Testi

Economia

26.04.2010

Der Euro ist ein politisches, kein ökonomisches Produkt

Referat von alt Bundesrat Dr. Christoph Blocher gehalten am 18. int. Europa Forum im KKL Luzern vom 26. April 2010 zum Tagungsthema «Staatliche Unabhängigkeit in einer Welt der Abhängigkeiten» Staatspolitische Schlussfolgerungen für die Schweiz Meine sehr verehrten Damen und Herren Ich beginne mit der lobenden Erwähnung, dass der Begriff "Souveränität" heute wieder eine grössere Bedeutung hat als damals, als ich in den 90er Jahren – kurz nach seiner Gründung – in diesem Europa Forum sprach. Damals war eigentlich der Tenor: "Souveränität" ist etwas Veraltetes! In der Zukunft gibt es nur noch multinationale Organisationen und keine souveränen Staaten mehr! Souveränitätsbeschränkung statt Souveränität? Obwohl heute die ersten Referenten – namentlich Herr Staatssekretär Mauro Dell'Ambrogio und Herr Professor Rudolph Stichweh – die Souveränität ausserordentlich relativieren, so sprechen sie doch immer über die Souveränität. Und das freut mich. Doch fällt auf, dass man in politischen und professoralen Kreisen vor allem deshalb von Souveränität spricht, damit man über deren Beschränkung sprechen kann. Interessant ist, dass das bundesrätliche Vorwort in Ihrem Prospekt nicht mit der Feststellung beginnt, die Souveränität sei ausserordentlich bedeutungsvoll, sondern als Punkt 1 erklärt: "Die Souveränität eines Staates ist nicht gänzlich schrankenlos" – wie wenn jemand je etwas anderes behauptet hätte! Es ist doch jedermann klar: Kein Staat – auch der unsrige nicht – ist auf dem Mond! Unser Staat ist 700 Jahre alt – und die Souveränität war zu allen Zeiten von aussen bekämpft. Wer das Gegenteil sagt, kennt die Geschichte nicht. Souveränität - die Grundsäule des Staates Wir haben sogar Schlachten führen müssen (als man sich Kriege noch leisten konnte). Wir haben zwei Weltkriege durchgemacht. Schon bei der Gründung des Schweizerischen Bundesstaates spielte die Souveränität und ihre Bedrohung die Hauptrolle. 1848 haben die europäischen Staaten der Schweiz gedroht, als sie eine souveräne, freiheitliche Verfassung schufen. Sie haben sogar von "Geisteskranken" gesprochen, die das allgemeine Wahlrecht einführten. Und die Schweiz hat es trotzdem getan, also nicht lange gefackelt und gesagt, "die Schweiz sei eben nicht ganz schrankenlos" und darum könne man nie ganz alles allein durchführen; also müsse man die Souveränität relativieren. Im Gegenteil: Man sprach von Geburtsstunde der modernen Eidgenossenschaft. Wir machen es! Wir machen es trotzdem! Und sie haben's gemacht! Die europäischen Staaten um die Schweiz herum erklärten: "Diese Verfassung wird nicht lange leben." Wir haben sie im Wesentlichen heute noch! Die umliegenden Staaten haben alle ihre Verfassungen, die doch der "allgemeinen Auffassung" entsprachen, verloren. Ihre damaligen Regimes überlebten nicht. Sie sind auf schreckliche Art zugrunde gegangen. Änderung der Auffassungen Es war interessant zu hören, was die heutige Luzernische Regierungsrätin in der Einführung gesagt hat: "Also, wenn man einem Politiker heute sagt, er nehme es mit der Souveränität nicht ernst, so ist es das Schlimmste, was man ihm sagen kann." Das ist ein willkommener Wechsel der gesellschaftlichen Auffassung. Also müssen die, welche die Souveränität der Schweiz eigentlich nicht wollen, aber sich nicht getrauen, es zu sagen, einen Ausweg finden. Und diesen Ausweg findet man in einem Trick. Man spricht dann von einer "zeitgemässen Souveränität". Mit "zeitgemäss" meint man eine sehr beschränkte Souveränität. Das ist eine akademische Schlaumeierei. Seien Sie doch ehrlich und sagen Sie: "Die Souveränität ist ein". Die Frage ist: Können oder wollen wir souverän sein? Und dann müssen Sie zugeben: Das sind Einschränkungen! Wenn Sie aber nicht ehrlich sind, greifen Sie zu den schönen Formulierungen: "Wir grenzen die Souveränität ein, damit wir souverän bleiben". Vor 20 Jahren hörten wir: Wir gehen in den EWR (Europäischen Wirtschaftsraum), damit wir nicht der EU beitreten müssen – und solche Dinge. Das sind alles Kunstgriffe, die natürlich in der "praktischen" Bevölkerung zu Recht nicht verfangen. Es geht jetzt nicht um theoretische Modelle, sondern um ganz handfeste Dinge: Die Wahrung der Souveränität steht auch in der heutigen Bundesverfassung an erster Stelle als Staatszweck. Es hat keinen Sinn, einen Staat zu bilden, wenn man die Souveränität nicht will. Wozu auch? Souverän heisst unabhängig sein, autonom sein. Das aber heisst: Auf dem Staatsgebiet bestimmen die Bürgerinnen und Bürger direkt oder indirekt selbst. Selbstbestimmungsrecht