Testi
28.07.2012
Interview im Tages-Anzeiger vom 28. Juli 2012 mit Iwan Städler
Frau Martullo, was ist das Wertvollste, das Sie von Ihrem Vater geerbt haben?
Martullo: Sicher unser Unternehmen, die Ems-Chemie. Auch wenn wir Kinder ja nur einen kleinen Teil erbten und uns für den Rest verschulden mussten, ist es schon einmalig, wenn man eine solch innovative Firma übernehmen kann.
Und vom Materiellen abgesehen? Um welche vererbten Eigenschaften sind Sie besonders dankbar?
Martullo: Das Unternehmerische. Ob über die Gene oder in der Erziehung – irgendwie haben wir es alle vier Geschwister mitbekommen.
Haben Sie auch Dinge geerbt, die eher mühsam sind?
Martullo: Mühsam sind die Journalisten mit ihrer Christoph-Blocher-Manie und ihren Vorurteilen.
Welchen Vorurteilen denn?
Martullo: Wir seien engstirnig und konservativ. Dabei sind wir gerade unkonventionell und deshalb oft auch innovativ und offen. Wir trauen uns, das Bestehende zu hinterfragen und denken heute schon an die Zukunft.
Blocher: Ich habe nie darauf hingearbeitet, dass die Kinder dem Vater folgen. Man muss sie sich frei entwickeln lassen. Bis jetzt ist es bei allen gut gekommen, was aber nicht heisst, dass sie nicht darunter leiden, einen bekannten Vater zu haben.
Wie war es als Kind, Blocher zu heissen?
Martullo: Von den anderen Kindern gab es immer wieder blöde Sprüche. Dahinter stecken ja meist die Eltern.
Blocher: Am ersten Kindergartentag eines meiner Enkelkinder sagten alle Eltern: «Schau mal, das ist jetzt Blochers Enkel». Darauf konterte er: «Dann heisse ich jetzt eben Christoph Blocher». Gut gemacht! Man muss es mit Humor nehmen.
Martullo: Mein Sohn ist acht Jahre alt und hat für seinen ersten kleinen Vortrag in der Schule das Thema Ems-Chemie gewählt. Das hat mich überrascht. Bis jetzt hatte er noch nicht viel mit der Firma zu tun. Lediglich an unserer Generalversammlung müssen er und seine ältere Schwester jeweils teilnehmen.
Müssen?
Martullo: Ja, das ist eine Pflicht für sie. Wobei die Generalversammlung bei uns eher einem grossen Volksfest gleicht. Mitarbeiter demonstrieren neue Entwicklungen, junge Musiker treten auf und bei den rund 1’500 Anwesenden herrscht Feststimmung.
Blocher: Die Kinder nehmen mehr auf, als man denkt. Das war auch bei meinen Kindern so. Ich bin immer wieder erstaunt, wie viel Magdalena ähnlich macht wie ich seinerzeit. Zum Beispiel, dass sie in der Silvesternacht ins Werk in Domat/Ems geht, um dort den Schichtarbeitern ein gutes neues Jahr zu wünschen. Das zeigt die Einstellung, welche die Kinder wohl unbewusst übernommen haben: Man lebt fürs Unternehmen, nicht in erster Linie vom Unternehmen.
Wie haben Sie, Frau Martullo, Ihren Vater als Kind erlebt? Fanden Sie, er sei zu wenig zu Hause?
Martullo: Nein, diesen Eindruck hatte ich nie. Dies hilft mir natürlich heute bezüglich meiner eigenen Kinder. Wie mein Vater früher, verbringe auch ich die Wochenenden vor allem mit der Familie.
Und wie haben Sie Ihren Vater erlebt?
Martullo: Ganz anders als in den Medien dargestellt.
Welche Facetten sind in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt?
Martullo: Zum Beispiel sein Humor.
Blocher: Den verträgt es im Privaten eben besser als in der Politik. (lacht) Viele Politiker haben ja keinen Humor.
Martullo: Er kann es auch sehr gut mit Kindern, erzählt theatralisch Geschichten und bringt sie zum Lachen. Er ist stets die grosse Attraktion.
Sie sollen an Familienfesten auch gezaubert haben, Herr Blocher?
Blocher: Ja, das stimmt. Aber es war stets derselbe Trick: Ich zauberte Gummibänder von einem Ort zum andern. Ich musste die Kinder bloss genügend ablenken.
Ihnen selbst hat ein Zauberer später einmal die Krawatte vom Hemd weg gezaubert.
Blocher: Ja, dieser Zauberer war der Bessere! (lacht) Er klaute anderen Portemonnaies und Kugelschreiber. Da dachte ich, das passiert mir bestimmt nicht, und konzentrierte mich stets auf diese Gegenstände. Bis er mich darauf aufmerksam machte, dass meine Krawatte fehlte. Das war hohe Klasse. Aber das Prinzip beim Zaubern ist immer dasselbe: Man muss darauf achten, dass alle in die andere Richtung schauen. Auch in der Politik wird das oft so gehandhabt.
