Testi

Indipendenza

08.01.2002

Wer sonst kann Tyrannen und Terroristen stoppen?

Streitgespräch im EDA-Magazin "Schweiz global" vom 8. Januar 2002 Die Schweiz sei "freiheitlicher, unabhängiger und demokratischer" als der Rest der Welt und dürfe deshalb nicht in die Uno, sagen die SVP-Nationalräte Christoph Blocher und Christoph Mörgeli. CVP-Ständerat Bruno Frick und Politologieprofessor Alois Riklin kontern, "die wesentlichen Elemente unseres Selbstverständnisses" seien durch den Beitritt nicht in Gefahr. Gespräch: Patrick Feuz Herr Blocher, was macht die Schweiz so speziell, dass sie nebst dem Vatikan der einzige Staat ausserhalb der Uno bleiben soll? Christoph Blocher: Die Schweiz ist in der Uno fast überall dabei. Sie bezahlt 500 Millionen Franken im Jahr, ein grosser Beitrag im Vergleich zu anderen Ländern. Aber eines hat die Schweiz bisher nicht getan: einen Vertrag unterschrieben, wonach der Uno-Sicherheitsrat die Schweiz verpflichten kann, gegen andere Länder wirtschaftliche, politische und sogar kriegerische Massnahmen zu ergreifen. Das widerspricht unserer Neutralität, die integral, bündnisfrei und dauernd ist und nicht von Fall zu Fall gilt wie etwa in Schweden. Alle Staaten haben ihre Besonderheit. Die Neutralität ist unsere Besonderheit. Wir sollten dieses Instrument nicht preisgeben. Sie hat mitgeholfen, unser Land 200 Jahre lang aus dem Krieg herauszuhalten. Es gibt wenige Länder, die eine solche Friedensbilanz vorweisen können, obwohl die Schweiz mitten im Weltgetümmel schwerster Auseinandersetzungen gestanden ist. Die Auseinandersetzungen gehen weiter. Jedes Land ist letztlich auf sich allein gestellt. Bruno Frick: Es gibt heute keinen Grund mehr, weshalb die Schweiz der Uno nicht beitreten sollte. Herr Blocher hat es gesagt: Wir sind in allen Unterorganisationen und in fast allen Uno-Fonds dabei. Nun geht es noch um den kleinen Schritt zur Vollmitgliedschaft. Dann sind wir ein vollwertiges Mitglied, das mitentscheiden kann - genau wie Appenzell und Uri Mitglieder der Schweiz sind und hier ihre Stimme einbringen können. Die Uno ist die einzige weltumspannende Organisation, die die globalen Probleme der Menschen zu lösen sucht. Christoph Mörgeli: Unsere Vision der Schweiz ist eine andere, eine ehrgeizigere. Wir wollen nicht einfach in einem psychologischen Gruppenzwang dasselbe tun wie alle Übrigen. Wir wollen freiheitlicher, unabhängiger und direktdemokratischer bleiben als die anderen. Wir wollen ein Vorbild sein, nicht ein Abbild. Wer steht abseits? Ist es unser Land, das in allen Rankings an der Spitze steht punkto Mitspracherecht, Vollbeschäftigung und Zufriedenheit? Nein. Unsere weltoffenen Bürgerinnen und Bürger stehen nicht abseits. Abseits stehen Regierung, Parlament und Verwaltung, die unbedingt in der Uno mitreden wollen. Das ist keine originelle Aussenpolitik. Die Neutralität hat auch das Ziel, dass die Bürger in ihrem Urteil frei bleiben. Sie wollen nicht, dass die Regierung für sie spricht. Diese würde das Volk vor der Stimmabgabe in der Uno-Vollversammlung nicht um die Meinung fragen. Alois Riklin: Ihr Regierungsverständnis widerspricht der Bundesverfassung. Diese besagt, dass die Regierung nicht nur ausführen, sondern auch leiten, das heisst planen, vorschlagen, überzeugen und informieren soll. Sie wollen den Bundesrat zum politischen Eunuchen machen. Wir müssten zu einer Versammlungsdemokratie à la Athen zurückkehren, wenn der Bundesrat das Volk immer fragen müsste, was er sagen darf. Zurück zur Ausgangsfrage: Die wesentlichen Elemente unseres Selbstverständnisses - die halbdirekte Demokratie, die Milizdemokratie, der Föderalismus, die Multikulturalität, die Neutralität, die Konkordanz - sind durch den Uno-Beitritt nicht betroffen. Unsere Neutralität können wir als Uno-Mitglied aufrechterhalten. Herr Mörgeli, Sie haben am Tag nach den Terroranschlägen gegen die USA gesagt, mit dem Uno-Beitritt hole die Schweiz den Krieg ins Land. Stehen Sie immer noch zu dieser für viele Leute schwer nachvollziehbaren Aussage? Mörgeli: Selbstverständlich. Ein freiheitlicher Kleinstaat darf sich nicht in ein Grossgebilde einbinden lassen, wo Macht vor Recht kommt. Macht kommt in der Uno vor Recht, weil im Sicherheitsrat die fünf ständigen Mitglieder Sonderrecht geniessen und ein Veto einlegen können. Die Grossen können das Recht brechen, die Kleinen müssen sich peinlich daran halten. Als Vollmitglied wären wir verpflichtet, uns an Wirtschaftssanktionen zu beteiligen, Krieg zu führen, fremden Armeen Durchmarsch zu gewähren, Eisenbahn-, See- und Luftverkehr zu unterbrechen, Post-, Telegrafen- und Funkverbindungen zu kappen und diplomatische Beziehungen abzubrechen. Wenn die Schweiz wirklich in die Uno will, kann sie später nicht ausscheren, sondern muss in Konflikten Partei ergreifen. Damit zögen wir aber den Hass gewisser Länder und Völker auf uns und holten letztlich Unfrieden und Terrorismus ins Land. Riklin: Herr Mörgeli, Sie sagen: Wenn die Schweiz nicht in der Uno ist, hat sie keine Terroranschläge zu befürchten. Aber der Terrorismus nimmt keine Rücksicht auf neutrale Staaten. In New York sind auch Schweizer gestorben. In Luxor waren die Opfer vor allem Schweizer. Auch Swissair-Flugzeuge wurden entführt. Ein Staat allein kann den Terrorismus nicht bekämpfen. Nur eine internationale Organisation hat hier eine Chance. Blocher: Der Terror wird auch gefördert durch die internationalen Machtauseinandersetzungen. Terroristen sind nicht ein paar Einzelmörder, die Geld wollen. Sie vertreten Staatengemeinschaften und ethnische Gruppierungen. Jedes Land soll zuerst dafür sorgen, dass auf seinem Gebiet nichts passiert. Früher waren in der Schweiz politische Aktivitäten von Ausländern verboten. Heute sind wir im Namen der so genannten Weltoffenheit viel zu large. Jetzt haben wir den Salat. Herr Frick, Sie haben nicht mitgeholfen, als wir verlangt haben, in der Schweiz politische Umtriebe zu unterbinden, die den Terrorismus fördern. In der Schweiz wird die UCK gefördert. Terroristen halten in unserem Land 1.