der Staaten Es war das grosse Schlagwort nach dem Zweiten Weltkrieg: "Selbstbestimmungsrecht der Staaten". Heute habe ich bei den Diskussionen in der Schweiz das Gefühl, das gelte nur noch für afrikanische Staaten (weil sie von der "Kolonie" befreit werden mussten). Souveränität ist das höchste Gut des Staates. Da gibt es nichts zu wollen. Nun komme ich zur Frage: Wo ist man denn souverän – wenn überhaupt? Stets in einem begrenzten Gebiet. Und was ist die Voraussetzung zur Wahrung der Souveränität? Das ist die Staatsgewalt – die Macht des Staates, das Recht durchzusetzen. Und das verpflichtet die Politiker zur Verantwortung. Verantwortung Es ist interessant: Im ersten Teil des heutigen Symposiums (ich muss ja über die "Schlussfolgerungen" reden) ist das Wort "Verantwortung" nie gefallen. Aber Verantwortung ist das Entscheidende: Wer trägt die Verantwortung? Es ist das Belastende, darum wird es ausgeklammert. Darum haben die internationalen Organisationen für Politiker eine so grosse Anziehungskraft – weil dort niemand die Verantwortung trägt. "Alle sind für alles verantwortlich!" heisst es da. Und das tönt schön! Aber das heisst immer gleichzeitig: "Niemand ist für etwas verantwortlich". Verantwortung ist ein Führungsbegriff – man mag das meiner Tätigkeit als Unternehmer ankreiden – und zwar ist es der zentrale Begriff der Führung – auch für eine staatliche Regierung. Aber den multinationalen Organisationen fehlt erstens die Macht, das durchzusetzen, was sie sollten, und zweitens: Die Verantwortung ist nicht vorhanden. Sie ist nicht greifbar. Darum ist es für einen Politiker – für einen Bundesrat – viel schöner, wenn wir in der EU sind, weil man dort zwar dabei ist, aber die Verantwortung nicht tragen muss. In der Schweiz ist es viel schwieriger, die Verantwortung für die Schweiz zu tragen. Geht ein Bundesrat in einen Kanton, muss er aufpassen, dass er von einem kantonalen Regierungsrat nicht über den Tisch gezogen wird. Er muss immer aufpassen, was er macht, denn er ist ja der Bevölkerung Rechenschaft schuldig. Er muss aufpassen, weil er wieder direkt oder indirekt gewählt wird. All das muss er beispielsweise  in der EU nicht auf sich nehmen. Das alles fehlt in diesen grossen Organisationen Es war schön, heute, die Darstellung des britischen Redners zu hören (es ist kein Zufall, dass er ein Brite ist; die Briten sehen ja immer alles aus höherer Warte). Sobald es schlecht ging, haben in der EU alle Staaten munter die internationalen Interessen wahrgenommen, und wenn es ums Geld geht, sehen sie sich nur noch selbst. Das ist die Realität! Beklagen müssen wir es nicht, aber die richtigen Schlussfolgerungen ziehen. Nein, es gibt in Sachen Souveränität nicht Neues zu definieren. Aber es gilt zu fragen: Wo müssen wir allenfalls Souveränität abtreten. Souveränität abtreten Viele Dinge gibt es, bei denen wir das tun können. Wenn zum Beispiel in ganz Europa die Nationalstrassen gleich angeschrieben werden und wir vor der Wahl stehen, ob wir es anders machen sollen oder nicht, haben wir zwar die Möglichkeit, es anders zu machen. Vielleicht ist es aber zweckmässig, es gleich zu machen wie die anderen. Wir haben viele solche Dinge getan, und das stört mich nicht. Aber wenn es jemanden stört und die Bevölkerungsmehrheit das Gegenteil will, dass wir die Nationalstrassen anders anschreiben, dann bin ich der Meinung, wir sollen es tun, auch wenn ich finde, es sei nicht gerade intelligent. Die Wahrung des Rechts, das wir unserem Land gegeben haben und das in unserem Land die Bevölkerung, "der Souverän". gesetzt hat, muss, kann und darf gelten. Darum sprechen wir in der Schweiz bei der Gesamtheit der Stimmbürger vom Souverän. Ich weiss: Damit sind wir natürlich ein Sonderfall. Aber dieser hat uns auch stark gemacht. Also ist es kein Nachteil, ein Sonderfall zu sein. Wettbewerb statt gleich lange Spiesse Wenn ich von Wirtschaftsleuten höre, wir sollten dafür sorgen, dass wir "gleich lange Spiesse" haben wie die EU, dann muss ich sagen. Das ist doch kein staatliches Ziel. Wir müssen längere Spiesse haben als die andern. Das ist das Ziel eines Staates. So entsteht der Wettbewerb. Und den haben wir in vielen Dingen. "Gleich zu sein wie die andern" ist kein Ziel. Der Kleinstaat Schweiz mit seiner unmöglichen topografischen Lage, weitab vom Meer, ohne Bodenschätze, muss besser sein, anders sein – das macht den Sonderfall aus. Ich schaue auch die EU nicht nur vom schweizerischen Standpunkt aus an. Ich schaue kritisch auf den Geist – auf die Konstruktion dieser EU. Und merke: Ein EU-Beitritt wäre für die Schweiz ein enormer Wohlstands- und