Testi

 

07.03.2009

Das ist wirklich keine Strategie

Christoph Blocher wirft dem Bundesrat vor, an Volk und Parlament vorbei zu entscheiden Von Beat Rechsteiner   Auf Tele Blocher nahm alt Bundesrat Blocher gestern ausführlich Stellung zur Bankenkrise. Im Anschluss an die Aufzeichnung stellte er sich den Fragen der MZ – und kritisierte dabei den Bundesrat massiv.   Die Landesregierung hat gestern ihre Strategie zum Bankgeheimnis vorgelegt. Schon im Vorfeld war eine Aufweichung im Steuerbereich absehbar. Wie ist Ihre Einschätzung?   Christoph Blocher: Zuerst einmal: Strategie ist ein grosses Wort. Strategie ist ein genauer Plan zur Erreichung eines Ziels unter Einschluss aller erschwerenden Faktoren. So etwas hat der Bundesrat gestern nicht präsentiert. Seine Aufgabe wäre es seit langem gewesen, eine Strategie mit dem Ziel Verteidigung des Bankkundengeheimnisses inklusive der Unterscheidung zwischen Steuerbetrug und -hinterziehung festzulegen. Es ist offensichtlich: Der Bundesrat hat dem Druck aus dem Ausland nachgegeben. Und das ist nun wirklich keine Strategie.   Sehen Sie das Bankgeheimnis jetzt aufgeweicht?   Blocher: Ja, sicher. Die grundsätzliche Zustimmung zum Bankkundengeheimnis ist die höflichste Form zur Ablehnung: Mindestens einzelne Bundesräte wollen Konzessionen machen. Man macht Expertenkommissionen zur Aufweichung des Bankkundengeheimnisses, statt zu dessen Verteidigung. Und die Unterscheidung zwischen Steuerbetrug als Verbrechen einerseits und Steuerhinterziehung als Übertretung andererseits hat der Bundesrat schon im Vorfeld der gestrigen Sitzung eigenmächtig aufgeweicht. Das ist skandalös!   Weshalb?   Blocher: Wir haben in der Schweiz diese Unterscheidung zu Recht. Wir wollen doch nicht, dass jeder, der einen Fehler bei der Steuererklärung macht, kriminalisiert wird. Wenn der Bundesrat diese Unterscheidung aufweicht, ohne dass ein Gesetz geändert wird, werden Straftatbestände geschaffen, zu denen das Parlament und das Volk nichts mehr zu sagen haben. Dagegen werden wir uns wehren. Schliesslich gilt es, die Einlagen der Bürger zu schützen. Wer Geld auf der Bank hat, muss sich darauf verlassen können, dass seine Daten nur dem Bankkontoinhaber und sonst niemandem bekannt gegeben werden, ausser es handle sich um kriminelle Gelder.   Sehen Sie darin einen Vertrauensentzug gegenüber dem Bürger?   Blocher: Ja, natürlich. Wir haben eine Selbstdeklaration gegenüber dem Fiskus und haben damit gute Erfahrungen gemacht. Die Steuerehrlichkeit der Bürger ist in der Schweiz im Vergleich zum Ausland hoch. Bei diesem System muss die Schweiz bleiben.   Die SVP will das Bankkundengeheimnis stärken und es dazu in der Bundesverfassung festschreiben. Starten Sie eine Volksinitiative, falls das Anliegen im Parlament scheitert?   Blocher: Ja, das haben wir im Sinn. Nur dauert das sehr lange. Deswegen haben wir nun noch einmal den Weg über das Parlament eingeschlagen.   Wie beurteilen Sie die Leistung des Bundesrats in dieser Krise?   Blocher: Es ist eindeutig: Die Schweiz hat eine Führungskrise. Es ist unglaublich, was hier abläuft. Man hat es seit Jahren verpasst, Strategien festzulegen, sowohl im Bereich des Bankkundengeheimnisses als auch betreffend der Verminderung des Staatsrisikos der Grossbanken.   Sehen Sie denn einen Ausweg aus dieser Führungskrise? Blocher: Es braucht den Druck von aussen. Die einzige Hoffnung, die ich habe, ist, dass immer mehr Menschen sehen, dass hier einfachste Führungsgrundsätze verletzt werden. Ebenso sollte auch das Parlament Druck ausüben. In anderen Staaten gibt es in solchen Fällen Neuwahlen, wir müssen warten bis 2011. Bleibt zu hoffen, dass danach die richtigen Persönlichkeiten in den Bundesrat gewählt werden.   Zur UBS: Verschiedene SVP-Parlamentarier forderten in den letzten Tagen, dass nicht Kaspar Villiger, sondern Sie neuer Verwaltungsratspräsident werden. Was halten Sie davon?   Blocher: Das ist nicht ganz neu. Ernsthaft kam diese Forderung nach dem Rücktritt von Marcel Ospel, als auch Aktionäre auf mich zukamen, die wollten, dass ich das UBS-Präsidium übernehme. Damals lehnte ich ab, weil ich von meinen Fähigkeiten her nicht eine so grosse Bank führen kann. Das ist auch heute noch so.   Was wäre denn, wenn die UBS-Generalversammlung tatsächlich Sie statt Villiger wählen sollte?   Blocher: Darüber zerbreche ich mir nicht den Kopf, denn das ist eine sehr theoretische Frage. Dazu wird es nicht kommen. Heute kommen diese Forderungen, weil Kaspar Villiger ja das gleiche Defizit hat. Er ist aber durch den Verwaltungsrat vorgeschlagen. Ich konzentriere mich jetzt darauf, dass die Grossbanken endlich in kleinere Banken aufgeteilt werden.

