Testi

Economia

05.11.2001

Die Swissair war ein Tempel, ein Gott, ein Götze

Der SVP-Nationalrat und Unternehmer Christoph Blocher über Swissair, Zukunft und Südafrika Interview mit der Aargauer Zeitung vom 5. November 2001 Alle Fäden des Swissair-Filzes seien bei der Credit Suisse zusammengelaufen. Dies sagt SVP-Nationalrat Christoph Blocher - der sich auch Sorgen über die Wirtschaftslage macht. Othmar von Matt und Marc Comina Herr Blocher, reiben Sie sich im Moment still und heimlich die Hände, wenn Sie das Trauerspiel sehen, das zurzeit um Swissair/Crossair abläuft? Christoph Blocher: Nein, ich bin zornig. Die Swissair ist durch Verfilzung und Missmanagement ruiniert worden. Und derselbe Filz macht nun auf Kosten der Steuerzahler eine überdimensionierte, halbstaatliche Airline. Die Verwirrung ist gross. Niemand weiss, wie viel Geld fehlt. Und niemand übernimmt wirklich die Verantwortung. Blocher: Bund und Kantone besitzen 38 Prozent an der neuen Airline. Damit ist die öffentliche Hand faktisch Eigentümerin. Das gibt ein Fass ohne Boden. Neben den SBB eine zweite defizitäre Firma, nur noch schlimmer. Der Bund kann die neue Airline nicht so schnell loswerden, der Steuerzahler bezahlt ewig. Allein die Überbrückung bis im März 2002 kostet jeden Steuerzahler 2000 Franken. So schwächt man die Schweiz. Sie erhalten Recht mit der Warnung? Blocher: Ja, aber das ist nicht so wichtig. Dazu muss man zwei Dinge sagen. Erstens ist die Zahlungsunfähigkeit einer Firma immer schrecklich. Viele nehmen Schaden, es gibt nur Verlierer. In einer solchen Situation muss man klaren Kopf bewahren. Das hat hier gefehlt, darum ist der Schaden so gross. Und zweitens? Blocher: Zweitens bin ich sehr enttäuscht darüber, dass die Swissair nicht seit Monaten eine ordnungsgemässe Nachlassstundung vorbereitet hat. Das ist für mich unverständlich. Ein Unternehmer kann doch nicht plötzlich an einem Sonntagabend merken, dass ihm vier Milliarden fehlen. Mario Corti glaubt, die Swissair wäre ohne 11. September zu retten gewesen. Blocher: Nein. Tatsache ist, dass die Swissair eine gigantische Verschuldung - 15 Milliarden - aufgebaut hat. Für die Rettung wären 6 bis 7 Milliarden à fonds perdu nötig gewesen und 11 Milliarden für die Rekapitalisierung. Das alles war vor dem 11. September. Natürlich hätte der Terrorismus eine gesunde Swissair auch getroffen. Aber nicht tödlich. Sie kritisieren die Verfilzung... Blocher: Die unheilvolle Verfilzung von Politik, Bund, Kantonen, Wirtschaftsverbänden, grossen Firmen und der FDP machte die Swissair zum unangreifbaren Symbol. Die Swissair war ein Tempel, ein Gott, ein Götze. Interessant ist, dass die Swissair seit April 2001 freiwillig eine Milliarde Bankschulden zurückbezahlt hat. Damit konnte die CS erklären, sie sei nur noch mit 150 Millionen im Risiko. Kein Wunder. Lukas Mühlemann ist CEO und Verwaltungsratspräsident der CS - und war Swissair-Verwaltungsrat. Blocher: Das zeigt die unglaublichen Verflechtungen auf: Die kreditgebenden Banken waren auch im Swissair-Verwaltungsrat. Das ist immer falsch. Die Banken haben andere Interessen als das Unternehmen. So konnte dafür gesorgt werden, dass die Banken mit einer Milliarde weniger in der Kreide stehen. Gut für die Banken, schlecht für die Swissair. Waren das "Insidergeschäfte"? Blocher: Die CS berief sich stets darauf, nicht Mühlemann spreche Kredite. Doch das ist weltfremd. Welcher Mitarbeiter der Bank kann einen Kredit an eine Firma unabhängig beurteilen, wenn sein Boss dort im Verwaltungsrat sitzt. Aber nicht nur die CS war im Swissair-Verwaltungsrat, auch die UBS. Die entscheidende Rolle spielte die CS? Blocher: Nicht alleine. Eric Honegger sass im Verwaltungsrat der UBS. Vreni Spoerri und Thomas Schmidheiny waren gleichzeitig CS-Verwaltungsräte. Andres F. Leuenberger war Präsident der économiesuisse. Das ist eine unheimliche Verfilzung. Sie geht weiter. Rainer E. Gut, der neue starke Mann, ist Ehrenpräsident der CS. Blocher: Nicht nur das. Rainer E. Gut sass als Bankenmann 21 Jahre im Swissair-Verwaltungsrat. In den entscheidenden Jahren war er im Ausschuss. Lukas Mühlemann folgte. Stammt wohl auch der kommende Präsident aus diesem Kreis? Ist Mühlemann für die CS noch tragbar? Blocher: Das müssen die Aktionäre der CS entscheiden. Da er nur noch 150 Millionen im