ein grosser Freiheitsverlust. Aber ich bin immer mehr davon überzeugt, was ich damals beim Kampf gegen den EWR-Beitritt der Schweiz schon sagte und deshalb so bitter angegriffen worden bin: dass die EU eine intellektuelle Fehlkonstruktion ist. Es tut mir leid, dass ich es sagen muss: Ich glaube nicht, dass die Sache funktioniert. Fehlkonstruktion Sie sehen es heute am Euro. Wir haben es vor seiner Einführung dargelegt. Eine gemeinsame Währung für so viele Staaten, die eine je völlig verschiedene und eigene Finanzpolitik betreiben, kann nicht funktionieren. Ökonomisch geht es nicht. Der Euro war ein politisches Produkt, kein ökonomisches. Es ist ganz gefährlich, Währungen aus politischen Gründen zu schaffen. Währungen die keinen ökonomischen Rückhalt haben. Das erleben Sie jetzt. Es ist ein grosser Fehler, dass zum Beispiel Griechenland den Euro eingeführt hat. Hätte es den Euro nicht, so hätte es eine eigene Währung, die nun fast oder ganz ihren Wert verloren hätte, und Griechenland und die, die diesem Land fälschlicherweise Geld gegeben haben, müssten selber bezahlen. Das wäre der normale Gang, die Folge der Verantwortung. Damit sind wir wieder bei der Verantwortung. Und wie steht es heute? Sie haben jetzt mit Griechenland ein Land, das sich selbst – bis zum Betrug – in Misskredit und in die Schuldenkrise gebracht hat. Schuld daran sind nicht die Spekulanten! Der Euro ist für einzelne Länder – das war schon in den letzten Jahren so – zu schwach und für andere zu stark, weil die Volkswirtschaften nicht übereinstimmen. Es ist ein grosses Glück, dass die Schweiz dank ihrer Souveränität eine eigene Währung hat. Darum hat sie die Finanzkrise besser meistern können als andere. Lob des Sonderfalls Sie hat sie aber auch besser meistern können, weil sie die direkte Demokratie kennt. Diese Geldverschwendung und solche Steuerhöhen wie in der EU sind in der Schweiz – dank der direkten Demokratie – nicht zu schaffen, weil wir einen Souverän haben, der solche Steuererhöhungen nicht zulässt. All die Theorien über Souveränitätsverlust und Auflagen in völkerrechtlichen Verträgen gehen schliesslich an die Substanz. Die hohe Beschäftigung in er Schweiz, die kleine Arbeitslosigkeit, das hat alles – und zwar wesentlich – mit ihrer Souveränität zu tun. Bei allen Schwierigkeiten, die wir mit dem Ausland haben, wird natürlich sofort die Frage gestellt: "Ja, wäre es nicht viel besser, wenn wir bei der EU wären?" Ich weiss nicht, warum man immer auf diese Idee kommt (natürlich weil man in die EU will). Wo hätten wir denn bis heute irgend einen Vorteil gehabt? Fall Libyen: Ein erhellendes Beispiel! Dort sitzt Gaddafi, der völlig menschenrechtswidrig Geiseln aus der Schweiz zurückhält. Wären wir nicht in "Schengen", hätten wir Libysche Visa sperren können, und zwar allein! Wir hätten niemanden fragen müssen. Vor dem Schengenbeitritt hiess es: "Geht zu Schengen. Da seid Ihr unter Freunden. Die helfen Euch!" Dann kam der Fall Libyen über die Schweiz: Wir mussten unser Anliegen aufgeben, weil unsere "Schengenfreunde" lieber zusammen mit Libyen gingen, als mit uns! Vor Tische las man es anders. Nachvollzug? Und wenn man sagt, wir seien nicht mehr "autonom"; in vielen Bereichen haben wir nachgezogen: Tatsächlich wird in Bern in vielen Geschäften nur noch "nachvollzogen". Aber nicht weil wir müssten. Nachvollziehen als Sucht. Ich bin zum Beispiel gegen den in einem Votum genannten Vertrag in der Stromwirtschaft. Denn ich glaube, dass es bessere Alternativen gibt. Ich bin dagegen, dass man noch Dienstleistungsverträge abschliesst, weil sie eine Souveränitätseinschränkung bringen, die vielleicht für die Branche im Moment gut sind. Aber auf die Länge sind sie für die Volkswirtschaft schlecht. Wir haben auch eine bessere Steuersituation, weil wir autonom sind. Es ist auch nicht wahr, dass wir alles übernehmen müssen. Wären wir in der EU, hätten wir 15% Mehrwertsteuer, jetzt haben wir 7,6%! Lassen Sie sich von Wörtern wie "Globalisierung" (und dergleichen) nicht zu sehr beeindrucken. Was in diesem Umfeld herumgeistert, ist nichts Neues. Auch wenn es „zeitgemäss“ ist. Aber dass ein Staat souverän sein muss und über seine Substanz verfügen soll, das ist – und jetzt rede ich als Unternehmer und Staatsbürger – auch für die Zukunft von grosser Bedeutung. Schlusswort Ich sage Ihnen: Die Schweiz ausserhalb der Europäischen Union, ausserhalb dieser multilateralen Strukturen, hat eine grosse Chance in der Zukunft, wenn wir es richtig machen. Unsere Devise heisst: Wir müssen nicht gross sein, sondern klein bleiben, wie wir es sind. Aber souverän, sonst gehen wir unter!

