Testi

Istituzioni

12.02.1998

Natürlich wollen wir die AUNS weiter ausbauen

Die folgende Fassung beinhaltet im Gegensatz zur publizierten Version den ungekürzten Text. Interview mit FACTS vom 12. Februar 1998 Herr Blocher, kandidieren sie im Herbst 1999 noch einmal für den Nationalrat? Christoph Blocher: Das habe ich im Sinn, ja. Sie machen aber Ihre Politik ausserhalb des Parlaments - mit der AUNS. Warum setzen Sie nicht vollumfänglich auf die wirkungsvollere ausserparlamentarische Opposition? Blocher: Ich mache überall dort Politik, wo ich etwas bewirken kann. Wenn es geht im Bundeshaus, was man vielleicht weniger merkt. Wenn die Entscheide aber im Volk fallen, und wenn ich merke, dass ich im Parlament nichts bewirken kann, muss ich ausserhalb arbeiten. Bei der ganz grossen Frage der Unabhängigkeit und Neutralität unseres Landes kann ich im Bundesrat und Parlament nichts mehr ausrichten. Die wollen in die EU. Die AUNS ist in der Offensive. Mit einer Millionenkampagne werben Sie um neue Mitglieder und bauen eine schlagkräftige Zentrale auf. Was bezwecken Sie damit? Blocher: Von einer Kampagne weiss ich nichts. Ich habe einen Rechenschaftsbericht über die Schweiz fünf Jahre nach dem EWR-Nein in jede Haushaltung geschickt. Dies kostete Fr. 840'000.-, davon habe ich Fr. 600'000.-- persönlich bezahlt. Sie haben recht: Das bringt viele neue Mitglieder. Diese Organisation kann nicht mehr ad interim von einem Sekretariat betreut werden. Zudem kommen jetzt dann ganz wichtige Abstimmungskämpfe, z.B. über den EU-Beitritt. Sie wollen aus der AUNS doch mehr machen als nur ein Abstimmungskomitee? Blocher: Natürlich wollen wir die AUNS weiter ausbauen. Weil wir die gesamte Presse gegen uns haben, brauchen wir viele Mitglieder aus der ganzen Schweiz, die Flugblätter verteilen und unser Gedankengut unter die Leute bringen. Das steht im Vordergrund. Die AUNS wurde einst als Kampftruppe gegen den EWR- und EU-Beitritt gegründet. Jetzt haben Sie Themen wie die Schwerverkehrsabgabe, die AHV-Finanzierung und die Volkswahl des Bundesrates aufgeschaltet. Planen Sie eine neue, rechtskonservative Oppositionspartei? Blocher: Ihre Fragestellung ist falsch. Die AUNS wird weder zur Schwerverkehrsabgabe noch zur AHV-Finanzierung Stellung nehmen, weil es hier nicht um die Unabhängigkeit der Schweiz geht. Wir wollen aus der AUNS keine Partei machen. Ich will ein überparteiliches Gremium, das die Interessen einer unabhängigen und neutralen Schweiz wahrt - nichts anderes. Immerhin wollen Sie die Volkswahl des Bundesrates notfalls mit der AUNS durchbringen. Blocher: Dieses Thema könnte die AUNS tatsächlich interessieren. Wir sind gegen einen Bundesrat, der sich ausschliesslich dem Parlament verantwortlich fühlt und sich im Ausland erst noch für Volksentscheide entschuldigen geht. Jeder vierte Schweizer würde, so eine Umfrage, für eine AUNS-Partei stimmen. Was zögern Sie? Blocher: Ich bin Mitglied der SVP und versuche dort mit aller Kraft dafür zu sorgen, dass unsere Partei auf einer guten Linie bleibt. Bisher hatte ich keinerlei Grund, mich von dieser Partei abzusetzen. Ogi hat am letzten SVP-Parteitag jene Parteigänger kritisiert, die "einfach gegen alles Neue antreten". Fühlen Sie sich betroffen? Blocher: Nein. Es ist ein altes Thema, dass Herr Ogi meint, eine Partei müsse immer ganz genau das vertreten, was der Bundesrat will. Das halte ich für falsch. Wir sind gegenüber unserem Bundesrat auch grosszügig und ertragen politische Differenzen. Er offenbar nicht ganz. Ist Adolf Ogi ein guter Bundesrat? Blocher: Was ist ein guter Bundesrat? Bundesrat Ogi beispielsweise ist, ganz im Gegensatz zu Ihnen, für den EU-Beitritt, für die Solidaritäts-Stiftung und für die Schwerverkehrsabgabe. Blocher: Der ganze Bundesrat ist da auf der falschen Linie. Herr Ogis persönliche Meinung zu diesen Themen interessieren hier leider nicht. Denn er ist in einer Kollegialbehörde eingebunden. Ist Ogi ein gutes Parteimitglied? Blocher: Bis jetzt kann ich mich jedenfalls nicht beklagen. Für Sie ist die SVP doch nur noch der parlamentarische Arm der AUNS. Blocher: Nein. Mit den Themen, die ich in Bern behandle wie etwa die Bundesfinanzen, die Politik der Nationalbank oder die Solidaritäts-Stiftung, beschäftigt sich die AUNS überhaupt nicht. Ich weiss, dass sehr viele Leute den Wunsch haben, aus der AUNS eine Partei zu machen. Das hat damit zu tun, dass die Leute generell mit den traditionellen Parteien unzufrieden sind. Ich aber lehne die Parteibildung der AUNS ab. Welches ist denn Ihr politisches Karriereziel? Blocher: Ich habe keines. Aber dieser Blocher will doch in die Geschichtsbücher eingehen. Blocher: Was in die Geschichtsbücher eingeht, kann man erst in hundert oder zweihundert Jahren beurteilen. Vielleicht ist dann alles nebensächlich, was wir heute tun.

