Testi
31.10.2008
24.09.2008
Muss die Schweiz an US-Plan mitzahlen?
Interview mit der „Handelszeitung“ vom 24. September 2008 Mit Martin Spieler Handelszeitung: Wie werten Sie die Rettungsaktion der USA für die Banken? Christoph Blocher: Es war leider eine notwendige Aktion. Was jetzt in Amerika geschehen ist, ist unter „Kriegsrecht“ abzubuchen: Es gilt nur eines: Die Rettung der Volkswirtschaft und die Rettung des Landes, wenn überhaupt nicht des Welt-Finanzsystems. USA-Finanzminister Henry Paulson möchte, dass sich auch andere Staaten an der Rettungsaktion finanziell beteiligen. Müsste auch die Schweiz aktiv werden? Heute haben wir keinen Grund dazu. Ich bin der Meinung, dass die Schweizer Banken durchkommen ohne eine solche Rettungsaktion, aber man kann ja nichts ausschliessen. Wenn eines der grossen Finanzinstitute existenziell betroffen wäre, was ich im Moment nicht glaube, dann müsste man das prüfen. Müsste auch die Schweiz einen eigenen Auffangfonds schaffen? Nein. Die Schweizer Banken müssen alles tun, damit sie selbst durchkommen. Das sind die Regeln der Privatwirtschaft. Für die Firmen gehört es zum Risiko, dass sie auch untergehen können. Aber, wenn dies geschieht, dürfen nicht untragbare Folgen für den Staat entstehen. Ich befürchte, dass dies bei Grossbanken und Versicherungen der Fall sein könnte: Too big - to fail! Dazu weiss ich nicht, ob die Schweiz überhaupt in der Lage wäre, solche Zusammenbrüche aufzufangen. Wäre es sinnvoll, eine Verschuldungsquote für die Grossbanken einzuführen und die Eigenmittelvorschriften für Banken zu verschärfen? Das bringt wenig, schwächt aber die Konkurrenzfähigkeit. Vielmehr müssen die Strukturen der Grossbanken verändert werden. Die Geschäftstätigkeit in den einzelnen Ländern müssen durch eigene Rechtspersönlichkeiten erfolgen, sodass ein Zusammenbruch in einem Staat nicht andere Ländergesellschaften - zum Beispiel im Falle USA nicht die schweizerische Schwesterfirma - trifft. Dies muss dringend geprüft werden. Aufgrund dieser Rettungsaktion wird die Verschuldung der USA nochmals massiv zunehmen. Welche Folgen sehen Sie für die Schweizer Exportfirmen? Die Finanzkrise wird den konjunkturellen Rückgang verstärken. Die Kreditvergabe wird schwieriger und teurer. Das Vertrauen muss zuerst wieder aufgebaut werden. Ist die UBS nach der Rettungsaktion der US-Regierung genügend abgesichert? Das kann man nicht eindeutig sagen. Die Rettungsaktion der USA hat die Lage zwar beruhigt, aber nicht gelöst. Offen ist auch, zu welchen Preisen diese schlechten Papiere übernommen werden. Wo sehen Sie jetzt noch die grössten Risiken für die Schweizer Banken? Das grösste Risiko liegt in möglichen Kettenreaktionen. Man kann ja die Banken und Versicherungen nicht einfach voneinander trennen. Sie sind ja alle verflochten miteinander.
21.09.2008
Was ist sozial?
Vortrag gehalten am Eidg. Dank-, Buss- und Bettag, Sonntag, 21. September 2008, in der Ref. Kirche Wollerau in Wilen der Evang.-ref. Kirchgemeinde Höfe (Schwyz)
21.09.2008
Man müsste die Tätigkeit im Ausland beschränken
Interview in der „SonntagsZeitung“ vom 21. September 2008 Mit Beat Schmid und Niklaus Vontobel Fürchten Sie nicht mehr um die Existenz der UBS? Nichts ist ausgeschlossen. Aber ich glaube, dass die UBS durchkommt. Aber die Ereignisse der letzten Tage zeigen, dass auch grösste und gute Firmen nicht vor dem Untergang gefeit sind. Deshalb muss der Staat wissen, was das für die ganze Volkswirtschaft heisst, und ob er in Zukunft für solche Fälle gewappnet ist. Haben der Bundesrat und die Nationalbank nicht schon längst einen solchen Plan? Ich glaube nicht. Der schlimmste Fall ist nicht geplant. Und vor allem: Wir müssen Rahmenbedingungen schaffen, die untragbare Risiken ausschliessen. Haben Sie das Thema im Bundesrat besprochen? Als die Rentenanstalt (heute Swiss Life) damals in Schieflage geriet, wurde es diskutiert. Weil sich die Situation dann besserte, sah man von Entschlüssen für den «Worst Case» ab. Das ist ein Fehler. Es gilt, Brandmauern zu errichten, damit es nicht zu einem Flächenbrand kommen kann! Das kann man nicht erst tun, wenn es schon brennt. Wie sieht Ihr Notfallplan aus? Im Detail habe ich ihn nicht. Aber die realistische Fragestellung wäre ein Erfolg. Ich glaube, dass wir in der Schweiz Rahmenbedingungen schaffen müssen, die Flächenbrände mit untragbaren Risiken verhindern. Die Risiken im schlimmsten Fall sind bei der heutigen Grösse von Banken und Versicherungen wohl untragbar. In der heutigen Organisation und im Verständnis der Marktteil-nehmer