Testi

 

06.04.2011

Schweizerkönig auf bescheidenem Thron

Besprechung von Mary Lavater- Sloman «Der Schweizerkönig Johann Rudolf Wettstein», Römer-Verlag 2011, Rezension für NZZ „Es ist reichs- und weltkündig, dass die Eidgenossenschaft ein freier Stand ist, so nebst Gott einzig von sich selbst abhängt.“ Mit dieser selbstbewussten, aber der Wirklichkeit entsprechenden Aussage begründete anlässlich der Westfälischen Friedensgespräche von 1646-1648 der Schweizer Abgesandte seine unerschüt-terliche Absicht, für die Schweiz volle Souveränität zu erreichen. In der Reihe ungewöhnlicher Biografien nimmt der Römerhof Verlag in verdienst-voller Weise auch den Basler Bürgermeister Johann Rudolf Wettstein (1594-1666) auf. Dies geschieht nicht in einer modernen, so genannt „kritischen“ Studie, sondern in einer Neuauflage des 1935 erschienenen Romans „Der Schweizekönig“ von Mary-Lavater-Sloman. Es dürfte manchen Zeitgenossen missfallen, dass neuerdings mit Johann Rudolf Wettstein eine Persönlichkeit gewürdigt wird, die der später so erfolgreichen schweizerischen Unabhängigkeit und Neutralität zum Durchbruch verhalf. Vielleicht darum empfanden es die Herausgeber für nötig, mit Georg Kohler einem Professor das Nachwort erteilen zu müssen, der die Souveränität unseres Landes gerne klein-schreibt und selbstverständlich auch hier als „Mythos“ entlarvt. Etwas naserümpfend wird auch an die 1935 bereits herrschende Geistige Landesverteidigung erinnert, in deren Dienst sich die Autorin gestellt hat. Tatsächlich waren ihre reichs- und diktatur-kritischen Ansichten für das damalige Schweizer Publikum unüberlesbar. Wenn Kohler - wohl in Begeisterung über den heutigen Kongresstourismus - lobend be-merkt, schon früher seien unsere Politiker an jene Orte gereist, wo die europäischen Entscheide gefallen seien, so wäre ihm nach der Lektüre "Der Schweizerkönig" zu entgegnen, dass wir unsere Bundesräte durchaus gerne dorthin reisen liessen – sofern sie wie weiland Bürgermeister Wettstein so zäh und hartnäckig die schweizeri-sche Souveränität verteidigten und mit einem entsprechend besiegelten Dokument zurückkehrten. Ausgangspunkt von Johann Rudolf Wettsteins diplomatischer Mission bildetet ein relativ geringer Anlass, nämlich die Zitierung eines Basler Bürgers vor das Reichs-kammergericht in Speyer. Mit dem weitsichtigen Auge des Staatsmanns erkannte der Basler Bürgermeister, dass anlässlich des Westfälischen Friedenschlusses nach dem Dreissigjährigen Krieg die einmalige Chance bestand, für die Eidgenossenschaft nach der faktischen auch noch die formelle Trennung vom Reich deutscher Nationen zu vollziehen. Zu seinem grossen Kummer erhielt er das Verhandlungsmandat nur von den reformierten Orten, doch kämpfte Wettstein in Münster und Osnabrück für die Unabhängigkeit der gesamten Schweiz. In ihrer packend zu lesenden, roman-haften Schilderung verlässt Mary Lavater-Sloman zuweilen die exakte Chronologie und schiebt auch eine frei erdachte Liebesbeziehung dazwischen. Dennoch hält sie sich im Wesentlichen an Briefe, Tagebücher und offizielle Berichte. Diesen ist zu entnehmen, wie bescheiden der Basler Bürgermeister residierte; anlässlich eines Besuchs des schwedischen Bevollmächtigten konnte Wettstein diesem lediglich einen Stuhl anbieten, an dem eine Armlehne fehlte: „Ich bin übereilt worden“, schrieb er nach Hause, „hätte sonsten die andere zur Erhaltung der schweizerischen Reputation auch noch abgebrochen.“ Mit Überlegenheit und feinem Gespür für das Machbare behielt er die Distanz zu den ihm wohlgesinnten Franzosen, gewann die Gunst der Kaiserlichen und vermochte die anfangs abweisenden Schweden umzu-stimmen. Dies alles gelang ihm bei schwersten körperlichen Leiden, die ihn nicht selten hinderten, seine armselige Herberge zu verlassen. Wettsteins Auftreten war schlicht und sicher und seine Kenntnisse der politischen Verhältnisse so umfassend, dass es ihm schliesslich gelang, die wichtigsten Abgeordneten des Friedenskongres-ses von der eidgenössischen Sache zu überzeugen. Er bewegte sich zwischen den Abgesandten europäischer Monarchien so selbstverständlich und wenig unterwürfig, dass Wettstein bei ihnen bald schon den Namen „Schweizerkönig“ trug. Nach fast einjähriger Abwesenheit kehrte Basels Bürgermeister in seine Heimat zurück. So bescheiden sich sein Gefolge im Vergleich zur Prachtentfaltung der Fürstenhöfe ausnahm, so unermesslich wertvoll war der Vertrag, den er mit sich führte: Die Eid-genossenschaft und deren Gerichte waren fortan in „Besitz und Gewähr völliger Freiheit und Ausgliederung vom Reiche“. Wie würde Wettstein heute urteilen, wenn er zusehen müsste, wie die Abgeordneten der Schweiz an Kongresse reisen, um dabei die schweizerische Freiheit zu verspielen und fremde Richter zu akzeptieren? Unseren Regierungsleuten, Politikern und Diplomaten wäre Mary Lavater-Slomans neu aufgelegter Roman „Der Schweizerkönig“ besonders zu empfehlen. Aber auch alle andern Leserinnen und Leser erhalten mit der leicht überarbeiteten Fassung einen lebendigen Einblick in ein entscheidendes Stück Schweizer Geschichte.