-Mai-Reden. Herr Frick, Sie wollen nach Schengen. Auch dieses Vertragswerk fördert den Terrorimus. Vor allem aber wollen Sie mit der Uno-Charta einen Vertrag unterzeichnen, der uns zu Sanktionen gegen andere Staaten verpflichtet, etwa zur Brotsperre, mit der ganze Bevölkerungen ausgehungert werden. Riklin: Zum Vetorecht der Grossmächte: In weiten Bereichen der politischen Uno gilt das Vetorecht nicht. Der internationale Strafgerichtshof wird geschaffen, obwohl die USA nicht mitmachen. Das Verbot der Personenminen kommt, obwohl die USA nicht mitmachen. Gegen die Uno-Konventionen gibt es kein Vetorecht. Zu den militärischen und wirtschaftlichen Sanktionen: In Artikel 25 der Charta steht, dass die Mitgliedstaaten die Entscheide des Sicherheitsrats "im Rahmen der Charta" umsetzen müssen. In Kapitel 7, wo es um die Sanktionen geht, ist unter Artikel 43 nachzulesen, dass sich die Mitglieder gestützt auf "Sonderabkommen" an diesen Massnahmen beteiligen. Diese Abkommen entstehen "im Verhandlungswege". Verhandeln beinhaltet die Freiheit, Nein zu sagen. Anders ausgedrückt: Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet zu verhandeln, nicht aber verpflichtet, an den militärischen Sanktionen teilzunehmen. Jeder Mitgliedstaat ist frei und souverän. Kein einziger Staat wurde bisher gezwungen, sich an militärischen Aktionen zu beteiligen. Blocher: Der Sicherheitsrat kann laut Artikel 41 gegen Länder politische und wirtschaftliche Sanktionen ergreifen. Hier steht nichts von "Sonderabkommen", die eine Nichtteilnahme erlauben. Wirtschaftliche und politische Massnahmen sind aber oft die grausamsten. Mörgeli: Noch 1981 hat der Bundesrat festgehalten, wegen der militärischen Sanktionen in Artikel 43 sei der Uno-Beitritt der Schweiz mit der Neutralität nicht vereinbar. Die Uno-Charta hat sich um keinen Buchstaben geändert. Aber offenbar die Neutralitätsauffassung des Bundesrats. Frick: Es ist niemandem verboten, klüger zu werden. Aber noch ein Wort zum Vetorecht, das Sie so gern erwähnen. Man kann dem Vetorecht auch Positives abgewinnen: Es gibt eine doppelte Sicherung, bevor Massnahmen gegen einen Staat verfügt werden. Sowohl die Grossmächte wie die Vollversammlung müssen zustimmen. Das Vetorecht ist eine Garantie, dass die Grossmächte nicht überstimmt werden und dadurch zusätzliche Kriegsgefahr entsteht. In der Vollversammlung hat jeder Mitgliedstaat eine Stimme. Andorra mit 15000 Einwohnern wiegt gleich viel wie die USA mit 250 Millionen Einwohnern. Das ist urdemokratisch. Herr Mörgeli, war es falsch, dass sich die Schweiz am Wirtschaftsboykott gegen Milosevic und Saddam Hussein beteiligt hat? Mörgeli: Das Verhalten des Bundesrats war für die Bevölkerung nicht nachvollziehbar. Im Golfkrieg gewährte er Überflugrechte, im Kosovo-Krieg nicht. Und die Wirtschaftssanktionen trafen nicht die Despoten, sondern die arme Bevölkerung. Riklin: Der Kosovo-Krieg war ein Nato-Krieg, der Golfkrieg fand aufgrund eines Uno-Beschlusses statt. Aber beantworten Sie bitte die Frage: Hätten wir uns an den Wirtschaftssanktionen gegen den Massenmörder Saddam Hussein nicht beteiligen sollen? Hätten wir als einziges Land Geschäfte mit dem Massenmörder Milosevic betreiben sollen? Mörgeli: Die Uno hat 1945 Massenmörder Stalin und seine Sowjetunion als "friedliebenden Staat" aufgenommen. Da beginnt die Heuchelei schon. Uno-Mitglieder haben seit 1945 Hunderte von Kriegen geführt. Wir hätten gegenüber Hussein und Milosevic den so genannten "courant normal" praktizieren sollen, statt Massnahmen zu unterstützen, die das Volk aushungern. "Courant normal" bedeutet nicht, von der Kriegssituation zu profitieren. Riklin: Sie betreiben irakische Propaganda, wenn Sie von Aushungern reden. Das Problem ist längst erkannt, dass undifferenzierte Sanktionen falsch sind und nur die Ärmsten der Armen treffen. Heute stehen so genannte "smart sanctions" im Vordergrund. Zum Beispiel werden die Konten ausländischer Machthaber auf Schweizer Banken blockiert. Im Fall Iraks wurde mit dem Programm Öl gegen Nahrung ein Sonderverfahren gewählt. Wenn dieses schlecht funktioniert, dann vor allem deswegen, weil Hussein nicht daran interessiert ist. Ihm geht es nicht um das einfache Volk. Blocher: Das ist bei jeder Brotsperre so. Wirtschaftssanktionen treffen immer die Schwächsten und Ärmsten. Als Uno-Mitglied müsste die Schweiz Wirtschaftssanktionen mittragen, egal ob sie differenziert oder undifferenziert sind. Frick: Wie wollen Sie ein Terrorregime zur Vernunft bringen? Soll man sofort einen Krieg eröffnen? Oder soll man ein solches Regime einfach gewähren lassen? Wie soll die Welt vorgehen, damit ein Milosevic die Menschenrechte nicht mit Füssen tritt und keinen Genozid begeht? Mörgeli: Die allermeisten Uno-Mitglieder respektieren die grundlegendsten Menschenrechte nicht. Menschen werden gefoltert, politisch unfrei gehalten, die Presse wird geknebelt, Kinder werden ausgebeutet, Frauen unterdrückt. Frick: Beantworten