Sie haben politische Reden vor Ihren Kindern geprobt. Warum?
Blocher: Weil ich immer schon so sprechen wollte, dass mich die Leute verstehen. Wenn die Kinder mich nicht verstanden, mussten sie aufstrecken. Dadurch merkte ich, wo ich mich zu wenig einfach ausdrückte.
Besonders exponiert haben Sie sich 1992 durch Ihr Engagement gegen den EWR. Wie haben Sie, Frau Martullo, dies als Tochter erlebt?
Martullo: Ich studierte damals an der Hochschule St. Gallen, wo alle Professoren und Studenten der EU-Euphorie erlagen. Besonders schlimm wurden die Anfeindungen nach der EWR-Abstimmung. Da wurde ich wirklich schlecht behandelt. Man sah unsere Familie als Verräter an der europäischen Vision. Selbst im Hörsaal fielen von den Professoren wüste Töne. Aufgrund meiner Herkunft wollte man mich gar nicht in die Studentenverbindung eintreten lassen, was durch eine Sonderabstimmung aber korrigiert wurde.
Blocher: Das war eine enorm intensive Zeit. Otto Fischer und ich kämpften ja anfänglich ganz alleine gegen die Classe politique und die Medien. Ein Jahr vor der Abstimmung stellten wir fest, dass wir persönlich an die Leute gelangen müssen und hielten jeder jeden Tag mindestens einen Vortrag. Das Interesse und der Andrang waren riesig. Aber die Belastung natürlich auch. In der Folge hatte ich am Abstimmungssonntag einen Nervenzusammenbruch und zog mich daraufhin für mehrere Wochen zurück. Ich musste sogar Medikamente nehmen. Noch schlimmer erging es dem herzkranken Otto Fischer, der eigentlich längst ins Spital hätte gehen sollen. Doch er kämpfte weiter. In den letzten fünf Wochen vor der Abstimmung konnte er nicht mehr liegen, sondern stand jeweils an die Wand, um zu schlafen! Kurz, nachdem die Schweizer Nein sagten zum EWR-Beitritt, verstarb er.
Sie sagten einmal, Sie hätten nebst der Politik und dem Unternehmen keine Zeit für Ferien gehabt und deshalb Ihre Familie einfach auf Geschäftsreisen mitgenommen. Wie war das?
Blocher: Interessant. Als China sich öffnete, reisten wir schon anfangs der 80er Jahre in die abgelegensten Orte des noch geschlossenen Chinas. Meine Frau und die vier Kinder (die jüngste neun Jahre alt!). Die neue Regierung wollte damals vor allem die unterentwickelten Gebiete entwickeln. Also reisten wir dorthin.
Martullo: Es gab kein fliessendes Wasser und keinen Strom. Die Autos mussten wir importieren.
Blocher: Meine Frau und die Kinder hatten leider noch monatelang danach Magenbeschwerden. Aber es waren Erlebnisse, die geblieben sind.
Nehmen Sie Ihre Kinder auch mit auf Geschäftsreisen, Frau Martullo?
Martullo: Bis jetzt nicht, aber sie bestürmen mich immer. Vor allem China interessiert sie sehr.
Ihre Mutter gab ihren Beruf als Lehrerin auf, um die Kinder aufzuziehen. Sie selbst sind beruflich voll engagiert, während vor allem Ihr Mann und eine Nanny zu den Kindern sehen. Was ist besser?
Martullo: Da gibt es keine allgemeingültige Regel. Das muss jede Familie für sich entscheiden. Für mich war immer klar, dass ich weiterarbeiten möchte. Als Hausfrau und Mutter wäre ich nicht geeignet. Mir fällt die Decke schnell auf den Kopf. Das sagte ich meinem Mann auch als erstes, als wir uns kennenlernten.
Ihr Vater hat Sie gleich zweimal während einer Schwangerschaft ins kalte Wasser geworfen: Beim ersten Kind mussten Sie Ems-Dottikon in einer Krisensituation übernehmen. Während Ihrer zweiten Schwangerschaft wurde Christoph Blocher in den Bundesrat gewählt, worauf Sie alleinige Chefin der ganzen Ems-Gruppe wurden. Wie gingen Sie damit um?
Martullo: Man arrangiert sich eben. Mir war es wichtig, nach dem Ausscheiden meines Vaters Präsenz zu zeigen. Alle drei Schwangerschaften waren medizinisch kritisch. Beim dritten Kind stellten die Ärzte gar die Prognose, es werde nicht überleben. Zum Glück kam aber alles gut und wir haben drei fröhliche gesunde Kinder. Dafür sind wir dankbar, das ist nicht selbstverständlich.
Blocher: Als wir eine etwaige Wahl in den Bundesrat und die Übernahme besprachen, machte sie mich drauf aufmerksam, dass sie in drei Monaten das zweite Kind erwarte. Ich sagte: Das macht doch dem Kindchen nichts.
Martullo: Am Freitag hielt ich meine erste Medienkonferenz ab und am Montag darauf gebar ich unseren Sohn. Wenn es nötig ist, ist viel möglich.