27.02.2010

Weshalb unsere Eliten mit dem Rücken zur Wand stehen

Rede vom 27. August 2010 im Hotel Marriott

27.02.2010

Pourquoi nos élites sont-elles acculées au pied du mur?

Conférence tenue le 27 février 2010 à l'invitation de l'UDC du canton de Zurich à l'hôtel Marriott, Zurich

13.02.2010

Wer keinen Dreck am Stecken hat, muss keine Angst haben

Abzocker-Initiative: Interview mit Thomas Wyss, Finanz und Wirtschaft vom 13. Februar 2010 Sie unterstützen nun die Minder-Initiative. Die Gegner sagen, damit werde die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz geschwächt. Ein gesuchtes Argument. Gestern versicherte mir der Verwaltungsratspräsident einer grossen kotierten Gesellschaft, dass man mit der nun präsentierten Lösung gut leben könne. Die neuen Regelungen bringen eine gewisse Belastung zum Ausweisen von Bezügen für Verwaltungsrat und für Anträge an die Generalversammlung. Aber wer keinen Dreck am Stecken hat, muss keine Angst haben. Sie gibt den Unternehmen die nötige Flexibilität und verhindert krasse Missbräuche. Wenn man sieht, was die G7 von Staates wegen plant, tut die Schweiz gut daran, einen freiheitlichen Ansatz zu wählen. Aber haben Sie nicht das Gefühl, dass mit der Jahreswahl die langfristige Optik verloren geht? Wiederwahl ist der Normalfall. Aber. Man kann die Verwaltungsräte nicht für 3 Jahre wählen lassen, um sich dann Jahr für Jahr frei zu bedienen. Die Jahreswahl hat sich zudem in vielen Gesellschaften bewährt. Aber ich kann doch nur über die Vergütung entscheiden, wenn ich weiss, welche Leistung er vollbracht hat und ob er diese Vergütung wert ist! Über die einzelne Entlöhnung stimmt die GV – der Eigentümer – nicht ab, sondern über die Gesamtheit. Und sie wählt die Verwaltungsräte unter voller Kenntnisse der Bezüge. Sie wird in Extremfällen eingreifen. Das ist ja alles gut und recht. Aber am Schluss wird an der GV nur noch über die Entlöhnung gestritten, und strategische Fragen werden vergessen. In extremen und missbräuchlichen Fällen, vielleicht. Es dürfte für den Verwaltungsrat schwierig werden, Anträge zu stellen um – zum Beispiel nach einem Jahr mit 864 Mio. Verlust, 11 Milliarden Eigenkapitalvernichtung, 6 Milliarden Abschreibungen und einem um 61% tieferen Aktienkurs dem Verwaltungsrat die gleichen Vergütungen vom 10 Mio. – gleichviel wie im exzellenten Vorjahr – und pro Geschäftsleitungsmitglied 6 Mio. zuzugestehen, wie dies für 2008 bei der SWISS Re geschehen ist. Wer definiert denn, was der richtige Betrag ist? Wie in jedem Unternehmen der Eigentümer. Der Verwaltungsrat stellt den Antrag. Entscheidend ist der Grund. Wenn es dem Unternehmen nachhaltig gut geht, verdient der Unternehmer, aber er verliert, wenn es schlecht geht. Bei den Banken und Versicherungen verdienten die Manager in beiden Situationen viel. Wir brauchen eine echte Wirtschaftspolitik, die mehr ist als die Interessenvertretung von ein paar Managern. Aber die Minder-Initiative ist doch klar gegen die Finanzindustrie gerichtet. Sie ist gegen überhaupt niemanden gerichtet. Höchstens gegen Manager, die statt für das Unternehmen vom Unternehmen leben. Aber gegen diese muss es auch gerichtet sein. Es geht um die Aufsicht der Organe einer Gesellschaft durch die Eigentümer. Und es ist Aufgabe des Staates Regeln zu schaffen, damit das Privateigentum geschützt ist. Die einjährige Wahl, die Transparenz und wichtige Entscheide an der Generalversammlung gewährleisten dies. Aber ich hatte nie Mühe, zum Beispiel in der Ems Chemie die Gehälter des Verwaltungsrates offen zu legen und eine einjährige Wahlperiode einzuführen. Sie übten mit 60% ja auch die Kontrolle aus. Trotzdem. Wollen sie eine staatliche Regelung? Wenn uns der Staat – Politiker und Beamte – sagen wollen, wie hoch diese Summe sein darf, ist das Unsinn. Und darauf läuft es nun in Europa hinaus. Börsenkotierte Gesellschaften brauchen einfache, gangbare Lösungen, die die Führung nicht untergräbt aber Missbräuche verhindert. Das gewährleistet der Einigungsvorschlag. Aber Sie haben sich zu Visionszeiten auch bedient. Nein. Die Verwaltungsratsentschädigung wurde an der ersten Generalversammlung nach einem genauen Zielerreichungsmodell einstimmig beschlossen. Die Börse stieg, aber die Leistung war nicht messbar. Der Zweck dieser Anlagegesellschaft war den Anlagewert zu steigern. Dieser war genau messbar. In der Pharma Vision gab es bis 6% Wertsteigerung kein Verwaltungsratshonorar. Dann war die Stufenleiter definiert. Die Verwaltungsräte mussten zudem zusammen 51% des Aktienkapitals zeichnen. Aber der Wert der Firma stieg durch die ganze Börsenentwicklung. Das war auch der Sinn. Doch die Missbräuche in grossen Gesellschaften waren grösser als man denkt. Weil die Transparenz fehlte. Was da hinter den