Testi

Economia

01.08.2001

«Innert 48 Stunden habe ich zugeschlagen»

Der Unternehmer und Politiker über seine jüngsten Firmenkäufe und über seinen Konjunkturpessimismus. Interview mit der BILANZ vom August 2001 von Martin Schläpfer und Medard Meier Mit Axantis und Netstal haben Sie zwei Firmen gekauft, die Sie schon lange im Visier hatten. Schliesst sich damit Ihr unternehmerischer Lebenskreis? Christoph Blocher: Nein, meine unternehmerische Tätigkeit hat viel Intuitives an sich. Bis jetzt habe ich nur Firmen gekauft, denen es schlecht ging. So seinerzeit die ehemalige Ems, dann Togo und Dottikon. Aber sie mussten zu Ems passen, und wir müssen sie führen können. Axantis befand sich in einer Notsituation. Die Firma in die Gewinnzone zu bringen, ist die Herausforderung. Ob es gelingt, weiss ich noch nicht. Ich habe Freude daran, Unternehmen, die am Boden sind, zum Erfolg zu führen. Bei Netstal war ich als Verwaltungsrat und später als Präsident dabei, als man das praktisch konkursreife Unternehmen retten musste. Dank seiner Unabhängigkeit ist es gelungen. Diese war jedoch erneut gefährdet, als die Firma von einem Finanzinvestor übernommen wurde. Netstal brauchte einen Unternehmer. Innert 48 Stunden habe ich zugeschlagen. Und sogar die Arbeiter haben Ihnen gedankt. Blocher: Ja. Arbeiter und Besitzer bilden eben eine Einheit; das sollte die Linke einmal zur Kenntnis nehmen. Arbeiter wollen Arbeitsplätze. Ist der Unternehmer tüchtig, stossen sie sich nicht an seinem Reichtum. Sie wissen: Es gibt nichts Traurigeres als einen armen Unternehmer. Mit Netstal haben Sie ausnahmsweise eine Perle erworben. Blocher: Ja, sie war auch entsprechend teuer. Ich kenne die Firma, ihre Strategie und das Management: Das Risiko ist folglich limitiert. Während der Mannesmann-Ära bin ich ja aus dem Netstal-Verwaltungsrat geflogen, weil ich konsequent für die Eigenständigkeit gekämpft habe. Im Rückblick war jener Kampf das Wichtigste für die Firma. Hat die Spritzgussmaschinenherstellerin eine optimale Grösse? Blocher: Auf jeden Fall ist sie gross genug, um führend zu sein und einen besonderen Kundenservice zu bieten. Das Management unter Dieter Klug, dem tüchtigen Geschäftsführer, glaubt an die Firma und ihre Grösse. Streben Sie neben Ems und Netstal ein drittes Bein an? Blocher: Nein, ich muss jetzt die beiden Übernahmen bewältigen. Axantis ist ein Turnaround. Die Firma wäre heute bereits in Konkurs, wenn Herr Model sie übernommen hätte. Der Zellstoffbereich ist extrem konjunkturanfällig; im Moment steckt die Papierbranche in einem Tief. Die neuen Produkte sind noch ungewiss. Ihr Stern scheint am Schweizer Wirtschaftsfirmament umso heller, je mehr andere verblassen. Swissair lässt grüssen. Blocher: Jeder Unternehmer hat auch Misserfolge zu verkraften. Auch ich habe Fehlinvestitionen und Fehleinkäufe getätigt. Das hat man von aussen nur nicht so wahrgenommen. Wogegen ich antrete: Wenn ein Missmanagement toleriert wird, weil die Verantwortlichen einem Beziehungsnetz angehören