muss das Stammhaus in der Schweiz auch für sämtliche Verbindlichkeiten des Unternehmens im Ausland geradestehen, zum Beispiel bei der UBS die Risiken des USA-Geschäftes tragen. Das sind enorme Risiken. Wäre die Schweiz dazu überhaupt in der Lage? Ich glaube nicht. Wie soll der Notfallplan konkret funktionieren? Man könnte sich eine Holdingstruktur vorstellen, wobei das Geschäft in der Schweiz durch eine eigene Tochtergesellschaft betrieben würde. Die Tätigkeit der Holding im Ausland müsste auf ein bestimmtes Verhältnis zum Inlandgeschäft beschränkt werden, sodass die Existenz der Schweizer Bank nie gefährdet werden könnte oder - im schlimmsten Fall - in Krisen der Volkswirtschaft durch unser Land aufgefangen werden könnte. Die übrigen Tochtergesellschaften müssten weitgehend autonom geführt werden. Mit einer solchen Struktur würde das Wachstumspotenzial des Konzerns nicht eingeschränkt, das Risiko aber wesentlich transparenter. Das Vermögensverwaltungsgeschäft würde durch diese Organisation noch gestärkt. Wie hoch wollen Sie dieses Verhältnis ansetzen? Das ist zu eruieren. Es ist jetzt politisch zu fordern, dass eine Spezialistengruppe die Risiken und ihre Folgen auf die Schweiz untersucht und Vorschläge unterbreitet. Diese Arbeitsgruppe müsste dann auch die Frage beantworten, für welche Branchen, Geschäfte und Unternehmen diese Obergrenzen gelten sollten. Alles muss sich am für das Land tragbaren Risiko im schlimmsten Fall orientieren. EBK und Nationalbank wollen als Sicherungsmassnahme eine Verschuldungsobergrenze einführen. Dies dürfte wenig nützen, aber die Konkurrenzfähigkeit der Schweizer Finanzinstitute schwächen. Ziel muss sein, die Konkur-renzfähigkeit des Finanzplatzes nicht zu schwächen. Eine gewisse Gewinnschmälerung in guten Zeiten müsste jedoch in Kauf genommen werden. Also auch weniger konkurrenzfähig nein. Das würde für alle Konkurrenten gleich sein. Aber die Konkurrenzfähigkeit könnte man schnell stärken, indem wir endlich die Emissionsabgaben (Stempelsteuer) abschaffen! Haben Sie Ihre Ideen bereits mit Vertretern der Banken diskutiert? Ja. Natürlich sind diese - aus der Sicht der Banken - nicht erfreut, weil sie dies etwas einschränkt. Aber es geht hier nicht um die Banken allein. Es geht um die Risiken für die schweizerische Volkswirtschaft. Ihr Vorschlag würde eine Gesetzesänderung bedingen. Die SVP wird voraussichtlich noch in dieser Session einen Vorstoss einreichen, der die Prüfung dieser Fragen und Lösungsvorschläge verlangt. Ebenso muss das Problem der Wertpapierleihe - das sogenannte Securities Lending - für Finanzgesellschaften neu geregelt werden. Welche Änderungen wollen Sie dort durchsetzen? Es kann einfach nicht sein, dass Banken Aktien ausleihen an Marktteilnehmer, die dann die Kurse von Unternehmen - auch mit fragwürdigen Mitteln - nach unten treiben. Mit Leerverkäufen oder Shortsellings wird auf diese Art Kursmanipulation betrieben. Wie die jüngsten Ereignisse gezeigt haben, kann auf diese Art das Vertrauen in die gesamte Bankenbranche untergraben werden. Hier ist Handlungsbedarf gegeben. Ein Verbot müsste allerdings international koordiniert sein. Eben höre ich, dass die Amerikaner und die Engländer jetzt Massnahmen in dieser Richtung ergriffen haben. Die Engländer sollen Securities Lendings ab sofort verboten haben, und die USA ermitteln sogar strafrechtlich. Die Notenbank hat die grosse Versicherung AIG de facto verstaatlicht und Verluste aus der Krise dem Steuerzahler aufgebürdet. Missfällt Ihnen dies nicht? Doch. Aber jetzt ist es wie im Krieg: Zum Schutze einer Volkswirtschaft sind in solchen Fällen ausserordentliche Massnahmen notwendig. Welche Folgen hat die Krise für die Schweiz, schlittern wir in eine Rezession? Auf jeden Fall dürfte es wirtschaftlich schlechter gehen. Die weltweite Finanzkrise wird diesen Trend etwas verstärken. Ob es gerade eine eigentliche Rezession geben wird, muss man abwarten. Aber es ist klar: Nach der Überhitzung der letzten Jahre folgt zwangsläufig wieder eine Abkühlung. Volkswirtschaftsdirektorin Doris Leuthard sieht noch keine Anzeichen für eine Verschlechterung Das ist wohl auch von Wunschdenken geprägt. Sie will öffentlich nicht auf Panik machen. Das ist sogar verständlich. Hoffentlich denken aber der Bundesrat und die Unternehmer weiter. Kommt es zu einer Kreditklemme in der Schweiz? Banken und Kredite leben vom Vertrauen. Dieses ist angeschlagen, darum sind Kredite erschwert, obwohl viel Geld vorhanden ist. Jeder misstraut dem anderen. Das ist auch in der Schweiz so.
18.09.2008