Kulissen heraus genommen wurde, geht auf keine Kuhhaut. Neu muss die konsolidierte Offenlegung aller Bezüge gelten. Man kann nicht mehr eine kleine Entschädigung von der Holding beziehen und sich gleichzeitig und unbemerkt von der amerikanischen Tochtergesellschaft anstellen lassen. Das geht nicht mehr. Ein Bonus sollte auch auf null fallen können. Das ist doch die Fehlkonstruktion. Natürlich. Sogar ein Malus wäre konsequent. Aber das wird nicht verlangt. Die Manager haben immer eine neue Begründung für die Boni. Die Optionen wurden eingeführt , um die langfristige Denkweise zu fördern. Gut so! Aber: Als die Titel einbrachen, wurde der Ausübungspreise nach unten angepasst oder der Ausübungszeitpunkt verschoben. Das ist nicht unternehmerisch. Bezahlt haben das Tausende von Eigentümer. Das haben wir ja auch moniert. Moniert schon. Nun muss das Aktienrecht dafür sorgen, dass gehandelt wird. Missbräuche schaffen böses Blut und ein wirtschaftsfeindliches Klima. Unpopulär ist auch die Senkung des Umwandlungssatzes im BVG. Was sagen Sie Ihren Leuten? Leider hat man es verpasst, die Sache einfach zu erklären: "Wenn Du 65 Jahre alt bist und 100'000 Franken einbezahlt hast, bekommst Du diese 100'000 Franken auch wieder. Du kannst es als Kapital herausnehmen und damit machen was Du willst. Du kannst es aber auch als Rente beziehen und dann werden diese 100'000 Franken durch die durchschnittliche Lebenserwartung aufgeteilt. Wenn die Leute durchschnittlich 75 Jahre alt werden, gibt es pro Jahr einen Zehnten. Wenn sie durchschnittlich 85 Jahre alt werden, gibt es nur einen Zwanzigstel. Das durchschnittliche Lebensalter ist gestiegen. Und deshalb muss man den Umwandlungssatz anpassen, sonst wird die Pensionskasse zerstört und die Jungen gehen leer aus!" Wie stehen die Chancen der Vorlage? Leider schlecht. Auch unsere Wähler werden den bundesrätlichen Vorschlag hoch verwerfen. Die meisten hören nicht. Sie haben genug. Und damit sind wir wieder beim Thema. Die Wut auf Banken, Versicherer, Manager, auf die Wertverluste, die die Leute erlitten haben, ist so gross, dass sie einfach aus Protest Nein sagen! Aber der Aktionär übergibt dem Verwaltungsrat heute die notwendigen Kompetenzen. Das soll so bleiben. Die Begrenzung uferloser Kompetenzen ist eine geringfügige Einschränkung. Neu soll nicht nur die Gesamtsumme der Verwaltungsratsvergütung sondern auch die der Geschäftsleitung bestimmt werden. Die Hauptmissbräuche finden tatsächlich auf Stufe Geschäftsleitung statt. Der Verwaltungsrat rechtfertigt stillschweigend seine hohe eigene Entschädigung oft mit der Höhe der Entschädigung der Geschäftsleitung, darum ist diese Schranke sinnvoll. Was halten Sie von den Stimmrechtsbeschränkungen? Die Partei hat dafür plädiert, dass man diese Vinkulierungsbestimmungen aufhebt. Aber wir sind nicht durchgedrungen. Aber das war nicht Bestandteil Ihrer Aktienrechtsreform. Bestandteil schon. Aber sie hat keine Aufnahme gefunden. Jetzt hat man die Meldepflicht auf 3% gesenkt. Raiders werden dadurch nicht abgehalten, aber unter Umständen gute Investoren von einem Engagement. Das kann sehr kontraproduktiv sein. Wo gibt es heute aus Sicht des Investors interessante Situationen? Ich bin Unternehmer – nicht Finanzanlagenspezialist. Aber als Unternehmer muss man einsteigen, wenn es schlecht steht. Wie zum Beispiel UBS? Von Banken verstehe ich zu wenig. Aber ich hätte Vertrauen in Herrn Grübel an der Spitze. In gute Leute in einer schlechten Situation zu investieren, ist in der Regel nicht falsch. Und wer in die Qualitäten von Christoph Blocher investieren will, kauft Ems Chemie? Die Ems-Gruppe führt unsere älteste Tochter. Ich lasse die Finger davor. Wenn sie wollen, können mich die Kinder um Rat fragen. Sie sind tüchtige Unternehmer und besser ausgebildet als ich und machen es sehr gut. Wo sehen Sie als erfolgreicher Geschäftsmann und Milliardär heute Möglichkeiten zum Geld verdienen? Ich bin nicht der richtige Mann für die Antwort auf diese Frage. Geld zu verdienen, war nie mein Beweggrund. Aber wenn man die Sache wirtschaftlich gut macht, verdient man Geld. Ich bin in dem Sinn kein Anleger. Aber eines ist sicher: Chancen, etwas zu bewegen, hat man in schwierigen Situationen – falls man führen kann. Ich kaufte Ems, als es schlecht lief. Ich habe Firmen gekauft und erhielt - weil sie so schlimm standen – zum Teil noch Geld, damit ich sie "kaufte". Aber ich musste sie führen. Und so entstand das Vermögen. Einer Branche, der es ganz offensichtlich schlecht geht, ist die Medienbranche. Sind Sie bei der Basler Zeitung dabei? Nein. Wenn ich so etwas machen würde, so nur zu 100%. Um erfolgreich zu sein, muss ich auf die Stärken setzen. Was ist meine Stärke? Ich habe Führungserfahrung und derzeit