und man sich gegenseitig protegiert, wie dies zum Beispiel bei Swissair, Sulzer, Von Roll, Biberist und Calida der Fall war. Wie fähig sind denn unsere Manager? Blocher: Wenn ich die Gesamtwirtschaft betrachte, so ist unser Management insgesamt tüchtig. Es gibt aber noch verfilzte Strukturen. Die Protegierereien schaden der Wirtschaft und der Politik. Ihre Attacken zielen immer auf den Freisinn. Blocher: Weil es dort am schlimmsten ist. Wir Bürgerlichen vertreten Freiheit und Selbstverantwortung. Wenn die Freisinnigen wegen dieses Gedankenguts angeschossen werden, ducken sie sich, weil sie im beruflichen Bereich versagen. Bei den Wirtschaftsverbänden herrschen ähnliche Zustände: Sie haben sich nicht mehr energisch für die Ordnungspolitik eingesetzt. Der damalige Vorort bezeichnete den Bau von zwei Neat-Röhren als wirtschaftlichen Unsinn. Als es zur Abstimmung kam, wurde die geplante Nein-Kampagne eingestampft, und die Wirtschaft plädierte für ein Ja. Die bestehende Verkehrsmisere haben Freisinn und Vorort mitzuverantworten. Der Vorort ist Ihnen ein Dorn im Auge, weil er die Öffnung der Schweiz forciert. Doch steuerpolitisch liegt er voll auf Ihrer Linie. Blocher: Steuerpolitisch jetzt endlich. Aber es ist schon seltsam, dass ich während vier Jahren ein Steuerkonzept vertreten musste, bis Economiesuisse eingeschwenkt ist. Die Verbände müssten vorausmarschieren und uns Politiker mit ihren liberalen Forderungen antreiben und nicht umgekehrt. Das hängt damit zusammen, dass die Verbände zu stark mit den staatlichen Strukturen verhängt sind. Würde man sie am besten gleich ganz abschaffen? Blocher: Warum nicht? Sie haben eben eine andere Bedeutung erhalten. Wegen der zunehmenden Verbandelung von Staat und Wirtschaft müssen sie einerseits mit staatlichen Behörden Kompromisse schliessen. Andererseits sollten sie eine saubere Ordnungspolitik betreiben und gegen ihre Politfreunde im Staate antreten. Das braucht viel Kraft. Aus Rücksicht auf Ihre strukturkonservative Basis halten Sie sich bei der unpopulären Liberalisierungspolitik auffallend zurück. So lehnen Sie das neue Elektrizitätsmarkt-Gesetz ab. Blocher: Aus zwei Gründen. Die Liberalisierung, also tiefere Preise, muss erstens sofort allen zugute kommen. Und zweitens lautet mein Kredo: Wenn ein Monopol nicht verhindert werden kann, so ist mir ein staatliches lieber als ein privates. Denn staatliche Monopole sind wenigstens demokratisch kontrolliert, private führen zur Abzockerei. Ich kämpfte bei den Bürgerlichen ohne Erfolg für eine staatliche Netzgesellschaft, da bei der Stromdurchleitung keine Konkurrenz möglich ist. So war ich auch für eine staatliche Börse. Mit dem neuen Börsengesetz wurde der Wettbewerb ausgeschlossen. Jetzt können nicht zuletzt die Grossbanken ihre Sonderinteressen durchsetzen. Wer bestimmt etwa die Zusammensetzung des SMI? Sie sind erbost, weil der Ems-Titel eliminiert wurde. Blocher: Nein, das ist vertretbar. Die Frage ist nur, weshalb Sulzer Medica und Swissair noch drin sind