Herr Blocher, Sie schenkten Ihren Kindern die Ems-Aktien nur zu einem Drittel. Für den Rest mussten sie sich verschulden. Warum?
Blocher: So mussten sie vom ersten Tag an darauf achten, dass das Unternehmen rentiert. Das Dümmste, was man machen kann, ist jemandem ein Unternehmen zu schenken. Da besteht die Gefahr, dass sich der Beschenkte zurücklehnt und dann nur noch vom statt für das Unternehmen lebt.
Bei Ihrer Tochter hat es offenbar funktioniert. Sie hat den Gewinn und den Aktienkurs im Vergleich zu Ihrer Zeit massiv gesteigert. Was macht sie besser als Sie?
Blocher: Magdalena macht es sicher sehr gut, wie die anderen Kinder übrigens auch. Sie machen vieles besser als ich. Sie sind ja auch besser ausgebildet und kennen sich mit der modernen Kommunikation aus.
Martullo: Ich habe auch mehr Zeit als du. Du hattest immer noch die Politik.
Wer würde die Ems übernehmen, wenn Ihnen etwas zustossen würde?
Martullo: Sie glauben doch nicht im Ernst, dass ich Ihnen das jetzt mitteile, oder? Dieser Fall ist bei uns aber selbstverständlich vorbereitet.
Ihr Vater hat ja einmal gesagt, er wäre als Bundesrat zurückgetreten, um bei der Ems einzuspringen, wenn es nicht gut gelaufen wäre.
Blocher: Das stimmt. Aus Verantwortung dem Unternehmen gegenüber. Peter Bodenmann ist ja auch aus der Walliser Regierung ausgetreten, als sein Hotel-Projekt in Schwierigkeiten geriet. Nur hat er dann einem primitiven Brief der CVP die Schuld gegeben. Ich glaube, ich wäre in einem solchen Fall zum Rücktrittsgrund gestanden.
An einer Medienkonferenz der Ems haben Sie, Frau Martullo, die chinesische Regierung als «die kompetenteste Exekutive der Welt» bezeichnet. Muss man sich in China so einschmeicheln oder meinen Sie das im Ernst?
Martullo: Ich sagte dies nicht für die Chinesen, sondern für die Schweizer. Meine Beurteilung bezieht sich nur auf die Wirtschaftspolitik. Diesbezüglich agiert die chinesische Regierung wirklich äusserst kompetent – vor allem wenn man sie zum Beispiel mit europäischen Regierungen vergleicht. Letztere wollen ja in erster Linie sich selber profilieren und handeln nicht aus Verantwortung für ihr Land. Ungeliebte Probleme gehen sie deshalb oft nicht an. Die chinesische Regierung hingegen denkt und handelt sehr fundiert, professionell und sehr langfristig ausgerichtet. Der Erfolg gibt ihr recht.
Finden Sie nicht, in China gebe es etwas gar wenig Demokratie und Menschenrechte?
Martullo: Man kann China diesbezüglich natürlich nicht mit der Schweiz vergleichen. Aber was nützt Europa deren Demokratie: Da werden den Leuten Leistungen versprochen, die nicht bezahlbar sind. Das Volk wird hinters Licht geführt. Der Chinese ist in wirtschaftlicher Hinsicht heute besser bedient, die Regierung orientiert sich nämlich an seinem langfristigen Wohlergehen.
Und wo stehen Sie selbst politisch? Wählen Sie stets SVP?
Martullo: Ja, je länger je exklusiver.
Parteimitglied sind Sie aber nicht?
Martullo: Nein.
Blocher: Ich begreife das. Meine Kinder denken in den Grundsätzen gleich: Sie sind für eine freiheitliche und unabhängige Schweiz. Aber sie engagieren sich parteipolitisch nicht. Das wäre für sie auch schwierig, weil man sie nicht als eigenständige Personen wahrnehmen würde, sondern immer als Kinder von Christoph Blocher.
Könnten Sie, Frau Martullo, sich vorstellen, irgendwann wie Ihr Vater in die Politik einzusteigen?
Martullo: In gleichem Ausmass? Nein.
Ihr Nein zum Einstieg in die Politik scheint aber nicht definitiv zu sein. Jedenfalls hängten Sie auch schon den Nachsatz an: «Ausser ich muss.» Wie darf man dies verstehen?
Martullo: Wenn es für die Schweiz notwendig und sinnvoll ist. Ich müsste schon eine gewisse Zuversicht haben, etwas zum Vorteil der Schweiz bewegen zu können.
Herr Blocher, hätte Ihre Tochter das Zeug zur Politikerin?
Blocher: Sie hat sicher eine starke Meinung und eine gute Grundhaltung – und auch Durchsetzungsvermögen. Sie führt aber bereits ein grosses, internationales Unternehmen und hat eine noch junge Familie. Ich kann nachvollziehen, dass es sie zur Zeit nicht in die Politik zieht. Kommt dazu, dass die eidgenössischen Räte derart bürokratisch geworden sind, dass ich mich selbst manchmal frage, was ich dort noch bewirken kann.