22.02.2009

L’initiative populaire en dernier recours

Interview dans «Le Matin Dimanche» du 22 février 2009 Interview: Stéphanie Germanier Monsieur Blocher, allez-vous lancer une initiative populaire pour régler la taille et la structure des entreprises telles qu’UBS? L’initiative populaire serait la solution de dernier recours car elle prendrait beaucoup de temps. C’est aujourd’hui aux partis et au Parlement de faire en sorte qu’on inscrive dans la Constitution ou les lois un article qui règle la structure des grandes banques pour les empêcher de devenir des mastodontes comme UBS. Qu’est-ce que cela éviterait? Aujourd’hui UBS et le Credit Suisse sont de trop grandes entités pour notre économie. Leur structure fait peser un risque sur la place financière suisse car elles y tiennent une place disproportionnée et leur implantation à l’étranger met la pression sur les contribuables suisses. Si vous étiez encore au Conseil fédéral, les choses se seraient-elles passées différemment? Difficile à dire. Je peux seulement affirmer qu’en 2006 j’avais proposé en vain au Conseil fédéral de lister et de surveiller les entreprises suisses «too big to fail» afin d’avoir un oeil sur leur évolution. A cette époque-là, tous mes anciens collègues me disaient qu’une faillite d’UBS ou du Credit Suisse ne pourrait jamais arriver. Peter Kurer et Marcel Rohner doivent-ils démissionner? C’est facile de couper des têtes, beaucoup moins de les remplacer. Déjà à l’époque, j’ai toujours pensé que Marcel Ospel devait rester président d’UBS pour faire le ménage après le chaos qu’il avait contribué à créer. Je pense qu’il doit en être de même aujourd’hui pour Peter Kurer et Marcel Rohner. Vous critiquez la structure des banques, mais notre système politique qui a laissé faire n’est-il pas lui aussi condamnable? C’est vrai, mais je persiste à penser que, si on avait morcelé avant les structures d’entreprise, rien de tout cela ne serait arrivé. L’Etat a dû aider UBS sous peine de la mettre en faillite, or cela va à l’encontre des lois du marché. Quand une entreprise ne marche plus, elle doit mourir. Il fallait laisser mourir UBS? Non, justement parce qu’elle a trop d’importance pour ne pas être sauvée. Mais il faut désormais que cela change et empêcher que d’autres entreprises n’en arrivent à mettre autant de pression sur notre économie. Faut-il conserver le secret bancaire? Bien sûr. Il est indispensable à notre place financière. La FINMA et le gouvernement ont fait une exception dangereuse avec les Etats-Unis. Ils ont échangé des informations sans suivre la voie juridique adéquate, c’est-à-dire sans attendre la décision du Tribunal administratif fédéral. Je ne les comprends vraiment pas. Le Conseil fédéral, la FINMAet le TF savaient que quelque chose allait se passer et personne n’a pris les devants. Ces trois entités auraient pu se réunir et mieux préparer leur riposte au lieu d’attendre le dernier jour pour agir. Gouverner, c’est prévoir.