16.01.1998

La Suisse dans l’année du jubilé 1998

Discours de l'Albisgüetli, 16 janvier 1998

16.01.1998

Die Schweiz im Jubiläumsjahr 1998

Albisgüetli-Rede 1998

07.12.1997

Des Kaisers neue Kleider

Meine Kolumne für die SonntagsZeitung vom 7. Dezember 1997 Vor 5 Jahren - am 6. Dezember 1992 - haben das Schweizervolk und die Stände bei einer ungewöhnlich hohen Stimmbeteiligung von 78,3 % - der höchsten seit 1947 - den EWR-Vertrag abgelehnt. Die Schweiz hat sich für die Freiheit und die Selbstbestimmung entschieden. Offenbar war das Schweizervolk der Meinung, dass die Schweiz die zweifelsohne schwierige Zukunft in Eigenverantwortung besser meistern kann, als wenn sie in einen grosseuropäischen Bundesstaat eingegliedert wird. Bedrohliche Prognosen Dieses Resultat kam zustande, obwohl die offizielle Schweiz - die "classe politique" -, allen voran der Bundesrat, das Parlament und die Parteien, die Presse, die Massenmedien, die Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände, zahlreiche Hochschullehrer und wissenschaftliche Institute, Manager internationaler Konzerne, volkswirtschaftliche Berater der Grossbanken, Kulturschaffende - kurz: alles, was Rang und Namen hatte - in einem fast unheimlich eintönigen und gedankenlosen Chor schwerwiegende Nachteile für den Fall des EWR-Neins prophezeite. Die wirtschaftlichen Konsequenzen wären fürchterlich, hiess es. Konkret wurde eine massive Abwanderung schweizerischer Firmen in den EU-Raum, ein wirtschaftlicher Vertrauensverlust in unser Land, der Zerfall des Schweizerfrankens mit grässlichen Folgen für Zinsen und Inflation, Börseneinbrüche etc. vorausgesagt. Kurz: Wer den Mut hatte, zum eigenen Weg zu stehen, musste bereit sein, negative Auswirkungen in Kauf zu nehmen. Und siehe da: Das Volk entschied sich trotzdem für die Selbständigkeit. Warum diese Fehlprognosen? Wer heute - 5 Jahre nach dem EWR-Nein - unvoreingenommen Bilanz zieht, merkt, dass es sich bei all diesen katastrophalen Prognosen um gigantische Fehlurteile gehandelt hat. So ziemlich genau das Gegenteil der angedrohten Prognosen ist eingetreten. Man fragt sich, wie es eigentlich dazu kommen konnte, dass alle sogenannt führenden Kreise damals diese Fehlprognosen so einhellig gemacht und vielleicht sogar selbst geglaubt haben. Warum konnte es passieren, dass alle grossen Zeitungen, die meisten Politiker, Massenmedien, Kulturschaffende, die Grosskonzerne, die Gewerkschaften bis hin zur Mehrzahl der Wissenschaftler an so unsinnige Prognosen glaubten oder diese zumindest verkündeten? Und warum hat ein "unwissendes" ("Die Dummen haben nein gestimmt") Volk diese Gehirnwäsche überstanden? Der Kaiser ist nackt Kennen Sie das berühmte Andersen-Märchen von des Kaisers neuen Kleidern? Vom Kaiser, der splitternackt durch die Strassen stolzierte, weil ihm seine Berater neue Kleider aufgeschwatzt hatten, die angeblich nur von