War es ein Fehler, nach 24 Jahren Nationalrat und 4 Jahren Bundesrat nochmals ins Parlament zurückzukehren?
Blocher: Ich weiss es noch nicht. Aber ich merke, dass der Anteil an Berufspolitikern nochmals massiv zugenommen hat. Heute sind diese in der Mehrheit, was auch mit den zu hohen Entschädigungen zu tun hat. Nun geht es im Nationalrat steriler zu und her.
Aber die Legislatur machen Sie noch fertig?
Blocher: Ja, ja, selbstverständlich.
Sie fürchten offenbar den sogenannten Blair-Effekt. Was verstehen Sie darunter?
Blocher: Plötzlich hat man genug von Politikern, die lange etwas zu sagen hatten – vor allem auch in den eigenen Reihen. Tony Blair machte eigentlich nichts Schlechtes. Allein wegen des Irakeinsatzes musste er nicht gehen. Man hatte einfach genug von ihm, wollte einen Wechsel.
Das könnte Ihnen auch passieren?
Blocher: Natürlich. Aber vielleicht gehe ich vorher. Ich politisiere ja nicht für mich, sondern für die Schweiz. Damit sie gesund bleibt.
Sie haben einen Auftrag?
Blocher: Ja.
Von wem denn?
Blocher: Von den Wählern.
Aber diese haben Sie ja nicht gezwungen zu kandidieren. Irgend etwas treibt Sie an. Was?
Blocher: Natürlich habe ich eine eigene Verpflichtung für die Schweiz. Ich sehe: Ich bin noch einer der wenigen, die unabhängig politisieren können. Ich bin weder vom Staat, der Presse, noch von einem Amt abhängig. Wer ausser mir hätte sonst erfolgreich gegen den Blender Philipp Hildebrand vorgehen können? Niemand. Da sage ich mir: Wenn du schon diesen Vorteil hast, musst du ihn auch nutzen.
Gott spielt da keine Rolle?
Blocher: Sie und ich stehen beide unter der Gnade Gottes. Ich habe ein gesundes Gottvertrauen. Aber ich bin kein Frömmler. Ich versuche einfach, das Richtige zu tun.
ZUM ORT
Christoph Blocher und seine Tochter Magdalena Martullo-Blocher wählten für dieses Gespräch die Büros der EMS-Gruppenleitung in Herrliberg. Sie befinden sich direkt unterhalb der Villa von Christoph Blocher und sind heute Magdalena Martullos Arbeitsort. Vor seiner Wahl in den Bundesrat wirkte hier Christoph Blocher als Konzernchef der Ems-Chemie. Um keine Zeit mehr fürs Pendeln zu verlieren, hatte er sein Büro von Zürich nach Herrliberg gezügelt. Das war 2001. „Zwei Jahre später arbeitete ich dann in Bern“, scherzt Blocher. Seine Tochter übernahm mit der EMS-CHEMIE auch die repräsentativen Räumlichkeiten an der Zürcher Goldküste mit Blick bis in die Berner Alpen - und behielt sie auch nach Christoph Blochers Abwahl als Bundesrat. Er selber bezog bescheidenere Büros in Männedorf. (is.)
24.07.2012
Artikel in der Basler Zeitung vom 24. Juli 2012 mit Martin Furrer
16.07.2012
Interview zum EWR, zur EU und zur Schweiz mit Nicole Meier, sda
Für Nationalrat Christoph Blocher und die SVP begann mit der EWR-Abstimmung von 1992 der steile Aufstieg. Im Interview mit der sda erinnert sich Blocher an den Abstimmungskampf mit Teufelskarikaturen und nächtlichen Zweifeln. Und er kündigt das Referendum gegen das Stromabkommen mit der EU an.
sda: Herr Blocher, der emotionale und aggressive Stil des Abstimmungskampfs war 1992 neu für die Schweiz. Woran erinnern Sie sich vor allem?
Christoph Blocher: An die Spannung am Abstimmungssonntag. Am Ende des Ab-stimmungskampfs war ich erschöpft, auch körperlich am Ende. Ich ging um 20 Uhr ins Bett, während meine Kollegen mit Feuerwerk feierten. Otto Fischer und ich hatten ein Jahr lang jeden Tag mindestens einen Vortrag gehalten. Aber ich war oft auch von Zweifel geplagt: Wir wussten ja nicht, wie die Zukunft herauskommt.
sda: Sie hatten Zweifel daran, dass das Nein richtig war?
Blocher: Ich hatte während des ganzen Abstimmungskampfs Zweifel - vor allem nachts. Tagsüber war ich wieder sicher. Ich fragte mich oft, ob es möglich ist, dass alle anderen - die Classe politique, aber auch meine industriellen Freunde - falsch lagen.
sda: Was ziehen Sie 20 Jahre nach dem Nein für eine Bilanz?