Swissair-Schadenfall stecken hat, arbeitete er gut für die CS. Nicht aber für die Swissair. Seine Glaubwürdigkeit hat stark gelitten. Blocher: Das ist genau das Problem. Mühlemann musste zwei gegensätzliche Interessen vertreten. Das geht nicht. Die CS scheint Dreh- und Angelpunkt des Swissair-Debakels zu sein. Blocher: Die Fäden laufen alle dorthin. Das ist eindeutig. Die Swissair ist das Aushängeschild des Verfilzungs-Missstandes. Alles befand sich unter einem Deckel, niemand konnte mehr kritisieren, auch die Journalisten nicht. Kommt es dann zum Debakel, folgt eine Explosion: die Zahlungsunfähigkeit. Im politischen Bereich ist das nicht anders. Die Parallelen zur Sowjetunion sind eindeutig. Das sagen ausgerechnet Sie? Schweiz gleich Sowjetunion? Blocher: Nein, nicht die Schweiz. Die Missstände in der Swissair gleichen jenen in der damaligen Sowjetunion: Man bindet alle Kreise ein, lässt keine Kritik zu, was schlussendlich zum Zusammenbruch führt. Der Total-Absturz hätte für die Schweiz 50'000 Arbeitslose bedeuten können. Blocher: Dummes Zeug. Sie haben ja schon die Ausdrucksweise der Offiziellen übernommen. Geht eine Firma zugrunde, ist das zwar furchtbar. Aber nicht alle werden arbeitslos. Bis vor kurzem war der Arbeitsmarkt ausgetrocknet. Zahlreiche Firmen waren zudem nicht zahlungsunfähig. Die flugnahen Betriebe werden von anderen Firmen weitergeführt. Und die Crossair ist überlebensfähig. Die Folgen eines Totaldebakels waren aber auch für Sie nicht absehbar. Blocher: Doch. Aber in diesem Fall muss das momentane Chaos beseitigt werden. Darum hat sich die SVP nicht gegen die 450 Millionen des Bundes nach dem Grounding gewehrt, um gestrandete Passagiere zu befördern und die notwendige Ordnung herzustellen. Und was hätten Sie danach getan? Blocher: Ich hätte darauf geachtet, dass möglichst viele gute Flugverbindungen in die ScBlocher: Ihweiz bestehen und als Staat nichts mehr bezahlt. Das wäre nicht einfach gewesen. Blocher: Es gibt Hunderte von Flugzeugen, welche die Schweiz gerne anfliegen würden. Vor allem heute, denn der Konkurrenzkampf ist sehr gross. Die Bevölkerung war nach dem Grounding sehr beunruhigt. Sie befürchtete, das Modell Schweiz sei am Ende. Blocher: Man muss der Bevölkerung die Wahrheit sagen, auch wenn sie unangenehm ist. Das hat die SVP getan. Inzwischen sind vier Wochen vergangen und die Stimmung in der Bevölkerung hat gedreht. Die Leute sehen jetzt klar. Die Swissair ist wichtig für das Bild der Schweiz im Ausland. Geht es verloren? Blocher: Rettet man die Swissair, rettet man weder Substanz noch Bild der Schweiz. Die Schweiz hat ein hervorragendes Renommee. Vorläufig noch. Noch? Geht das Image verloren? Blocher: Das beginnt schon in der Politik. Es wird zu einer Nivellierung der Schweiz führen, wenn sie in allen internationalen Organisationen mitmachen will. Die Schweiz will Grossmachtpolitik betreiben. Auch die SAir huldigte dem Grössenwahn. Sie wollte ein Global Player sein. Ein eigenartiges Wort. Ein Unternehmen ist doch kein Player. Player sind ja nicht seriös. Schweizer Unternehmen gelten als seriös. Der Flughafen Zürich sollte viertgrösster Flughafen Europas werden. Das ist nicht schweizerisch. Grösse, Masse, Billigtarife: Das ist nicht unsere Qualität. Sie persönlich spielen aber die globalen Spielregeln sehr wohl mit. Blocher: Die Regeln des internationalen Handels. Aber stets als Sonderfall. Ihr Unternehmen ist kein Sonderfall. Blocher: Doch. Im Umfeld vergleichbarer internationaler Firmen ist die Ems-Chemie ein Winzling. Warum können wir überleben? Weil wir es anders machen. Will ich gleich sein wie BASF oder General Electric, gehe ich zugrunde. Aber ich muss Holz anfassen. Als Unternehmer hat man immer auch Angst vor dem Erfolg, weil man Fehler machen kann. Aus Ihren Worten hört man, dass schwierige Zeiten bevorstehen. Blocher: Ausserordentlich schwierige. Es hat die Welt unglaublich verunsichert, dass - überspitzt formuliert - die Weltmacht USA durch drei private Terroristen mit drei Sackmessern in die Knie gezwungen werden kann. Was tun Unternehmen in dieser Situation? Sie stoppen, bauen Lager ab, horten das Geld. Die Wirtschaft befindet sich in einer Überlebensphase. Dies hat aber auch sehr viel Positives. Zum Beispiel? Blocher: In den Hochkonjunktur-Jahren warfen Leute Software-Programme auf