Sie meine Frage: Wie soll ein Tyrann wie Milosevic zur Vernunft gebracht werden? Blocher: Als Kleinstaat haben wir zu fragen: Was können wir tun? Die Grossmächte wissen es auch nicht. Wir haben dafür zu sorgen, dass unser Staat nicht beteiligt wird, und daneben humanitäre Hilfe zu leisten. Herr Blocher und Herr Mörgeli bringen immer wieder die Neutralität ins Spiel. Sie meinen nicht die gleiche Neutralität wie die Uno-Befürworter. Herr Frick, helfen Sie uns: 1986 waren Sie gegen den Uno-Beitritt, auch aus Sorge um die Neutralität. Heute sind Sie dafür und sehen kein Problem für die Neutralität. Frick: Die Neutralitätsfrage war für mich 1986 nicht entscheidend. Ich fand, die Uno sei ineffizient, die Probleme der bipolaren Welt zu lösen. Ich war auch der Meinung, die Schweiz könnte ausserhalb der Uno und der Blöcke einen besseren Beitrag zum Frieden leisten. Die bipolare Welt ist zerfallen, und die Situation ist auch für die Schweiz eine ganz andere. Das Neutralitätsrecht hätte den Beitritt schon damals erlaubt. Ein Wandel hat hingegen in der Neutralitätspolitik stattgefunden. Wir beteiligen uns seit 1990 an allen Wirtschaftssanktionen der Uno. Auch wenn Herr Blocher das Gegenteil behauptet: Wirtschaftliche Mittel sind immer schonungsvoller als kriegerische. Blocher: Die Neutralität ist ein Instrument, das dem Schweizervolk sehr am Herzen liegt. Neutralität heisst: Nichtparteinahme, nicht Partei nehmen in Konflikten, sich nicht einmischen. Sie ist nur glaubwürdig, wenn sie immer gilt. Sie ist sehr anspruchsvoll. Wer sie aktiv nutzt, kann in Auseinandersetzungen vermitteln. Einer Regierung, die sich für die Neutralität ihres Landes schämt, fällt dies natürlich schwer. Wir sollten konsequent neutral sein und unsere Sonderstellung im Interesse der Völkergemeinschaft verstärkt nutzen. Riklin: Sie definieren Neutralität als Nichtparteinahme in internationalen Konflikten. Dieses Neutralitätsverständnis widerspricht dem Völkerrecht und der bisherigen Politik des Bundesrats. Wir haben Partei ergriffen, als der Warschauer Pakt in der Tschechoslowakei einmarschierte. Wir haben Partei ergriffen zur Ungarnrevolution. Wir haben Partei ergriffen gegen die Apartheidpolitik in Südafrika. Völkerrechtlich heisst Neutralität Nichtbeteiligung an Kriegen anderer Staaten. Was das konkret bedeutet, ist in der Haager Landkriegsordnung von 1907, im Völkergewohnheitsrecht und nicht zuletzt auch durch Neutralitätspolitik der Schweiz definiert. Die dauernde, bewaffnete Neutralität verpflichtet nicht zur absoluten Unparteilichkeit. Gerade auch gegenüber der Uno als Vertreterin der Staatengemeinschaft gibt es keine Neutralität. Mörgeli: Heute haben wir in der Welt die Vorherrschaft eines einzelnen Staates. Diese Übermacht ist mit der kollektiven Sicherheit, wie sie die Uno fordert, nicht vereinbar. Die Uno hat keine eigenen Truppen. Wenn sie Krieg führt, ist sie auf die USA und deren Verbündete angewiesen. Aber kein Staat hat je Krieg geführt, um dem Recht zum Durchbruch zu verhelfen, sondern immer, weil seine Interessen es gebieten. Die Interessen der USA sind nicht unbedingt unsere Interessen. Eine Unterwerfungshaltung unter diese eine Weltmacht ist nicht moralisch, sondern höchstens opportunistisch. Frick: Von Unterwerfung kann keine Rede sein. Bundesrat und Parlament wollen der Uno beitreten, weil sie von gewissen Werten überzeugt sind. Wir wollen uns äussern zu Menschenrechtsverletzungen und wollen Ungerechtigkeiten nicht einfach hinnehmen. Mörgeli: Unser Staat ist keine Institution der Moral, sondern ausschliesslich eine zur Rechtsschöpfung und Rechtswahrung. Er ist ein reiner Zweckverband und darf nicht als moralischer Vormund der Bürgerinnen und Bürger auftreten. Ideale zu bilden und zu verwirklichen ist nie Sache eines freiheitlichen Rechtsstaats, sondern allein der einzelnen Menschen. Frick: Auch ein Staat soll nach ethischen Grundsätzen handeln. Aufgabe der schweizerischen Aussenpolitik ist die Wahrung unserer materiellen und ideellen Interessen. Unsere Bundesverfassung bietet zum Glück mehr als eine bloss materielle Grundlage. Sie ist auch ein ideelles Fundament, indem sie die Gemeinschaft Schweiz zusammenhalten und in die Zukunft führen will. Herr Blocher sieht ein Potenzial für die Schweiz als aussenpolitischer Akteur ausserhalb der Uno. Gibt es dieses Potenzial? Riklin: Ich finde auch, dass die Schweiz ausserhalb der Uno mehr tun könnte als bisher. Aber sie kann mindestens so viel als Uno-Mitglied tun. Norwegen etwa hat zwischen den Palästinensern und Israel vermittelt. In Irak leistet die Schweiz trotz Teilnahme an den Wirtschaftssanktionen humanitäre Hilfe im Rahmen des Uno-Welternährungsprogramms und durch die Mitfinanzierung von IKRK-Aktionen. Blocher: Ich bleibe dabei: Ein Land, das ausserhalb der Uno ist und als neutral empfunden wird, kann in Auseinandersetzungen zwischen dem Sicherheitsrat und einzelnen Staaten eine besondere Rolle spielen. *** Christoph Blocher, Unternehmer und SVP-Nationalrat, Anführer der Opposition gegen den Schweizer UNO-Beitritt Bruno Frick, Rechtsanwalt und CVP-Ständerat, bis Ende 2001 Präsident der aussenpolitischen Kommission der kleinen Kammer Christoph Mörgeli, Privatdozent für Medizingeschichte an der Universität Zürich und SVP-Nationalrat Alois Riklin, Mitherausgeber des "Neuen Handbuchs der schweizerischen Aussenpolitik", Professor für Politische Wissenschaften an der Hochschule St. Gallen und Leiter des Instituts für Politikwissenschaft (bis Sommer 2001)