Blocher: Die Geschichte hat mir mehr recht gegeben, als ich gedacht hatte. Dass es der Schweiz heute besser geht als den meisten EU-Ländern, liegt daran, dass wir nicht in der EU sind, und dass dank dem EWR/EU Nein die schweizerische Souveränität gewahrt werden konnte.
sda: Das Volk hat nicht über einen EU-Beitritt abgestimmt, sondern über den EWR.
Blocher: Der EWR - ein Kolonialvertrag - wäre nur der erste Schritt - der Vorhof - auf dem Weg in die EU. Das merkte auch der Bundesrat. Darum hat er ja auch das schweizerische EU-Beitrittsgesuch beschlossen und deponiert.
sda: Was haben Sie am Abstimmungssonntag, dem 6. Dezember, gemacht?
Blocher: Ich habe am Nachmittag Radio gehört. Unter den ersten Resultaten war eine Gemeinde mit 100 Prozent Stimmbeteiligung und keiner einzigen Ja-Stimme: Lü/Lüsai im bündnerischen Münstertal. Dort hatte mich der Gemeindepräsident nach einem EWR/EU-Anlass zu einem Alp-Gottesdienst eingeladen. Er sagte: Das werden ihnen die Leute nie vergessen. Allerdings hatte die Gemeinde nur 29 Stimmberechtigte. Am Abstimmungssonntag sagte ich zu meiner Frau: Wir wären besser in der Stadt Zürich zum Alp-Gottesdienst gegangen. Das hätte mehr eingeschenkt.
sda: Die Stimmbeteiligung lag mit über 78 Prozent in Rekordhöhe, die Stände lehnten den EWR deutlich ab, aber das Volks-Nein war lange Zeit ungewiss.
Blocher: Nach dem Resultat von Lü/Lüsai kam auch bald eine kleine Gemeinde in der Westschweiz mit keiner einzigen Nein-Stimme. Das zeigte den tiefen Graben. Ich hatte keinen Mitkämpfer in der welschen Schweiz. Es gab zwar Gegner, aber die haben sich kaum gezeigt.
sda: Haben Sie überhaupt um die Stimmen der Romands gekämpft?
Blocher: Natürlich. Ich habe in meinem schlechten Französisch Vorträge gehalten. Als ich an der Universität Freiburg sprach, haben Studenten und Professoren Plakate aufgehängt: "C'est le diable, qui vient" - es sei der Teufel, der da komme. So war die Stimmung.
sda: 1992 wurde sozusagen der Grundstein für den Erfolg der SVP gelegt. Wäre sie auch ohne EWR-Abstimmung so stark geworden?
Blocher: Ohne die Abstimmung vielleicht schon, aber nicht ohne die Debatte über die Unabhängigkeit. Die SVP stand damals allein für die Unabhängigkeit.
sda: Hat die SVP nach dem Verlust in den Wahlen 2011 ihre maximale Grösse erreicht?
Blocher: Das kann sein. Sie kann vielleicht stärker werden als 26,6 Prozent, aber dann müssen wir Konzessionen machen. Das macht keinen Sinn. Es braucht keine weitere Mittepartei.
sda: Hört man in der SVP überhaupt noch auf Sie?
Blocher: Eher zuviel als zuwenig.
sda: Sie sind 71, andere sind in diesem Alter längst in Rente.
Blocher: Wer einen ernsthaften Kampf für das wichtigste Gut der Schweiz - die Unabhängigkeit - führt, kann nicht dauernd nach dem eigenen Alter fragen. Man hat wichtigeres zu tun. Weiter kämpfen!
sda: Wogegen?
Blocher: Bundesrat und Parlament wollen jetzt für die Schweiz erneut einen Kolonial-vertrag um so die Schweiz in die EU zu führen: Es soll mit der EU ein harmloses Stromabkommen abgeschlossen werden, das Modellcharakter hat für alle folgenden Verträge. Die Schweiz soll sich verpflichten, künftig bei jedem Vertrag unbesehen künftiges EU-Recht zu übernehmen und sich fremden Richtern zu beugen. Alles unter dem harmlosen Titel: Energieabkommen.Darunter versteckt sich ein Kolonialvertrag schlimmer als der EWR. Das muss verhindert werden. Sonst geht die Schweiz unter. Wir stehen wie 1992 vor einer Wegscheide.
sda: Wie wollen Sie das verhindern?
Blocher: Schlussendlich bleibt nur das Referendum. Noch in diesem Jahr gründen wir ein überparteiliches Komitee, das sich für den Abstimmungskampf vorbereitet. Bisher arbeiten wir im kleinen Kreis die Materialien auf.
sda: Wer gehört zum kleinen Kreis?
Blocher: Namen möchte ich noch keine nennen.
sda: Dass die Schweiz heute relativ gut dasteht, ist auch den bilateralen Verträgen zu verdanken. Zuerst nannten Sie diese als Alternative zum EWR, jetzt bekämpfen Sie sie.
Blocher: 1992 legte ich dar: Wenn wir Probleme haben mit den Nachbarn, lösen wir sie bilateral. Zwei Verträge sind schlecht: Schengen und die Personenfreizügigkeit. Weil wir die schweizerische Staatsform haben geht es uns heute besser. Darum haben wir tiefere Steuern und weniger Schulden, darum wollen alle in der Schweiz arbeiten. Dies, weil die Schweiz Nein sagte zum EWR/EU-Beitritt.
sda: Was haben Sie eigentlich gegen Europa?