06.04.2011

Die Schweiz verdankt Basels Bürgermeister die Souveränität

Buchrezension für die Basler Zeitung Dass Basel seinen Bürgermeister Johann Rudolf Wettstein in hohen Ehren hält, erkennt man leicht an der nach ihm benannten Strasse, der Brücke und dem Platz. Wettstein stammte zwar aus keinem Basler Geschlecht: Sein Vater war als Weinbauer aus der Zürcher Oberländer Gemeinde Russikon zugewandert, brachte es zum Basler Spitalmeister und ermöglichte dem Sohn eine glänzende Laufbahn im Staatsdienst. Als Basler Bürgermeister gilt er für mich als wohl grösste diplomatische und politische Begabung der Alten Eidgenossenschaft. Zwar blieb Wettstein innenpolitisch dem absolutistischen Gedankengut von schroffer Trennung zwischen Obrigkeit und Untertanen verhaftet; er befürwortete sogar die Hinrichtung der Anführer im Bauernkrieg. Doch sein grosser Erfolg ist ein aussenpolitischer: Ihm verdankt die Schweiz nämlich die staatsrechtliche Anerkennung der Neutralität und Unabhängigkeit vom deutschen Reich. Umso erfreulicher ist, dass der Römerhof Verlag in seine Reihe ungewöhnlicher Biografien neuerdings auch Johann Rudolf Wettstein (1594-1666) aufgenommen hat. Es handelt sich dabei um eine Neuauflage der romanhaften Erzählung „Der Schweizerkönig“ von Mary Lavater-Sloman aus dem Jahr 1935. Diese aus Hamburg stammende, mit einem Stadtzürcher verheiratete Autorin schuf sich einen Namen mit zahlreichen Erzählungen über bedeutende Figuren der Schweizer Geschichte. Dabei machte Lavater-Slomann aus ihrer demokratischen Überzeugung und ihrer Ablehnung von Diktatur und Totalitarismus kein Geheimnis. So auch im Werk „Der Schweizerkönig“, wo Johann Rudolf Wettstein seinen Neffen Rudolf Burckhardt „in ärgerlicher Verblüffung“ fragt: „Einen Vogt wünschest Du uns, Ruedi, der das Volk mit der Peitsche der Gewalt zusammentreibt? ... Ehe ihr es euch verseht, würde die Peitschenschnur sich klatschend um euch schlingen und euch zusammenbündeln – zusammenbündeln zu einem wehrlosen, entmündigten Haufen!“ Im Mittelpunkt des Romans steht Wettsteins bedeutendste Leistung, nämlich die fast einjährige Mission an die Friedensgespräche von Münster und Osnabrück (1646-1648) nach den furchtbaren Schrecken des Dreissigjährigen Krieges. Aktenkundiges vermischt sich bei der Autorin geschickt mit Erfundenem; sie schiebt eine frei erdachte Liebesbeziehung dazwischen, auch wenn sie sich im Wesentlichen an Briefe, Tagebücher und offizielle Berichte hält. Die Basler Leserinnen und Leser dürfte speziell einiges an Lokalkolorit erfreuen. Beschrieben wird etwa die familiäre Atmosphäre im Wettsteinhaus in Riehen, aber auch Wettsteins frühes Entlaufen in Venezianische Dienste aus der Ehe mit der fünf Jahre älteren Anna Maria Falkner; sie wurde ihm später gleichwohl eine bedeutsame Stütze und war wie geschaffen für ihre Aufgaben als Gattin eines Bürgermeisters. Hübsch geraten ist auch die Szene der Ankunft im fernen Osnabrück, wo der begleitende Sohn Fritz „aus den Tiefen seines Proviantsackes das eifrig gehütete Päckchen heimatlicher Leckerli“ hervorzieht. So