und wer die Zusammensetzung des SMI bestimmt. Gibt es eigentlich ein geschütztes Recht, oder ist es Willkür eines Monopolisten? Gemeinsam mit der Linken opponieren Sie gegen die Privatisierung der Zürcher Kantonalbank. Blocher: Vor 20 Jahren war ich für eine Privatisierung. Damals gab es noch zahlreiche Kreditbanken. Heute bin ich dagegen, weil die privatisierte Bank früher oder später von einer Grossbank geschluckt würde. Dies hätte zur Folge, dass der Kreditmarkt eingeengt würde. Die Gründung der Kantonalbank war ja kein sozialistischer Akt. Damals funktionierte die Kreditversorgung nicht, deshalb hat man sie gegründet. Heute wäre es ähnlich. Haben Sie mit dem Staat Frieden geschlossen? Ihre Kritik an der Classe politique ist praktisch verstummt. Blocher: Jede Zeit hat ihre Probleme. Ich verteufle den Staat nicht, nur seine Allmacht. Bei den Steuersenkungen haben wir endlich den Widerstand gebrochen. Jetzt reden alle davon. Deshalb gehe ich einen Schritt weiter. Im Kanton Zürich und später beim Bund wollen wir den ganzen Wust von Gebühren und Abgaben überprüfen. Von den Gesamteinnahmen des Kantons Zürich machen Gebühren und Abgaben immerhin 60 Prozent aus. Der neue FDP-Präsident, Gerold Bührer, hat Sie mit seiner Tiefsteuerpolitik dazu gezwungen. Blocher: Das Beste ist, wenn eine andere Partei die Forderungen übernimmt. Es freut mich, dass die Freisinnigen die erfolgreiche SVP-Politik betreiben wollen. Nur: Wenn die Linke bei Wahlen wieder Erfolg haben sollte, wird der Freisinn wieder das Gegenteil vertreten. Er hat ja auch während zehn Jahren behauptet, es sei nicht so schlimm, die Steuern dauernd zu erhöhen. Sie warnen schon lange vor einer Rezession. Jetzt scheint Ihnen die Entwicklung Recht zu geben. Blocher: Ja, in der Regel bin ich mit meinen Prognosen den Konjunkturinstituten um ein bis zwei Jahre voraus. Mitte 2000 haben noch alle wegen meiner Einschätzung den Kopf geschüttelt. Jetzt kommt der Abschwung sogar noch etwas früher, als ich befürchtet habe. Ems spürt die Rezession in den USA. Japans Situation ist konfus. Europa wird nachziehen, wobei die Handlungsunfähigkeit der Europäischen Zentralbank die Situation noch verschlimmert. Jetzt kommt die Fehlerhaftigkeit der Euro-Konstruktion zum Vorschein: Deutschland braucht eine Zinssenkung, die Südstaaten das Gegenteil, und die Notenbank kann es nicht allen Recht machen, sodass sich die Rezession im wichtigsten Industriestaat Deutschland verschärft. Kann sich die Schweizer Wirtschaft dem Abwärtssog entziehen? Blocher: Die Schweiz hat im Wesentlichen keinen eigenen Konjunkturzyklus. Wir sind von den Exportmärkten abhängig. Ich habe noch keine Anzeichen dafür, ob es eine lange oder eine kurze Rezession gibt. Sicher ist nur, dass es sie geben wird. Der Papiermarkt etwa ist dramatisch eingebrochen, dies erlebe ich bei Attisholz. Aber auch die Entwicklung bei den Inseraten und den Autos weisen darauf hin. Ich bin aber optimistisch: Wir werden die Rezession gut überstehen, weil wir vorbereitet sind.