16.02.2009

Streitgespräch zwischen Christoph Blocher und Ruedi Noser

Für einmal kämpfen die beiden Unternehmer wirtschaftspolitisch gegeneinander: Alt-Bundesrat Christoph Blocher und der freisinnige Ruedi Noser. Interview im "Tages-Anzeiger"   Für einmal kämpfen die beiden Unternehmer wirtschaftspolitisch gegeneinander: Alt-Bundesrat Christoph Blocher und der freisinnige Ruedi Noser. Soll der Bund die Löhne der Grossbanken regeln? SVP-Strategiechef Christoph Blocher will die obersten Saläre von UBS und CS staatlich regulieren wie bei den SBB. Das sei Gift für den Finanzplatz, sagt FDP-Nationalrat Ruedi Noser. Herr Blocher, bis jetzt hat die SVP einen liberalen Wirtschaftskurs verfolgt. Nun wollen Sie plötzlich die Grossbanken an die staatliche Kandare nehmen. Warum? Blocher: Die SVP verfolgt weiterhin einen liberalen Kurs. Aber die Grossbanken sind so gross geworden, dass der Staat sie nicht fallen lassen kann. Sie haben faktisch eine Staatsgarantie. Damit gelten die liberalen Grundsätze nur noch beschränkt. Der UBS musste der Staat ja bereits mit einem Rettungspaket unter die Arme greifen.   Muss sich der Bund deswegen stärker einmischen? Blocher: Er hat sich schon eingemischt! Sie können einem Unternehmen nicht mit sechs Milliarden helfen und sagen, jetzt kannst du machen, was du willst. Wir vertreten auch die Steuerzahler.   Noser: Wir mussten bei der UBS reagieren, weil alle anderen Staaten ihren Banken Garantien abgegeben haben. Ohne diese Garantien hätte die Schweiz nicht handeln müssen. Der Bund hat sich aber nicht an der UBS beteiligt. Er zeichnete eine Pflichtwandelanleihe, für die er zwölf Prozent Zins erhält. Es geht um eine Überbrückungsfinanzierung.   Blocher: Das ist Schlaumeierei. Hätte der Staat nicht rettend eingegriffen, wäre die Bank Konkurs gegangen. Kein Privater hätte die Anleihe gezeichnet und eine Auffanggesellschaft für die «toxischen» Papiere gegründet. Hätte die Schweiz die Bank fallengelassen, wäre sie zum Stillstand gekommen. Der Bund muss die Wandelanleihe innert 30 Monaten in Aktien umwandeln. Das heisst, er muss etwa 10 Prozent des Aktienkapitals übernehmen. Dann muss er Verantwortung wahrnehmen und einen Verwaltungsrat stellen. Nicht irgendeinen Verwaltungsglobi, wie ihr sagt. Sondern eine unabhängige Persönlichkeit, welche die Interessen des Staates in dieser Bank wahrt.   Wer könnte das sein?   Blocher: Es gibt zahlreiche Leute, die dafür in Frage kommen. Dieser Verwaltungsrat muss ja nicht die Bank führen, sondern die Interessen des Bundes vertreten.   Was kann denn eine einzige Person bewirken, wenn die übrigen Verwaltungsräte eine andere Meinung vertreten? Blocher: Er kann mitwirken und sich gegen die Entscheide wehren. Ich war ja auch allein im Bundesrat. Ganz vergebens war das auch nicht.   Noser: Die Banken stehen in einem internationalen Wettbewerb. Da braucht es keinen Verwaltungsbeamten im Verwaltungsrat, sondern Leute, die etwas vom Geschäft verstehen.   