon beim Generalstreik von 1918 denkbar schlechte Erfahrungen gemacht. Blocher: Die Angst besteht immer, man setze das Militär gegen die eigenen Leute ein. Wenn ich vom stellvertretenden Krieg rede, sind das ausländische Gruppierungen, die in unserem Land gegeneinander Krieg führen. Das sind nicht Schweizer. Also nicht die Hooligans im Eisstadion von Lugano? Blocher: Nein, von denen rede ich jetzt nicht, denn da genügt die Polizei. Würden Sie die Armee lieber abschaffen als der Nato beitreten? Blocher: Nein. Das wäre ja, wie wenn man bei einem EU-Beitritt sagen würde, nun müssten wir die Schweiz aufheben. Dieser Meinung bin ich ja nicht. Und wenn die Bedrohungslage keine Armee mehr braucht? Blocher: Wenn die Bedrohungslage so wäre, dass wir keine Armee mehr brauchen, dann wäre ich nicht für eine Armee, aber leider ist sie so nicht. Wird sie nie sein? Blocher: Solange es Staaten und Menschen gibt, kann der Frömmste nicht im Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt. So ist es halt leider.