den Markt und wurden über Nacht Millionäre. Firmen konnten alles verkaufen. Ich fragte mich oft, ob wir mit 3000 Leuten etwas falsch machen - weil wir von morgens bis abends hart arbeiten. Die Blase ist geplatzt. Ist das ein Comeback seriöser, ehrlicher Arbeit? Blocher: Davon bin ich überzeugt. Rezessionen sind immer Zeiten der Seriosität. Der Mensch besinnt sich wieder auf die Stärken, auf das Bewährte. Das ist gut so. Übersichtlichkeit ist wichtig. Ich habe das kürzlich an der grössten Kunststoffmesse der Welt in Düsseldorf realisiert. Sie wurde noch im letzten Jahr vorbereitet. Viele Verkäufer standen deplaziert herum. Weil die Kunden sofort spürten: Da ist Schall, Rauch, Bluff. Die Sehnsucht der Leute nach guten Produkten war mit Händen greifbar. Wie beurteilen Sie das Swissair-Krisenmanagement des Bundesrats? Etwa von Bundespräsident Leuenberger? Blocher: Moritz Leuenberger lebt von der Betroffenheit. Wenn Betroffenheit dominiert, gibt es keine guten Lösungen. Betroffenheit kann die Führung nicht ersetzen. Und Kaspar Villiger? Blocher: Ich will nicht jeden einzelnen Bundesrat beurteilen. Der Gesamtbundesrat hat den Kopf verloren - mit den Summen, die er ausgibt. Villiger weiss innerlich, dass das falsch ist. Immerhin hat Villiger Mut bewiesen. Blocher: Er hat dem Druck nicht standgehalten. Der Staat hat auch die Aufgabe, Nein zu all den Begehrlichkeiten zu sagen. Villiger aber hat die Schleusen geöffnet. Zudem suchte er selbst Investoren. Das ist sehr fragwürdig. Er wollte auch von Ihnen Geld. Blocher: Ja. Ich habe aber die Kraft, Nein zu sagen. Diese Investoren werden eines Tages die Rechnung präsentieren, indem sie auf eine Sonderbehandlung hoffen. Welche Konsequenzen hat der 11. September für die Uno-Abstimmung? Blocher: Den Leuten gehen die Augen auf. Die Uno ist kein harmloser Verein. Alle Staaten der Uno, inklusive Afghanistan und Saudi-Arabien, verurteilen Terrorismus. Trotzdem gibt es ihn, wird er dort gepflegt. Es zeigt sich, wie gefährlich es ist, nicht neutral zu sein. Man wird in Auseinandersetzungen hineingezogen. Die Schweiz ist natürlich auch gegen den Terrorismus. Wir müssen dafür sorgen, dass kein Terrorismus von Schweizer Boden ausgeht, und uns davor schützen. Aber wir wollen auch noch selber denken. Wären wir in der Uno, könnten wir zu Sanktionen gegen Afghanistan verpflichtet werden. Gegenüber Terrorismus kann man aber nicht neutral sein. Blocher: Gegenüber Terrorismus muss man auch nicht neutral sein. Terrorismus ist eine Kampfform, keine Partei, kein Staat. Der Neutralitätsbegriff spielt zwischen Staaten. Der US-Druck auf die Schweiz könnte massiv steigen, wenn Terroristenkonten in der Schweiz gefunden werden. Blocher: Wir dürfen keine Konten von Terroristen in der Schweiz haben. Das betrifft aber auch die UCK. Die dauernde Neutralität ist aktueller denn je. Die Schweiz kommt nun wegen der Südafrika-Vergangenheit unter Druck. Auch Sie haben Südafrika-Beziehungen. Sie waren Präsident der Arbeitsgemeinschaft Südliches Afrika (asa). Blocher: Ich war ihr Mitgründer. Diese Arbeitsgemeinschaft bezog sich aber nicht auf Südafrika, sondern auf das ganze südliche Afrika. Dies war während des Kalten Krieges eine strategisch ungeheuer bedeutende Region. Wir gründeten die asa, um die Verhältnisse zu studieren. Es handelte sich um keine wirtschaftliche Organisation. Hat die Ems Chemie in Südafrika Geschäfte gemacht? Blocher: Nein, weil es keine Firmen gab, die unsere Produkte brauchten. Ich besuchte das Land erstmals 1987. Die asa war nicht für die Apartheid, aber der Meinung, dass das Land selbst die Apartheid abschaffen sollte. Mein spannendstes Erlebnis mit Südafrika war, als Minister Willem De Klerk - noch zur Zeit Pieter W. Bothas, der die Apartheid verteidigte - in die Schweiz kam. Der Bundesrat weigerte sich, ihn zu empfangen. Deshalb sprang ich in die Bresche. De Klerk sagte damals, er werde die Apartheid beseitigen. Als er nach Bothas Rücktritt Präsident wurde, schaffte er die Apartheid tatsächlich ab. Sollen die Beziehungen, die Peter Regli und der Nachrichtendienst zu Südafrika hatten, untersucht werden? Blocher: Ja natürlich. Das tut Samuel Schmid. Ein Nachrichtendienst darf nur Dinge tun, die erlaubt sind. Braucht es eine PUK? Blocher: Das nicht. Aber wenn das Parlament eine will, soll es eine machen.