gescheiten Leuten gesehen wurden. Wer wollte schon zugeben, dass er diese Kleider nicht sah? Auch der Kaiser selbst hütete sich davor. So lobten nun all die führenden Leute des Kaiserreiches die prächtigen neuen Kleider des nackten Kaisers. Keiner wollte als dumm gelten, jeder wollte bei den sogenannt gescheiten dabeisein. So wollte es der Trend. So war es "in". So gehörte es sich. Wer etwas auf sich gab, stimmte in den unkritischen Chor mit ein: "Wie prächtig sind doch diese Kleider!" Bis endlich ein kleines Kind, unschuldig, unverdorben und ohne Hemmungen - wie Kinder das oft tun - die Wahrheit beim Namen nannte: "Seht doch den Kaiser, er ist ja ganz nackt!" Damit war der Spuk vorbei. Der Mythos der Integration Spätestens heute kommt es aus: Die EU ist für die führenden, sich gescheit gebenden Kreise ein nackter Kaiser. Sie ist für die offizielle Schweiz und die Medien längst zu einem Mythos geworden, der das kritische, eigenständige Denken einschläfert. Das machte und macht blind für die Tatsache, dass die EU-Struktur auf dem veralteten Machbarkeitswahn und auf das überholte planwirtschaftliche Denken der sechziger Jahre zurückgeht. In ihrer Blindheit kann die offizielle Schweiz die Stärken eines übersichtlichen, dezentralen Kleinstaates nicht mehr erkennen, weil sie von der Grösse und Aufgeblasenheit zentraler Strukturen geblendet ist. Was als zeitgemäss und zukunftsträchtig angepriesen wird, ist in Wirklichkeit längst überholt. Die Gescheit-sein-Wollenden realisieren nicht, dass die Zugehörigkeit unseres Landes zur EU die künftigen Probleme der Schweizerinnen und Schweizer in keiner Art und Weise lösen kann. Man verkennt, dass es der Schweiz ausserhalb der EU wesentlich besser geht als den EU-Staaten. Es wird auch unkritisch darüber hinweggesehen, dass die vor 5 Jahren gestellten negativen Prognosen nicht nur nicht eingetroffen sind, sondern so ziemlich genau das Gegenteil. Blind für die Wirklichkeit! Glaube an die Freiheit statt an die Prognosen Nun fragen sie wieder - auch die "SonntagsZeitung": "Wie sieht es denn aus mit der Schweiz im Jahre 2010?" Erneut werden die gleichen Prognostiker wichtigtuerisch die gleichen Fehlurteile abgeben wie vor 5 Jahren. Auch ich werde gefragt. Ich frage mich: Wie wird die Schweiz im Jahre 2010 aussehen? Ich weiss es nicht. Kann und muss ich das überhaupt wissen? Nein - muss ich nicht. Aber eines weiss ich: Mit der politischen Freiheit ist auch die wirtschaftliche Freiheit des Volkes besser gesichert. Eine unabhängige und souveräne Schweiz hat die Chance, innovativer, wirtschaftlich leistungsfähiger und konkurrenzfähiger zu sein als die schwerfällige Europäische Union. Geht die Schweiz ihren eigenen Weg, wird es den Schweizern besser gehen, d.h. Wohlfahrt, Freiheit und Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger werden auch im Jahre 2010 grösser sein, als wenn sich unser Land den