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11.06.2001
11.06.2001
«Ich bin noch lange nicht erledigt»
Interview mit dem Blick vom 11. Juni 2001 Blocher trotzt: Unbeeindruckt von der Abstimmungsniederlage gibt der Kämpfer für Neutralität und Unabhängigkeit nicht auf. Er behauptet, sie sei auch bei einem Uno-Beitritt bedroht. Deshalb sei er jetzt erst recht gefordert, erklärt Christoph Blocher im BLICK-Interview. von Georges Wüthrich, Zürich Herr Blocher, was bedeutet diese Niederlage für Sie? Christoph Blocher: Ich verstehe Ihre Frage nicht. Sie haben verloren. Blocher: Natürlich, und das bedauere ich auch. Aber Ihre Gegner sagen Ihr politisches Ende voraus. Blocher: Wer meint, ich sei erledigt, der täuscht sich. Man hat mein politisches Ende schon manchmal angesagt. Nochmals: Was bedeutet der 10. Juni 2001 für Ihre politische Karriere? Blocher: Die geht weiter. Nur noch etwas intensiver. Jetzt muss ich wachsam sein wie ein "Chog", dass der Bundesrat alle Versprechen einhält, die er unter unserem Druck gemacht hat: neutral bleiben, Milizarmee aufrechterhalten, kein Nato-Anschluss. Der nächste Prüfstein ist die Armeereform XXI, beziehungs- weise die damit verbundene Totalrevision des Militärgesetzes. Wenn der Bundesrat und die Befürworter von heute die Versprechen nicht erfüllen, treten wir wieder an. Dann kommen wir bestimmt durch. Was heisst das für die künftigen Rüstungsprogramme? Blocher: Diese Kredite werden wir ganz genau durchleuchten und jeden Schabernack heftig bekämpfen. Welchen Schabernack? Blocher: Beispielsweise die Vorbereitung auf eine Kriegsführung im so genannten operativen Vorfeld von 300 Kilometer Radius. Ich will keine Schweizer Brigaden vor Genua. Das steckt nachweisbar in den Köpfen des VBS - und das muss Samuel Schmid wieder rausbringen. Und der Uno-Beitritt? Blocher: Ich trete nochmals voll gegen den Uno-Beitritt an, weil die Neutralität aufgegeben wird. Was sagen Sie zum Sieg des Bundesrates gegen Sie? Blocher: Ich habe die Militärvorlagen nicht zum Prestigeobjekt zwischen mir und dem Bundesrat gemacht - ganz im Gegensatz zum Bundesrat. Ich hätte ja nach dieser Rechnung 49 Prozent der Schweizer Bevölkerung hinter mir und der siebenköpfige Bundesrat nur 51 Prozent. Das wäre ja für den Bundesrat wahnsinnig.
11.06.2001
Die Schweiz ist jetzt eindeutig weniger sicher
SVP-Nationalrat und Auns-Präsident Christoph Blocher will jetzt Rüstungskredite im Umfang von einer Milliarde streichen Interview mit dem Tages-Anzeiger vom 11. Juni 2001 Mit Christoph Blocher sprach Luciano Ferrari Herr Blocher, sind Sie sehr enttäuscht über das Abstimmungsergebnis? Christoph Blocher: Ich bedaure es. Aber es ist besser, als wir zu Beginn gedacht hatten. Ich habe nie an eine Annahme des Referendums gedacht, denn es ist fast nicht möglich, allein diesen Kampf zu führen. Bedeutet das Ergebnis jetzt für Sie, dass die Mehrheit der Schweizer und Schweizerinnen bereit ist, ihre Söhne und Töchter für fremde Kriegshändel zu opfern? Blocher: Ja, es kann dazu führen. Allerdings hat der Bundesrat gesagt, er werde an der Neutralität festhalten. Er hat es betont, je länger der Abstimmungskampf dauerte. Ebenso hat er den Nato-Anschluss bestritten und weiter versprach er an der Milizarmee festzuhalten. Bei der Ausbildungs-zusammenarbeit gehe es nicht um Kriegsübungen mit anderen Armeen, sondern um die Vereinfachung des heutigen Zustands. Wenn er sich daran hält, dann muss er jetzt die Armee-XXI-Doktrin völlig ändern. Tut er es nicht, wird das zu dem führen, was wir auf den Plakaten gezeigt haben. Der Bundesrat wird für die Armee XXI ein neues Militärgesetz vorlegen müssen. Hält er seine Versprechen nicht ein, ergreifen wir erneut das Referendum, und dann wird es für ihn heikel. Dennoch geht mit diesem Ja Ihrer Meinung nach die 200-jährige Friedenstradition der Schweiz