25.10.2001

Die Steuerzahler werden das Crossair-Engagement nicht goutieren

Interview im FACTS vom 25. Oktober 2001 Interview: Bettina Mutter Herr Blocher, Sie sind im Ausland. Mit welcher Fluggesellschaft sind Sie denn geflogen? Christoph Blocher: Ich bin in Europa. Und ich bin mit Crossair geflogen. Swissair, das ist mir zu riskant. Man kann ja diverse andere Fluggesellschaften buchen, oder? Mit welchen Worten werden Sie Ihren Auftritt an der Swissair-Sondersession vom 16. November eröffnen? Blocher: Eröffnungsvoten plane ich nie zum Voraus. Ich werde klarmachen, wie falsch diese Lösung ist und wie gross die Schäden für die Gesamtwirtschaft sind. Hoffen Sie, dass sich die vom Bundesrat präsentierte Lösung als Rohrkrepierer erweist und scheitert? Blocher: Und wie ich das hoffe. Ich wäre froh, wenn sie scheitert. Die Unternehmer unter Führung des Herrn Rainer Gut, wie ich hier im Ausland höre, diese Wirtschaftsbosse sollen die Fluggesellschaft nicht nur mit 1,9 Milliarden, sondern ganz aus eigener Kraft führen. Wem schadet denn diese Lösung? Blocher: Es trifft die Volkswirtschaft, unsere Arbeitsplätze und unsere Steuerzahler. Reicht es denn nicht aus, dass Bund und Kantone seit 1998 schon an der alten Swissair 1,5 Milliarden verloren haben? Und jetzt noch einmal 2,5 Milliarden. Was befürchten Sie? Blocher: Mit dem Präjudiz, das Bund und Kantone jetzt geschaffen haben, hat sich die Schweiz etwas eingebrockt. Stellen Sie sich vor, wie viele andere so genannt bedürftige Unternehmen die hohle Hand machen werden beim Bund und Anspruch erheben auf öffentliche Gelder. Wir haben genug marode Firmen in der Schweiz. Welche macht den Anfang? Blocher: Die Tourismusbranche, konkret die maroden Seilbahngesellschaften. Dann diverse Häuser aus der Bauwirtschaft, wenn die Rezession tatsächlich ins Rollen kommt. Und es soll niemand glauben, dass grosse Versicherer und schliesslich auch die Banken vor diesem Schritt zaudern würden. Auch sie werden im Notfall nach Bern pilgern und Steuergelder verlangen, um ihr Weiterleben zu sichern. National können Sie zwar kein Referendum gegen den Bundesentscheid lancieren, im Kanton Zürich hingegen schon. Blocher: Es ärgert uns schon lange, dass ein nationales Referendum in Finanz-Angelegenheiten gesetzlich nicht möglich ist. Wir waren einfach zu beschäftigt, um diesen Programmpunkt voranzutreiben. Wird also die Zürcher SVP das Referendum gegen den Kantonsbeitrag von 300 Millionen ergreifen? Blocher: Wir warten im Moment ab, was die Zürcher Regierung dem Kanton für Vorschläge unterbreitet. Voreilig ergreifen wir das Referendum nicht - aber wir schliessen es keineswegs aus. Haben Sie sich mit der Zürcher Regierungsrätin, ihrer SVP-Kollegin Rita Fuhrer, noch nicht abgesprochen? Blocher: Nein, ich bin seit zehn Tagen geschäftlich im Ausland. Samuel Schmid hat sich im Bundesrat gegen die nationale Staatshilfe ausgesprochen. Schliessen Sie Ihren SVP-Bundesrat jetzt wieder ins Herz? Blocher: So, so. Er soll sich dagegen ausgesprochen haben. Das ist interessant. Handkehrum: Er war ja nicht stark involviert in der Sache. Doch. Er ist Regierungsmitglied. Blocher: Ja, das weiss ich. Streit habe ich ja nicht mit ihm, das möchte ich betonen. Und wenn er wirklich dagegen war, dann habe ich sehr Freude, dass er wenigstens in diesem einen Punkt nicht von unserem Parteikurs abweicht. Die SVP triumphiert schon jetzt? Blocher: Es zeichnet sich bereits ab, dass die Steuerzahler diesen Schritt der Landesregierung nicht goutieren. Wir werden ja sehen bei den Wahlen im Herbst 2003.