08.07.2001

Kauf der Netstal-Maschinen AG durch Christoph Blocher

Medienmitteilung vom 8. Juli 2001   Die EMESTA Holding AG, Zug, die sich zu 100 % im Besitz von Dr. Christoph Blocher, Herrliberg (Schweiz), befindet, teilt mit: Nachdem MPM Holding GmbH + Co KG, Frankfurt, am 6. Juli 2001 von der Atecs Mannesmann AG, Düsseldorf, eine Gesellschaft, die zur Siemens Gruppe gehört, 89,78 % der schweizerischen Netstal-Maschinen AG, Näfels (Netstal) gekauft hatte, hat sie am 8. Juli 2001 die Beteiligung an Netstal an die EMESTA Holding AG weiter veräussert. Der Erwerb steht unter der Voraussetzung, dass der Kaufvertrag MPM Holding/Atecs seinerseits rechtsgültig vollzogen wird. Vorbehalten bleiben zudem die Bewilligungen der zuständigen Kartellämter, die innert zwei Monaten zu erwarten sind. Über den Kaufpreis haben die Parteien Stillschweigen vereinbart. Netstal, einer der technisch führenden Hersteller von Kunststoff-Spritzgiessmaschinen, erwirtschaftete im Jahr 2000 einen Umsatz von CHF 476 Mio. und beschäftigt 813 Mitarbeiter. Christoph Blocher hat diese Beteiligung erworben, um Netstal als selbständiges, jetzt wieder schweizerisches Unternehmen erfolgreich weiter zu führen und weiter zu entwickeln. Dieser Erwerb hat beim Management der Netstal-Maschinen AG und ihrer Tochtergesellschaften uneingeschränkte Zustimmung gefunden. Ein Kaufangebot an die Publikumsaktionäre mit entsprechender Voranmeldung wird gemäss den Übernahmebestimmungen nach schweizerischem Recht unterbreitet.

05.07.2001

«Wann übernimmt Ihre Tochter den Laden, Herr Blocher?»