zu Ende. Ist die Schweiz jetzt weniger sicher? Blocher: Eindeutig. Weil die Armee und der Bundesrat die Möglichkeit bekommen haben, mit anderen Armeen Kriegsübungen zu veranstalten. Auch wenn der Bundesrat gesagt hat, er mache es nicht: Das Gesetz ermöglicht dies nun. Wurde mit der heutigen Abstimmung letztlich auch die Armee XXI abgesegnet? Blocher: Nein, das gerade eben nicht. Und das ist das Grossartige an diesem knappen Ergebnis. Denn der Bundesrat hat das Wesentliche versprochen. Also muss er dies jetzt auch einhalten. Zudem hat der Gesamtbundesrat am Schluss etwas sehr Gewagtes getan: Vor zehn Tagen hat der Bundespräsident erklärt, es gehe bei dieser Abstimmung um die Frage "Blocher oder Bundesrat". Er hat gleichsam die Vertrauensfrage gestellt. Das macht man eigentlich nur in Notzeiten. Jetzt muss ihm sein Ergebnis von nur 51 Prozent zu denken geben. - Ich muss meine 49 Prozent mit niemandem teilen, er seine 51 Prozent durch sieben. (lacht) Sie können doch die Nein-Stimmen aus der Westschweiz nicht auf Ihr Konto buchen. Blocher: Es ist mir letztlich gleichgültig, auf welches Konto welche Stimmen gehen. Sie haben in diesem Abstimmungskampf auch gegen eine Professionalisierung und Aufrüstung der Schweizer Armee gekämpft. Ist das jetzt vom Tisch? Geben Sie sich geschlagen? Blocher: Sicher nicht. Wir werden die Rüstungskredite genau unter die Lupe nehmen. Dabei kann der Bundesrat die Milliarde Franken zur Umrüstung der Armee auf Nato-Standard schon jetzt streichen, denn er will sich der Nato ja nicht annähern. Dann wandelt sich die SVP ab heute zu einer armeekritischen Partei? Blocher: Ich kann nicht für die ganze SVP reden. Wir sind immer für eine Armee eingestanden, aber wir sind nie für Missbräuche gewesen und dafür, dass man mit der Armee im Ausland eine Grossmachtpolitik betreibt. Diese Tendenzen sind vorhanden, ob es der Bundesrat wahrhaben will oder nicht. Er wird auch nicht darum herumkommen, personelle Wechsel vorzunehmen im VBS. Wo genau? Blocher: Bei der Generalität. Aber die Generalität hat doch gewonnen. Blocher: Sie haben nur 51 Prozent gewonnen unter all den Versprechungen des Bundesrates. Hat diese Abstimmung die Voraussetzungen für einen Uno-Beitritt verbessert? Blocher: Im Gegenteil. Der hohe Nein-Stimmenanteil ist für uns ermutigend, und der Bundesrat hat das Ständemehr nicht erreicht. Dies aber wäre bei einem Uno-Entscheid ausschlaggebend. Wir haben aber die Uno nie zum Thema gemacht. Bei der Uno wird es definitiv um die Neutralität gehen, und der Bundesrat kann dann nicht mehr behaupten, er halte an der Neutralität fest, wenn er einen Vertrag unterschreibt, mit dem der Uno-Sicherheitsrat der Schweiz aussenpolitische Verpflichtungen auferlegen kann. Die Verletzung der Neutralität ist dann eindeutig. Nun hat die Auns zum ersten Mal ein Referendum ergriffen und ist dabei prompt gescheitert. Was bedeutet das für Ihre Bewegung? Blocher: Weitermachen, weiterkämpfen. Hat sich die Auns überschätzt? Blocher: Ich habe nie gesagt, die Auns sei eine Bewegung, die immer die Mehrheit auf ihrer Seite hat. Sie haben enorm viel Geld und persönliches Engagement in diesen Abstimmungskampf geworfen. Die Gegenseite hat sich eher zurückgehalten. Wieso glauben Sie, haben Sie trotzdem verloren? Blocher: Das war von Anfang an ein sehr harter Lauf. Wenn Sie allein gegen den gesamten Bundesrat, gegen die Parteien, die Wirtschaft, die Linke und dann auch noch praktisch die ganze Medienlandschaft antreten müssen… ...das war doch schon beim EWR so. Blocher: Es ist ja auch ein Zufallsmehr wie beim EWR herausgekommen. Nur lag dort das knappe Ergebnis auf unserer Seite und dort zählte auch das Ständemehr. Sie haben dem Bundesrat vorgehalten, "heimatmüde" und "auslandshörig" zu sein. Nehmen Sie das jetzt zurück, oder ist auch die Mehrheit des Volks "heimatmüde"? Blocher: Ich halte am Vorwurf an den Bundesrat fest, weil er die Neutralität und Unabhängigkeit nicht mehr ernst nimmt. Aber er hat dem Volk versprochen, dass er sie in Zukunft ernst nehmen wolle. Ich nehme an, dass ein Teil der Schweizer und Schweizerinnen ihm geglaubt hat. Sie haben gegen Ihren eigenen Bundesrat Samuel Schmid verloren, einen Mann mit "Prokuristencharme", wie Ihr Kollege Christoph Mörgeli sagt. Lässt Sie dies an Ihrer politischen Schlagkraft zweifeln? Blocher: Nein. Es ist ja nicht Samuel Schmid der gewonnen hat. Es sind der Bundesrat, die Regierungsparteien, die Classe politique, die Wirtschaftsverbände und die Medien. Es war wieder einmal die alte Front wie beim EWR. Wenn Sie da 50 Prozent auf Ihrer Seite haben, ist das sehr gut. Ist das Abstimmungsergebnis nicht auch eine späte Genugtuung für Alt-Bundesrat Adolf Ogi? Das Volk hat jetzt im Nachhinein seine Auslandeinsätze und die Annäherung an die Nato gutgeheissen. Blocher: (lacht) Nein. Das kann er nicht als Genugtuung verzeichnen. Er wird es sicher tun. Aber so hat er es sich bestimmt nicht vorgestellt. Alle Kreise, auch innerhalb der Partei, haben uns ursprünglich vorausgesagt, wir würden mit 30 Prozent aus der Abstimmung hervorgehen. So ist es nicht gekommen.
26.05.2001
Es geht um die Preisgabe der Neutralität
Interview mit dem Bündner Tagblatt vom 26. Mai 2001 Bei den Militärvorlagen gehe es nur vordergründig um Bewaffnung oder militärische Zusammenarbeit. Ziel sei die Annäherung und Unterstellung unter die Nato, und damit die Preisgabe der Neutralität, betont Nationalrat Christoph Blocher. Interview Claudio Willi Soldaten sind per Definition bewaffnet - warum sollen Schweizer Soldaten nicht zum Selbstschutz im Ausland bewaffnet sein dürfen? Christoph Blocher: Der Soldat ist immer bewaffnet und er ist eine Person, die geschult wird, Krieg zu führen. Krieg aber führt man nur zur Verteidigung der eigenen Freiheit und Unabhängigkeit. Wenn man als Soldat ins Ausland geht, wird man Partei, verstösst gegen unsere Neutralität. Deshalb haben Schweizer Soldaten im Ausland nichts verloren. Aber schon heute sind Schweizer Soldaten im Ausland, und zum Teil bewaffnet... Blocher: Warum muss man denn das Gesetz ändern, wenn sie zum Teil schon bewaffnet sind? Das zeigt doch nur: Es geht um eine Eskalation. Jetzt sollen auch die Schützenpanzer mit Geschützen bestückt werden. Schweizer Soldaten haben im Ausland nichts zu suchen, bewaffnet oder unbewaff-net, mit ganz wenigen Ausnahmen wie im Koreakrieg, wo beide Seiten es so wollten. Ist es denn richtig, dass nur andere Länder die militärischen Kastanien aus dem Feuer holen? Blocher: Die Schweiz soll humanitäre Hilfe leisten. Es nützt wenig, wenn auch noch Schweizer Solda-ten das Gleiche machen wie die anderen. Wer das Gebiet besetzt - bombardiert, wie die Nato - hat das Machtmonopol und muss Ordnung und Sicherheit gewährleisten. Die Mächte haben Verantwor-tung und tragen sie auch, weil es auch ihren Interessen entspricht. Die Schweiz soll also wieder einmal abseits stehen? Blocher: Ich will nicht, dass wir völlig abseits stehen, aber ich will, dass wir etwas machen, was die andern nicht machen. Die Schweiz soll humanitäre Hilfe leisten, und zwar unbewaffnet, unparteiisch und neutral, auf beiden Seiten - das ist die Stärke der Schweiz, so ist auch das Rote Kreuz entstan-den. Die SVP will ein humanitäres Korps schaffen, wie das Katastrophenhilfskorps, aber Bern ist dagegen. Das Motiv der beiden Militärvorlagen aber ist, die Schweiz auch im Ausland einzusetzen. Bern will in die internationalen Strukturen und Organisationen: Die ganze Armee wird auf Nato-Standard umgemodelt, damit man mit anderen Armeen zusammen auch Krieg führen kann. Das ist unakzeptabel. Stichwort militärische Zusammenarbeit: Die gibt es doch bereits heute, die Flugwaffe beispielsweise übt auf