18.10.2001

Die Schweiz hat sich da etwas Ungeheures eingebrockt

Christoph Blocher über die neue Airline, die Vernichtung von Steuergeldern und die Ausschaltung des Parlaments Interview mit der SonntagsZeitung vom 28. Oktober 2001 von Urs Paul Engeler Herr Blocher, Sie hoffen, dass die New Crossair scheitert. Sind Sie ein schlechter Verlierer? Oder wollen Sie provozieren? Christoph Blocher: Offenbar haben die Politiker, die sich nun so aufregen, nur den Titel des "Facts"-Interviews gelesen und nicht den Text. Ich habe dort gesagt, dass ich hoffe, dass die jetzige Lösung mit den Staatsmilliarden scheitern werde. Selbstverständlich will ich nicht, dass die Crossair scheitert, sonst wären ja nicht nur die Steuergelder endgültig verloren. Und man würde noch mehr Bundesgelder einschiessen. Das tönt doch etwas entschuldigend. Das Scheitern der neuen Airline wäre ja der Beweis Ihrer These. Blocher: Ich bin für eine funktionierende private Gesellschaft und will nicht, dass Steuergelder vernichtet werden und die Konkurrenz verzerrt wird. Die Schweiz wurde übers letzte Wochenende politisch umgekrempelt. Sie waren landesabwesend. Die Abwesenden haben immer Unrecht. Blocher: Die Schweiz wurde eben nicht umgekrempelt, leider. Wir haben die gleiche Situation wie immer in den letzten Jahren: SP, Freisinn und einzelne Wirtschaftsführer verbünden sich mit dem Bundesrat, um den staatlichen Einfluss zu erhöhen. Das war beim EWR so, beim Krankenkassengesetz, bei der LSVA, bei der Neat, bei der Wohneigentums-Initiative und wird beim Uno-Beitritt so sein. Genau diese unheilvolle Vermischung von Politik, Wirtschaft und Banken, wie sie jetzt bei der neuen Airline wieder spielen soll, brachte die Swissair zum Absturz. Die Karten wurden ohne Sie gemischt. Ist Ihre Opposition die Rache des Übergangenen? Blocher: Nein, ich weise ja seit Monaten in Artikeln und im Parlament ununterbrochen auf diese Misere hin. André Dosé, der Chef der neuen Crossair, hat Sie zum Einlenken bewegen wollen. Blocher: Er hat mir die Lösung erläutert. Doch ich habe klipp und klar gesagt: Eine staatliche Unterstützung dieser Fluggesellschaft kommt nicht in Frage! Erstens hat der Staat im freien Wettbewerb nichts zu suchen. Und zweitens hat er im Fluggeschäft eine Aufsichtsfunktion. Ich habe ihm gesagt, dass das schlecht herauskommen wird. Sogar Bundesrat Kaspar Villiger hat sich telefonisch um Sie bemüht. Blocher: Ja. Viele Leute haben mich bearbeitet. Aber über Details dieser Gespräche gebe ich keine Auskunft. Hat man Sie als Politiker oder als Geldgeber gewinnen wollen? Blocher: Selbstverständlich als beides. Ich sage in beiden Rollen, dass sich die Schweiz da etwas Ungeheures eingebrockt hat. Und ich investiere nicht in ein falsches Konzept. Es geht hier weniger um Profit als um eine nationale Aufgabe. Blocher: Wir haben die Finanzierung der Überbrückungshilfe von 450 Millionen Franken knurrend zur Kenntnis genommen. Damals ging es um die Behebung von Missständen auf dem Flughafen. Der Aufbau einer Airline ist keine Aufgabe des Staates. Sie als Buhmann der Nation hätten Applaus holen können wie die Unternehmen, die Mut zur Investition bewiesen haben. Blocher: Das Schlimmste ist, wenn man etwas macht, um Beifall zu holen.Wer verantwortungsvoll ist, tut das Richtige. Dank des staatlichen Engagements können Zehntausende Arbeitsplätze gerettet werden. Da tönt Ihr Hinweis zynisch. Blocher: Zynisch sind doch diejenigen, die es so weit haben kommen lassen, dass die Swissair mit vielen andern Firmen in den Abgrund gerissen wurde, und die den Leuten nun glauben machen, mit der Wiederholung dieser Übungsanlage seien die Jobs gesichert. Die Politiker und Wirtschaftsführer, die mir Zynismus vorwerfen, wollen nur ihre Verantwortlichkeiten vertuschen. Seit zehn Jahren fordere ich, dass die Politik die Finger von der Swissair lässt. Nichts ist passiert. Unterdessen haben Bund und Kantone allein 1,3 Milliarden an der alten Swissair verloren! Mehr noch: Sie haben Tausende von Stellen gefährdet. Der neue Staatseingriff verunmöglicht neue Arbeitsplätze und erhöht die Staatsquote. Sie argumentieren streng betriebswirtschaftlich. In andern Fällen lassen Sie den Sonderfall und das nationale Interesse auch einiges kosten: EWR-Nein, Neutralität, Armee zum Beispiel. Blocher: Besteht das nationale Interesse im zunehmenden Sozialismus? Uns zeichnet der Sonderfall aus, die Freiheit, die Selbstverantwortung. Diese Linie verlässt man nun. Neutralität und Landesverteidigung sind wichtige Pfeiler zur Erhaltung von Selbstbestimmung und Wohlstand. Das EWR-Nein dient nur unfähigen Managern als Ausrede. Zurück zu den Arbeitsplätzen... Blocher: Seien Sie nicht blauäugig. Die ganze Übung Swissair-Crossair wird doch nicht zur Sicherung von Arbeitsplätzen veranstaltet. Sonst müssten ja ständig solche Aktionen laufen. Es geht um die Gesichtswahrung der verfilzten Beteiligten: Rainer E. Gut selbst war lange Verwaltungsrat der Swissair und Präsident der Hausbank CS, Andres F. Leuenberger sitzt als Präsident der Economiesuisse - also ex officio! - im Swissair-Verwaltungsrat und so weiter. Zweitens haben die Banken und Unternehmer dem Bund und den Kantonen grosse Risiken abtreten können. Das zahlen alles die Steuerzahler, die Bürger und Bürgerinnen, die sich nicht wehren können. Die Wirtschaft verzichtet ja freiwillig auf Steuersenkungen. Blocher: Das ist nochmals ein Skandal. Zum einen ist die Reduktion der Steuern ein vitales Anliegen der Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen. Und wer hat so grossmütig verzichtet? Nicht die unzähligen kleinen und mittleren Firmen, sondern wieder der Ausschuss der Economiesuisse mit den Mitgliedern Andres Leuenberger, Swissair-Manager Mario Corti, UBS-Präsident Marcel Ospel, FDP-Nationalrat Johann Niklaus Schneider-Ammann, Ueli Forster, Ehemann der FDP-Ständerätin Erika Forster, und so weiter. Es geht also nicht um die Wirtschaft als solche, sondern um höchst durchsichtige Eigeninteressen. Sie beklagen seit langem die "Verpolitisierung" des Dachverbandes Economiesuisse, der sich mehr für Militärgesetze oder den Uno-Beitritt engagiere als für die Wirtschaft. Dennoch treten Sie nicht aus. Blocher: Ja, ich bin im Vorstand der der chemischen Industrie und kämpfe immer wieder für die Marktwirtschaft und Ordnungspolitik. Oft erfolglos: Sämtliche Steuererhöhungen der letzten Jahre kamen mit dem Segen der Economiesuisse zu Stande! Aber wenn ich austreten würde, wäre mein Einfluss noch geringer. Zeit also, eine Art Auns der unzufriedenen heimatlosen Unternehmer zu gründen. Blocher: An sich haben Sie Recht. Es gelangen sehr viele Unternehmer an mich mit der Bitte, eine neue Organisation auf die Beine zu stellen. Aber es ist eine Frage der Zeit und der Kraft. Ich kann einfach nicht alles machen. Wie wollen Sie den Crossair-Deal politisch bekämpfen? Blocher: Viel kann man da leider nicht mehr ausrichten: Alle andern Regierungsparteien sind dafür. Sie können ja gar nicht mehr anders, nachdem der Bundesrat Sachzwänge geschaffen hat. Diese faktische Ausschaltung des Parlaments ist im Übrigen eine weitere Ungeheuerlichkeit. Auch die Schuldenbremse, über die das Volk entscheiden muss, wird bereits verletzt. Die SVP wird wieder einmal alleine einstehen für marktwirtschaftliche Prinzipien und ihre finanz- und wirtschaftspolitischen Wahlversprechen. Das braucht Mut: Es gibt auch SVP-Gemeinden und Kreise, die von der Swissair-Krise stark betroffen sind. Für Ihren Dauerkampf gegen die verhasste FDP eignet sich das Thema bestens. Blocher: Ich pflege doch keinen Hass gegen die Freisinnigen, unsere nächsten Verbündeten. Mit einzelnen Exponenten habe ich stets eng zusammengearbeitet. Schlimm ist, dass die FDP in letzter Zeit versagt hat, besonders im Kanton Zürich. Gerold Bührer, der neue Präsident der schweizerischen FDP, ist angetreten, die SVP überflüssig zu machen. Blocher: Es ist tragisch, dass er die Kraft nicht hat, die FDP endlich auf Kurs zu bringen. Er ist gefangen in Parteifilz und Verwaltungsräten und hat nun ein schlechtes Gewissen, weil er mit Mutterschaftsversicherung, Swissair und Steuerpaket SP-Positionen vertreten muss.