Herr Blocher geht aber sogar noch einen Schritt weiter und will auch die Salärstruktur der Grossbanken staatlich bestimmen. Wie stellen Sie sich das konkret vor, Herr Blocher? Blocher: Wir lehnen uns an jene Unternehmen an, bei welchen der Staat bereits das Risiko tragen muss etwa bei der ZKB, der Swisscom, der Nationalbank und den SBB. Hier muss der Staat die Verantwortung für die obersten Saläre übernehmen insbesondere für jene des Verwaltungsrats und der Geschäftsleitung.   Noser: Martin Scholl von der ZKB verdient deutlich mehr als eine Million. Und zwar für die Leitung einer Bank, die dreissigmal kleiner ist als die UBS. Heisst dies, dass UBS-Chef Marcel Rohner über 30 Millionen erhalten soll?   Blocher: Typisch Freisinn! Die Grösse ist massgebend für das Salär!   Noser: Entschuldigung! Man muss doch ein Kriterium haben.   Blocher: Aber sicher nicht die Grösse.   Noser: Man kann ja auch den Gewinn nehmen . . .   Blocher: . . . zum Beispiel jenen des letzten Jahres? (lacht)   Noser: Die UBS steht in einem globalen Wettbewerb. Da kann man doch nicht die schweizerischen Regiebetriebe als Vergleichsgrösse heranziehen. Die Deutschen haben das in den 50er-Jahren in der Pharmaindustrie gemacht. Worauf die Pharmaindustrie ausgewandert ist. Mit staatlichen Interventionen verschwinden ganze Branchen. Bei den Banken würde das Kleinkundengeschäft sicher in der Schweiz bleiben. Aber die Weltmarktplayer wären weg.   Wollen Sie die internationalen Banker vertreiben, Herr Blocher? Blocher: Wo wollen die denn hin? Das ist doch dummes Zeug. Es waren vor allem höchstbezahlte Leute im Investmentbanking in den USA, auf die man hätte verzichten können. Während Jahren steckten sie Riesenboni in ihre Taschen für Scheingewinne. Sie müssen sich von diesen Salärstrukturen verabschieden.   Noser: Herr Blocher hat in den 90er-Jahren mit gewissen Anlagevehikeln mehr Provisionen kassiert als der frühere UBS-Chef Marcel Ospel.   Blocher: Ja, als Aktionär. Was spricht dagegen?   Bis jetzt war die SVP gegen Lohnobergrenzen. Blocher: Das bin ich auch heute noch.   Aber Sie sprechen sich nun für eine staatliche Regulierung der Löhne aus. Darf danach UBS-VR-Präsident Peter Kurer noch ein Fixgehalt von 2 Millionen kassieren? Blocher: Die Verantwortlichen beim Bund sollen nun ein Salärsystem ausarbeiten. Dort gibt es genügend Leute.   Noser: Carsten Schloter von der Swisscom verdient meines Wissens 1,8 Millionen.   Blocher: Was spricht dagegen? Es gibt verschiedene Systeme.   Noser: Das kann man doch nicht staatlich regeln. Eine Firma, die global tätig ist, muss auf die lokalen Gegebenheiten Rücksicht nehmen. Bei mir in der Schweiz ist das grösste Salär viermal höher als das tiefste. In Kanada, wo ich einen Ableger habe, ist es elfmal höher. Wenn ich das nicht akzeptiere, kann ich dort keine Geschäfte machen.   Ist Ihnen wohl, Herr Blocher, wenn Beamte die Salärstruktur einer Bank bestimmen? Blocher: Nein. Aber bei einer Bank, für die er haften muss, muss er es _ ob er es kann oder nicht. Aber er findet bestimmt Fachleute, die das für ihn tun. Sie geben ja ohnehin alles extern.   