Magdalena Martullo-Blocher wird Verwaltungsrätin der Ems-Gruppe Interview mit dem Blick vom 5. Juli 2001 Christoph Blocher (60), Besitzer der Ems-Gruppe, setzt seine älteste Tochter Magdalena in den Verwaltungsrat seines Unternehmens. Wird sie bald die Leitung des Chemie-Konzerns übernehmen? Interview: Silvio Bertolami Herr Blocher, ist jetzt vorgespurt, dass Ihre Tochter Magdalena in einigen Jahren ihre Nachfolgerin wird? Christoph Blocher: Es ist zu früh, solche Fragen aufzuwerfen. Ich bin für ein pragmatisches Vorgehen. Gerade wenn es um meine Kinder geht, bin ich streng. Ich wollte deshalb auch, dass sie ihre Karriere in einem fremden Unternehmen machen. Sie dürfen ihren Aufstieg nicht dem Support des Vaters verdanken. Ihre Tochter Magdalena ist das älteste von vier Kindern. Bedeutet ihr Einzug in den Verwaltungsrat der Ems-Gruppe nicht, dass sie im Rennen um Ihre Nachfolge die Pole-Position erobert hat? Blocher: Nein. Was ich sagen kann: Magdalena leitet seit Anfang Jahr interimistisch die Ems Dottikon AG, die zum Bereich Feinchemie der Ems-Gruppe gehört. Sie hat ihre Aufgabe in einem schwierigen Moment angetreten. Denn Ems Dottikon steht vor einer Umstrukturierung. Meine Tochter hat bereits in der kurzen Zeit bewiesen, dass sie das Metier sehr gut beherrscht. Und bei Rivella hat sie auch gute Arbeit geleistet. Darum wird sie zur Wahl in den Verwaltungsrat vorgeschlagen. Wie es dann weitergeht mit ihr, wird man sehen. Hätten Sie es aber am liebsten, wenn Ihre Ems-Gruppe dereinst einmal von einem Ihrer Kinder geleitet würde? Blocher: Ich besitze 60 Prozent des Kapitals und 80 Prozent der Stimmen der Ems-Gruppe. Wenn ich sterbe, erbt die Familie also die Mehrheit des Unternehmens. Ich sähe die Kinder gerne in unternehmerischer Funktion. Sie müssen allerdings zwei Bedingungen erfüllen: Sie müssen die Fähigkeit und den Leistungswillen dazu haben und es auch wollen. Wie sieht es bei Ihren drei anderen Kindern aus? Könnten sie das Zeug zu einem Unternehmensführer haben? Blocher: Unser Sohn Markus, er ist 30, studierte Chemie. Das halte ich für eine wertvolle Ausbildung. Jetzt arbeitet er bei McKinsey und muss beweisen, dass er schwierige wirtschaftliche Projekte meistern kann. Ob es ihm gelingt, kann ich noch nicht sagen. Und ihre zwei jüngeren Töchter? Blocher: Miriam, jetzt 26, schloss an der ETH als Lebensmittel-Ingenieurin ab und bildete sich auch betriebswirtschaftlich aus. Ein guter Rucksack für eine industrielle Aufgabe. Sie leitet heute bei der Firma Zihle in Rupperswil die Bonbon-Produktion. Das ist ihre erste Stelle. Rahel, 25, studiert Ökonomie an der Hochschule St. Gallen. Keines Ihrer Kinder wollte also Pfarrer, Lehrer oder Soziologe werden. Blocher: (verschmitzt) Da Kinder immer das Gegenteil dessen machen, was man ihnen empfiehlt, sagte ich ihnen: Studiert doch Theologie, Psychologie oder Soziologie. Offensichtlich erreichten Sie mit Ihrem Trick das Ziel. Nun ist es aber plötzlich möglich, dass alle vier das Zeug zum Führen eines Unternehmens haben. Ist das der Grund, weshalb Sie Attisholz kauften und nun auch an der Maschinenfabrik Netstal interessiert sind? Für jedes Kind eine Firma? Blocher: Das ist nicht ausgeschlossen. Aber ich kaufe Firmen nicht deswegen, sondern aufgrund wirtschaftlicher Erwägungen und wenn es nötig ist. * * * Magdalena Martullo-Blocher: Sie hat Rivella grün bekannt gemacht Magdalena Martullo-Blocher (32). Eine Jungmanagerin ist unaufhaltsam auf dem Weg nach oben. Wer ist die neue Verwaltungsrätin der Ems-Chemie? Die älteste Blocher-Tochter schreitet in den Fussstapfen des Vaters. Seit einem halben Jahr führt die studierte HSG-Ökonomin die Ems Dottikon, ein Unternehmen der Emser Gruppe. Dort macht sie einen so guten Job, dass Christoph Blocher sie nun in den Verwaltungsrat des Konzerns holt. Voll des Lobes über sie ist auch Rivella-Chef Franz Rieder (55). Während vier Jahren leitete sie beim Getränkekonzern in Rothrist AG mit grossem Erfolg das Marketing. Franz Rieder schwärmt von den Talenten der Jungmanagerin: "Sie war eine richtige Powerfrau, sehr kompetent und sehr beliebt bei den Mitarbeitern." Die Kampagne für das neue Rivella grün ("Welche Farbe hat dein Durst?") trug ihr sogar die Marketing-Trophy 2000 ein - den Schweizer Werbe-Oscar. Verheiratet ist die Aufsteigerin mit Roberto Martullo. Der in der Schweiz aufgewachsene Italiener arbeitet in Zürich im Personalbereich. Das junge Ehepaar wohnt - standesgemäss - in der Zürcher Goldküstengemeinde Meilen.

15.06.2001

Zum Verkauf der Netstal Maschinen AG in Näfels

Medienmitteilung vom 15. Juni 2001   Die Mannesmann Plastic Machinery (MPM), welche sich heute im Besitze der Siemens befindet, soll als Ganzes verkauft werden. Die Netstal Maschinen AG (Netstal) gehört zur MPM-Gruppe. Die Emesta Holding AG, eine Gesellschaft, die zu 100% im Besitze von Christoph Blocher ist, hat Siemens mitgeteilt, dass sie für die ganze MPM-Gruppe kein Interesse hat., aber gegebenenfalls bereit wäre, Netstal allein zu erwerben. Andere Schritte in dieser Sache sind nicht erfolgt.