Blocher: Ich habe nichts gegen Europa. Die Schweiz ist selbst ein europäisches Land. Aber die EU ist nicht Europa, sondern eine intellektuelle Fehlkonstruktion. Zum Glück bin ich heute nicht mehr der Einzige, der das einsieht.
sda: Wie lange gibt es die EU noch?
Blocher: Ich weiss es nicht. Die EU wird vielleicht nicht auseinanderbrechen, aber die dezentralen Kräfte nehmen sicher zu. Die EU wird wirtschaftlich keinen Erfolg haben, das ist ihr Hauptproblem.
sda: Wie viel Zeit geben Sie dem Euro noch?
Blocher: Auch das kann ich nicht beantworten. Die EU hält ihn mit allen Mitteln aufrecht, weil sie merkt, dass sonst die ganze Konstruktion auseinanderfällt. Den Euro hat man nicht aus wirtschaftlichen Gründen geschaffen, sondern um die Völker stärker miteinander zu verbinden. Nur funktioniert er ökonomisch nicht: Arbeitslosig-keit und Armut sind die Folge.
sda: Während die Schweiz isoliert dasteht.
Blocher: Was? Sind Sie isoliert? Die Schweiz kann mit allen Ländern freundschaftlich verkehren, aber die Schweizer wollen und können ihre Zukunft selbst bestimmen. Die Schweiz ist zu klein, um nicht mit allen Ländern freundschaftlichen Kontakt zu pflegen. Hier hilft uns die Neutralität und die Weltoffenheit der Schweiz.
sda: Freundschaft beruht auf Gegenseitigkeit.
Blocher: Das soll so bleiben. Aber auch gute Freunde lassen sich nicht beherrschen. Hier hat die Freundschaft ihre Grenze.
sda: Wie lange wollen Sie weiterkämpfen?
Blocher: Solange nötig und solange mir die Kräfte gegeben sind. Jetzt stehen wir am anfang eines neuen widerlichen Kampfes. Da bin ich als unabhängiger, kampfer-probter Politiker gefragt. Ich kämpfe nach der Devise: "Und setzet ihr nicht das Leben ein, nie wird Euer Leben gewonnen sein."
16.07.2012
Interview au sujet de I'EEE, I'UE et la Suisse avec Adren Kay, ats
Christoph Blocher a mené la campagne contre l'EEE. Vingt ans après, il se félicite de l'indépendance de la Suisse et y voit la source de sa prospérité. Mais le combat n'est pas terminé. Il met en garde contre l'intégration européenne "rampante" et promet un référendum contre l'accord sur l'énergie négocié avec l'UE.
ats: Comment avez-vous vécu la soirée de votation?
CB: La tension était à son comble. Au début de la campagne, nous étions donné perdants par tous les sondages. Les médias étaient contre nous. Lorsque le résultat a été annoncé, mon camp a laissé éclater sa joie et lancé des feux d'artifice. Mais moi, j'étais à bout physiquement: je me suis couché à 20h00. J'avais tenu des conférences dans toute la Suisse durant une année sans interruption, au moins une par jour. Et puis, j'avais des doutes.
Vous n'étiez pas certain que le rejet de l'EEE soit le bon choix?
Je ne suis pas prophète. J'étais sûr de moi la journée, lorsqu'il s'agissait de faire campagne. La nuit je me demandais s'il était possible que tant de gens se trompent. La classe politique et mes amis industriels étaient tous convaincus que la Suisse ferait naufrage si elle choisissait de faire cavalier seul. En outre, le pays a été profondément divisé par cette votation.
La Suisse romande ne vous a pas suivi.
Effectivement. C'est certes symbolique mais l'après-midi du 6 décembre 1992, la radio annonçait les premiers résultats et on a appris qu'une petite commune des Grisons, Lü/Lüsai, avait voté à 100% contre l'Espace économique européen. En Suisse romande, l'inverse s'est produit, avec un hameau dont les habitants ont tous glissé un "oui" dans l'urne".
Comment expliquez-vous un tel Röstigraben?
L'UDC n'était vraiment implanté que dans certains cantons alémaniques. Le débat était aussi posé en des termes différents des deux côtés de la Sarine. En Suisse alémanique, il était simplement question de conserver sa souveraineté. Les Romands votaient eux sur "l'ouverture" de la Suisse. Et puis, j'ai peut-être fait office de repoussoir. Lors d'une conférence que j'ai donnée à Fribourg, des affiches me caricaturaient en affirmant: "c'est le diable qui vient".
Vingt ans après, quel bilan tirez-vous?
L'histoire m'a donné raison. Bien davantage que je ne l'aurais imaginé à l'époque. On ne pouvait prévoir ni l'ampleur de la prospérité helvétique ni celle de la débâcle européenne actuelle.
Ne mélangez-vous pas EEE et UE?