03.01.2002

«Herr Blocher, soll sich die Schweiz künftig gar nirgends mehr engagieren?»

Interview mit den Obersee Nachrichten vom 3. Januar 2002 Christoph Blocher und die SVP kämpfen als einzige Bundesratspartei gegen einen Uno-Beitritt. Am 9. Januar findet im Hotel "Kreuz" in Jona eine SVP-Drei-Kantone-Veranstaltung statt, bei der Christoph Blocher die Besucher einmal mehr beschwört, warum man für Neutralität, Selbstbestimmungsrecht und Unabhängigkeit der Schweiz einzustehen hat. Aber er weiss auch, dass die Propaganda auf der Uno-Befürworter-Seite ganz massiv sein wird. Verena Schoder Herr Blocher, die CVP Bezirk See hatte Sie für ein Podiumsgespräch nach Jona eingeladen - mit Erika Forster, FDP, Eugen David, CVP, und Paul Rechsteiner, SP. Sie und Nationalrat Toni Brunner haben beide abgesagt. Warum sind Sie dieser Kontroverse um einen Uno-Beitritt ausgewichen? Christoph Blocher: Ich habe der CVP schriftlich zugesagt, dass wir bereit seien, an einem kontradiktorischen Gespräch in Jona teilzunehmen. Voraussetzung sei aber eine ausgewogene Gesprächsrunde, das heisst je zwei Befürworter und zwei Gegner. Leider wollten die Befürworter aber unbedingt ein Übergewicht haben, nämlich drei Befürworter gegen zuerst einen, dann allenfalls gegen zwei Gegner. Diese ungleiche Behandlung kann ja nicht akzeptiert werden, deshalb gibt es nun bedauerlicherweise zwei Veranstaltungen, eine dafür und eine dagegen. Die SVP ist ja auch als einzige Bundesratspartei gegen einen Uno-Vollbeitritt. Sind Sie auf einen harten Abstimmungskampf vorbereitet? Blocher: Dass die SVP die einzige Bundesratspartei ist, die für das Selbstbestimmungsrecht, die Unabhängigkeit und die Neutralität der Schweiz eintritt, ist ja nicht neu. Schon bei der letzten Uno-Abstimmung war die SVP allein gegen den Beitritt. Das Schweizervolk und sämtliche Kantone haben sich dann klar der SVP angeschlossen und Nein zum Uno-Beitritt gesagt, sie haben sich also für die Unabhängigkeit und die Neutralität der Schweiz ausgesprochen. Dies war übrigens auch beim EWR so. Alle anderen Parteien, der Bundesrat und alle Verbände haben massiv für den EWR-Beitritt gekämpft. Wir waren allein dagegen. Das Schweizervolk und die Mehrheit der Kantone hat einen EWR-Beitritt abgelehnt. Als einzige Bundesratspartei ist die SVP auch gegen den EU-Beitritt - aber auf der Seite des Volkes. Der Bundesrat und die politischen Träger der Kantone wollen Überzeugungsarbeit leisten, viele Institutionen sind im Vorbereitungskampf. Was ist Ihre Motivation, gegen so viele Gegner anzutreten? Blocher: Man hat zur Schweiz und zu ihren Besonderheiten zu stehen. Dazu gehört eben auch eine glaubwürdige Neutralität. Die Schweiz soll nicht zum Spielball der Grossmächte werden. Der Uno-Beitritt würde uns den Grossmächten, die über ein Vetorecht im Sicherheitsrat verfügen, preisgeben. Diese könnten von uns Boykotte und Massnahmen nicht militärischer und militärischer Art gegen andere Länder verlangen. Ich hoffe sehr, dass das Schweizervolk, wie in den letzten Jahren bei der Uno-, der EWR- und der EU-Abstimmung, auch am 2./3. März den Beitritt zur politischen Uno klar ablehnen wird. Was passiert mit der Schweiz bei einem Ja? Blocher: Würden wir der Uno beitreten, so hätten die Schweizer einmal mehr viel zu bezahlen und viel zu verlieren. Es geht um den Beitritt der Schweiz zur politischen Uno. Bei allen anderen Uno-Organisationen, wo es um humanitäre, wirtschaftliche, Bildungs-, Umwelt- und Flüchtlings-Anliegen geht, sind wir ja längst dabei. Wir müssten uns dem von den Grossmächten dominierten Sicherheitsrat unterwerfen. Dies widerspricht der Neutralität. Wir hätten auch viel zu bezahlen. Das Schweizervolk hätte aber weniger zu sagen, denn in der Uno-Generalversammlung bestimmt ja nicht das Volk, dort bestimmen einzelne Diplomaten und schweizerische Politiker. Das so beschlossene Völkerrecht geht unserem Landesrecht vor, ohne dass das Schweizervolk noch etwas zu sagen hätte. Was passiert mit der