haben sich aus Wettsteins Zeit nicht nur die Souveränität, sondern auch die "Basler Leckerli" erhalten. Ich hoffe, dass man beidem weiterhin Sorge tragen wird ! Johann Rudolf Wettstein erhob geschickt die Vorladung eines Basler Bürgers vor das Reichskammergericht in Speyer zur Sache der eidgenössischen Tagsatzung. Gegen die zögerliche Vorsicht der heimischen Handelsherren packte er mit grösserer Weitsicht und erstaunlicher Tatkraft die einmalige Gelegenheit beim Schopf. Ihm ging es um nicht mehr und nicht weniger als um die seit dem Schwabenkrieg (1499) faktisch bestehende, nunmehr auch formell zu bestätigende Loslösung vom römischen Reich deutscher Nationen. Wettstein reiste 1646 ohne Einladung und vorerst ohne Legitimierung der katholischen Orte an die Westfälischen Friedensverhandlungen. Nach langwierigem, zähem Ringen mit den Abordnungen von Kaiserreich, Frankreich und Schweden erreichte er schliesslich die Bestätigung der vollen Souveränität und bewaffneten Neutralität der Schweiz. Der Roman von Mary Lavater-Sloman schildert packend das Wechselbad der Gefühle des Basler Bürgermeisters angesichts der Winkelzüge, Geheimdiplomatie und Intrigen der fremden Gesandten. Dennoch sicherte er sich bei ihnen durch taktsicheres, selbstbewusstes, aber jederzeit ehrliches Auftreten grössten Respekt, der ihm sogar den Ehrentitel „Schweizerkönig“ eintrug. Dabei musste Johann Rudolf Wettstein mit seinem kleinen Gefolge in bescheidensten Verhältnissen hausen. Die Basler hielten ihn so knapp wie nur möglich und warfen ihm in ihren Schreiben obendrein noch eine verschwenderische Hofhaltung vor. Dabei residierte der Basler Bürgermeister geradezu "ärmlich". So konnte er dem schwedischen Bevollmächtigten anlässlich eines Besuches lediglich einen Stuhl anbieten, an dem die eine Lehne fehlte. Nach Hause schrieb er darüber: "Ich bin übereilt worden, hätte sonst die andere zur Erhaltung der schweizerischen Reputation auch noch abgebrochen." Immer den Auftrag und das Ziel vor Augen, steckte Wettstein solch unerfreuliche Ereignisse ebenso weg wie seinen angeschlagenen Gesundheitszustand. Die Vorteile einer klugen Neutralitätspolitik waren ihm wohlbewusst, hatte sich doch Basel seit seinem Eintritt in den eidgenössischen Bund verpflichtet, bei Streitigkeiten stille zu sitzen und sich um Vermittlung zu bemühen. Durch ganz persönliches Bemühen errang Johann Rudolf Wettstein dank Augenmass, Hartnäckigkeit und diplomatischer Gewandtheit für die gesamte Schweiz Bedeutendes – trotz beschränkten Instruktionen und bloss halbeidgenössischer Vollmacht: nämlich die endgültige Loslösung vom Reich. Dies entsprach genau jenen Vorstellungen, wie sie Basels grosser Bürgermeister gleich zu Beginn des Westfälischen Kongresses formuliert hatte: „Es ist reichs- und weltkündig, dass die Eidgenossenschaft ein freier Stand ist, so nebst Gott einzig von sich selbst abhängt.“ Man wünschte sich dies als ewiges Verhandlungsmandat unseres Bundesrates! Mary Lavater-Sloman: Der Schweizerkönig Johann Rudolf Wettstein. Römerhof, Zürich 2011, 239 S., Fr. 36.-.