Sie wollen die Grossbanken in voneinander unabhängige, selbstständige Tochtergesellschaften fürs In- und Auslandgeschäft aufteilen. Warum? Blocher: Heute haftet die Schweiz für die Risiken aller Bankplätze der Grossbanken. So auch für die USA. Dort wurde die Katastrophe gebaut. Man muss die Risiken aufteilen, indem man verschiedene von einander unabhängige Ländergesellschaften führt, die in einer Holding zusammengefasst sein können. Die UBS USA unterstünde dann als selbstständige Bank amerikanischem Recht und verfügte über ein eigenes Kapital. Geht sie Konkurs, könnte die UBS Schweiz weitergeführt werden, womit die Schweizer Volkswirtschaft nicht gefährdet wäre.   Noser: Wenn Sie als kleiner Staat eine erfolgreiche Branche haben, können Sie machen, was Sie wollen: Sie tragen so oder so ein Klumpenrisiko, wenn die Branche kollabiert. Da spielt es keine Rolle, ob man zwanzig kleine oder eine grosse Bank hat. Aber offenbar will Herr Blocher zurück ins 19. Jahrhundert. Die Finanzindustrie hat sich in den letzten 40 Jahren nun mal globalisiert. Würde man die Banken in Ländergesellschaften aufteilen, bräuchte man für jeden Teil eine eigene nationale Bankenaufsicht. Und ein Grosskonzern könnte sich nicht mehr global aus einer Hand finanzieren. Die Banken sollen daher selbst entscheiden können, wie sie sich organisieren wollen.   Blocher: Aber nur, wenn die Schweiz nicht haftet!   Noser: Wenn wir ein weltweit führender Finanzplatz sein wollen, müssen wir auch das Risiko tragen. Wir sind ja international betrachtet sehr wenig betroffen. Weltweit wurden 15'000 Milliarden gesprochen.   Blocher: Vergleichen Sie nicht immer mit den noch schlimmeren Fällen.   Noser: London ist viel stärker betroffen. Dort wird der Finanzplatz vermutlich mehr als halbiert.   Blocher: Reden wir über die Schweiz.   Noser: Als die Credit Suisse 2003 in einer Krise steckte, sprach niemand von Staatsintervention. Heute jedoch liegt weltweit eine ganze Branche darnieder. Wenn die UBS zusammengekracht wäre, hätte die Schweiz kein Problem gehabt. Das Problem hätte die ganze Welt gehabt. Es gibt sehr gescheite Leute, die sagen, dass dann während zehn Tagen auf der ganzen Welt keine Bank mehr ihre Schalter geöffnet hätte. Es ist eben ein globales Problem.   Blocher: Ach so? Wie wurde denn das Rettungspaket begründet? Allein damit, dass bei einem Konkurs der UBS die ganze Schweizer Volkswirtschaft mitgerissen worden wäre. Nur deshalb haben wir von der SVP zugestimmt.   Noser: Selbstverständlich ging es auch um die Volkswirtschaft. Aber man hat auch einen Ruf zu verlieren auf dieser Welt. Wir Freisinnigen möchten dafür sorgen, dass unser Finanzplatz nach dem Gewitter die weltweit besten Voraussetzungen hat. Und da sind Staatsinventionen Gift. Sonst müsste man ja auch die Roche verstaatlichen, die als einziges Pharmaunternehmen die Welt mit Tamiflu beliefert. Es gäbe viele solcher Beispiele.   Blocher: Sie bagatellisieren die Sache. Ich habe vor Jahren alle Firmen in der Schweiz auf ihre volkswirtschaftlichen Risiken untersucht. Roche und Novartis würden einen volkswirtschaftlichen Schaden bringen, das wäre aber nicht untragbar. Dies gilt auch für Swiss Re, Nestlé, ABB und so weiter. Die Verantwortlichen der Swiss Re haben nach aussen dementiert, beim Bund nach Staatshilfe gefragt zu haben. Das ist ein Zeichen dafür, dass sie darüber diskutiert haben. Ich würde mich mit Händen und Füssen dagegen wehren, dass die Swiss Re auch noch unterstützt würde.   