10.09.2001

»Bevölkerung hat Belastung und zu kleinen Nutzen»

Interview mit den Schaffhauser Nachrichten vom 10. September 2001 SVP-Nationalrat Christoph Blocher kritisiert das Zürcher Flughafenkonzept und die Verhandlungstaktik des Bundesrats. Interview: Benjamin Gafner Herr Blocher, wie viel fliegen Sie? Christoph Blocher: Zehn- bis zwölfmal im Jahr, nach Übersee oder beispielsweise nach London. Nach Paris benutze ich den Zug, das ist einfacher. Ich bin nicht gegen das Fliegen, aber ich bin dagegen, dass man unnötig herumfliegt. Sie würden also nie einen 100-Franken-Flug nach London buchen, um übers Wochenende einkaufen zu gehen? Blocher: Nein, nein. Das ist auch gar nicht mein Bedürfnis. Ich sage nicht, dass man es den Leuten verbieten soll, kurz nach London zu fliegen, um einkaufen zu gehen. Ich halte das aber nicht für sinnvoll. Vom Fluglärm sind Sie verschont in Ihrem Heim in Herrliberg. Wären Sie bereit, im Sinne einer gerechten Verteilung mehr Fluglärm zu ertragen? Blocher: Fluglärm haben wir auch, und zwar Helikopter vom Militärflugplatz Dübendorf. Es ist klar: Fluglärm hat niemand gern. Wo soll der Fluglärm im Zusammenhang mit dem Flughafen Kloten stattfinden? Blocher: Dort, wo er am wenigsten stört, also über Gebieten, die wenig besiedelt sind. Auch aus Sicherheitsgründen sollte beispielsweise nicht über die Agglomeration Zürich gestartet und gelandet werden. Dies ist mit dem heutigen Flugregime weitgehend gewährleistet. Deshalb soll daran festgehalten werden. Von einer gleichmässigen Verteilung des Fluglärms rund um den Flughafen halten Sie also nichts? Blocher: Das ist eine der dümmsten Forderungen, die je aufgestellt wurden. Der Fluglärm sollte - genau wie der Strassenverkehrslärm - kanalisiert werden. Stellen Sie sich vor, man käme plötzlich auf die Idee, den Strassenverkehr nicht mehr auf der Autobahn zu konzentrieren, sondern im ganzen Land "demokratisch" zu verteilen, damit alle gleich viel haben. Das wäre doch Humbug. Wenn Sie den Fluglärm auf die Bodenseeregion, den Kanton Schaffhausen, den Thurgau, den gesamten Kanton Zürich, den Aargau und weitere Gebiete verteilen, müssen Sie am Schluss überall Lärmschutzmassnahmen ergreifen. Das ist doch nicht sinnvoll. Sie lehnen den Staatsvertrag mit Deutschland ab und bezeichnen die Verhandlungsweise des Bundespräsidenten als dilettantisch. Weshalb diese scharfe Formulierung? Blocher: Weil sie der Tatsache entspricht. Der Bundesrat hat wieder den gleichen Fehler gemacht wie bei den Verhandlungen über die bilateralen Verträge mit der EU: Der Bundespräsident darf doch nicht persönlich verhandeln gehen. Als höchster Regierungsvertreter der Schweiz kann er im Ausland nicht sagen, er müsse nun zuerst zu Hause die Erlaubnis für ein Entgegenkommen einholen. Man sollte deshalb andere Vertreter an die Verhandlungen schicken, während die Regierung zu Hause im Hintergrund eine klare Position innehält. Die Verhandler kehren zurück, berichten dem Bundesrat und holen neue Direktiven ab. So gewinnt man Zeit zum Überlegen und Diskutieren. Es ist wichtig, dass die eigenen Verhandler, die an der Front tätig sind, desavouiert werden können. Nur so gewinnt man. Der Bundespräsident sollte notfalls höchstens noch am Schluss hingehen und den Vertrag feierlich unterschreiben. Sie vergleichen politische Verhandlungen offensichtlich mit Ihren Verhandlungen in der Wirtschaft? Blocher: Das ist doch genau dasselbe. Meinen Sie, ich nehme als oberster Chef der Ems Chemie an Verhandlungen teil? Wenn alles sehr gut läuft, gehe ich höchstens am Schluss selbst noch hin, wenn wir abgemacht haben, wo wir im einen oder anderen Punkt noch etwas nachgeben. Der Bundesrat hat einmal mehr dilettantisch verhandelt. Es ist ja unglaublich, welch schlechten Vertrag er dem Parlament nun vorlegt. Weshalb? Blocher: Es zeigt sich nun, dass bereits bei den bilateralen Verträgen Land- und Luftverkehr hätten gekoppelt werden sollen. Wir haben das immer gefordert. Und man hat es auch versprochen. Beim Landverkehr ist man dem Ausland sehr entgegen gekommen, dafür hätte man beim Luftverkehr etwas erhalten. Deutschland kann uns doch nicht den ganzen Dreck des Lastwagen-Transitverkehrs geben und gleichzeitig sagen: "Aber der Flugverkehr kommt nicht zu uns." Leuenberger hat im April viel zu weich verhandelt. Er hat bei den Eckwerten nachgegeben, daran ändert sein nachträgliches Insistieren, das erst auf Druck der Öffentlichkeit zustande kam, nichts. Nachgeben am Anfang ist Gift für jede Verhandlung. Sie lehnen den Vertrag ab. Mit welchen Konsequenzen rechnen Sie, wenn Ihnen das Parlament folgen sollte? Blocher: Der Bundesrat sagt: Lieber einen schlechten Vertrag als gar keinen. Was ist denn dies für eine Alternative? Es gäbe ja auch noch einen guten