C'est la même chose. Le Conseil fédéral avait clairement vue à l'époque que l'EEE était le premier pas avant l'adhésion. Si nous avions perdu la votation, la Suisse ferait aujourd'hui partie de l'UE.
Aujourd'hui, le peuple est très largement opposé à une adhésion. Vous n'avez plus de souci à vous faire!
Au contraire. Le combat le plus important des vingt prochaines années sera d'éviter une intégration rampante dans l'UE. C'est d'ailleurs ce qui risque d'arriver avec la négociation entre Berne et Bruxelles d'un accord sur le dossier énergétique.
Ce traité semble inoffensif.
Oui, au premier abord, c'est bien le problème. Mais le Conseil fédéral compte en profiter pour régler la question institutionnelle et va faire des concessions à l'UE. L’accord sur l'énergie pourrait avoir valeur de modèle pour la reprise automatique du droit communautaire. Il pourrait aussi consacrer la mise sur pied d'une instance d'arbitrage indépendante pour régler les conflits entre Berne et Bruxelles. La Suisse n'aurait plus son mot à dire.
Que comptez-vous faire?
Lancer le référendum. Nous allons mettre sur pied un comité interpartis avant la fin de l'année pour commencer à sensibiliser l'opinion. Notre tâche ne sera pas aisée. Avec le vote sur l'EEE, on annonçait clairement la couleur. Cette fois-ci, les partisans de l'accord sur l'énergie parleront énergie et nous devrons montrer que c'est de souveraineté qu'il s'agit.
Vous vous opposez à l'accord sur l'énergie comme vous avez combattu d'autres accords bilatéraux. Vous aviez pourtant présenté les bilatérales comme l'alternative à l'EEE en 1992.
Je n'ai pas combattu tous les accords. Seulement les mauvaises. Ceux sur Schengen et sur la libre circulation des personnes. J'ai simplement dit que si nous avions des problèmes avec nos voisins, il suffisait de les régler en bilatérale. Mais sans déstruiere la souveraineté de la Suisse.
Vous ne partagez donc pas le constat selon lequel les bilatérales sont la source principale de la prospérité helvétique?
La Suisse ne se porte pas mieux grâce aux bilatérales. Nous sommes prospères car nous ne faisons pas partie de l'UE. Nous avons des impôts bas et moins de dettes. Aujourd'hui nous n'avons plus besoin de conclure de nouveaux accords bilatéraux. Les besoins vitaux sont tous couverts. En somme, c'est l'indépendance qui fait notre force.
Ne nous isole-t-elle pas également? Le secret bancaire a souffert de l'absence d'alliés.
Des alliés? Nous n'en avons pas besoin. Regardez l'Autriche ou le Luxembourg. Eux aussi sont mis sous pression dans le dossier bancaire et ils font pourtant partie de l'UE. La Suisse a de tout temps été seule. C'est aussi pour cela que nous sommes devenus si forts.
Dans le fond, vous n'aimez pas l'Europe.
J'aime beaucoup les Européens. Mais l'Union européenne, c'est une construction intellectuelle. Une construction défectueuse. Aujourd'hui, tout le monde peut s'en rendre compte.
Doit-on s'attendre à la fin de l'UE?
Je ne sais pas. Si l'UE n'implose pas, il est probable qu'un mouvement de décentralisation se fasse jour.
Combien de temps allez-vous encore vous engager contre l'UE?
Tant que j'en serais capable, je mènerai le combat. Ce combat est necessaire pour un Suisse libre, neutre et fructueuse.
09.07.2012
Artikel in der Neuen Zürcher Zeitung vom 9. Juli 2012
Bei jedem klassischen Unternehmen gilt: Der Unternehmer (Eigentümer) hat die Entschädigungen seiner Mitarbeiter zu genehmigen. Leider gilt dies bei den grössten börsenkotierten Unternehmen nicht. Das führt dazu, dass sich leitende Manager mit sehr hohen, z.T. exorbitanten Entschädigungen und Boni sogar bei Misserfolg selbst bedienen.
Abhilfe ist dringend notwendig
Dieser Misstand ist dringend zu beseitigen. Das Aktienrecht müsste dafür sorgen, dass die Kontrolle des Managements durch die Aktionäre gewährleistet werden kann, denn der Staat hat das Privateigentum zu schützen. Es ist Thomas Minders Verdienst, dass er mit seiner Volksinitiative enormen Druck auf die abgeschlossene Gesetzgebung machte. Seine Stossrichtung stimmt. Das neue Aktienrecht nimmt denn auch die Forderung seiner Volksinitiative weitgehend auf. Doch leider kann das Gesetz nicht in Kraft treten. Ausgerechnet seine nicht zurückgezogene "Abzockerinitiative" steht dem entgegen.