Machtstrukturen der Europäischen Union unterordnen müsste. Die Konsequenzen eines EU-Beitrittes - auch dies lässt sich unschwer feststellen - wären: - das Ende der tatsächlichen direkten Demokratie in allen EU-Belangen - die Abtretung politischer Macht des Volkes an die Regierungen in Bern und Brüssel - den Verzicht auf eine eigenständige Aussen- und Sicherheitspolitik - den Verzicht auf die Neutralität - EU-Machtpolitik anstelle Schweizer Selbstbestimmung - Einschränkung der Handlungsfreiheit - Anheizung der Arbeitslosigkeit - Reduktion des Wohlstandes - Lohneinbussen - höhere Schuldzinsen - höhere Hypothekarzinsen - zusätzliche und höhere Steuern - Heraufsetzung der Mehrwertsteuer von 6,5 % auf mindestens 15 % - Verzicht auf den Schweizerfranken und Verlust von Volksvermögen - Aufhebung der Grenzkontrollen und der nationalen Einwanderungspolitik - weniger Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger - Rückkehr zu feudalistischen Zuständen in der Politik durch Reduktion der Entscheidungsträger und - Einschränkung des Mitspracherechtes des Volkes. Weitermachen Aus all diesen Gründen lohnt sich der Kampf für die Freiheit und Unabhängigkeit. Der Einsatz dafür ist heute zur zentralen Aufgabe geworden. Aber Freiheit und Unabhängigkeit allein genügen nicht, um dem Land eine erfolgreiche Zukunft zu sichern. Freiheit und Unabhängigkeit sind nicht die Lösung aller Probleme. Aber sie sind die Voraussetzung dafür. Sicher wird die Zukunft schwierig werden. Dass die Schweiz um den Wandel nicht herumkommt, steht fest. Den Strukturwandel hat sie durchzustehen, und sie hat gleichzeitig die Fehler des Umverteilungsstaates zu korrigieren. Ich bin überzeugt, dass die Schweiz dies kann. Je übersichtlicher und je beweglicher eine Volkswirtschaft ist, desto besser kann sie mit den Herausforderungen des Wandels und des Umbaus verfehlter Strukturen fertig werden. Schnelle, kleine Boote sind hierfür geeigneter als die unbeweglichen grossen Tanker. Zentralisierung und die Gleichmacherei sind sowohl für die Wirtschaft wie für die Politik keine Rezepte. Fest steht, dass die Schweiz mit der Lösung der neuen Aufgaben weiter ist als ihre europäischen Nachbarn. Deshalb dürfen wir aber nicht stillstehen. Wir haben den Wandel weiter voranzutreiben. Probleme dürfen nicht einfach verwaltet, sondern sie müssen gelöst werden. Das gilt insbesondere für das Hauptproblem, unsere maroden Staatsfinanzen. Diese Aufgabe ist anspruchsvoll und verlangt viel von der Wirtschaft und von der Politik. Sie verlangt vor allem viel Flexibilität, Kreativität, Konsequenz, Standfestigkeit und Durchsetzungsvermögen. Für das Jahr 2010 bin ich zuversichtlich, weil es in der Schweiz viele Menschen gibt, die die Nacktheit des Kaisers sehen und sich auch getrauen, das zu sagen.

05.12.1997

The situation today, 5 years after the rejection of the EEA

Press conference, 5 December 1997