finanzielle Mittel. Wenn es Firmen gibt, die durch Führung zum Erfolg geführt werden können und in der Not sind, mache ich das. So habe ich mich an verschiedenen Firmen still beteiligt, die häufig von jungen Leuten gegründet wurden, die noch nie eine Wirtschaftskrise durchlebt haben. Ich will sie mit ihnen zum Erfolg führen, dann wieder abtreten. Wie viele stille Beteiligungen haben Sie derzeit? Sieben, alles Industrieunternehmen, mit einem Gesamtvolumen von rund 70 Mio. Fr. Wollen Sie dieses Portefeuille ausbauen? Zurzeit habe ich zu viele Anfragen. Aber ich darf mich nicht "überlupfe". Am Anfang ist der Führungsaufwand sehr gross. Aber der Vorteil des Alters ist die grosse Erfahrung. Man sieht meist sehr schnell, woran es liegt. Schon die richtige Frage wirkt Wunder. Was empfehlen Sie im Bereich der kotierten Gesellschaften? Wenn es eine Firma gibt, deren Aktien ich noch nie empfohlen habe, ist es die im eigenen Umfeld. Wer auf Sicherheit gehen will, ist mit Ems gut bedient. Ein sicherer Wert, seriös geführt. Gute Rendite. Wollen sie hohe Rendite bei hohem Risiko, suchen Sie Gesellschaften, denen es schlecht geht und wo sie den personellen Turnaround spüren. GF ist noch nicht so weit. Habe ich nicht geprüft. Bei Rieter vor einem Jahr vielleicht. Vielleicht bald Lonza. Bei kotierten Gesellschaften ohne starken Aktionär geht es immer länger, bis die Alarmglocke schlägt. Aber hören Sie auf diese Glocke. Halten Sie einen Teil Ihres Vermögens in Gold? Nein, ich bin durch und durch Unternehmer. Als  grosses Problem der künftigen Wirtschaft sehe ich die staatliche Verschuldung. Das Problem ist noch gravierender als die hohen Managerlöhne. Und in dieser Unsicherheit ist es höchste Priorität dafür zu sorgen, dass die Grossbanken kein Landes-Problem mehr darstellen. Wird das too big - to fail Problem nicht gelöst, kann die Schweiz zu Grunde gehen. Deshalb wollen Sie die Grossbanken aufbrechen. Neu strukturieren mit einer Holding und voneinander unabhängigen selbständigen Gesellschaften. Bis jetzt gibt es keine bessere Lösung als die Holdinglösung, die mit dummen Argumenten unter den Tisch gewischt wird. Eine andere Lösung wäre ein internationales Insolvenzrecht. Das geht in die gleiche Richtung. Aber wir können nicht auf eine internationale Regelung warten. Die Schweiz muss vorangehen. Für die Schweiz ist diese Problemlösung überlebenswichtig. In Sachen Bankkundengeheimnis torkelt die Schweiz scheinbar von einer Panne in die nächste. Wie konnte es soweit kommen? Bundesrat Merz hat keine Strategie und lebt in den Tag hinein. Aber der Gesamtbundesrat lässt ihn auch in den Tag hinein leben. Wenn ich der Presse glauben kann, ist an der letzten Bundesratssitzung den anderen Bundesräten wohl der Kragen geplatzt und sie verlangten rasch eine Strategie. Das ist ein altes Problem des Bundesrates. Schon 2006, als die Rentenanstalt wankte, wurde das Problem „Too big – to fail“ erkannt. Es wurde nichts gemacht mit der Begründung, eine solche Firma könne nicht scheitern. Als Europa das Steuerthema lancierte, weigerte sich der Bundesrat eine Strategie zu entwerfen. Man liess Herrn Merz bewusst machen! Aber für die SVP ist Merz doch ein Glücksfall. Der FDP laufen die Leute gerade wegen ihm davon. Unsere politischen Gegner sind nicht die Freisinnigen. Es nützt nichts, wenn uns die Freisinnigen zulaufen. Die grünen und roten Politiker in vielen Parteien und die Führungslosigkeit ist das Problem. Das gilt es zu verhindern. Die Probleme, die sich stellen, lösen und dies nicht den Linken überlassen. Sie haben schlechte Motive, ein falsches Menschenbild und betreiben dekadente Politik. Es gilt die Arbeiter und Angestellten der Privatwirtschaft zu schützen, damit die Linken nicht die Wirtschaft zerstören. Die Überfremdungsangst ernst nehmen. Die Bürger haben kein Vertrauen in die sozialistische Politik, aber nur wenn wir Bürgerliche nicht versagen. Dann wäre ja ein Schulterschluss zwischen SVP und FDP naheliegend. Der vorherige Parteipräsident Rolf Schweiger war offenbar nahe dran. Darauf warten wir schon lange. Der Freisinn hat leider ein Basisproblem, das in den Siebziger Jahren entstand. Die Partei öffnete sich nach links, und heute kann die FDP machen, was sie will, sie macht es immer jemandem  nicht recht. Das zerreisst die Partei. Und trotzdem: Wenn es darauf ankommt, steht die SVP zur FDP. Ohne die SVP wäre Herr Burkhalter nicht in der Regierung. Sind Sie für 2011 für die SVP optimistisch? Wenn heute Wahlen wären, würde die Partei massiv zulegen. 2011 ist aber noch zu weit weg für eine Prognose. Leiden wird die FDP. Aber das ist nicht unsere Zielsetzung – im Gegenteil. Wo Grünliberale und BDP auftreten, verliert nicht die SVP. Zur FDP: "Getrennt marschieren und vereint schlagen."