Sardinien, in Norwegen. Warum nicht? Blocher: Heute ist dies schon möglich, das zeigt, es brauchte gar keine neuen Gesetze. Aber heute üben wir im Ausland nur für unsere Bedürfnisse, damit wir besser ausgebildet sind, um unsere Freiheit und Unabhängigkeit zu verteidigen, wenn es notwendig sein sollte. Und streng verboten ist eine Ko-operation mit einer anderen Armee, um Krieg führen zu können, weil das gegen die Neutralität ver-stösst. Das soll jetzt neu geändert werden, Rahmenabkommen sollen ermöglichen, Ausbildung zu betreiben, mit dem Ziel, mit anderen Armeen im Ernstfall in den Krieg zu ziehen. Das ist ein massiver Durchbruch, das ist gefährlich und hat Konsequenzen. Der Kampf wird auch nicht mehr an der Gren-ze, sondern im operativen Vorgelände, also im Raum München bis ans Mittelmeer hinunter geplant. Wenn man sich vorstellte, was eine solche Verteidigung im Zweiten Weltkrieg gebracht hätte: Unser Land wäre überrannt worden, die Schweiz wäre Kampfplatz geworden, mit Tod, Elend und Verwüs-tung, und Soldatenfriedhöfe wären Realität geworden. Es geht nicht einfach um etwas mehr Bewaff-nung von Soldaten zum Selbstschutz, sondern um eine Unterstellung un- serer Armee unter die Nato. Aber die Schweizer Armee kann doch auch nicht allein auf sich gestellt bestehen? Blocher: Ich kann es gar nicht verstehen, dass man dies heute so sagt. Haben wir dies nicht über 200 Jahre machen können? Und es gab schon gefährlichere Zeiten als heute. Für künftige Konflikte kann die Schweizer Armee sich sehr wohl behaupten, und erst noch billiger. Die Schweiz aber hat die Er-fahrung gemacht, wenn man neutral ist, holt man die Konflikte nicht ins eigene Land. Fremde Händel soll die Armee deshalb auch künftig bleiben lassen. Aber technische Kooperation mit der Nato ist sinnvoll? Blocher: Kauf und Erneuerung von Waffen im Ausland verletzt unsere Neutralität nicht. Damit opfern wir auch nicht Soldaten für Kriegsspiele im Ausland. Das eine bedeutet Schutz, das andere ist für eine Offensivarmee im europäischen Raum gedacht. Das sind höchst verschiedene Motive. Wer das be-treibt, denen ist die Schweiz verleidet. Der EU-Beitritt ist nicht gelungen, jetzt wird der Weg über die Armee gesucht. Wir aber haben viel zu verlieren. Wäre Mitmachen statt Rosinenpicken nicht auch ein Solidaritätsbeitrag an eine Wertegemeinschaft? Blocher: Diese Musik hören wir nun schon seit zwanzig Jahren. Man müsse mitmachen, sonst sei man isoliert, heisst es. Das Volk glaubt das langsam aber sicher nicht mehr. Alle Staaten nehmen ihre Interessen wahr. Wer sich auf Illusionen stützt, täuscht sich, läuft in die Falle. Wäre eine offene Abstimmung über eine Zusammenarbeit mit der Nato ehrlicher? Blocher: Eindeutig. Jetzt soll es eine Annäherung an die Nato geben. Und später wird es heissen: Jetzt müssen wird doch in die Nato, da wir mit ihr schon eng zusammenarbeiten. Das ist der Zweck der Übung! Aber das ist hinterhältig. Da wird das Volk zum Narren gehalten. Aber es gibt immer mehr Leute, die merken, was hier abläuft. Kampflos geben wir die Neutralität nicht preis. Was gewinnt die Schweiz mit 2x Ja? Blocher: Da sehe ich keinen Nutzen, sondern nur Nachteile. Bei 2x Ja verliert die Schweiz sehr viel. Sie verliert ihre zweihundertjährige Friedenspolitik, die dazu geführt hat, trotz grosser internationaler Auseinandersetzungen der Schweiz Frieden, Freiheit und Unabhängigkeit zu erhalten. Kein Land in Europa hat eine solche Tradition. Wenn wir in den europäischen Raum gehen, verlieren wir an Sicherheit, verlieren an Freiheit und Selbstbestimmung, bei internationalen Konflikten sind wir nicht mehr neutral und werden auch nicht mehr als neutral angesehen. Die Preisgabe der Neutralität aber wäre ein grosser Verlust. Deshalb ist jetzt eine solche Weichenstellung hin zur Nato durch 2xNein dringend zu verhindern.
16.05.2001