Vertrag statt gar keinen! Die Frage nach den Konsequenzen bleibt. Blocher: Wenn das Parlament den Vertrag ablehnt, wird nochmals verhandelt, oder Deutschland setzt einseitig eine Verordnung in Kraft. Sollte Letzteres geschehen, müsste dies angefochten werden. Dann schauen wir mal, was diese Verordnung rechtlich wert ist. Sollte die Schweiz im Rechtsstreit unterliegen, müsste sie Gegenmassnahmen im Strassenverkehr treffen. Die Schweiz muss endlich Gegenpositionen entwerfen und ihre eigenen Interessen wahren. Wie könnten solche Gegenmassnahmen aussehen? Blocher: Genau dies muss der Bundesrat nun prüfen und vorbereiten. Möglichkeiten gibt es viele: Wir könnten die ganze 40-Tonner-Geschichte in Frage stellen, die Verträge sind ja in der EU noch nicht ratifiziert. Wir haben ein Lastwagenkontingent, da lässt sich viel machen. Verträge bestehen schliesslich immer aus Geben und Nehmen. Sie wollen also Deutschland beispielsweise sagen, jetzt dürften keine deutschen Lastwagen mehr durch unser Land fahren? Blocher: Ich bin nicht für einen Landverkehrs- und Luftverkehrskrieg. Aber für den Fall der Fälle sollte sich der Bundesrat entsprechend vorbereiten. Wenn Deutschland sagt: "Wir haben nicht gern Fluglärm", dann entgegnen wir, dass wir nicht gern Strassenverkehrslärm haben, und präsentieren entsprechende Massnahmen. Ich glaube nicht, dass sich Deutschland auf einen solchen Streit einlassen würde. Das mächtige Land wird innerhalb der EU genau beobachtet, wie es mit den Kleinen umgeht. Deutschland könnte sich einen ernsthaften Streit mit der Schweiz so wenig leisten wie umgekehrt. Stellen Sie sich vor, die Situation wäre umgekehrt: 90 Prozent der Flugzeuge würden im Tiefflug über die Schweiz einen benachbarten Flughafen Deutschlands anfliegen. Würden wir nicht auch reklamieren? Blocher: Natürlich, aber es kommt schon auf die genaue Situation an. Die jetzige Situation ist so, dass die Anflüge auf Kloten über wenig besiedeltes Gebiet erfolgen. In Süddeutschland sind viel weniger Personen vom Lärm betroffen, als wenn plötzlich über die Agglomeration Zürich geflogen wird. Es ist doch nicht einsehbar, weshalb das geändert werden soll. Deutschland versucht hier ganz einfach, Sonderrechte für sich in Anspruch zu nehmen. Bei den deutschen Flughäfen gelten offenbar noch ganz andere Massstäbe. Und es ist ja nicht so, dass wir den Flugverkehr willkürlich über Deutschland abwickeln, obwohl dort viel mehr Leute betroffen wären als bei uns. So etwas wäre in der Tat ungerecht. Dem ist aber nicht so. Wird das Parlament den Staatsvertrag ablehnen? Blocher: Ich befürchte, dass der Vertrag im Parlament angenommen wird. Aus Mangel an Durchsetzungskraft werden die Interessen des eigenen Staates preisgegeben. Was halten Sie von der Politik der Flughafendirektion, die Kloten als Hub definiert, also als Drehscheibe für Transitpassagiere? Blocher: Vom Flughafen her ist dies verständlich. Doch das Volk muss sich nun die Frage stellen: "Welchen Flughafen wollen wir?" Meine Antwort lautet: Wir wollen einen Flughafen, der unserer Volkswirtschaft dient. Das heisst, wir wollen gute Flugverbindungen von und nach Zürich. Das Hub-Konzept ist aber volkswirtschaftlich fragwürdig. Es ist geprägt von dem verfehlten und jetzt auch gescheiterten Swissair-Konzept. Das Konzept der Grösse ist gestorben, also müssen wir darauf keine Rücksicht mehr nehmen. Heute wird das Hub-Konzept im Interesse der Flughafen-Auslastung aufrechterhalten. Doch dies allein kann nicht entscheidend sein. Die Volkswirtschaft als Ganzes zählt. Welche Rolle spielt bei Ihrer Beurteilung die Meinung des Volks? Blocher: Ich glaube nicht, dass das Volk einen Flughafen will, in dem Zehntausende von Transitpassagieren landen, nur um umzusteigen und wieder davonzufliegen. Die gehen ja nicht in die Stadt und konsumieren etwas. Von den Transitpassagieren haben wir volkswirtschaftlich wenig. Die Bevölkerung hat die Belastung und einen zu kleinen Nutzen. Wie weit sollte der Flughafen Rücksicht auf die Bevölkerung nehmen? Blocher: Der Flughafen kann auf Dauer keine Politik betreiben, die vom Volk nicht akzeptiert wird. Das ist in der Industrie genau dasselbe. Wenn ich auf die Idee käme, im Kanton Graubünden eine riesige Raffinerie zu bauen, direkt neben der Stadt Chur, könnte ich dies auch nicht tun. Ganz einfach deshalb, weil die Bevölkerung dies nicht will. Der Flughafen investiert jetzt für den Ausbau über zwei Milliarden Franken. Er kann wohl nicht so einfach zurück. Blocher: Sollte sich die Investition als Fehlinvestition erweisen, dann ist es halt eine. Ich habe in meinem Unternehmen auch schon Fehlinvestitionen gemacht (lacht). Diese musste ich dann halt tragen und anderswo wieder wettmachen. Herr Blocher, wir danken Ihnen für das Gespräch.