Noser: Ich will ja nichts schlechtreden, aber wenn die Axa Winterthur kollabieren würde, hätten 700'000 Leute keine Pension mehr. Da würde der Staat reagieren. Es gibt mehr Firmen, als Christoph Blocher meint, bei denen der Staat reagieren müsste, wenn sie kollabieren würden.   Blocher: Die Swissair wolltet ihr stützen, die Swiss habt ihr gestützt, obwohl man das nicht hätte tun dürfen. Das Geld ging verloren.   Herr Noser, ist die SVP Ihrer Ansicht nach noch eine Wirtschaftspartei? Noser: Was Herr Blocher sagt, ist interventionistisch. Das widerstrebt uns. Und wir möchten nicht, dass der Staat alles reguliert. Ich bin aber vorsichtig beim Titulieren anderer Parteien, auch wenn ich von der anderen Seite sehr oft Titulierungen des Freisinns höre.   Blocher: Das ist Schattenboxen. Wir sind selbstverständlich für Freiheit und Marktwirtschaft. Aber wo der Staat interveniert, zahlt und die Haftung übernimmt, muss er Verantwortung übernehmen. Leider.   SP-Präsident Christian Levrat will Ihre Forderungen wörtlich übernehmen. Freut es Sie, mit den Linken in einem Boot zu sitzen? Blocher: Das hätte er schon lange machen können. Natürlich freut es die SVP, wenn andere Parteien ihr abschreiben. Offenbar hat die SP keine besseren Ideen mehr.   Glauben Sie, dass Sie sich am Ende durchsetzen werden? Noser: Mit den Linken zusammen hat die SVP die Mehrheit.   Blocher: Hauptsache, wir setzen uns durch.   Ihre eigenen Leute sind offenbar schwieriger zu gewinnen als die Sozialdemokraten. Blocher: Die Parteileitung hat sich für dieses Konzept entschieden. Nun kann jeder dazu Stellung nehmen. Danach schauen wir, ob wir eine Mehrheit finden. Ich bin zuversichtlich.   Der Wirtschaftsflügel Ihrer Partei ist über diese Vorschläge aber nicht sonderlich erfreut.   Blocher: Wer ist denn der Wirtschaftsflügel? Ich gehöre anscheinend nicht dazu, denn ich verstünde ja nichts von Wirtschaft. Aber vielleicht ist die Wirtschaft hier das Wirtshaus. (lacht)   Noser: Mit Ihrem Interventionismus vernichten Sie Wert, Herr Blocher.   Blocher: Entschuldigung, wer hat denn bis jetzt Werte vernichtet? Wer zahlt, der befiehlt. Und wer haftet, muss sich darum kümmern, dass er nicht zu Schaden kommt.   Noser: Die Schweiz hat ja gerade nicht in eine Bank investiert. Das haben alle anderen Länder gemacht. Die Citibank, die Bank of America und der Versicherer AIG gehören dem amerikanischen Staat. Wir haben hier mit der Pflichtwandelanleihe einen anderen Weg gewählt. Die anderen Staaten beneiden uns um diesen Lösungsweg. Und nun will ihn Herr Blocher umkehren. Er will, dass wir den gleichen Mist machen wie die anderen Länder.   Blocher: Ich will nicht, dass der Staat die UBS übernimmt. Im Gegenteil. Ich hoffe, dass die Schweiz das nicht auch noch machen muss.   Noser: Wenn wir die Risiken abbauen, bauen wir auch die Ertragschancen ab. Wir müssen uns eben entscheiden, ob wir einen weltweit konkurrenzfähigen Finanzplatz haben wollen. Wenn ja, werden wir gewisse Risiken tragen müssen, haben dafür aber auch eine sehr hohe Wertschöpfung. Ohne Finanzplatz wäre unser Bruttosozialprodukt etwa gleich hoch wie jenes von Portugal.