Schweiz bei einem Nein? Blocher: Bei einem Nein würden unsere Neutralität und Unabhängigkeit gewahrt. Wir könnten uns in den nicht politischen Belangen der Uno voll entfalten. Aber in die politische Uno würden wir nicht einbezogen. Wir könnten auch unsere humanitären Dienste dort verwirklichen, wo es die anderen Länder wegen Parteinahme nicht tun können. Das ist das Wirkungsfeld eines wirklich neutralen Staates. Wir könnten weltoffen sein, ohne in die Grossmachtpolitik einbezogen zu werden. Die Uno-Befürworter werfen der SVP vor, dass es ihr beim Nein nur um das Sparen geht. Die SVP wolle einmal mehr die Zitrone bis auf den letzten Tropfen ausdrücken. Was entgegnen Sie dem? Blocher: Es geht nicht nur, aber auch um die Kosten. Wir bezahlen bereits heute 470 Mio. Franken pro Jahr an die Uno. Ein Beitritt in die politische Uno kostet weitere 75 Millionen. Dies allein für die Verwaltung. Wir hätten uns aber auch in Zukunft an den hohen Kosten für vielerlei Sonderaktionen der Uno zu beteiligen. Eine Kommission der Uno fordert auch von den Mitgliederstaaten eine weit höhere Entwicklungshilfe von 0,7 Prozent des Bruttosozialproduktes. Der Druck, dass wir dies erfüllen, würde massiv zunehmen. Das würde dann 1,6 Milliarden ausmachen. Und das, obwohl wir bereits jährlich 0,5 Milliarden an die Unterorganisationen bezahlen. Aber der wesentliche Punkt ist, dass die Schweiz eine ihrer grossen Stärken, nämlich die dauernde bewaffnete Neutralität, verlieren würde. Dank dieser Neutralität hat unser Land während 200 Jahren keinen Krieg mehr erlebt. Das können nicht viele Länder sagen. Einen solchen Wert gibt man doch nicht preis. Wenn die Schweiz doch schon so lange Uno-Beiträge bezahlt, wäre es doch nur logisch, dass sie fürs Bezahlen auch endlich mitreden kann. Blocher: Dort, wo die Schweiz bei den Unterorganisationen bezahlt, dort redet sie auch mit. Wir sind Mitglied der Unesco, der Welternährungsorganisation, der Flüchtlingsorganisation usw. Neutralitätspolitisch ist dies auch auch nicht bedenklich, weil es dort nicht um politische Belange geht, also nicht um Sanktionen gegen andere Länder, um andere Länder zu unterdrücken oder zu bekämpfen. Heisst das, die Schweiz soll sich künftig gar nirgends mehr engagieren? Blocher: Doch - aber dort, wo es eben nur ein streng Neutraler kann. Nämlich dort, wo alle anderen Länder Partei sind. Dies hat sich in der Geschichte bewährt und wird sich auch in schwerwiegenden Konflikten weiter bewähren. So sind das Rote Kreuz und das Katastrophenhilfskorps entstanden. Voraussetzung aber ist, dass wir nicht in Bündnisse oder Organisationen eintreten, welche uns dieser Neutralität berauben. Die Uno hat die Neutralität der Mitgliederstaaten ausdrücklich anerkannt. Warum also diese diffuse Angst streuen? Blocher: Ich weiss nicht, von welcher ausdrücklichen Anerkennung der Neutralität Sie hier sprechen. Im Vertrag, den wir unterschreiben steht nichts von dem. Tatsache ist, dass ein Neutralitätsvorbehalt, der die Schweiz von Wirtschaftsboykotten, Unterbrechung von Beziehungen, Abbruch von diplomatischen Beziehungen, Truppeneinsatz usw. befreit hätte, weil das mit der Neutralität nicht zu vereinbaren ist, von Bundesrat und Parlament abgelehnt worden ist. Der Bundesrat sagt, man könne dies nicht tun, sonst würde man den Eindruck erwecken, dass man den Vertrag - die Uno-Charta - nicht erfüllen möchte. Der jetzige Beitritt der Schweiz zur Uno sieht keinen Neutralitäts-Vorbehalt vor, weil man die Neutralität nicht wahren will. Herr Blocher, Ihre Prognose zur Uno-Abstimmung vom März? Blocher: Ich glaube, dass auch diesmal die Mehrheit einen Uno-Beitritt ablehnen wird. Ich bin mir aber bewusst, dass die Propaganda auf der Befürworterseite ganz massiv sein wird. Die gleichen Kreise, die die Swissair ruiniert haben, werden Millionen für diese Abstimmung ausgeben. Zudem hat der Bundesrat 2 Millionen Franken Steuergelder bewilligt, um den Abstimmungskampf zu führen. Wir Steuerzahler bezahlen dies.