09.09.2001

Strikte gegen Staatshilfe

Interview mit der SonntagsZeitung vom 9. September 2001 Christoph Blocher über die Sanierung der Swissair Interview: Arthur Rutishauser Christoph Blocher, was muss nach Ihrer Meinung geschehen, damit die Swissair wieder auf die Beine kommt? Christoph Blocher: Nun müssen die Banken eine Sanierung durchführen wie seinerzeit in der Uhrenindustrie. Was bedeutet das? Blocher: Eine Umwandlung von Schulden in Eigenkapital. Also ein Schuldenverzicht und eine Aufstockung des Eigenkapitals. Warum sollten sie das tun? Blocher: Aus der gleichen Motivation wie bei der Uhrenindustrie. Damals verzichtete man auch auf viel Geld, im Nachhinein stellte sich das aber als sehr lohnendes Geschäft für die Banken heraus. Gelegentlich wird auch gefordert, der Staat, das heisst die beteiligten Kantone und der Bund, sollten der Not leidenden Airline unter die Arme greifen. Blocher: Da bin ich strikte dagegen. Nur schon die Diskussion zeigt, dass man vielmehr die Swissair-Aktien schon viel früher hätte verkaufen sollen. Könnten Sie sich eine Bürgschaft des Bundes für die Swissair vorstellen? Blocher: Nein, denn das käme letztlich auf dasselbe heraus wie ein Kredit. Und wie steht es bei einer Kapitalerhöhung - soll da der Staat mitziehen? Blocher: Da würde es sich wohl nicht vermeiden lassen, dass Bund und Kantone mitmachen. Wenn es der Swissair aber wieder besser geht, sollte man die Aktien so schnell wie möglich verkaufen. Kann es sich denn die Schweiz leisten, auf eine nationale Airline zu verzichten? Blocher: Das ist keine nationale Airline, das ist eine private Fluggesellschaft, die so wie alle anderen Unternehmen selbst für ihr Überleben sorgt. Sonst züchten wir eine Subventionswirtschaft heran. Trotzdem, ohne Fluggesellschaft befürchtet die Wirtschaft Nachteile für den Standort Schweiz. Blocher: Wir brauchen für die Wirtschaft keine Swissair, sondern gute Flugverbindungen ab Zürich. Und die können auch ausländische Airlines erbringen. Ich sehe jedenfalls keinen Notstand, der eine Staatsintervention rechtfertigen würde. Glauben Sie, dass eine eventuelle Übernahme der Swissair noch einen nationalen Aufschrei verursachen würde? Blocher: Nein, warum? Immerhin kam es Anfang der Neunzigerjahre zu einer grossen Kampagne, als versucht wurde, die Swissair mit der holländischen KLM und der skandinavischen SAS zu fusionieren. Blocher: Da haben all die Hiobsbotschaften aus Kloten die Emotionen sicher beruhigt. Heute wäre wohl jeder froh, das Problem Swissair wäre gelöst. Sind für Sie die Sanierungsmassnahmen, die Swissair-Chef Mario Corti bisher einleitete, genügend? Blocher: Bei Sanierungen in dieser Grössenordnung darf man meiner Ansicht nach nicht zu zögerlich vorgehen. Da braucht es wohl eher den Vorschlaghammer. Vor allem, weil wohl noch viel mehr getan werden muss, als bisher bekannt ist. Glauben Sie, dass die Möglichkeit besteht, dass die Swissair Konkurs geht? Blocher: Nein, denn da ist viel zu viel Schweizer Wirtschaftsprominenz involviert. Die wird alles tun, um einen Konkurs zu vermeiden. Denn sonst müsste sie mit Prozessen der Geschädigten rechnen. Das ist ganz klar.