13.02.2009

Im Bundesrat wäre Vieles anders gelaufen, wenn die SVP über zwei Sitze verfügen würde

Zusatz-Interview zur SVP-Politik, NZZ vom 13. Februar 2010 Die SVP setzt den Bundesrat permanent unter Druck. Ist die SVP eine Regierungs- oder eine Oppositionspartei? Beides - je zur Hälfte. Als weitaus wählerstärkste Partei verfügen wir nur über einen Sitz im Bundesrat. Wo sind Sie denn Regierungspartei? An zahlreichen Orten: Z. Bsp. Kürzlich bei der Arbeitslosenversicherung: Da  tragen wir nicht nur den wichtigen Kompromiss mit, sondern halfen auch diesen zu schmieden. Auch bei der PUK. Im Bundesrat wäre sicher Vieles anders gelaufen, wenn die SVP über zwei Sitze verfügen würde. Sie spielen noch immer die erste Geige in der SVP. Treibt Sie  Revanchismus an? Wäre ich aus Amtsmüdigkeit  zurückgetreten, hätte man von mir nichts mehr gehört. Aber Links-Grün-Schwarz hat mich rausgeworfen, um eine gute Politik zu verhindern. Das dürfen wir nicht zulassen. Darum setzte ich mich voll und ganz für die Politik an neuem Ort ein. Aber die erste Geige spiele ich nicht. Wir glauben schon. Die SVP wird zur Zeit durch ein hervorragendes Team mit unserem Parteipräsidenten Nationalrat Toni Brunner, mit Fraktionschef Nationalrat Caspar Baader und der breit aufgestellten Parteileitung geführt. Es gibt im bürgerlichen Spektrum noch andere Parteien. Hat die SVP überhaupt noch ein Interesse an einer Zusammenarbeit mit politischen Konkurrenten? Ja, wenn wir noch bürgerliche Partner finden. Sie zweifeln? Vor allem die CVP ist nach links gerückt. Ist es nicht tragisch, dass die SVP zwar stark, Ihre bürgerlichen Allianzpartner dafür umso kleiner geworden sind? Die SVP ist stark geworden, weil die anderen Parteien schwach geworden sind. „Unter den Blinden ist auch der Einäugige König.“ Ich habe ursprünglich die These vertreten, es sei besser, klein zu sein, aber mit klarem Profil. Jetzt sind wir plötzlich die grösste Partei trotz klarem Profil. Die SVP hat nicht zuletzt auf Kosten der FDP zugelegt. Leider. Aber nicht nur. Möchten sie mich für 4 Jahre als Parteipräsident anstellen? (lacht!) Vielleicht wäre sie in vier Jahren auf den Vormarsch. Treten Sie 2011 nochmals für den Bundesrat an? Das habe ich nicht im Sinn. Wollen Sie als Nationalrat ins Bundeshaus zurückkehren? Diese Frage lasse ich offen. Im Frühjahr 2011 werde ich mich entscheiden.