01.01.2002

Allocution pour le Nouvel An 2002

1er janvier 2002 Chers Suissesses et Suisses, Nous nous trouvons une fois de plus au seuil d'une nouvelle année et passons allègrement de la première année du troisième millénaire à la deuxième. De nombreuses personnes vont conserver de l'an 2001 le souvenir d'une année jalonnée de malheurs. Des images défilent devant nos yeux: l'effondrement du World Trade Center à New York auquel des terroristes se sont attaqués ou encore la débâcle de notre compagnie d'aviation prestigieuse Swissair, qui est devenue d'une heure à l'autre insolvable parce qu'elle avait accumulé une immense montagne de dettes, sans le communiquer au public et sans que personne ne s'en soit aperçu. Sans compter le tunnel du Gothard, notre axe nord-sud si important, qu'il a fallu fermer brusquement parce qu'un chauffeur sans vrai permis de conduire et probablement ivre de surcroît est entré en collision avec un autre camion au milieu du tunnel. A moins que vous songiez aux images de guerre qui nous parviennent de Palestine, d'Israël et de l'Afghanistan. Les gens conservent de ces évènements un souvenir ineffaçable. Mais regardons la situation avec objectivité : était-ce réellement une année aussi terrible ? Globalement, on peut certainement affirmer que nous nous sommes bien tirés d'affaire. Il y a certes eu des évènements isolés lourds de conséquences. Mais il nous faut aussi en tirer un enseignement. C'est la raison pour laquelle nous avons été si nombreux à être choqués d'assister à ces drames qui découlent d'une attitude présomptueuse devant la vie. On a oublié que tout a des limites! Les immenses tours à New York, le "World Trade Center", laissent à entendre qu'il n'existe qu'un seul centre économique au monde et qu'il se trouve de surcroît dans une seule ville, alors qu'en réalité, on déploie des activités économiques dans le monde entier et les gens en vivent partout. Les USA, qui semblaient invulnérables et où l'on ne pouvait imaginer qu'une attaque d'une aussi grande envergure puisse se dérouler dans le pays même, ont a dû se rendre à l'évidence que même la grandeur et la puissance ne peuvent rien contre ceux qui ont juré leur perte. Il en va de même pour le secteur économique et par exemple la débâcle de Swissair. On y a contracté des milliards de dettes. On a racheté 14 compagnies d'aviation qui se trouvaient au bord de la faillite parce qu'on avait la folie des grandeurs. On nourrissait l'ambition de devenir la quatrième compagnie d'aviation d'Europe par ordre d'importance. Mais on a ignoré dans tout cela la nécessité de maîtriser parfaitement cette situation et on a négligé le fait que l'atout de la Suisse se situe totalement ailleurs. Quant à la guerre en Palestine, elle nous montre très clairement que si l'ONU, qui serait censée mettre de l'ordre dans tout cela, doit se soumettre à la volonté d'une superpuissance, on ne saurait espérer y rétablir la paix. Tous ces cas nous permettent toutefois de tirer des enseignements pour l'avenir. Pour le pays traditionnellement petit qu'est la Suisse, qui s'est jusqu'ici concentrée sur ses atouts, ces enseignements sont les suivants: la volonté de rechercher la spécificité et non pas la grandeur, mais la détermination de se concentrer sur nos atouts de petit pays. Sur le plan politique, la Suisse est dotée d'une neutralité qu'aucun autre pays au monde ne connaît dans cette étendue. Notre pays a toujours veillé à rester autonome, indépendant et ouvert au monde, sans se laisser intégrer pour autant à une superpuissance. Tout cela nous rappelle les évènements de l'année passée et nous serions bien inspirés de défendre avec détermination nos valeurs. L'année 2002 nous réserve elle aussi des difficultés. La conjoncture économique est appelée à se détériorer encore par rapport à 2001, car l'Amérique et le Japon sont en proie à une récession. L'Europe en subira également les contrecoups. Jusqu'à présent, nous avons toujours bien su traverser ce genre de situations parce que nous pouvions nous fier à nos atouts spécifiques. Nous avons quelque chose de particulier, de différent et de mieux à proposer. Nous proposons de meilleures services. Ceux qui le font de manière sérieuse et crédible ne se contentent pas de proposer une idée, mais ils fournissent aussi des produits ! Ceux qui agissent de la sorte sont assurés de pouvoir survivre. L'année prochaine aussi, la situation de l'emploi dans notre pays va être bonne, en dépit de la débâcle d'entreprises de prestige que nous venons de vivre. Sur la plan politique, nous allons également aborder une année qui va montrer si nous sommes encore capables de mettre l'accent sur nos atouts. En début d'année, nous sommes justement appelés à voter sur une adhésion à l'ONU. Nos autorités souhaitent maintenant aussi adhérer à l'ONU politique, alors que nous faisons depuis longtemps déjà partie de l'autre ONU. Nous sommes déjà membres de toutes les organisations de l'ONU qui ont trait à de causes importantes, telles que l'humanisme, la formation, la protection de l'environnement, etc. Nous déboursons en effet aujourd'hui déjà 470 millions de francs pour défendre ces causes! Mais maintenant, nos autorités veulent également nous pousser dans l'ONU politique, à savoir dans le secteur où le Conseil de sécurité dicte sa loi. On souhaite adhérer ainsi à une organisation où cinq superpuissances, à savoir les USA, la Russie, la Chine, la Grande-Bretagne et la France, imposent leur volonté parce qu'elles sont dotées du droit de veto. C'est là que le Conseil fédéral veut maintenant aussi être membre, bien que nous ayons toujours répété depuis la guerre que cela serait incompatible avec notre neutralité et que nous serions ainsi entraînés également dans les conflits internationaux. J'espère vivement qu'en 2002, la Suisse aura la force de dire non à l'adhésion à l'ONU politique, ou oui à l'indépendance, oui à la neutralité, oui à nos atouts et oui au petit Etat qu'est notre pays. Sur le plan politique, nous devrons dans la nouvelle année veiller tout particulièrement que les politiciens cessent de dilapider l'argent des contribuables. Nous devrions d'urgence faire le nécessaire pour que l'Etat ne frappe pas les citoyennes et citoyens d'un nombre toujours plus grand de taxes, de redevances et d'impôts. Si nous parvenons à baisser les charges, nous pourrons créer une bonne base pour l'emploi et faire le nécessaire pour que la prospérité générale augmente. Il nous reste de nos jours de plus en plus d'argent pour vivre. Nous devons faire le nécessaire pour que les milieux politiques veillent à ce que nous restions nous-mêmes et que nous conservions les valeurs qui ont fait leurs preuves. Ce sont là ces enseignements-là que nous devons tirer des évènements de l'année passée: conserver ce qui a fait ses preuves sur le plan économique et conserver aussi ce qui a fait ses preuves sur le plan politique. Comme vous pouvez vous aussi le constater autour de vous, bien des gens ne savent plus que faire de termes, tels que la "globalisation". Ils sont désécurisés lorsqu'on évoque les changements et ne savent même pas vraiment de quoi il retourne. Là aussi, il s'agit de préserver ce qui a fait ses preuves. Nous avons pu lire et entendre récemment que les élèves de l'école primaire ne savent même plus lire ni écrire. La recette pour combattre ce mal est pourtant simple: réapprenons à lire et à écrire, car ce sont des disciplines nécessaires et utiles ! C'est de cela que nous avons besoin et non pas de projets grandioses! En matière d'économie, nous avons appris ceci : la plupart des entreprises qui ont sombré n'ont pas été dirigées de manière sérieuse. On a ignoré le principe selon lequel les dépenses ne doivent pas excéder les recettes. Il s'agit en réalité des mêmes règles que celles que doit respecter toute ménagère. Alors il n'y a qu'à revenir à cette pratique simple et efficace! En matière de politique, nous avons appris ceci : être nous-mêmes, être ouverts au monde, mais ne pas nous laisser intégrer, rester indépendants et capables de décider de notre propre sort sont nos valeurs qui ont fait leur preuves. Restons neutres ! Au cours des dernières centaines d'années, nous avons en effet fait de bonnes expériences avec ce choix. Dans cet esprit, je vous souhaite, chers citoyennes et citoyens, une bonne année 2002. Si nous réussissons à défendre ces valeurs, cela sera pour nous une bonne année et nous pourrons à la fin de l'année constater avec satisfaction que nous nous sommes bien tirés d'affaire. Je vous remercie de votre attention. Christoph Blocher, conseiller national UDC