11.06.2001

Die Schweiz ist jetzt eindeutig weniger sicher

SVP-Nationalrat und Auns-Präsident Christoph Blocher will jetzt Rüstungskredite im Umfang von einer Milliarde streichen Interview mit dem Tages-Anzeiger vom 11. Juni 2001 Mit Christoph Blocher sprach Luciano Ferrari Herr Blocher, sind Sie sehr enttäuscht über das Abstimmungsergebnis? Christoph Blocher: Ich bedaure es. Aber es ist besser, als wir zu Beginn gedacht hatten. Ich habe nie an eine Annahme des Referendums gedacht, denn es ist fast nicht möglich, allein diesen Kampf zu führen. Bedeutet das Ergebnis jetzt für Sie, dass die Mehrheit der Schweizer und Schweizerinnen bereit ist, ihre Söhne und Töchter für fremde Kriegshändel zu opfern? Blocher: Ja, es kann dazu führen. Allerdings hat der Bundesrat gesagt, er werde an der Neutralität festhalten. Er hat es betont, je länger der Abstimmungskampf dauerte. Ebenso hat er den Nato-Anschluss bestritten und weiter versprach er an der Milizarmee festzuhalten. Bei der Ausbildungs-zusammenarbeit gehe es nicht um Kriegsübungen mit anderen Armeen, sondern um die Vereinfachung des heutigen Zustands. Wenn er sich daran hält, dann muss er jetzt die Armee-XXI-Doktrin völlig ändern. Tut er es nicht, wird das zu dem führen, was wir auf den Plakaten gezeigt haben. Der Bundesrat wird für die Armee XXI ein neues Militärgesetz vorlegen müssen. Hält er seine Versprechen nicht ein, ergreifen wir erneut das Referendum, und dann wird es für ihn heikel. Dennoch geht mit diesem Ja Ihrer Meinung nach die 200-jährige Friedenstradition der Schweiz zu Ende. Ist die Schweiz jetzt weniger sicher? Blocher: Eindeutig. Weil die Armee und der Bundesrat die Möglichkeit bekommen haben, mit anderen Armeen Kriegsübungen zu veranstalten. Auch wenn der Bundesrat gesagt hat, er mache es nicht: Das Gesetz ermöglicht dies nun. Wurde mit der heutigen Abstimmung letztlich auch die Armee XXI abgesegnet? Blocher: Nein, das gerade eben nicht. Und das ist das Grossartige an diesem knappen Ergebnis. Denn der Bundesrat hat das Wesentliche versprochen. Also muss er dies jetzt auch einhalten. Zudem hat der Gesamtbundesrat am Schluss etwas sehr Gewagtes getan: Vor zehn Tagen hat der Bundespräsident erklärt, es gehe bei dieser Abstimmung um die Frage "Blocher oder Bundesrat". Er hat gleichsam die Vertrauensfrage gestellt. Das macht man eigentlich nur in Notzeiten. Jetzt muss ihm sein Ergebnis von nur 51 Prozent zu denken geben. - Ich muss meine 49 Prozent mit niemandem teilen, er seine 51 Prozent durch sieben. (lacht) Sie können doch die Nein-Stimmen aus der Westschweiz nicht auf Ihr Konto buchen. Blocher: Es ist mir letztlich gleichgültig, auf welches Konto welche Stimmen gehen. Sie haben in diesem Abstimmungskampf auch gegen eine Professionalisierung und Aufrüstung der Schweizer Armee gekämpft. Ist das jetzt vom Tisch? Geben Sie sich geschlagen? Blocher: Sicher nicht. Wir werden die Rüstungskredite genau unter die Lupe nehmen. Dabei kann der Bundesrat die Milliarde Franken zur Umrüstung der Armee auf Nato-Standard schon jetzt streichen, denn er will sich der Nato ja nicht annähern. Dann wandelt sich die SVP ab heute zu einer armeekritischen Partei? Blocher: Ich kann nicht für die ganze SVP reden. Wir sind immer für eine Armee eingestanden, aber wir sind nie für Missbräuche gewesen und dafür, dass man