28.01.2009

Stets vollumfänglich informiert

Der ehemalige Justizminister Christoph Blocher nimmt Stellung zur Kritik an der Aktenvernichtung im Fall Tinner. Interview in der "Weltwoche" vom 28. Januar 2009 von Urs Gehriger Gehriger: Die Delegation der Geschäftsprüfungskommission (GPDel) wirft Ihnen vor, Sie hätten den Bundesrat nur schrittweise über die Probleme des brisanten Falles informiert. Warum haben Sie nicht rascher Transparenz geschaffen? Blocher: Der Bundesrat war stets vollumfänglich und von Anfang an informiert. Ich kenne auch keinen Bundesrat, der etwas bemängelt hätte. Die anfängliche Strategie war: Akten in der Schweiz in Sicherheit bringen. Nur die Bundesanwaltschaft hat Zugang. Über das Vorhandensein der Akten und ihre Bewirtschaftung besteht «Geheimhaltung». Die Geheimhaltung war absolut sichergestellt bis Anfang 2008. Von höchster Brisanz im Fall Tinner sind Baupläne für Nuklearwaffen. Laut GPDel hatte die Bundesanwaltschaft im Frühjahr 2006 mit Hilfe von Experten der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) diese Pläne identifiziert. Wann wurden Sie darüber informiert? Im Sommer 2006 – jedenfalls nach dem Ausscheiden von Bundesanwalt Roschacher (5. Juli 2006) wurde das EJPD orientiert, und zwar durch dessen Stellvertreter. Gemäss GPDel haben Sie den Bundesrat erst im November 2006 über die Bombenbaupläne benachrichtigt. Wieso hielten Sie die hochbrisante Nachricht vier Monate vor Ihren Kollegen zurück? Der Bundesrat wurde mündlich orientiert. Die Delegation hat einfach die Protokolle des Bundesrates angeschaut. Bei geheimen Angelegenheiten sind Protokolle möglichst zu unterlassen. Viele Gespräche sind nicht an den Bundesratssitzungen geführt worden, sondern zwischen den einzelnen Bundesräten. In erster Linie involviert waren das EDA, Frau Calmy-Rey, und das VBS, Herr Schmid, aber auch immer der jeweilige Bundespräsident. Zwischen Sommer 2006 und November 2006 wurde bereits ein Antrag über das weitere Vorgehen vorbereitet. Die Akten waren ja vorläufig in Sicherheit, und das sind sie auch bis zur Vernichtung geblieben. Das war die Hauptsache. Seinen Beschluss zur Aktenvernichtung fasste der Bundesrat erst im November 2007. Der Vorwurf lautet, Sie hätten die Akten 16 Monate lang liegenlassen. Einerseits wirft man mir vor, es sei zu spät und anderseits zu früh gehandelt worden. Die Tendenz der GPDel zur üblichen Verunglimpfung wird sichtbar. Die Vorbereitung auf allen Stufen dauerte so lange. Der Forderung der USA, die Akten auszuhändigen, konnten wir aus eigentumspolitischen, souveränitätsmässigen und neutralitätsrechtlichen Überzeugungen nicht entgegenkommen. Es dauerte lange, bis alle involvierten massgeblichen Kreise im In- und Ausland mit der Vernichtung einverstanden waren! Schliesslich sicherten wir ihnen zu, dass wir die Zerstörung unter Aufsicht der IAEA vollziehen werden. So erreichten wir eine Einigung. Früher konnte und musste nicht gehandelt werden. Für Unverständnis sorgt der Bundesratsentscheid, gleich alle Akten zu vernichten. Wäre nicht genügend Zeit vorhanden gewesen für eine Triage des Materials? Dies ist eingehend geprüft worden. Dafür hätten wir sehr viele Personen involvieren müssen, Fachleute, aber auch Juristen, die Anwälte der Tinners und die Bundesanwaltschaft. Wir kamen zum Schluss, dass eine Geheimhaltung der brisanten Angelegenheit durch zusätzliche Mitwisser unmöglich geworden wäre. Auch die Tinner-Anwälte lehnten eine Triage ab. Eine Trennung war viel zu risikoreich! Und hätte kaum einen Vorteil gebracht. Ein Hauptvorwurf der GPDel lautet: Der Bundesrat habe «unverhältnismässig» in die Gewaltentrennung eingegriffen. Durch die Vernichtung aller Akten sei ein Verfahren gegen die Tinners praktisch unmöglich geworden. Warum nahm man dies in Kauf? Der Bundesrat hatte abzuwägen. Die Sicherheit des Landes und der Welt ging vor. Das Risiko, dass allenfalls ein Strafverfahren erschwert werden könnte, musste in Kauf genommen werden. Die Rücksichtnahme auf völkerrechtliche Verpflichtungen, auf die Sicherung des Weltfriedens und die Sicherheit des Landes hatte Vorrang. «Fiat justitia et pereat mundus» hatte zurückzutreten. Die Nichtverbreitung von Kernwaffen liegt auch im Interesse der Schweiz. Die Schweiz hat den Atomsperrvertrag unterschrieben.