01.01.2002

Neujahrsansprache 2002

1. Januar 2002 Liebe Schweizerinnen und Schweizer Wir stehen wieder einmal vor einem Jahreswechsel, vom ersten Jahr des dritten Jahrtausends ins zweite. Das vergangene Jahr bleibt für viele Leute in Erinnerung als ein Unglücksjahr. Bilder tauchen vor uns auf: Der Einsturz des World Trade Centers in New York, weil es Terroristen lahmgelegt haben. Oder der Niedergang unseres Flaggschiffes Swissair, die plötzlich von einer Stunde auf die andere zahlungsunfähig wurde, weil ein riesiger Schuldenberg aufgetürmt worden war. Ohne dass dies nach aussen kommuniziert worden wäre und ohne dass es jemand gemerkt hätte. Oder der Gotthardtunnel, unsere wichtige Nord-Süd-Verbindung, der plötzlich geschlossen werden musste, weil ein ausländischer Chauffeur ohne richtige Fahrbewilligung, wahrscheinlich auch noch betrunken, mitten im Tunnel in einen anderen Lastwagen gefahren ist. Oder denken Sie an die Kriegsbilder aus Palästina und Israel, denken Sie an die Bilder aus Afghanistan. All dies bleibt den Leuten in Erinnerung. Aber sehen wir es doch nüchtern: War es ein so schlimmes Jahr? Im Ganzen gesehen, sind wir doch gut über die Runden gekommen. Es waren einzelne schwerwiegende Ereignisse. Aber diese Ereignisse müssen uns auch etwas mitteilen, und darum waren viele schockiert, dass sie dies erleben mussten. Sie sind Ausfluss einer übermütigen Lebenshaltung. Man meinte, dass die Bäume in den Himmel wachsen! Die riesigen Türme in New York, das "World Trade Center": Das tönt so, als gäbe es ein grosses wirtschaftliches Zentrum, und dies in einer einzigen Stadt. Dabei wird überall auf der ganzen Welt an vielen Orten wirtschaftlich etwas getan, und die Welt lebt davon. Die USA, die bis jetzt unverwundbar schienen, und wo man sich gar nicht vorstellen konnte, dass in ihrem Land ein Angriff passieren könnte, mussten erleben, dass auch Grösse und Macht nichts nützen, wenn es jemandem nicht gefällt. Oder der Niedergang der Swissair im wirtschaftlichen Bereich. Dort sind Milliarden von Schulden aufgebaut worden. Man hat 14 marode Fluggesellschaften gekauft, weil man gross sein wollte. Man wollte die viertgrösste Fluggesellschaft Europas sein. Dabei hat man gar nicht gemerkt, dass man dies alles bewältigen muss, und dass die schweizerische Stärke doch eine ganz andere wäre. Und der Krieg in Palästina zeigt uns ganz klar: Wenn die UNO, die eigentlich Ordnung schaffen müsste, sich dem Willen einer der Grossmächte unterwerfen muss, kann kein Frieden geschaffen werden. Aber für die Zukunft können wir Lehren aus diesen Fällen ziehen. Diese Lehren sind für die Schweiz, die traditionell ein kleines Land ist, und sich bis jetzt auf ihre Stärken konzentriert hat: Qualität, auf das Besondere schauen, nicht auf die Grösse, sondern auf die Stärken der Kleinen. Die Schweiz ist politisch neutral wie kein anderes Land und hat zur Selbständigkeit geschaut, auf die Unabhängigkeit, auf Weltoffenheit ohne Einbindung. All dies ruft uns das vergangene Jahr wieder ins Bewusstsein. Daran sollten wir festhalten. Auch das Jahr 2002 wird nicht ohne Schwierigkeiten sein. Die Wirtschaft wird noch schwächer als 2001, weil Amerika und Japan in einer Rezession stecken. Auch Europa wird es schlechter gehen. Aber auch solche Zeiten haben wir bis jetzt immer gut überstanden, weil wir uns auf unsere Stärken verlassen haben. Wir verkaufen etwas Besonderes, etwas Anderes, etwas Besseres. Wir bieten bessere Leistungen an. Wer dies seriös und zuverlässig macht, bietet Produkte an und nicht bloss eine Idee! Dann wird er auch bestehen. Unser Land wird auch nächstes Jahr eine gute Beschäftigung haben, trotz all der Niedergänge der Flaggschiffe, die wir jetzt erlebt haben. Politisch stehen wir ebenfalls vor einem Jahr, wo sich zeigen wird, ob wir noch fähig sind, unsere Stärken zu betonen. Gerade Anfang Jahr haben wir eine Abstimmung über den UNO-Beitritt. Man will jetzt auch in die politische UNO. In der anderen UNO sind wir schon lange dabei. Überall, wo es um Humanität, Bildung, Umweltschutz usw. geht, sind wir dabei. Wir zahlen ja heute schon 470 Millionen Franken! Aber jetzt will man auch noch in die politische UNO! Dorthin, wo der Sicherheitsrat beschliesst. Man will in einer Organisation Mitglied sein, wo die fünf Grossmächte USA, Russland, China, Grossbritannien und Frankreich das Sagen haben, weil sie ein Vetorecht haben. Dort will der Bundesrat nun auch dabei sein, obwohl wir seit dem Krieg immer gesagt haben, das verletze unsere Neutralität, und wir würden auch noch in die internationalen Streitereien hineingezogen. Ich hoffe sehr, dass die Schweiz im Jahr 2002 die Kraft hat, Nein zum Beitritt zur politischen UNO, Ja zur Unabhängigkeit, Ja zur Neutralität, Ja zu unseren Stärken, Ja zum Kleinstaat Schweiz zu sagen. In der Politik haben wir im neuen Jahr besonders darauf zu achten, dass das Geldausgeben der Politiker aufhört. Wir sollten dringend schauen, dass der Staat den Bürgerinnen und Bürgern nicht immer mehr wegnimmt durch Gebühren, Abgaben und Steuern. Wenn wir die Belastung senken können, dann werden wir wieder eine gute Grundlage für die Beschäftigung haben und den Leuten geht es wieder besser. Es bleibt ihnen mehr zum Leben. Wir müssen dafür sorgen, dass man in der Politik darauf achtet, dass wir uns selber und beim Bewährten bleiben. Dies zeigt das letzte Jahr, und dies soll eine Lehre sein für das neu begonnene Jahr: Wirtschaftlich beim Bewährten, politisch beim Bewährten. Wie Sie auch sehen, wissen die Leute vielerorts nicht mehr, was sie mit Begriffen wie "Globalisierung" anfangen sollen. Sie sind verunsichert, wenn von Veränderungen gesprochen wird, ohne sich darüber im Klaren zu sein, worum es überhaupt geht. Auch hier gilt es, beim Bewährten zu bleiben. Kürzlich haben wir gehört, dass unsere Primarschüler nicht mehr lesen und schreiben können. Ist doch einfach: Lernen wir es doch wieder! Lesen und Schreiben braucht es! Das ist notwendig. Nicht gross aufgemachte Pläne! In der Wirtschaft haben wir gelernt: Die meisten Unternehmen, die untergegangen sind, wurden nicht seriös geführt. Man hat nicht mehr darauf geachtet, dass man nicht mehr Geld ausgeben soll als hereinkommt. Eigentlich gelten gleiche Regeln wie bei einer Hausfrau. Also machen wir das doch wieder so! In der Politik haben wir gelernt: Bewährt heisst, zu sich selber stehen, weltoffen sein, aber sich nicht einbinden lassen, unabhängig bleiben und das eigene Schicksal bestimmen. Neutral bleiben! So wie wir in den letzten paar hundert Jahren damit gute Erfahrungen gemacht haben. In diesem Sinne, liebe Schweizerinnen und Schweizer, wünsche ich Ihnen ein gutes 2002. Wenn wir dieses beherrschen, wird es wieder ein gutes Jahr werden, und wir dürfen Ende Jahr feststellen, dass wir gut über die Runden gekommen sind. Ich danke Ihnen. Christoph Blocher, Nationalrat, SVP

01.01.2002

Nun auch noch der politischen UNO beitreten?