Das Aktienrecht als Gegenvorschlag
Das neue Aktienrecht ist ein indirekter Gegenvorschlag zur Minderinitiative. Als Gesetz untersteht es nicht dem obligatorischen Referendum. Es gilt auch nur, wenn entweder die Volksinitiative zurückgezogen oder abgelehnt wird. Hätte Minder die Volksinitiative zurückgezogen, könnte es unverzüglich in Kraft gesetzt werden. Würde die Volksinitiative angenommen, träte es überhaupt nie in Kraft. Was bringt denn dieser Gegenvorschlag?
1. Wie die Initiative sieht das neue Aktienrecht vor, dass jährlich die Generalversammlung über die Gesamtsumme sämtlicher Vergütungen des Verwaltungsrates und über sämtliche Vergütungen der Geschäftsleitung abstimmt.
Entgegen der Minderinitiative präzisiert das neue Aktienrecht nicht nur dass "abgestimmt wird", sondern es sagt, dass der Gesamtbetrag für den Verwaltungsrat verbindlich genehmigt werden muss, ebenso der durch den von der Generalversammlung jährlich zu genehmigende Vergütungsbericht mit dem auf jedes Verwaltungsratsmitglied entfallenden Betrag unter Nennung des Namens und der Funktion des betreffenden Mitgliedes (neu: OR Art. 731 g, Abs. 2 Ziff 1).
2. Für die Geschäftsleitung ist nicht nur der Gesamtbetrag, sondern auch der höchste auf ein Mitglied entfallende Betrag (neu: OR Art. 731 g Abs. II, Ziff 2) zu genehmigen.
Die Statuten können vorsehen, ob dies verbindlich oder konsultativ geschehen soll. Die konsultative Regelung gilt heute z.B. in England und hat sich als wirksam erwiesen. Die Verbindlichkeit hat den Nachteil, dass bei Ablehnung die gesamte Geschäftsleitung ohne Entschädigung dasteht, während die konsultative Regelung bei Ablehnung eine Anpassung ermöglicht. Die Volksinitiative Minder lässt diese Fragen offen. Sie verlangt nur, dass abgestimmt wird.
3. Die Volksinitiative verbietet Abgangsentschädigungen und Vorauszahlungen an Mitglieder von Verwaltungsrat und Geschäftsleitung. Das verbietet auch der neue indirekte Gegenvorschlag (neu: OR Art. 731 l Abs.1 Ziff. 1 und 2). Hingegen kann es gerechtfertigte Ausnahmen geben. Wer kennt nicht die Fälle, wo man mit einer Abgangsentschädigung für einen loszuwerdenen Manager billiger davon kommt?
Aber über solche Ausnahmen hat neu die Generalversammlung zu beschliessen (neu OR Art. 731 lit.c Abs. 2) und zwar verbindlich.
4. Das neue Gesetz sieht vor, dass vielerlei Einzelheiten (Erfolgs- und Beteiligungspläne, Anzahl VR-Mandate, Rentenregelungen, allfällige Kredite etc.) nicht - wie in der Volksinitiative vorgesehen - in den Statuten sondern im Vergütungsbericht verankert werden. Der Vergütungsbericht muss aber jedes Jahr durch die Generalversammlung genehmigt werden. Das ist sinnvoll. Denn Dinge, die sich laufend ändern, sollten nicht statutarisch festgehalten, aber auch durch die Aktionäre beschlossen werden.
5. Seit Jahren setze ich mich dafür ein, dass Verwaltungsräte jedes Jahr einzeln gewählt, bzw. wieder gewählt werden müssen. Dies insbesondere, weil es nicht angeht, dass sich Verwaltungsräte für drei Jahre wählen lassen, aber sich dann jedes Jahr ohne Einfluss der Eigentümer selbst bedienen. Da nun nach dem neuen Aktienrecht sämtliche Bezüge, Boni, Entschädigungen jährlich von der Generalversammlung beschlossen werden müssen, fällt der Hauptgrund der einjährigen Amtsdauer weg. Aber die einjährige Amtsdauer wird im neuen Aktienrecht für börsenkotierte Firmen zum gesetzlichen Normalfall erklärt.
Einzelne Regelungen der Volksinitiative von untergeordneter Bedeutung hat das Gesetz leider nicht aufgenommen. Doch das neue Aktienrecht erfüllt 80 Prozent der Forderungen der Volksinitiative. Der Hauptvorteil aber ist: Es könnte sofort in Kraft treten, und damit könnten die Misstände überrissener Boni und Entschädigungen unverzüglich behoben werden.
Unter dem Druck von E-mails
Bestimmt sieht dies der Initiant auch. Aber er beruft sich auf "viele Leute aus dem Volk." Er erhalte "viele E-mails." Doch es ist zu bedenken: Wenn die Volksinitiative angenommen werden sollte, dann fällt der brauchbare Gesetzesvorschlag dahin. Das Ganze beginnt wieder von vorne. Bis eine gesetzliche Regelung da ist, dürfte dies noch Jahre dauern. Und ob ein neues Gesetz dann der Initiative näher kommt, als der jetzige Gegenvorschlag, wage ich zu bezweifeln. Absurderweise werden sich die "Abzocker", die Herr Minder bekämpfen will, über die allfällige Annahme seiner "Abzockerinitiative" am meisten freuen.