mit der Armee im Ausland eine Grossmachtpolitik betreibt. Diese Tendenzen sind vorhanden, ob es der Bundesrat wahrhaben will oder nicht. Er wird auch nicht darum herumkommen, personelle Wechsel vorzunehmen im VBS. Wo genau? Blocher: Bei der Generalität. Aber die Generalität hat doch gewonnen. Blocher: Sie haben nur 51 Prozent gewonnen unter all den Versprechungen des Bundesrates. Hat diese Abstimmung die Voraussetzungen für einen Uno-Beitritt verbessert? Blocher: Im Gegenteil. Der hohe Nein-Stimmenanteil ist für uns ermutigend, und der Bundesrat hat das Ständemehr nicht erreicht. Dies aber wäre bei einem Uno-Entscheid ausschlaggebend. Wir haben aber die Uno nie zum Thema gemacht. Bei der Uno wird es definitiv um die Neutralität gehen, und der Bundesrat kann dann nicht mehr behaupten, er halte an der Neutralität fest, wenn er einen Vertrag unterschreibt, mit dem der Uno-Sicherheitsrat der Schweiz aussenpolitische Verpflichtungen auferlegen kann. Die Verletzung der Neutralität ist dann eindeutig. Nun hat die Auns zum ersten Mal ein Referendum ergriffen und ist dabei prompt gescheitert. Was bedeutet das für Ihre Bewegung? Blocher: Weitermachen, weiterkämpfen. Hat sich die Auns überschätzt? Blocher: Ich habe nie gesagt, die Auns sei eine Bewegung, die immer die Mehrheit auf ihrer Seite hat. Sie haben enorm viel Geld und persönliches Engagement in diesen Abstimmungskampf geworfen. Die Gegenseite hat sich eher zurückgehalten. Wieso glauben Sie, haben Sie trotzdem verloren? Blocher: Das war von Anfang an ein sehr harter Lauf. Wenn Sie allein gegen den gesamten Bundesrat, gegen die Parteien, die Wirtschaft, die Linke und dann auch noch praktisch die ganze Medienlandschaft antreten müssen… ...das war doch schon beim EWR so. Blocher: Es ist ja auch ein Zufallsmehr wie beim EWR herausgekommen. Nur lag dort das knappe Ergebnis auf unserer Seite und dort zählte auch das Ständemehr. Sie haben dem Bundesrat vorgehalten, "heimatmüde" und "auslandshörig" zu sein. Nehmen Sie das jetzt zurück, oder ist auch die Mehrheit des Volks "heimatmüde"? Blocher: Ich halte am Vorwurf an den Bundesrat fest, weil er die Neutralität und Unabhängigkeit nicht mehr ernst nimmt. Aber er hat dem Volk versprochen, dass er sie in Zukunft ernst nehmen wolle. Ich nehme an, dass ein Teil der Schweizer und Schweizerinnen ihm geglaubt hat. Sie haben gegen Ihren eigenen Bundesrat Samuel Schmid verloren, einen Mann mit "Prokuristencharme", wie Ihr Kollege Christoph Mörgeli sagt. Lässt Sie dies an Ihrer politischen Schlagkraft zweifeln? Blocher: Nein. Es ist ja nicht Samuel Schmid der gewonnen hat. Es sind der Bundesrat, die Regierungsparteien, die Classe politique, die Wirtschaftsverbände und die Medien. Es war wieder einmal die alte Front wie beim EWR. Wenn Sie da 50 Prozent auf Ihrer Seite haben, ist das sehr gut. Ist das Abstimmungsergebnis nicht auch eine späte Genugtuung für Alt-Bundesrat Adolf Ogi? Das Volk hat jetzt im Nachhinein seine Auslandeinsätze und die Annäherung an die Nato gutgeheissen. Blocher: (lacht) Nein. Das kann er nicht als Genugtuung verzeichnen. Er wird es sicher tun. Aber so hat er es sich bestimmt nicht vorgestellt. Alle Kreise, auch innerhalb der Partei, haben uns ursprünglich vorausgesagt, wir würden mit 30 Prozent aus der Abstimmung hervorgehen. So ist es nicht gekommen.