05.04.2011

Wahre Kunst ist freie Kunst!

Interview mit dem Magazin «Schweizer Monat» im April 2011 mit René Scheu

30.03.2011

Mein Interview im Rahmen der Basler Fasnacht mit «Malefyz-Bâlaari 2009»

Link zum Interview: Hand uff's Härz (erschti Staffle)

22.03.2011

Lässt sich die Konkordanz wiederbeleben?

Mein Artikel in der NZZ über Konkordanz vom 22. März 2011 Im schweizerischen Vielparteiensystem hat eine Partei nie allein die Mehrheit hinter sich, deshalb ist die Konkordanz – d.h. die Regierungsbildung aus mehreren nicht gleichgesinnten Parteien – die typisch schweizerische Regierungsform. Sie gilt im Bund, in Kantonen und Gemeinden.  So bildeten 1959 bis 1999 je zwei Vertreter der drei grössten Parteien (damals CVP, FDP, SP) und ein Vertreter der viertgrössten Partei (damals SVP) den Bundesrat, womit über Jahrzehnte etwa 80 Prozent der Wähler in der Regierung vertreten waren. Lange bewährte politische Praxis Auch wenn die Konkordanz heute geradezu ideologisch verklärt und etwas heuchlerisch gar als Geisteshaltung hochstilisiert wird, so steht hinter der Konkordanz eine einfache praktische Logik: Sind 80 Prozent der Wähler in der Regierung vertreten, so geht man davon aus, dass die zahlreichen divergierenden Meinungen der Wähler in die Regierung eingebracht werden. Und es ist einfacher, in einem Gremium von sieben Personen vertiefte Diskussionen zu führen und sinnvolle Mehrheitskompromisse zu erreichen als im Parlament mit 246 Vertretern. Zudem ist die Chance gross, dass diese auch vor dem Parlament und der Opposition – in der Schweiz ist dies das Volk – bestehen können. Die konkordante Regierungstätigkeit mit der direkten Mitbestimmungsmöglichkeit des Volkes bildet die Grundlage für die sprichwörtliche schweizerische Rechtssicherheit. Und diese ist mit ein Grund für die einzigartige politische Stabilität und – damit einhergehend – das bemerkenswert hohe  Niveau des Wohlstandes. Wie gross in früheren Jahren die Übereinstimmung von Volk, Parlament und Regierung war, zeigt allein die Tatsache, dass zwischen 1950 und 1980 keine einzige Volksinitiative vom Schweizer Stimmvolk angenommen wurde. Pervertierung der Konkordanz Im Gegensatz zur Koalitionsregierung regieren bei der Konkordanzregierung Vertreter verschiedener Parteien miteinander, nicht weil sie gleicher Meinung wären, sondern gerade obwohl sie verschiedener Auffassung sind. Sie regieren allein deshalb zusammen, weil sie ein möglichst breites Spektrum der Wähler bzw. der politischen Haltung der Parlamentarier abdecken. Das heisst nun aber auch: Es muss um den Kompromiss gestritten und gerungen werden, um schliesslich zu einem Entscheid zu kommen. Es ist wohl unbestritten, dass in den vergangenen zwanzig Jahren die Regierungsvertreter weder in erster Linie klare, standhafte, voneinander divergierende Auffassungen vertreten noch mit der erforderlichen Robustheit intensiv um Kompromisse gerungen haben. Die Meinungsbildung ist und war eher oberflächlich, stark von der Verwaltung gesteuert, und wegen des unsinnig ausgedehnten Amtsgeheimnisses wird die Beschaffenheit des Kompromisses nicht transparent. Oft wird im Bundesrat – "zur Förderung der Kollegialität" – gar nicht abgestimmt, damit "niemand zu den Verlierern" gehört. So weiss das Gremium am Schluss oft nicht recht, was eigentlich beschlossen worden ist und wer wofür war. Die Information der Öffentlichkeit ist entsprechend zwiespältig und vernebelt. Allein schon die Verpflichtung zu klaren Entscheiden und etwas mehr Transparenz würden die Regierungsfähigkeit und das Vertrauen in die Regierung merklich verbessern. Europapolitik als