13.02.2010

Der Ständerat hat die bundesrätliche Vorlage auf Druck der Manager massiv verwässert

Abzocker-Initiative: Interview mit der NZZ vom 13. Februar 2010 Die Credit Suisse zahlt pro Mitarbeiter durchschnittlich 144 000 Franken Bonus. Ist das Wasser auf die Mühlen von SVP und «Abzocker»-Initiant Minder? Vielleicht. Aber weil der Steuerzahler beim Kollaps der CS zahlen müsste, interessiert die Frage auch die Politik. Die gewinnabhängigen Boni müssten jedenfalls auf ein Sperrkonto bezahlt werden. Schlimm aber ist, dass Geschäftsleitungsmitglieder die führenden Leute für 2008, als die CS einen Verlust von 8,2 Mia. zu verzeichnen hatte, im Durchschnitt mit 7,1 Mio. Fr. Entschädigt wurden! Das ist unternehmerischer Unsinn und für den Schweizerischen Steuerzahler, der im Ernstfall faktisch haftet, unhaltbar! In guten Jahren begründete man den Bonus als unternehmerische Partizipation am Gewinn. Als Verluste produziert wurden, waren Boni plötzlich Prämien um die Leute zu halten. Sind Sie auf Thomas Minder zugegangen, oder war es umgekehrt? Der bundesrätliche Entwurf für das revidierte Aktienrecht stammt aus meiner Zeit als Bundesrat. Damals habe ich mit allen involvierten Kreisen intensive Gespräche geführt, auch mit Herrn Minder. Jetzt tue ich es nicht als Bundesrat, sondern als Verantwortlicher für Strategiefragen der SVP. Seit Anfang Dezember 2009 führten Thomas Minder und ich intensive Gespräche mit dem Ziel, eine wirtschaftspolitische gangbare Lösung zu haben, die es dem Initiativkomitee erlaubt, die  Initiative zurückzuziehen und die gleichzeitig auch der Haltung der SVP entspricht. Haben Sie denn als Bundesrat eine untaugliche Vorlage gezimmert? Nein. Aber der Ständerat hat die bundesrätliche Vorlage auf Druck der Manager massiv verwässert. Die Einigungsvorlage nimmt die Eckwerte wieder auf. Die Lehren aus der Finanzkrise zwingen zudem zu Ergänzungen: Zum Beispiel die Genehmigung der Gesamtvergütung der Geschäftsleitung durch die Generalversammlung. Unter dem Aspekt der Verantwortlichkeit ist das zwar nicht ganz lupenrein. Die Geschäftsleitung untersteht dem Verwaltungsrat. Aber um Missbräuche bei der Salärierung der Geschäftsleitungen bei börsenkotierten Firmen zu verhindern, muss dies im Kauf genommen werden. Und jede börsenkotierte Firma, die keinen Dreck am Stecken hat, kann gut damit leben. Sie schliessen ein Ja zur Minder-Initiative nicht aus. Spielt da der Druck der SVP-Basis mit? Auch bei der BVG-Vorlage haben Sie ja grösste Mühe, ihre Truppe zusammenzuhalten. Nicht nur die Basis, sondern ich persönlich ziehe die „Abzocker-Initiative“ einem schlechten Gegenvorschlag vor. Man hat keine Vorstellung davon, wie viele Leute letztlich Aktionäre sind und damit ihr Geld verloren haben, zum Beispiel bei der zweiten und dritten Säule! Die Stimmung in der Bevölkerung ist darum schlecht, zu recht. Dies rächt sich nun bei der BVG-Vorlage. Diese gute Vorlage geht verloren - nicht nur wegen der lausigen Pro-Kampagne. Hat die Wirtschaft das Vertrauen der Politik verspielt? Nicht das Vertrauen in die Wirtschaft, aber in die Verantwortlichen von börsenkotierten Firmen, vor allem die Banken und Versicherungen. Hier sind ja auch Missstände aufgetreten. Da  ist das Privateigentum der Anleger nicht mehr geschützt. CVP und FDP wollen nach wie vor einen direkten Gegenvorschlag zur Minder-Initiative. Ist ein bürgerlicher Schulterschluss unmöglich geworden? Der direkte Gegenvorschlag macht keinen Sinn mehr. Thomas Minder könnte sonst seine Initiative nicht zurückziehen. Nun müssten die Mitteparteien einlenken. Sprechen Sie noch mit CVP und FDP? Unverzüglich wird die SVP mit allen Regierungsparteien reden.  Inhaltlich ist ja die CVP schon weit gegangen mit ihren Vorschlägen. Und wenn die SP nicht nur vom Abzocker-Problem leben, sondern es lösen will, wird auch sie mitmachen. Kommt es Ihnen zupass, dass Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf für die Aktienrechtsreform verantwortlich ist? Es wäre mir schon lieber, ich wäre selber noch zuständig (lacht). Also tue ich es nun als Bürger – als Mitglied des Souveräns. Sie könnten ja das zuständige Departement kontaktieren. Das geht nicht. Frau Widmer-Schlumpf ist da sehr empfindlich. Würde ich meine ehemaligen Leuten kontaktieren, wären diese wohl ihre Stelle los. Blicken wir nach Deutschland. Ihre ehemaligen Bundesratskollegen wollen möglichst rasch ein neues Doppelbesteuerungsabkommen abschliessen. Das ist zu sistieren. Man schliesst keine Abkommen mit einem Staat ab, der gestohlene Bankdaten kauft und sich als Hehler und Mittäter agiert. Zuerst muss die Datenklau-Affäre bereinigt werden. Auch strafrechtlich. Welche Handlungsoptionen sehen Sie gegenüber Deutschland? Das Bankkundengeheimnis gilt. Man kann es nicht ändern, ohne das Schweizer Gesetz zu ändern. Das hat man Deutschland zu erklären. Und weiter? Die Unterscheidung zwischen Hinterziehung und Betrug muss bleiben. Sonst wird in der Schweiz jeder Steuerzahler