Mein Beitrag in WIRplus 01/2002, der Kundenzeitschrift der WIR Bank Ein Beitritt der Schweiz zur politischen UNO kostet mindestens 75 Millionen Franken pro Jahr - zusätzlich zu den heutigen Zahlungen von 470 Millionen an die UNO-Unterorganisationen. Das ist aber nur die Spitze des Eisbergs. Von Nationalrat Dr. Christoph Blocher, Herrliberg, Präsident der Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (AUNS) Massive Mehrkosten durch "Friedensmissionen" Die UNO führt immer mehr sogenannte "Friedensmissionen", d.h. Militäreinsätze in Konfliktgebieten, durch. Die Kosten dafür sind von 850 Millionen Dollar im Jahre 1998 auf 2154 Millionen Dollar im Jahr 2000 angestiegen. Diese massiven Mehrkosten werden zunehmend über Sonderbeiträge finanziert. Daran hätte sich auch die Schweiz als Mitglied zu beteiligen. Dazu kommt, dass die UNO als "Zielgrösse" für die staatliche Entwicklungshilfe einen Beitragssatz von 0,7% des Bruttosozialprodukts ihrer Mitgliedländer beschlossen hat. Der Druck, dass auch die Schweiz dies bezahlen soll, würde gross. Unsere Entwicklungshilfezahlungen würden dadurch um jährlich 1,6 Milliarden Franken steigen. Schwere Nachteile - Schweiz würde Konfliktpartei Bei einem Beitritt zur politischen UNO hätte die Schweiz schwere Nachteile in Kauf zu nehmen: Sagt das Schweizer Volk am 3. März 2002 Ja zum UNO-Beitritt, so müsste die Schweiz einen Vertrag - die UNO-Charta - unterschreiben. Damit verpflichtet sich die Schweiz zu möglichen Sanktionen, die mit unserer Neutralität nicht vereinbar sind. So verpflichtet Artikel 41 der UNO-Charta die Schweiz zur Teilnahme an Sanktionen und Boykotten gegen Drittstaaten, wenn der Sicherheitsrat - mit seinen Sonderrechten der Grossstaaten - dies will. Solche Sanktionen und Boykotte sind auch Kriegsmittel. Dazu gehören Wirtschaftsboykotte, Abbruch von Beziehungen, Unterbrechung von Verbindungen und dergleichen mehr. Artikel 43 verpflichtet die Schweiz, dem UNO-Sicherheitsrat aufgrund von Sonderabkommen "Streitkräfte zur Verfügung zu stellen, Beistand zu leisten und Erleichterungen einschliesslich des Durchmarschrechts zu gewähren". Mit der Unterzeichnung dieses Vertrags werden wir zwangsläufig zur Konfliktpartei. Wir laufen Gefahr, in internationale Konflikte hineingezogen und allenfalls zur Zielscheibe von Terror- und andern Gewaltakten zu werden. Schweizer Neutralität mit UNO-Charta unvereinbar Im Unterschied zu andern neutralen Staaten ist unsere Neutralität selbstgewählt, immerwährend, bewaffnet, bündnisfrei und integral (umfassend). Die schweizerische Neutralität bedeutet "strikte Nicht-Parteinahme bei internationalen Konflikten". Dies ist mit der UNO-Charta unvereinbar. Darum hat der Bundesrat, als er die Neutralität noch ernst nahm, erklärt, "dass die Massnahmen, die der Sicherheitsrat anordnen kann, für die Schweiz nicht in Betracht kämen, weil sie mit dem Neutralitätsrecht im Widerspruch stünden". (Botschaft des Bundesrates zum UNO-Beitritt 1981) Handlanger der Grossmächte... Bei einem UNO-Beitritt würde unsere Souveränität massiv eingeschränkt: Die fünf ständigen Mitglieder des UNO-Sicherheitsrates (USA, Russland, China, England, Frankreich) besitzen das VETO-Recht, d.h. sie können jeden Beschluss, der ihnen nicht passt, verhindern. Der Sicherheitsrat beschliesst die Sanktionen und Boykotte, die wir mitzumachen hätten. Wir hätten uns den Machtinteressen der Grossmächte zu unterziehen und würden zu Handlangern ihrer Interessenpolitik degradiert. Nur ausserhalb der politischen UNO behält die Schweiz ihre besonderen Stärken Es ist sicher vorteilhaft, wenn der europäische UNO-Sitz in Genf ist. Allerdings bezahlen die hochbezahlten UNO-Angestellten keine Steuern. Der UNO-Sitz bleibt aber auch in Genf, wenn der Beitritt abgelehnt wird. Die Schweiz ist in der UNO, soweit diese die Belange der Humanität, Bildung, Flüchtlinge, Ernährung, Klima, etc. behandelt, und bezahlt schon heute 470 Mio. Franken pro Jahr. Nur wenn die Schweiz ausserhalb der politischen UNO bleibt, kann sie ihre besondern Stärken behalten und die Neutralität nicht nur zu ihrem Nutzen, sondern auch zum Nutzen der Welt einsetzen: Es braucht europa- und weltweit wenigstens ein souveränes und neutrales Land, das auf dem Boden einer glaubwürdigen Neutralität in besonderem Mass dazu befähigt ist, unparteiische humanitäre Hilfe zu leisten und seine Friedensdiplomatie anzubieten. Kein Imageproblem bei einem Nein Am Montag nach der Abstimmung würde das Ausland davon Kenntnis nehmen, dann ist es wieder vergessen. Einzelne Diplomaten und Regierungsleute ärgern sich vielleicht. Man wird vielerorts die Schweiz bewundern, dass das Volk abstimmen darf.