Wendepunkt Bis Ende der achtziger Jahre funktionierte das System der Konkordanz ganz ordentlich. Die zentralen Werte wie Unabhängigkeit, Freiheit, Volksrechte, direkte Demokratie, Neutralität, galten bis zu diesem Zeitpunkt – zumindest bei den nicht sozialistischen Politikern – als selbstverständlich. Ab Ende der achtziger Jahre wurden sie plötzlich in Frage gestellt, was dann in der Europafrage unter anderem bei der EWR-Abstimmung 1992 klar zu Tage trat. Die SVP konnte nicht nur diese Vorlage nicht mittragen, sondern lehnte als einzige Regierungspartei das strategische Ziel des EU-Beitritts konsequent ab. Gerade weil sie das Volksmehr in dieser Frage hinter sich wusste, wurde sie durch die Classe politique zunehmend isoliert. So wurde ihr schon 1999 als weitaus stärkste Partei den ihr gemäss Konkordanz zustehenden zweiten Sitz im Bundesrat nicht zugestanden. Aushöhlung der Konkordanz Nach aussen versuchte man die Konkordanz zwar dem Schein nach bestmöglich zu wahren, womit man sie aber entwertete: So wählte man quasi SVP nur noch als Etikette, d.h. man wählte Vertreter, die zwar Mitglied der SVP waren, aber deren Meinung im Widerspruch zur eigenen Partei standen. So bestimmte das Parlament im Jahre 2000 gegen den Willen der SVP mit Samuel Schmid einen SVP-Mann, der in wesentlichen Fragen den Kurs seiner Partei nicht mittrug. Als 2003 der Schreibende als zweiter Vertreter in den Bundesrat gewählt wurde, war das verbreitete Motiv dahinter leider nicht die Wiederherstellung der Konkordanz, sondern die Einbindung zur Schwächung der SVP. Weil dies nicht gelang und die SVP 2007 mit einem historisch hohen Wähleranteil die Wahlen erneut gewann, wurde ich als deren Vertreter 2007 abgewählt und durch eine Kandidatin ersetzt, die zwar damals das gleiche Parteibuch trug, aber in allen wesentlichen politischen – vor allem aussenpolitischen –Fragen die gegenteilige Meinung der SVP vertrat. Damit errichtete man erneut eine Scheinkonkordanz. Zwar waren auch in der Vergangenheit zuweilen inoffizielle Kandidaten in den Bundesrat gewählt worden. Immer aber wurden diese entweder – wie im Falle von Francis Matthey – zum Verzicht gezwungen und durch einen parteigenehmen Kandidaten ersetzt oder aber stillschweigend – im Fall von Otto Stich sogar ausdrücklich – im nachhinein von der Partei anerkannt. Dies auch deshalb, weil bei den inoffiziellen Kandidaten mindestens ein Teil der eigenen Partei hinter diesem stand, was bei der letzten Bundesratswahl 2007 nicht mehr der Fall war. Wiederbelebung der Konkordanz Eine echte Konkordanz, die nicht die bröckelnde Fassade, sondern die Substanz wieder in den Vordergrund stellt, wäre ein grosser Fortschritt zur Glaubwürdigkeit der schweizerischen Politik. Wo die Konkordanz mehr zelebriert als gelebt und damit in Wirklichkeit umgangen wird, macht sich die unterdrückte Meinung auf andere Weise bemerkbar. Etwa in der Annahme einer zunehmenden Anzahl von Initiativen, die dem politischen Kurs der von der Regierung bewusst ferngehaltenen Meinung entsprechen. Zu erinnern ist an die Annahme der Verwahrungs-initiative, der Unverjährbarkeitsinitiative, der Minarettinitiative und der Ausschaffungs-initiative. In all diesen Fällen vertrat die SVP als einzige Regierungspartei die Volksmehrheit. Aber natürlich besteht keine Verpflichtung zur echten Konkordanz. Eine Alternative wäre, dass sich die Mitteparteien zu einer Koalitionsregierung ohne SVP entschliessen würden. Die SVP wäre dann darauf angewiesen, die Mehrheiten für Sachfragen noch vermehrt in der Bevölkerung zu suchen, was in der Aussen- und Ausländerpolitik leider schon heute der Fall ist.