kriminalisiert. Durch die neuen Doppelbesteuerungsabkommen  würde der Grundsatz der doppelten Strafbarkeit preisgegeben. Dieser bedeutende Grundsatz sagt, dass für die Gewährung von Rechts- und Amtshilfe sowohl nach der Rechtsordnung im Inland als auch im Ausland ein Verdacht zu einem Verbrechen vorliegen muss. Steuerhinterziehung ist nach schweizer Recht ein Vergehen – wird auch bestraft – aber nicht als Verbrechen. In Deutschland ist es ein Kapitalverbrechen. Es ist ausserordentlich gefährlich, wenn man allgemeine Grundsätze auf den kleinsten Druck hin preisgibt. Sie haben aber selber schon signalisiert, man müsse dem Ausland klar machen, dass man kein Geld aus Steuerbetrug bzw. Hinterziehung akzeptiert. Das gilt schon heute für die Banken. Sie machen sich strafbar, wenn sie die Kunden zu Steuerhinterziehung verleiten. Wenn die Banken nicht hintergangen werden wollen, dann können sie von ihren Kunden eine Bestätigung verlangen, dass sie ihr Geld versteuert haben. Die Privatbanken laufen dagegen Sturm. Dann müssen sie es nicht tun. Aber die Konsequenzen tragen. Weiter steht die Idee einer Abgeltungssteuer im Raum. Eine solche wäre innenpolitisch konsensfähig. Europa hat dies bisher abgelehnt. Diese würde der Schweizeischen Verrechnungssteuer entsprechen, die ja Steuerhinterziehung uninteressant macht. Warum will die EU nicht? Weil die angelsächsischen Staaten viel stärker geschützte Finanzplätze – auch für Schwarzgelder - haben. Und weil sich die EU-Staaten gegenseitig nicht trauen, dass das Geld überwiesen wird! Aber wenn die EU eine Abgeltungssteuer will, bin ich nicht dagegen. Die SVP hat bisher immer nur Härte markiert. Sie wollten das Bankgeheimnis in der Verfassung verankern. Nicht Härte, sondern Konsequenz! Konsequent sein bedeutet die schweizerische Rechtsordnung zu respektieren und zu verteidigen! In diesem Fall das Bankkundengeheimnis.  Die Idee eines Verfassungsartikels kam auf, weil die Politiker angefangen haben, es zu unterlaufen. Willkürlich! Sie halten also immer noch an der Verankerung in der Verfassung fest. Ja, aber wir sollten es weiter fassen. Wir brauchen einen Verfassungsartikel zum Schutz der Privatsphäre allgemein. Das Bankkundengeheimnis ist ein Teil davon. Die SVP hat erst ein vorläufiges Konzept dazu. Im Moment haben leider aktuelle Fragen Vorrang. Es macht den Anschein, als komme die Schweiz überall zu spät. Das hat doch auch damit zu tun, dass die SVP jegliche Kompromissbereitschaft des Bundesrats sofort als Schwächezeichen diskreditiert. Für das Richtige zu spät und für das Falsche zu früh! Das Problem wurzelt darin, dass die Politik heute konzept- und strategielos handelt. Solange der Bundesrat so regiert, ist der dauernden Flucht nach vorn und dem Regieren im Einzelsprung-Verfahren entschiedener Widerstand entgegenzusetzen. Macht der Bundesrat denn überhaupt etwas richtig? Wenn er etwas richtig machen würde, hätten Sie die Frage nicht gestellt. Wir fragen trotzdem. Auf den kleinen Druck aus dem Ausland macht der Bundesrat so ziemlich alles falsch, was man falsch machen kann. Der Gesamtbundesrat delegiert Probleme und lässt Strategielosigkeit zu. Heute hackt man auf Hans-Rudolf Merz herum. Dabei hat es hat noch sechs andere Bundesräte. So wird jeden Tag unter Druck Neues preisgegeben. So verliert das Land den Respekt! Nehmen wir den automatischen Informationsaustausch! Bis vor kurzem galt dies als undenkbar. Jetzt heisst es, die Preisgabe sei allenfalls die Gegenleistung für ein – übrigens unnötiges - Dienstleistungsabkommen mit der EU. Ein neuer Sprung ins Abseits! Bundespräsidentin Leuthard sagt, der Bundesrat sei sich völlig einig. Das hoffe ich nicht. Vertritt Ueli Maurer denn eine andere Meinung als die übrigen Bundesräte? Leider sind die Sitzungen geheim. Aber ich bin überzeugt, dass Ueli Maurer die Meinung der SVP vertritt. Sie wollen die UBS aufspalten. Alle systemrelevanten Firmen. Da gehört neben der UBS auch die CS. Hat die Schweiz nicht hervorragend von der Grösse dieser Banken gelebt? Von den Banken – nicht von der Grösse! Wir wollen die Banken nicht kaputtmachen. Aber neu strukturieren, damit im Krisenfall nicht die Schweiz kaputt geht. Und jede Firma kann sterben. Ich kenne kein Unternehmen, das vor 2000 Jahren gegründet wurde und noch lebt – ausser die katholische Kirche. (Aber sie muss die Bilanz wohl erst im Himmel offenlegen). Spass beiseite: Die Schweizer Volkswirtschaft darf nicht in den Ruin gezogen werden, nur weil eine Grossbank in den USA Verluste erwirtschaftet. Vielleicht ist Ihre Idee nicht gut genug. Dann bringen Sie eine bessere. Aber unser Weg löst das Problem Too big – to fail. Das ist noch wichtiger als das Bankgeheimnis, die  Doppelbesteuerungsabkommen,  das Aktienrecht und vieles mehr. Hier geht es um die Existenz des Landes.  Doch der Bundesrat hat als Experten vorwiegend Grossbankvertreter. Für dieses Problem ist dies falsch: „Wer den Sumpf trocken legen will, kann dies nicht mit den Fröschen besprechen“.